Das sind Meldungen, an die man sich in den vergangenen Jahren fast schon gewöhnt hat: »Wichtige Antibiotika sind weiterhin massiv von Lieferengpässen betroffen. Teilweise sind Wirkstoffe wie Azithromycin oder Penicillin voraussichtlich bis Ende dieses Jahres nicht lieferbar, meldet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).« Und weiter kann man dem Artikel Antibiotika massiv von Engpässen betroffen entnehmen: »Besonders Wirkstoffe wie Azithromycin, Penicillin und Amoxicillin sind laut BfArM teilweise bis Ende dieses Jahres nicht lieferbar. Für Penicillin-haltige Medikamente sind für insgesamt elf Produkte Engpässe gemeldet, ebenso für Amoxicillin-haltige Präparate.« Und bereits Anfang des Jahres 2024 wurde mit Blick auf 2023 berichtet: Lieferengpässe bei Medikamenten erreichen neuen Höchstwert: »Für das Gesamtjahr 2022 wurden mehr Engpässe beim Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet als im Corona-Jahr 2020 … Die Lage hat sich nochmals deutlich verschlechtert. 2023 stieg die Anzahl der Lieferengpässe um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.«
Das Thema ist wahrlich nicht neu und wird seit vielen Jahren diskutiert – so auch hier, vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Aus der Welt der Arzneimittelhersteller: Von Lieferengpässen in deutschen Apotheken bis zur „Wertabschöpfung“ durch Pharma-Konzerne vom 8. Januar 2020, also aus der Vor-Corona-Zeit. Darin ging es auch um bestimmte Geschäftsmodelle in der Arzneimittelherstellung, die für ein Verständnis der Mangellagen bedeutsam sind. So wie in der aktuellen Auseinandersetzung immer wieder auch auf China hingewiesen wird.
Wieder einmal China …
Seit geraumer Zeit wird zunehmend das Thema Abhängigkeiten von China in der Wirtschaftsdiskussion aufgerufen. Und das nicht ohne Grund, denn das begegnet uns an vielen und gerade auch für unseren Alltag hochrelevanten Stellen, man denke hier nur an die Solaranlagen.
Und seit Jahren wird auf die wachsende Abhängigkeit von China (und Indien) in einem Bereich gesprochen, der von wahrhaft existenzieller Bedeutung sein kann: Arzneimittel. So abhängig sind wir: 70 Prozent unserer Medikamente enthalten Wirkstoffe aus China, so ist ein Artikel überschrieben, der im November 2023 veröffentlicht wurde. Die Entwicklung, die dort beschrieben wird, sollte einen mehr als nachdenklich stimmen:
»Seit 20 Jahren wurde die Produktion von Medikamenten immer stärker von Europa nach Asien verlagert. Das führte zu einer enormen Abhängigkeit vom Ausland – und seit einiger Zeit auch immer wieder zu Knappheiten. Vor allem die Herstellung von Wirkstoffen für die patentfreien und daher preiswerten Generika in den vergangenen 20 Jahren wanderte mit der Zeit nach Asien. Dazu gehören bekannte Stoffe wie Paracetamol und Ibuprofen, aber auch das Breitband-Antibiotikum Amoxicillin. Wurden im Jahr 2000 noch etwa zwei Drittel der generischen Wirkstoffe in Europa produziert und ein Drittel in Asien, hat sich das Verhältnis nach einer Studie der Unternehmensberatung MundiCare im Auftrag des Branchenverbands Pro Generika heute umgekehrt: Zwei Drittel der Wirkstoffe stammen jetzt aus Ländern wie China oder Indien.«
»Die MundiCare-Studie hatte 2020 gut 560 Wirkstoffe untersucht und dabei festgestellt: 93 dieser Wirkstoffe werden nur noch außerhalb Europas hergestellt. Der Grund liegt wie so oft in den Kosten: Generika vermarkten sich vor allem über ihren günstigen Preis, die Konkurrenz ist zudem groß. Für Ibuprofen oder Paracetamol gibt es Dutzende Generika-Produkte.«
Aus der Globalisierung der Medikamentenproduktion resultierten nach Angaben des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller „dynamische Lieferketten mit unterschiedlichen Fertigungsstätten weltweit. Wenn es bei einzelnen Anbietern in Asien zu Ausfällen kommt, können in der Tat schnell weltweit Lieferengpässe entstehen.“
➔ Medikamenten-Wirkstoffe aus China und Indien am Beispiel Ibuprofen: »Das Patent für den populären Wirkstoff gegen Fieber, Zahn- oder Rückenschmerzen lief 1986 ab. Seither gibt es Ibuprofen-Generika, der Kostendruck ist hoch. Weltweit produzieren heute nur noch sechs Hersteller Ibuprofen-Generika, davon vier in Asien: Hubei Biocause und Shandong Xinhua in China, Solara und IOLPC in Indien sowie BASF (durch eine Fabrik in Texas) und SI Group in den USA. Diese sechs Firmen also pressen den Wirkstoff Ibuprofen mit geeigneten Hilfsstoffen zu einer Tablette zusammen und verpacken die Pillen dann.
