Die Armutsquote in Großbritannien ist so hoch wie noch nie im 21. Jahrhundert. Mehr als jedes dritte Kind lebt in Armut

Der Blick über den nationalen Tellerrand und rüber auf die Insel. Und von dort kommen erschreckende Zahlen: Die Social Metrics Commission (SMC) hat ihren Jahresbericht 2024 veröffentlicht, eine Untersuchung von Ausmaß und Art der Armut im Vereinigten Königreich. Der Bericht stellt fest, dass die Armutsquote im Vereinigten Königreich heute höher ist als jemals zuvor im 21. Jahrhundert. 16 Millionen Menschen im Vereinigten Königreich leben in Familien, die von Armut betroffen sind. 5,2 Millionen davon sind Kinder, 9,2 Millionen sind Erwachsene im arbeitsfähigen Alter und 1,5 Millionen sind Erwachsene im Rentenalter. Die Armutsquote wird mit 24 Prozent ausgewiesen. Insgesamt ist die Armutsquoten seit 2019/20 um zwei Prozentpunkte gestiegen, was bedeutet, dass jetzt 2,1 Millionen Menschen mehr in Armut leben, als das ohne diesen Anstieg der Fall gewesen wäre.

Das alles und mehr findet man in diesem Report:

➔ Social Metrics Commission (2024): Measuring Poverty 2024. A report of the Social Metrics Commission, October 2024

Exkurs: Die besondere Bedeutung der SMC-Berichte seit 2018 für die Armutsforschung: Der Social Metrics Commission-Bericht ist insofern von besonderer Relevanz, als er die Ressourcen einer Familie und nicht nur ihr Einkommen misst und weithin als die genaueste Definition von Armut im Vereinigten Königreich gilt. Die Social Metrics Commission wurde 2016 gegründet, um einen neuen Ansatz zur Armutsmessung zu entwickeln. Als Reaktion auf die Tatsache, dass es im Vereinigten Königreich kein offizielles Maß für die Armut von Kindern, Erwachsenen oder Rentnern mehr gab, bestand ihr Ziel darin, Messgrößen zu entwickeln, die sowohl die Art und die Erfahrungen verschiedener Familien im Vereinigten Königreich mit Armut besser widerspiegeln als auch dazu dienen, einen Konsens über die Messung von Armut und Maßnahmen im Vereinigten Königreich herzustellen.
Nach zweieinhalb Jahren Arbeit veröffentlichte die Kommission im September 2018 ihren ersten Bericht (vgl. SMC 2018: A new measure of poverty for the UK, September 2018). Darin wird dargelegt, wie der Ansatz zur Armutsmessung im Vereinigten Königreich und anderswo verbessert werden könnte.
Das Vorgehen der Kommission umfasste Verbesserungen in drei Schlüsselbereichen: (1) Identifizierung derjenigen, die am wenigsten in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Berücksichtigung aller materiellen Ressourcen, nicht nur des Einkommens. Dies bedeutet zum Beispiel, dass eine Bewertung der verfügbaren liquiden Mittel der Familien integriert wurde; Berücksichtigung der unausweichlichen Kosten, mit denen manche Familien konfrontiert sind und die sie mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere in Armut stürzen. Dazu gehören die zusätzlichen Kosten einer Behinderung, Kinderbetreuungskosten sowie Miet- und Hypothekenkosten; sowie eine Erweiterung des Ansatzes der Armutsmessung, um eine Bewertung der Überbelegung von Wohnungen und derjenigen, die im Freien schlafen, einzubeziehen. (2) Verbesserung des Verständnisses der Art der Armut durch eine detaillierte Analyse des Ausmaßes und des Fortbestehens der Armut bei den von Armut Betroffenen; sowie schlussendlich (3) eine Bewertung der Indikatoren für Lebenserfahrungen, die die Unterschiede zwischen den Erfahrungen von Menschen, die in Armut leben, und denen, die über der Armutsgrenze leben, beleuchten.

Nach der derzeitigen Definition der Regierung, die nur das Durchschnittseinkommen und die Wohnkosten berücksichtigt, gelten 18 % der britischen Bevölkerung im Jahr bis März 2023 als absolut arm, darunter 3,6 Millionen Kinder. Nach dem SMC-Modell, das vom Ministerium für Arbeit und Renten (Department for Work and Pensions, DWP) übernommen werden soll, sind 1,6 Millionen Kinder mehr von Armut betroffen als nach der derzeitigen Definition.

Der neue Bericht zeigt, dass die Zahl der Kinder, die von Armut betroffen sind, von allen sozialen Gruppen am stärksten gestiegen ist. Seit der Zeit vor der Covid-Pandemie sind 260.000 Kinder zusätzlich von Armut betroffen, was zu einem Rekordwert von 36 Prozent oder 5,2 Millionen einkommensarmer Kinder geführt hat.

Von den 5,2 Millionen Kindern leben mehr als die Hälfte (55 Prozent) in Familien mit drei oder mehr Kindern.

Und es gibt weitere besonders hart von Armut betroffene Personengruppen:

Der Bericht stellt einen besorgniserregenden Anstieg der Zahl der Menschen mit Behinderungen fest, die seit der Pandemie in Armut leben, und zwar um 1,8 Millionen seit 2019/20 auf 8,7 Millionen im Jahr 2022/23. Mehr als die Hälfte aller Menschen, die im Vereinigten Königreich von schwerer Armut betroffen sind (54 Prozent), leben in einer Familie, in der eine behinderte Person lebt.

Fast jeder Zehnte der 16 Millionen Menschen in Armut übt eine Vollzeitbeschäftigung aus, was verdeutlicht, wie sich die Rekordinflation auf diejenigen auswirkt, die einer festen Beschäftigung nachgehen. Fast 5 Millionen der Armen waren Teil eines Haushalts mit Voll- oder Teilzeitbeschäftigung.