Man kennt das – regelmäßig betritt das ungleiche Paar Rente und Beamten-Pension die Bühne und im Blätterwald werden dann den überschaubaren und nicht selten kargen gesetzlichen Renten auch nach einem langen Erwerbsleben die üppig daherkommenden Pensionen der Staatsdiener gegenübergestellt. Dann wird zumeist von den Verteidigern des ganz eigenen Alterssicherungssystems der Beamten die Argumentation aufgebaut, dass man die gesetzlichen Renten gar nicht wirklich mit den Pensionen der Beamten vergleichen könne. In dem Strauß der Gründe für eine angebliche Nicht-Vergleichbarkeit von gesetzlicher Rente und Pension findet man dann auch regelmäßig den Hinweis, dass ja die Arbeitnehmer nicht nur die gesetzliche Rente, sondern (wenn auch nicht immer, weil in vielen Branchen nicht obligatorisch) auch eine Betriebsrente oder eine „Zusatzversorgung“ bekommen (können) – und diese Säule des Alterssicherungssystem muss in den Pensionen berücksichtigt werden, weil Beamte keine eigenständige betriebliche Alterssicherung haben.
Und was ist mit den vielen nicht-verbeamteten Staatsdienern, die es auch gibt? Die als Angestellte im öffentlichen Dienst mindestens genau so dem Staat dienen wie die Beschäftigten, die als Beamte in ihrem eigenen Besoldungs- und Versorgungssystem bis zum Lebensende untergebracht sind? Die bekommen neben ihrer gesetzlichen Rente eine betriebliche Altersversorgung. Für die angestellten Staatsdiener hat man die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) geschaffen.
Machen wir das mal persönlich:
»Mehr als 48 Jahre lang hat sie als Angestellte im öffentlichen Dienst gearbeitet – in der Verwaltung einer Uniklinik. Seit 2017 ist Kathrin Bär in Rente, insgesamt 1.700 Euro erhält sie. Hinzu kommen gut 350 Euro sogenannte Betriebsrente – also eine staatlich geförderte Zusatzrente, gezahlt vom früheren Arbeitgeber, dem Staat. Eigentlich eine gute Sache. Sie soll nämlich das ausgleichen, was pensionierte Beamte mehr bekommen: bei gleicher geleisteter Arbeit fast das doppelte.«
Diesen Sachverhalt, hinter dem eine angestellte ehemalige Staatsdienerin steht, findet man in dem Beitrag So benachteiligt der Staat zwei Millionen Rentner von Carsten Janz. Aber wieso benachteiligt der Staat seine ehemalige Angestellte? Die bekommt doch ausweislich des Sachverhalts eine Betriebsrente. Lesen wir also weiter:
Carsten Janz behauptet, dass diese Zusatzrente zu einer immer größer werdenden Ungerechtigkeit führen würde. Denn anders als die Pension steigt die Betriebsrente seit 2002 praktisch nicht mehr an. Schauen wir genauer hin:
Schuld daran sei das Betriebsrentengesetz, das „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG)“. Darin gibt es einen Passus, der die Erhöhung der Betriebsrente regelt. Janz stellt hier ab auf § 16 BetrAVG, der mit „Anpassungsprüfungspflicht“ überschrieben ist. Der ist so formuliert:
1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg
1. des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2. der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.
Dann gibt es da aber noch diesen Absatz, der um die Jahrtausendwende von der damaligen rot-grünen Bundesregierung in den § 16 BetrAVG eingebaut wurde:
(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn
1. der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen …
Man kann es auch so formulieren: Wenn die Betriebsrente um ein Prozent erhöht wird, gibt es keine weitere Erhöhung.
Genau dieser Absatz ist der Kathrin Bär aus dem Sachverhalt auf die Füße gefallen: „Seit ich vor fünf Jahren aufgehört habe zu arbeiten, wurde meine Betriebsrente nur um wenige Euro erhöht“, so wird sie in dem Artikel von Janz zitiert, der ergänzt: Genau genommen: um etwa fünf Euro.
Und nein, es handelt sich hier nicht um irgendeinen mehr oder weniger skurrilen Einzelfall, sondern hinsichtlich der Betroffenen sprechen wir über eine ganz große Hausnummer:
»So wie ihr geht es in Deutschland gut 1,4 Millionen Menschen, die im öffentlichen Dienst angestellt waren, sowie weiteren gut 600.000 Menschen, die noch alte Betriebsrenten aus Pensionskassen bekommen.«
Nun muss man daran erinnern, wofür diese „Ein Prozent-Regelung“ eingefügt wurde in das Betriebsrentengesetz: Dieser Passus »sollte eigentlich nur für jene Unternehmen gelten, die noch Pensionskassen betreiben. Für sie war es als eine Art Sicherung in wirtschaftlich schlechten Zeiten gedacht.«
Aber Anfang der 2000er Jahre hat die Gewerkschaft ver.di, im Jahr 2001 durch Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften entstanden, laut Janz mit ausgehandelt, dass die Regelung auch für die ehemaligen Angestellten des öffentlichen Dienstes gelten soll.
Das hat handfeste und teure Folgen. Würde die Betriebsrente zumindest der Inflation angepasst, dann kämen Tausende Euro mehr in der Bezugszeit zusammen. Zahlreiche Betriebsrentner werden diskriminiert, „weil sie anders behandelt werden als Beamte“, so der Vorwurf von Bernd Mathies, dem Anwalt von Kathrin Bär.