Doch Anfang 2020 tauchten erstmals Probleme auf: Die indische Firma IOLPC frohlockte damals, dass die Weltmarktpreise für Ibuprofen-Präparate – und damit die Margen der Firma – aufgrund des Ausfalls von Hubei Biocause gestiegen seien. Dieses Unternehmen hat seinen Standort in der Anfang 2020 komplett abgeriegelten chinesischen Provinz Hubei – deren Hauptstadt Wuhan ist, wo das Coronavirus Ende 2019 erstmals massiv ausgebrochen war.
Es ging so weiter. Chinas Zentrum der Pharma-Produktion ist das Jangste-Delta, das 2022 infolge des strikten Lockdowns im nahe gelegenen Shanghai von vielen lokalen Transportbeschränkungen betroffen war. Viele Firmen konnten wochenlang nicht produzieren. Und das, was noch für den Export vom Band lief, gelangte vielfach nicht zum Shanghaier Hafen oder blieb dort hängen. Vor dem Containerhafen bildete sich während des Lockdowns der Metropole ein riesiger Schiffsstau.«
»Doch China produziert eben nicht nur die fertigen Ibuprofen-Generika, sondern an vielen Standorten auch den Wirkstoff Ibuprofen, der eben dann in Indien oder den USA zur Pille oder zum Saft wird. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Daxue Consulting in Peking werden rund 40 Prozent der weltweiten Medikamenten-Wirkstoffe in der Volksrepublik gefertigt. Etwa 70 Prozent aller in Europa und Japan produzierten Medikamente enthalten demnach die Wirkstoffe aus der Volksrepublik.«
… und auch Indien ist abhängig von China
»Das Gleiche gilt übrigens für Indien: Das riesige Land fertigt zwar viele Pillen und Säfte, doch dort fehlt die Tiefe der chinesischen Lieferkette. Viele Komponenten muss Indien einführen, vor allem aus China. Auch deshalb liegen die Produktionskosten in Indien 20 Prozent höher als in der Volksrepublik.
Nach einer Studie der Denkfabrik RIS in Delhi von 2021 ist Indien bei einigen wichtigen Wirkstoffen wie Paracetamol, Penicillin, Vitamin B12 und auch Ibuprofen zu 90 bis 100 Prozent von China abhängig. Sprich: Indien produziert zwar die Ibuprofen-Generika für den Weltmarkt. Doch das Ibuprofen selbst – und damit der entscheidende Wirkstoff – kommt fast immer aus China.«
Warum spielt China eine heute so dominante Rolle?
»Die dominante Stellung der Volksrepublik bei den Wirkstoffen sei „vor allem auf die kostengünstigen Produktionsmöglichkeiten in China mit seinen bewährten, großen Produktionsanlagen, vergleichsweise niedrigeren Energiekosten und einer weniger strengen Umweltpolitik“ zurückzuführen. Die starke Umweltverschmutzung durch die Produktion von Wirkstoffen und ihre chemischen Komponenten war ein Grund, warum Europa diesen Sektor gerne nach Asien abgab.
