Ryanair, immer wieder Ryanair. So wie auch in anderen Branchen einzelne Unternehmen stellvertretend für ein Prinzip genannt werden (man denke hier an Aldi für die Discounter), steht der irische Anbieter von Flugreisen für die Billigflieger dieser Welt. Und das Unternehmen hat (noch) ein markantes Gesicht, das des Ryanair-Chefs Michael O’Leary. Den als exzentrisch zu bezeichnen ist fast schon eine unzulässige Weichmalerei. »Legendär ist seine Fahrt durch das Städtchen Luton nördlich von London in einem Weltkriegspanzer: Im Jahr 2003 fuhr Michael O’Leary, Chef der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair, vor die Zentrale des Konkurrenten Easyjet und rief: „Wir werden das Luftfahrtgeschäft, so wie wir es kennen, zerstören!“ Binnen drei Jahren werde man die größte Airline Europas sein, kündigte er an … Es dauerte ein wenig länger, aber gemessen an der Zahl der beförderten Passagiere liegt Ryanair vor der Lufthansa-Gruppe auf Platz eins«, so Kevin P. Hoffmann in seinem Porträt Der Ire mit dem Panzer. Der Sohn irischer Landwirte hat sich seinen Ruf als größter Clown und Zyniker der Branche hart erarbeitet.
Aber man sollte ihn nicht nur reduzieren auf seine irren Ankündigungen. Beispiele dafür: Man prüfe den Einbau von Stehplätzen in den Maschinen – wobei sein Unternehmen damals, 2009, nicht vom Stehen, sondern vom „vertikalen Sitzen“ gesprochen hat. Und in offensichtlicher Anlehnung an den Traum der Alchemisten, aus Scheiße Gold zu machen, überrascht dann auch so eine fast schon als handfest zu nennende Überlegung nicht: » Die irische Fluggesellschaft plant eine Gebühr für den Toilettenbesuch an Bord. Außerdem soll die Zahl der Stillen Örtchen eventuell von drei auf eins reduziert werden, damit eine weitere Sitzreihe Platz im Flieger hat«, konnte man 2010 diesem Artikel entnehmen: Ryanair erwägt ein Geschäft mit der Notdurft. Alles bislang nur Luftnummern. Das gilt aber nicht für die realen Arbeitsbedingungen, denen die Beschäftigten bei diesem Unternehmen ausgesetzt sind.
Die Billigangebote haben ihren Preis. Menschen, die für Ryanair arbeiten, klagen über schlechte Bezahlung und miese Bedingungen. Zwei Berliner erzählen, was sie als Flugbegleiter bei Ryanair erlebt haben. „Die Verhältnisse sind skandalös“, berichten Dave und Roman, kann man diesem Artikel entnehmen: Ryanair: Zwei Flugbegleiter berichten über skandalöse Verhältnisse beim Billigflieger. Darin findet man diese Schilderung der Arbeitsbedingungen:
„Das Unternehmen will, dass du es nach zwei oder drei Jahren wieder verlässt“, so Dave. „Weil man dann meist weiß, wie es funktioniert. Sie wollen dich frisch und motiviert. Das ist ein Grund, warum sie gern Menschen unter 25 Jahren einstellen, am besten welche ohne Arbeitserfahrung.“ Und aus Ländern, in denen gute Jobs rar sind.
Die Beschäftigten, die man in einer Ryanair-Maschine antrifft, haben meist unterschiedliche Verträge mit unterschiedlicher Bezahlung und unterschiedlichen Bedingungen. Roman: „Es gibt alte und neue Verträge direkt mit Ryanair, es gibt Verträge mit Agenturen wie Crewlink oder Workforce – das sind die schlechtesten.“
Flugbegleiter fangen stets bei einer Agentur an, sie sind dann als Leiharbeiter für Ryanair tätig. Wichtig ist auch, wo die Basis liegt, der man zugeordnet ist.
In den ersten Monaten ist die Bezahlung noch geringer – wenn Stewardessen und Stewards den obligatorischen Trainingskurs nicht im Voraus bezahlt haben, sondern sich die Kosten vom Gehalt abziehen lassen. Abzuzahlen sind die Registrierungsgebühr (500 Euro) und die Trainingsgebühr (2999 Euro).
