Wenn die Versicherung warnt: Wachsende Risiken für Unternehmen durch soziale Unruhen

Seit vielen Jahren wird von dem Unternehmensversicherer Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) gemeinsam mit anderen Allianz Gesellschaften das „Allianz Risk Barometer“ veröffentlicht, eine Umfrage zu den wichtigsten Geschäftsrisiken weltweit. 2023 haben mehr als 2.700 Befragte daran teilgenommen. Für dieses Jahr wird gemeldet: Allianz Risk Barometer 2023: Cyber und Betriebsunterbrechung sind Top-Gefahren für Unternehmen, volkswirtschaftliche und Energierisiken die größten Aufsteiger. Nicht überraschend: Die Pandemie ist nicht länger unter den Top-10-Risiken. Naturkatastrophen und Klimawandel fallen in der Rangliste zurück, da sich Unternehmen aktuell mehr wegen der hohen Inflation, einer möglichen Rezession und der Energiekrise sorgen.

Aus sozialpolitischer Sicht interessant ist die Nr. 10 der Top 10-Risiken in diesem Jahr: „Politische Risiken und Gewalt“ steht da. Dazu diese Erläuterung: »Da Konflikte und soziale Proteste im vergangenen Jahr die Nachrichten beherrschten, sind politische Risiken und Gewalt erstmals in die Top-10-Risiken auf Platz 10 (13 %) aufgestiegen. Neben Krieg befürchten die Unternehmen auch zunehmende Störungen durch Streiks, Aufstände und Unruhen, etwa angeheizt durch die hohen Lebenshaltungskosten in vielen Ländern.«

Christoph Hein hat das in seinem Artikel Die steigenden Kosten sozialer Unruhen aufgegriffen. „Die Wut über die wachsende soziale Ungleichheit und die Lebenshaltungskosten, das schwindende Vertrauen in Regierungen und Institutionen und die zunehmende Polarisierung in der Politik sind zusammen mit dem steigenden Aktivismus und der Sorge um die Umwelt die Hauptfaktoren, die wohl zu weiteren Streiks und Unruhen führen werden“, heißt es in einem Bericht der Münchner Versicherungsgruppe. Wachsende gesellschaftliche Spannungen führten zu steigenden Kosten.

»Die Analysten schlagen einen weiten Bogen: Die Instabilität der Gesellschaften habe schon vor gut 15 Jahren während der Finanzkrise begonnen. Seit 2008 hätten die gewaltsamen Demonstrationen um mehr als die Hälfte zugelegt. Inzwischen sei die Sorge um „politische Risiken und Gewalt“ in der Umfrage Allianz Risk Barometer von Platz 13 auf Platz 10 vorgedrungen. Dabei spiele natürlich der Krieg in der Ukraine eine große Rolle. „Aber unsere Analysen zeigen, dass die kombinierten Risiken aus Streiks und Unruhen knapp 70 Prozent zu diesem Risiko beitragen“, sagt Srdjan Todorovic, der politische Gewalt für die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) im Auge behält.«

»Seit 2017 zählen die Fachleute mehr als 400 „bedeutende Anti-Regierungs-Proteste auf der ganzen Welt“. Mehr als 130 Länder hätten solche Unruhen erfahren, von denen sich fast ein Viertel länger als drei Monate hinzogen. Von den Protesten gegen Regierungen waren 130 direkt auf deren Wirtschaftspolitik gerichtet.«

»Immer stärker gefährdet – und damit wohl auch in ihrer Versicherungssumme teurer – sind öffentliche Gebäude wie Polizeistationen, die Transportinfrastruktur, Geschäfte wie Apotheken und solche, die für Globalisierung stehen, die Gebäude von Investoren aus dem Ausland. Die Folgen reichen weit: Werden Lieferketten unterbrochen, tendieren Regierungen zu einer nationalistischen Reaktion, die den Export knapper Güter einschränkt – wie etwa bei der Ausfuhr von Medikamenten und Grundstoffen während der Pandemie.«

Die Allianz Gruppe hat im Februar 2023 diesen Report veröffentlicht: Strikes, riots and civil commotion – a test of business resilience. Darin heißt es:

In einem globalen Kontext, den manche als „Poly-Krise“ bezeichnen, werden Unternehmen zunehmend direkt oder indirekt Zeuge der Auswirkungen von Protestbewegungen und zivilen Unruhen auf ihre Geschäftstätigkeit – ein Trend, der sich in diesem Jahr voraussichtlich noch verstärken wird.

Einige Daten dazu:

Laut dem Verisk Maplecroft Civil Unrest Index stieg das Risiko ziviler Unruhen zwischen dem zweiten und dritten Quartal 2022 in über 50 % der Länder. Von 198 Ländern stieg das Risiko in 101 Ländern, während es in 42 Ländern sank. Dies folgt einem Trend zunehmender Instabilität seit der globalen Finanzkrise vor etwa 15 Jahren. Die größte Verschlechterung aller Indikatoren ist bei gewalttätigen Demonstrationen zu verzeichnen, die seit 2008 um fast 50 % zugenommen haben.

Kein Wunder, dass „politische Risiken und Gewalt“ von den Befragten im jüngsten Allianz Risk Barometer 2023 als Top-10-Risiko eingestuft wurde und in der jährlichen Umfrage unter Risikomanagement-Experten aus aller Welt von Platz 13 auf Platz 10 vorrückte.

„Natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein wichtiger Faktor für diese Platzierungen“, so Srdjan Todorovic, Leiter der Abteilung Political Violence and Hostile Environment Solutions bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). „Bezeichnenderweise zeigt unsere Untersuchung jedoch, dass die kombinierten Risiken von Streiks, Unruhen und zivilem Aufruhr einen Anteil von fast 70 % an den besorgniserregendsten Risiken politischer Gewalt ausmachen, was die reale Bedrohung darstellt, die diese für Unternehmen darstellen.

„Wenn ich mir die diesjährigen Rankings des Allianz Risk Barometers ansehe, gibt es für mich einige blinde Flecken“, wird Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz Gruppe zu diesem Thema zitiert. „Wenn ich über Risiken nachdenke, die recht niedrig eingestuft werden, aber wichtig sind, würde ich sagen, dass ‚politische Risiken und Gewalt‘ das wichtigste ist.“