Aber die chinesische Umweltpolitik wird nun strenger – und das hat Auswirkungen auch auf die Preise (und die Verfügbarkeit):
»Ein Beispiel: Als das Unternehmen Anhui Bayi Chemical, das Nitrochlorbenzol herstellte – ein wichtiges Vorprodukt des Schmerzmittel-Wirkstoffs Paracetamol – seine Anlage Ende 2020 aufgrund von Umweltbedenken schließen musste, führte dies… zu einem drastischen Preisanstieg bei Paracetamol.«
Raus aus der Abhängigkeit! Aber wie?
Der Artikel aus dem November 2023 endet mit diesem Hinweis: »Von den USA und der Europäischen Union bis hin zu Indien und Japan suchen die Regierungen also nun zunehmend nach Möglichkeiten, eine größere Unabhängigkeit in der Lieferkette zu gewährleisten, etwa durch die Rückholung von Produktionen.«
In diese Richtung ging schon das ein Jahr vorher – im November 2022 – in der WirtschaftsWoche veröffentlichte Plädoyer von Jürgen Salz unter der Überschrift Wir müssen uns aus der (Medikamenten-) Abhängigkeit von China befreien! »Deutschland liefert sich aus. Über 60 Prozent der hierzulande verwendeten Arznei-Wirkstoffe stammen aus China und Indien. Gegen die fatale Abhängigkeit lässt sich etwas machen. Es gibt Lösungen und Vorbilder – allerdings nicht aus Deutschland.«
Was meint er damit?
Vorbilder, wie sich die Hegemonie der Chinesen auflösen ließe, kommen etwa aus Frankreich und Österreich, so Salz. »Dort unterstützen die Regierungen Unternehmen, um die Herstellung von Antibiotika oder des Schmerzmittels Paracetamol auf- und auszubauen. In den USA fließt viel Geld, um die Produktion wichtiger Roh- und Wirkstoffe für Arzneien zurück ins Land zu holen.«
»Es wird Zeit, dass Politik und Krankenkassen finanzielle Anreize schaffen, damit sich die Produktion von Arzneimitteln in Deutschland wieder wirtschaftlich lohnt: Festbeträge erhöhen und nicht nur auf den günstigsten Anbieter setzen.« So der Kommentar von Jürgen Salz aus dem November 2022.
➔ Nun ist tatsächlich auch was passiert seit dem November 2022. Am 13. Dezember 2023 hat die Bundesregierung unter der Überschrift Für den Pharmastandort Deutschland berichtet: »Unbürokratischere Zulassungen für Arzneimittel-Prüfungen, leichterer Zugang zu Gesundheitsdaten für die Forschung, Anreize, um Produktionsstätten nach Deutschland zu holen – das und noch mehr sieht die Pharmastrategie vor, die das Kabinett beschlossen hat.« Eine starke pharmazeutische Industrie sei für die Gesundheitsversorgung elementar: Es geht darum, die Menschen in Deutschland zuverlässig mit Arzneimitteln zu versorgen und die Entwicklung von neuen Arzneimitteln zu fördern. Unter der Überschrift „Weniger Abhängigkeit von internationalen Lieferketten“ finden wir dann diesen Hinweis: »Die Pharmaproduktion hat sich in der Vergangenheit immer mehr auf wenige Herstellungsstätten konzentriert, insbesondere in China und Indien. Diese Entwicklung hat zu mehr Abhängigkeit geführt. Sie steigert die Gefahr von Lieferkettenunterbrechungen und somit das Risiko von Versorgungsengpässen. Daher ist es wichtig, den Pharmastandort Deutschland attraktiver zu machen – und damit gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass wir alle zuverlässig mit Arzneimitteln versorgt werden. Aber nicht nur für die Gesundheitsversorgung ist der Pharmasektor wesentlich. Er hat auch große Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.« Die Pharmastrategie der Bundesregierung umfasst mehr als 40 Einzelmaßnahmen. Und darunter: »Es soll Anreize geben, Arzneimittel-Produktionsstätten in Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union anzusiedeln, zum Beispiel für Antibiotika oder Krebsmedikamente.«
➔ Bundesregierung (2023): Strategiepapier – Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland, Berlin, Dezember 2023.
Und in der Zwischenzeit?
Nach einem Medienbericht kommt der Schmerzmittelwirkstoff Metamizol bald ausschließlich aus Asien, so eine Meldung vom 21. Juni 2024: Produktion nur noch in China: Letztes Werk für Schmerzmittel Novalgin in Europa schließt. Was ist da nun wieder los?