So lange landen nicht mehr als 1000 Euro pro Monat auf dem Konto. Wer nicht für eine Agentur arbeitet, sondern direkt bei Ryanair angestellt ist, verdiene meist mehr. Dann könne das Monatsgehalt 1500 Euro netto erreichen. Oder 1650 Euro.
Das Gehalt bei der Agentur Crewlink wird nach der Block Time berechnet – nach der Zeit zwischen dem Entfernen der Bremsklötze vor dem Flug und dem Vorlegen der Bremsklötze nach dem Flug, so Dave. Für Arbeiten außerhalb der Flugzeit erhielt er keine Kompensation, etwa fürs Reinigen des Flugzeugs, für das die Flugbegleiter zuständig sind. Auch für Wartezeiten gab es kein Geld. Roman nennt ein Beispiel: „Ich habe zehn Stunden und 40 Minuten gearbeitet, bezahlt wurden sieben Stunden und 50 Minuten.“
Jedes Mitglied des Kabinenpersonals hat ein Diensthandy, über das die Bordverkäufe abgerechnet werden. Mit dessen Hilfe können Vorgesetzte nachvollziehen, wie hoch die Umsätze sind. „Wenn du nicht wenige Minuten nach dem Start mit dem Verkauf beginnst, musst du mit einer Nachricht rechnen“, so Roman.
»Laut der Gewerkschaft Ver.di sind die meisten Flugbegleiterinnen bei Ryanair zwischen 18 und 30 Jahre alt und kommen aus wirtschaftlich gebeutelten Krisenländern in Süd- oder Osteuropa. Viele verlassen das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder … Viele haben noch Schulden bei ihrem Arbeitgeber, da Flugbegleiter bis vor Kurzem ihre interne Kurzausbildung selbst zahlen mussten.« So ein Hintergrund in diesem Artikel: „Wenn ihr für 20 Euro in den Urlaub fliegt, hat das seinen Preis“, in dem eine Ryanair-Flugbegleiterin von den miserablen Arbeitsbedingungen berichtet:
»Als ich nach einer kurzen und unkomplizierten Bewerbungsphase die Zusage per E-Mail bekam, war ich überglücklich … Den ersten Haken entdeckte ich allerdings wenige Tage später: Ich erhielt eine zweite E-Mail, in der eine Bankverbindung stand. Ich wurde aufgefordert, 3000 Euro zu überweisen, um ein sechswöchiges Training zu bezahlen, meine Ausbildung zur Stewardess. Ich kenne keine Airline, bei der man sein Flugbegleiter-Training selbst zahlen muss. Ich hatte großes Glück: Meine Familie unterstützte mich. Alle legten zusammen, und ich konnte das Geld direkt überweisen. Viele meiner Kollegen kommen aus noch ärmeren Verhältnissen als ich. Ryanair hat ihnen die Möglichkeit gegeben, das Geld in Monatsraten abzuzahlen. Das bedeutet allerdings, dass viele schon mit mehreren Tausend Euro Schulden in den Beruf starteten, denn auch unsere Berufskleidung müssen wir selbst bezahlen.
Seit wenigen Wochen hat Ryanair das System umgestellt: Wer jetzt ‚ausgebildet‘ wird, muss dies nicht mehr selbst zahlen, sondern erhält sogar ein Minigehalt – immerhin …
Von morgens um acht bis spätabends lernte ich alles über die Maschinen, Flugsicherheit und Gästebetreuung. Abends bekamen wir noch viele Lernmaterialien mit, die wir in der Nacht und am Wochenende lesen mussten … Ich habe einen irischen Arbeitsvertrag über eine Leiharbeitsfirma, so wie mehr als die Hälfte der in Deutschland arbeitenden Ryanair-Mitarbeiter. Das bedeutet: Obwohl ich in Deutschland arbeite und lebe, habe ich keine deutschen Rechte in der Arbeit. Und einen Nettoverdienst von 700 bis 1300 Euro. Es dauert Jahre, von diesem Geld die angehäuften Schulden zu begleichen, wenn man keine Unterstützung von seiner Familie hat. Und in den vergangenen fünf Jahren ist mein Gehalt nicht gestiegen.