Denn die Pensionen der Beamten, in denen ja angeblich die betriebliche Altersvorsorgekomponente eingebaut sei, die sind ohne die Bremse angehoben worden, die unter Berücksichtigung der Inflation zu einer Betriebsrentenschmelze bei den ehemaligen angestellten Staatsdienern geführt hat.
Dass die Gewerkschaft hier eine Korrektur im Sinne einer Gleichstellung mit den Beamten fordert, ist nicht bekannt. Und auch die Politik ignoriert bislang das Thema.
Am Ende des Beitrags von Carsten Janz gibt es dann noch diesen Ausblick: »Rentnerin Kathrin Bär hat sich entschieden, nicht darauf zu warten. Sie wird gegen die Diskriminierung klagen. Im Zweifel durch alle Instanzen, bis es vor dem Bundesverfassungsgericht landet. Das ist ein langer Weg.«
Es geht noch schlimmer für Betriebsrentner: Null Prozent
Nun könnte man zynisch darauf hinweisen, dass es wenigstens ein Prozent mehr Betriebsrente gibt, wenn von der Sonderregelung Gebrauch gemacht wird. Aber da kann man noch einen raufsetzen. Um das nachzuvollziehen, hier die Stufenregelung hinsichtlich der Anpassung der Betriebsrenten, wie sie im § 16 BetrAVG normiert ist:
»Laut §16 im Betriebsrentengesetz müssen betriebliche Renten regelmäßig angepasst werden. Dadurch soll verhindert werden, dass die Rente durch Inflation an Wert verliert. Spätestens alle drei Jahre muss der Arbeitgeber die Betriebsrenten überprüfen und dann mindestens an die Inflation anpassen. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Arbeitgeber automatisch jedes Jahr die Betriebsrenten um ein Prozent erhöht. Allerdings entfällt diese Pflicht, wenn das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Betriebsrenten anzupassen. In dem Fall muss es eine schriftliche Mitteilung geben, die dem Rentner die wirtschaftliche Lage erklärt. Der Arbeitgeber muss also beweisen, dass er nicht in der Lage ist, mehr zu zahlen.« (Amy Walker: Hunderttausende Rentner betroffen: Warum manche Betriebsrenten trotz Inflation nicht steigen werden).
Neben der „normalen“ Anpassungsvorschrift (spätestens alle drei Jahre und dabei mindestens in Höhe der Inflationsentwicklung oder der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens) und der besprochenen Sonderregelung mit der einprozentigen jährlichen Anpassung gibt es also offensichtlich auch noch eine dritte Variante, bei der man sogar von dem einen Prozent befreit werden kann, wenn das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, die einprozentige Erhöhung zu finanzieren.
Dann aber muss man das den Betroffenen nicht nur sagen, sondern der Arbeitgeber muss auch beweisen, dass er dazu nicht in der Lage ist.
Aber selbst diese „Schutzvorschrift“ für die Betriebsrentner kann entfallen – und entfällt für eine bestimmte Gruppe unter den Betriebsrentnern. Dazu Amy Walker in ihrem Beitrag:
»Was passiert mit der Betriebsrente, wenn das Unternehmen pleite geht? Seit 1975 gibt es dafür den Pensionssicherungsverein (PSVaG), der für die Insolvenzsicherung zuständig ist. Dadurch gehen die Betroffenen beim Eintritt ins Rentenalter nicht leer aus.«
»Die meisten Betriebsrenten sind insolvenzsicherungspflichtig. Das heißt, der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass im Falle der Insolvenz der Firma die Renten weiterhin ausgezahlt werden können. Ein Weg, das zu tun, ist mit einer Mitgliedschaft beim PSVaG.«
Um welche Größenordnung geht es hier?
»2023 waren 100.000 Unternehmen in Deutschland Mitglieder beim PSVaG, das heißt, sie haben mit ihren Beiträgen die Betriebsrenten insolventer Firmen gedeckt. Geschützt sind dadurch rund 4,6 Millionen Betriebsrentner. Geht ein PSVaG-Mitglied insolvent, dann sind die Betriebsrenten dieser Firma automatisch geschützt. Die Rentner erhalten damit ihre Betriebsrenten vom PSVaG.
Der Pensionssicherungsverein hat laut dem jüngsten Geschäftsbericht im Jahr 2021 insgesamt 226.200 Anwärter und 464.000 Rentner versorgt. Es wurden 61 Millionen Euro direkt vom Verein ausgezahlt, weitere 922 Millionen Euro wurden von einem Konsortium gezahlt. Das Konsortium besteht aus 47 Versicherern, geschäftsführender Versicherer ist dabei die Allianz. Im Durchschnitt werden 177 Euro Betriebsrente im Monat ausgezahlt.«
Hört sich erst einmal gut an. Aber der Haken: Diese Betriebsrenten müssen nicht angepasst werden – und die Arbeitgeber müssen darüber auch nicht informieren.
»Für die Renten, die vom PSVaG ausgezahlt werden, gibt es … eine Ausnahme, die 1976 von der Bundesregierung in Kraft gesetzt und 1991 erneut bestätigt wurde. Der Pensionssicherungsverein muss demnach die Betriebsrenten nicht anpassen. Begründet wird das damit, dass die ehemaligen Mitarbeiter insolvent gewordener Unternehmen damit besser gestellt werden würden, als Betriebsrentner, deren Firmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sind, die Betriebsrenten anzupassen.«
Wer seine Betriebsrente vom PSVaG bekommt, hat so gut wie keine Chance, jemals in den Genuss einer Anpassung der Betriebsrente zu kommen. Unter Berücksichtigung der Inflation ist das dann die definitive Betriebsrentenschmelze.