»Metamizol, besser bekannt unter der Bezeichnung Novalgin, wird in Deutschland nach Ibuprofen am häufigsten verschrieben. In Frankfurt-Höchst wird der Wirkstoff noch hergestellt, doch der französische Konzern Euroapi will die Metamizol-Produktion zu Ende 2025 einstellen. Damit schließt der letzte Betrieb in Europa und China gewinnt mit seinen Betrieben die Markthoheit.«
»Deutsche Unternehmen wie Bayer oder Merck sind schon jetzt vom globalen Handel abhängig, wichtige Bestandteile ihrer Arzneimittel werden importiert. Apotheken und Arztpraxen klagen über fatalen Medikamentenmangel. Anfang des Jahres teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit, dass fast 500 Präparate nicht lieferbar seien.
Während viele Pharmafirmen hierzulande Metamizol anbieten, stellt niemand den Wirkstoff selbst her. Die 1100 Tonnen Wirkstoff, die für den deutschen Markt gebraucht werden, kommen dem Bericht zufolge schon jetzt größtenteils aus China, mit dem Produktionsstopp bei Euroapi bald komplett.«
Und warum machen die zu? Es ist wieder einmal der Preis:
»Deutsche Anbieter setzen aus Kostengründen kaum mehr auf den einzigen europäischen Hersteller. Der Wirkstoffpreis für Metamizol bei Euroapi dürfte dem Magazin zufolge im Vergleich zum Preis der chinesischen Wettbewerber rund 15 Cent pro Packung höher liegen.
Und der Mangel könnte sich verschärfen
Nun sind die durch die Corona-Pandemie zerrissenen Lieferketten wieder geflickt und es gibt auch keine Sanktionen gegen China, weil die Taiwan (noch nicht) angegriffen haben – aber dennoch könnte sich alsbald der Mangel als Folge der sehr einseitigen Abhängigkeitsverhältnisse verschärfen. Warum?
»In Deutschland drohen Lieferengpässe für bestimmte Medikamente. Grund ist ein neues chinesisches Gesetz«, kann man diesem Artikel entnehmen: Bald keine Antibiotika? „Hängen am Tropf von China“ – Deutschland kämpft mit Medikamenten-Problem. Die Ursache für diese aktuelle Entwicklung liegt in einer speziellen Gesetzgebung in China (dazu auch Große Probleme bei Arzneimittelkontrollen in China – Länder und Pharmabranche besorgt):
»Zum Hintergrund: Gemäß Arzneimittelgesetz führen die zuständigen Behörden der Länder Inspektionen bei Pharmaherstellern in der Volksrepublik China durch. Doch seitdem China das Anti-Spionage-Gesetz verschärft hat, haben mehrere deutsche Bundesländer … Probleme, diese sogenannte GMP-Inspektion in China durchzuführen.«
➔ Unter GMP (aus dem Englischen „Good Manufacturing Practice“ = Gute Herstellungspraxis) versteht man den Teil der Qualitätssicherung, welcher gleichbleibende Qualitätsstandards bei der Produktion und Prüfung von Arzneimitteln oder Wirkstoffen sicherstellt. Diese hohen Qualitätsansprüche müssen während der Herstellung, Verarbeitung, Verpackung und Lagerung von Arzneimitteln erfüllt werden.
Aber was soll denn ein Anti-Spionage-Gesetz mit diesen Kontrollen zu tun haben?