Mein Leiharbeitsvertrag heißt auch: Ich bin nur befristet beschäftigt, bekomme kein Grundgehalt, sondern nur die Stunden werden bezahlt, die ich tatsächlich fliege – und ich erhalte Provisionen, wenn ich den Passagieren an Bord Essen und Getränke verkaufe. Alle Vorbereitungen, die vom Boden aus getroffen werden, und auch der Anfahrtsweg werden nicht bezahlt. Es kommt sehr häufig zu Verspätungen oder Flugausfällen, weil zum Beispiel das Personal falsch eingeteilt wurde. Diese Überstunden bekommen wir auch nicht vergütet.
Ich bekomme auch keine Lohnfortzahlung, wenn ich krank bin. Außerdem habe ich keine feste Zahl an Stunden, die ich jeden Monat arbeite, und das Unternehmen kann mich kurzfristig in die Basis einer anderen Stadt oder eines anderen Landes versetzen.«
Aber auch die Piloten leiden unter den Arbeitsbedingungen bei diesem Unternehmen. Bereits im Oktober 2017 berichtete Frank-Thomas Wenzel über deren Situation – und die Folgen – unter der Überschrift Niedrige Gehälter: Ryanair laufen die Piloten weg:
»Die Cockpitcrews von Ryanair sind die Niedrigverdiener in der Branche. Ein Co-Pilot beginnt bei 25.000 Euro pro Jahr. Maximal sind 85.000 Euro für einen Kapitän möglich. Bei Easyjet und Air Berlin können Kapitäne auf bis zu 150.000 Euro im Jahr, bei der Lufthansa auf über 200.000 Euro kommen. Ein größerer Teil arbeitet bei Ryanair aber als sogenannte Contract-Pilots. Gewerkschafter bezeichnen dies als Scheinselbstständigkeit. Die Flugzeugführer müssen Sozialabgaben selbst bestreiten. Es gibt keine Lohnfortzahlung bei Krankheit.«
Der Artikel erschien zu einer Zeit, als Ryanair rund 20.000 Flüge streichen musste – angeblich hatte man sich bei der Urlaubsplanung für die Piloten verkalkuliert, tatsächlich war es ein eklatanter Mangel an Piloten: »So sollen in den vergangenen Monaten rund 140 Flugzeugführer zum Konkurrenten Norwegian gewechselt sein, da ihnen dort bessere Arbeitsbedingungen geboten werden – vor allem unbefristete Anstellungsverträge und eine bessere Bezahlung … Ryanair stellt jährlich rund 50 neue Maschinen in Dienst. Das bedeutet, dass permanent neue Leute für das Cockpit gebraucht werden. Doch Norwegian expandiert ebenfalls und ist für Piloten attraktiver.«
Und das Unternehmen musste zähneknirschend reagieren: »Ryanair-Chef Michael O’Leary hat … seine Piloten mit einem eindringlichen Appell zum Bleiben aufgefordert. In einem Brief, der an alle Ryanair-Piloten gegangen sein soll, heißt es, sie könnten an verschiedenen Standorten mit Gehaltserhöhungen von 10.000 Euro für Flugkapitäne und 5000 Euro für Co-Piloten rechnen. Zusätzlich stellte O’Leary auch einen Loyalitätsbonus von bis zu 12.000 Euro, günstigere Vertragsbedingungen und bessere Aufstiegschancen in Aussicht.«
Das waren (und sind) zugleich sehr gute Rahmenbedingungen für etwas, was man sich bis dato bei dem Billigflieger schlichtweg nicht vorstellen konnte: Dass sich die Beschäftigten organisieren und Gewerkschaften im Unternehmen durchsetzen. Ein Sakrileg in der Denke von O’Leary & Co.
Und die Gunst der Verhältnisse wurde genutzt. Streiks wurde angedroht. »Bei Ryanair revoltieren die Piloten gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Die Airline lehnt bislang Verhandlungen mit Gewerkschaften ab. Eine harte Auseinandersetzung steht bevor«, so Rolf Obertreis im Dezember 2017 unter der Überschrift Deutsche Ryanair-Piloten wollen streiken. Und nach wenigen Tagen kam dann der Druchbruch: »Der irische Billigflieger Ryanair lenkt im Streit mit den Piloten ein und lässt erstmals in seiner 32-jährigen Geschichte Gewerkschaften zu. Ryanair habe dazu die Pilotengewerkschaften in Irland, Großbritannien, Deutschland, Italien, Spanien und Portugal zu Gesprächen eingeladen. Allerdings will die Gesellschaft nur mit Gewerkschaftern verhandeln, die selbst für Ryanair fliegen«, konnte man diesem Artikel entnehmen: Ryanair lenkt im Pilotenstreit ein.
