Einkommensarmut von Kindern und Jugendlichen steigt durch Zuwanderung. Am Ende geht es wieder einmal um den Arbeitsmarkt

Die Zahl armer Kinder steigt neuen Zahlen zufolge – in erster Linie, weil Kinder von Flüchtlingen in prekären Verhältnissen leben. Aber auch unter einheimischen Kindern gibt es besonders gefährdete Gruppen. So beginnt Florian Diekmann seinen Artikel Zuwanderung lässt Kinderarmut steigen, in dem er über eine neue Untersuchung des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) berichtet.

»Im Jahr 2015 lebten demnach im Schnitt 2,55 Millionen Mädchen und Jungen in Deutschland in Familien mit so wenig Geld, dass sie als arm oder armutsgefährdet gelten. Das entspricht einem Anteil von 19,7 Prozent aller Minderjähriger – im Jahr zuvor waren es noch 19,0 Prozent und damit 77.000 Kinder weniger.« Ein genauerer Blick auf die Daten ergibt hinsichtlich der Frage, woher dieser Anstieg kommt, einen interessanten Befund: »Demnach lässt sich der gesamte Anstieg der relativen Kinderarmut in den vergangenen Jahren mit der Zuwanderung von Flüchtlingen erklären, die ab 2012 deutlich anstieg, im Jahr 2015 einen Höhepunkt erreichte und seitdem stark rückläufig ist.« Der WSI-Kinderarmutsbericht ist Teil des WSI-Verteilungsmonitors.

Die Wissenschaftler des WSI kommen mit Blick auf die in der Abbildung dargestellten Daten zu dem Ergebnis, »dass die Kinderarmut in den Jahren der Flüchtlingskrise insgesamt etwas angestiegen ist. Das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist jedoch in diesem Zeitraum leicht gesunken. Im Hinblick auf die Kinder und Jugendlichen, die zwar einen Migrationshintergrund haben, aber in Deutschland geboren wurden, ist keine nennenswerte Veränderung des Armutsrisikos festzustellen. Allein in der relativ kleinen Gruppe der Minderjährigen, die selbst in die Bundesrepublik eingewandert sind, hat sich die Armut zwischen 2011 und 2015 von 35,7 auf 48,9 Prozent rasant ausgebreitet. Dies legt nahe, dass der gesamte Zuwachs der Kinderarmut auf das hohe Armutsrisiko der in den letzten fünf Jahren eingewanderten Personen unter 18 Jahren zurückzuführen ist.«

Auch bei den neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen gibt es hinsichtlich der Armutsbetroffenheit Unterschiede: »Die Armutsquote liegt unter Kindern und Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund aus Afrika bei 47,3 Prozent, aus dem Nahen und Mittleren Osten bei 44,9 Prozent. Aber auch unter den Kindern und Jugendlichen, die einen osteuropäischen Migrationshintergrund haben, ist das Armutsrisiko noch mehr als doppelt so hoch (27,4 Prozent) wie unter den Minderjährigen ohne Migrationshintergrund (13,5 Prozent).«

Untersucht wird auch die Frage: Wo leben die armen Kinder (und Jugendlichen)? Dazu das WSI mit der bekannten Polarisierung: »Am weitesten verbreitet ist die Kinderarmut nach wie vor in Bremen (34,2 Prozent), Berlin (29,8 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (29,0 Prozent). Die Regierungsbezirke mit den geringsten Anteilen armer Kinder sind Oberbayern (10,0 Prozent), Tübingen (10,6 Prozent) und die Oberpfalz (11,0 Prozent).« Aber auch das sollte man zur Kenntnis nehmen: »Erstmals seit zehn Jahren gibt es in Deutschland keinen Regierungsbezirk mehr, in dem weniger als jedes zehnte Kind armutsgefährdet ist.«

Die WSI-Forscher haben in ihrer Studie aber auch untersucht, welche Faktoren die regionalen Unterschiede bestimmen. Und sie kommen zu diesem Ergebnis, das von Diekmann in seinem Artikel so zusammengefasst wird:

»Den größten Einfluss auf die Höhe der Kinderarmutsquote hat demnach die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Frage, wie gut die Eltern in ihn integriert sind. Berücksichtigt man diese Faktoren, spielt etwa die Staatsangehörigkeit der Kinder keine Rolle mehr. Anders ausgedrückt: Der Migrationshintergrund an sich ist nicht die Ursache für Kinderarmut.«

Die Integration in Erwerbsarbeit ist also der entscheidende Faktor für die Erklärung der Unterschiede in der Betroffenheit von Einkommensarmut – aber nicht immer, denn: Bei einer weiteren Risikogruppe ist das anders: Kinder von Alleinerziehenden. Für sie bleibt das Armutsrisiko unabhängig von der Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich erhöht.

Fazit: Wieder einmal zeigt sich, dass es „Kinderarmut“ als solche nicht gibt, es handelt sich um abgeleitete Einkommensarmut der Eltern, mithin um „Familienarmut“ (vgl. dazu auch die Beiträge in diesem Blog zum Thema „Kinderarmut“). Besonders deutlich wird der Charakter der „Familienarmut“ bei vielen Alleinerziehenden, bei denen selbst eine Integration in Erwerbsarbeit offensichtlich nicht ausreicht, um sie und ihre Kinder über die Einkommensarmutsgrenze zu heben. Mithin ist Erwerbsarbeitsintegration wichtig, aber nicht alles.