»Im Jahr 2023 hatte China das Anti-Spionage-Gesetz geändert, um nicht mehr nur Staatsgeheimnisse, sondern auch sehr vage definierte „nationale Interessen“ zu schützen, hieß es. Der Schutz vor Spionage bezieht sich künftig auch auf „alle Dokumente, Daten, Materialien und Artikel, die nationale Sicherheit und Interessen betreffen“, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua 2023 berichtete. Die Paragraphen sind laut der Pharmazeutischen Zeitung bewusst vage gehalten, sodass sie geeignet sind, jede Form der Informationsbeschaffung unter Strafe zu stellen.«
Und das hat jetzt Folgen: »Für die Arzneimittelversorgung in Deutschland ist das ein Problem. Seit der Verschärfung des Gesetzes wächst die Angst in Deutschland vor Festnahmen und weiteren Repressalien. Die zuständigen Inspektoren machen … deshalb seit Monaten keine Kontrollreisen nach China. Ohne die Kontrollen könnte es zum Stillstand in den Lieferketten der betroffenen Unternehmen kommen, was wiederum die Medikamentenversorgung in Deutschland belasten würde.«
Man muss wissen: »Betriebe müssen weltweit die GMP-Vorschriften befolgen, um eine Herstellungserlaubnis zu bekommen. Beim Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen nach Deutschland ist eine regelmäßige GMP-Kontrolle notwendig. In der Regel müssen diese Kontrollen laut Arzneimittelgesetz alle drei Jahre erfolgen.«
➔ Übrigens wie in einem Lehrbuch kann man an diesem Fallbeispiel die Ambivalenz von Regulierung erkennen. Wir haben ja eine intensive (und oftmals völlig berechtigte) kritische Diskussion über die Tiefen und vor allem Untiefen einer regulierungsbedingten Überbürokratisierung. Ist das hier nicht auch so? Die regulatorischen Vorschriften und deren konkreten Umsetzungsprobleme führen dazu, dass die Versorgungsprobleme mit Arzneimittel zunehmen bzw. eskalieren. Also weg bzw. runter mit der Regulierung, so ein naheliegender Impuls. Aber aufgepasst – hier geht es nicht um eine mehr oder weniger sinnbefreite regulatorische Auflage, die den Unternehmen das Leben schwer macht und die man mit guten Gründen schreddern könnte. Es geht hier um das wahrhaft existenzielle Thema der Arzneimittelsicherheit und alle verlassen sich darauf, dass in diesem Bereich gewährleistet wird, dass auch tatsächlich die Medikamente zu den herrschenden Standards geliefert werden. Darauf müssen wir uns alle als Konsumenten verlassen. Insofern geht es hier auch um einen elementaren Bereich des Verbraucherschutzes und um eine Regulierung, auf die man nicht verzichten sollte und darf.
Aber ist das mit den – aus der gegenwärtigen Regulierungsparalyse resultierenden – Lieferengpässen nicht nur eine abstrakte Gefahr? »Deutsche sind zwar bislang in China nicht festgenommen worden, wohl aber im vergangenen Jahr ein Mitarbeiter eines japanischen Arzneimittelherstellers – wegen Spionagevorwürfen«, kann man diesem Beitrag entnehmen: Deutsche Kontrolleure fürchten Festnahme in China. In Deutschland drohten jetzt wegen abgelaufener Zertifikate Medikamenten-Engpässe: „Insbesondere geht es um Antibiotika, aber auch Psychopharmaka, Anti-Depressiva, Blutdruckmittel, Diabetesmittel und auch Krebsmittel“, so Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin vom Verband Pharma Deutschland.
➔ Und nun? »Einige Bundesländer haben sich zwischenzeitlich mit Fernbewertungen beholfen – etwa der Bewertung schriftlicher Unterlagen – das sei aber nicht dauerhaft möglich, heißt es. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagt auf Anfrage, man nehme die Sorgen der Länder ernst und arbeite an einer Gesetzesänderung, die es deutschen Herstellern erlauben würde, über Zertifikate aus Drittstaaten die Qualitätssicherung nachzuweisen. Aber auch das ist keine Dauerlösung. Es brauche eine politische Lösung, heißt es aus den Ländern. Die Pharmaindustrie wünscht sich im chinesischen Anti-Spionagegesetz Ausnahmeregelungen für Inspektoren – sie sollten quasi wie Diplomaten besonderen Schutz genießen. Doch dass die chinesische Führung ihr Anti-Spionage-Gesetz ändert oder deutschen Inspektoren Ausnahmeregelungen gewährt, ist derzeit nicht abzusehen. Schon vor einem Jahr, als das neue Gesetz in Kraft trat, wiesen Regierungssprecher Kritik zurück: Jedes Land habe das Recht, die nationale Sicherheit durch innerstaatliche Gesetzgebung zu wahren, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning.«
Der Mangel bei Arzneimitteln, darunter neben Antibiotika auch Schmerzmittel, wird in diesem Kontext weiter zunehmen (müssen).