„Ich kümmere mich nicht um Gewerkschaften“, erklärte der Chef des Billigfliegers Ryanair im Sommer 2016. In seinem Unternehmen gebe es keine. Und noch vergangenes Jahr bezeichnete der wortgewaltige Ire die europäischen Pilotenvereinigungen als „Rohrkrepierer“, die in Sachen Ryanair bloß „Lärm machen“ würden und am Niedergang anderer Fluggesellschaften beteiligt seien. Die scheinbare Anerkennung der Gewerkschaften sollte die unmittelbar drohenden Streiks Ende vergangenen Jahres verhindern – und man hoffte wohl, dass es sich tatsächlich um „Rohrkrepierer“ handelt. Weit gefehlt. In seinem Artikel Die Wut der Billigflieger berichtet Claus Hecking im Juli 2018: Knapp 100 Piloten haben in Ryanairs Heimatland Irland einen 24-stündigen Streik gestartet – zum ersten Mal überhaupt in der 33-jährigen Geschichte der Fluggesellschaft. »Das ist nur der Anfang einer Welle: … das Kabinenpersonal in Italien, Spanien, Portugal sowie Belgien (hat) ebenfalls einen Ausstand angekündigt. Und bei der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit läuft gerade eine Urabstimmung über einen Ryanair-Streik.«
»All diese Arbeitskampfmaßnahmen treffen Europas größten Billigflieger ganz gezielt mitten in der Hauptreisezeit – wenn Airlines ihr größtes Geschäft machen und der Imageschaden durch stornierte oder massiv verspätete Flüge besonders hoch ist.« Vor allem – und das ist ein interessanter Aspekt mit Blick auf die Zukunft der Arbeitskämpfe – wenn die Arbeitskampfmaßnahmen nicht auf ein einzelnes Land beschränkt sind, sondern über die Ländergrenzen koordiniert werden. Diesen Aspekt sollte man deutlich hervorheben:
»Gerade die Pilotengewerkschaften fühlen sich nun gegenüber Ryanair stark wie nie zuvor. Denn sie sind vereint wie nie zuvor. Mehr als ein Dutzend nationale Pilotenvereinigungen haben sich zur „Ryanair Transnational Pilot Group“ zusammengeschlossen. Diese solle ein Gegengewicht zur Unternehmensspitze bilden, die Verhandlungen koordinieren und „verhindern, dass weiter ein Land gegen das andere ausgespielt wird“, sagt Dirk Polloczek, Präsident des Dachverbandes der europäischen Pilotenvereinigungen (ECA).«
Die europäische Pilotenvereinigung ECA beschreibt das Problem: »Transnational Airlines (TNAs) with bases in more than one European country had reshuffled the employment terms & conditions for pilots. Pilots associations and unions have lost much of their bargaining and negotiations power because of airlines using ‚divide & conquer‘ strategies among its employees and (ab)using the differences in national legal frameworks.« Die Lösung: Transnational Airlines Pilot Groups unter dem Dach der ECA.
Und die Betroffenen lassen nicht locker: »In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob die Streiks beim Billigflieger Ryanair ausgeweitet werden. In mindestens fünf Ländern könnten Piloten die Arbeit niederlegen, möglicherweise auch in Deutschland. Die Piloten-Vereinigung Cockpit (VC) hat der größten europäischen Billig-Airline bis Wochenanfang ein Ultimatum zur Vorlage eines verhandlungsfähigen Angebots gestellt. Am Mittwoch wird sie entscheiden. Die Flugbegleiter von Ryanair haben sich in 13 Ländern abgestimmt und Forderungen formuliert. In mehreren Ländern gab es bereits Streiks, weitere sind angekündigt. «, berichtet Rolf Obertreis unter der Überschrift Kommt es bei Ryanair zu neuen Streiks?
Natürlich uns bereits angesprochen sind die neuen Entwicklungen bei Ryanair auch Ausdruck veränderter Marktverhältnisse. Dazu der Luftverkehrsexperte Heinrich Großbongardt in einem Interview – „Das Billigflugkonzept hat seinen Preis“ – mit dem Deutschlandfunk: Dass sich die Position von Ryanair inzwischen geändert hat, »zeigt eben auch veränderte Kräfteverhältnisse am Arbeitsmarkt. Es gab viele Jahre, in denen Piloten eher im Überangebot waren, und inzwischen sind Piloten bei allen Fluggesellschaften knapp. Wir haben altersbedingte Abgänge, aber wir haben natürlich auch das starke Wachstum des Luftverkehrs. Wenn man sich anschaut, wie viele Flugzeuge bestellt sind, dann müssen die einfach auch berädert werden, dann müssen einfach Piloten rein. Und für jedes Flugzeug, dass Boeing oder Airbus ausliefert, muss man jetzt nach Typ und je nach Einsatzspektrum zwischen zehn und 14 Besatzungsmitglieder im Cockpit rechnen.«
Und Elmar Wigand erläutert unter der prägnanten Überschrift Ryanair: Die Hölle friert zu: »Der ehemalige KPMG-Berater Michael O’Leary hat Ryanair in der Finanzoase Irland nach allen Regeln der hohen Künste Steuervermeidung und Sozial-Dumping aufgebaut. Ryanair besitzt eine Flotte von über 450 Flugzeugen an 87 Standorten in Europa. Das Unternehmen versteht es meisterhaft, Subventionen, Schlupflöcher und mangelhafte Regulierung in einzelnen Ländern zu nutzen und ausgefuchste Vertragskonstruktionen zu entwerfen, um die Beschäftigten verschiedener Standorte gegeneinander auszuspielen.« Doch damit könnte jetzt wenigstens etwas Schluss sein. Und auch Wigand sieht das Besondere, was sich hier vor unseren Augen herauszubilden beginnt:
»Es könnte zu Pilotenstreiks in sechs Ländern kommen, auch das Kabinen-Personal und Fluglotsen sind in Unruhe. Der Streik verspricht auch deshalb historisch zu werden, weil hier ein skrupelloser Konzern durch konzertiertes Vorgehen organisierter Lohnabhängiger europaweit in die Zange genommen wird.«
Immer im Kontext mit den für die Beschäftigten angesprochenen „günstigen“ Rahmenbedingungen, die von Wigand noch erweitert werden: «Der Zeitpunkt scheint äußerst günstig. Das europäische Flugverkehrsnetz steht auch ohne Streiks schon vor dem Kollaps. Maßloses Wachstum der Passagierzahlen bei gleichzeitigem profit-getriebenen Sparzwang, organisatorisches Chaos durch ein Dickicht aus ausgelagerten Sub-Unternehmen (“Optimierung der Wertschöpfungskette” nach McKinsey), katastrophale Personalausstattung bei Sicherheitspersonal, Fluglotsen, Piloten und Einsatzzentralen (Dispatcher) haben zu einer derart wackligen Situation geführt, dass kleine Stöße schon zum Zusammenbruch führen können.«
Und mit Blick auf die bisherigen Aktivitäten diagnostiziert Wigand: »Ein Erfolg ist der länderübergreifenden Streikbewegung jetzt schon sicher: Der hemdsärmelig, mitunter großmäulig auftretende Ryanair-Boss hatte noch im September 2017 verkündet, eher friere die Hölle zu und hacke er sich beide Arme ab, als dass Ryanair mit Gewerkschaften verhandele. Inzwischen unterzeichnet man immerhin schon Agreements und Absichtserklärungen zu Tarifverhandlungen mit bevorzugten Mainstream-Gewerkschaften und spricht zumindest pro Forma auch mit der renitenteren UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation), ja selbst mit streikerprobten Piloten-Gewerkschaften. Diese gehen allerdings von einer Hinhaltetaktik aus.«
Man wird sehen, wie das alles weitergeht. Aber historisch sind die neueren Entwicklungen allemal. Und unabhängig von den hier in den Raum gestellten grundsätzlich bedeutsamen Aspekten für die Arbeitskämpfe der Zukunft – es trifft das richtige Unternehmen. Das kann man definitiv sagen.