Die Corona-Pandemie hat viele Verwerfungen mit sich gebracht. Beispielsweise bei den Schülern am Ende ihrer Grundschulzeit

Die mittlerweile zwei vollen Corona-Jahre haben die allermeisten Menschen belastet und müde gemacht. Aber immer noch viel zu wenig Berücksichtigung findet in den Diskussionen unter den Erwachsenen die Situation der Kinder und Jugendlichen. Die haben die Einschränkungen, die man ihnen in den vergangenen Monaten zugemutet hat, in den allermeisten Fällen klaglos hingenommen und mitgemacht, was man auch als einen großen Akt gesellschaftlicher Solidarität der jungen Generation verstehen kann und sollte.

Zugleich wurden die Kinder und Jugendlichen gleichsam zu Objekten einer Corona-Pandemiebekämpfungspendelei. In den ersten Corona-Wellen wurden die Schüler und Schülerinnen nach Hause geschickt und auf ein – in einigen Fällen erfolgreiches, in vielen anderen aber auch katastrophales – Setting des Homeschooling verwiesen. Viele Stunden des Lernens und gemeinsamen Lebens in den Schulen (und das bei einer schon unter Normalbedingungen überschaubaren und von zahlreichen Unterbrechungen charakterisierten Lernzeit) sind ausgefallen bzw. wurden in die Familien privatisiert, wo die aufgepumpte Rolle der Ersatzbeschulung naturgemäß nur teilweise und in vielen Fällen eben auch gar nicht übernommen werden konnte. Man muss eigentlich keine Studien machen, um zu ahnen, dass das alles nicht folgenlos bleiben kann.

Bereits im ersten Corona-Jahr sind Bildungsforscher der Frage nachgegangen, wie sich beispielsweise die Schulschließungen und das Homeoffice auswirken. Vor allem Bildungsökonomen haben frühzeitig Warnungen publiziert von (möglicherweise) dauerhaften Schäden, die bei der jungen Generation angerichtet werden bzw. die sich herausbilden müssen in Folge der Art und Weise der Corona-Bekämpfungspolitik (vgl. dazu als Beispiel aus Österreich bereits im ersten Corona-Jahr veröffentlicht Julia Bock-Schappelwein und Ulrike Famira-Mühlberger (2020): Ökonomische Folgen von Schulschließungen). »The review shows substantial losses in cognitive skills on achievement tests, particularly for students from disadvantaged backgrounds«, so beispielsweise Katharina Werner und Ludger Wößmann in ihrer Veröffentlichung The Legacy of Covid-19 in Education (2021). Werner/Wößmann weisen an anderer Stelle darauf hin, dass wir davon ausgehen müssen, dass es sich um dauerhafte (individuelle, aber auch gesamtgesellschaftliche) Schäden handelt, die sie aus der für Bildungsökonomen typischen Perspektive so zusammenfassen: »There is clear evidence that the Covid-19 pandemic seriously impeded the cognitive and socio-emotional development of many children. If remediation fails, these skill losses are likely to reduce skill development, lifetime income, and economic growth and increase educational and economic inequality in the long run« (vgl. Werner/Wößmann (2021): Will the Covid-19 Pandemic Leave a Lasting Legacy in Children’s Skill Development?).

Wem das alles zu hoch aggegriert, zu abstrakt und möglicherweise zu ökonomistisch daherkommt, dem kann möglicherweise diese neue Studie einen Einblick geben in die messbaren Verwerfungen durch die Corona-Pandemie:

➔ Ulrich Ludewig et al. (2022): Die COVID-19 Pandemie und Lesekompetenz von Viertklässler*innen. Ergebnisse der IFS-Schulpanelstudie 2016-2021, Dortmund: Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS), März 2022

Aus dieser neuen Studie sind dann solche Berichte entstanden: Studie: Viertklässler können „alarmierend“ schlechter lesen als vor der Pandemie: »Während der Corona-Pandemie haben die Lesefähigkeiten von Viertklässlerinnen und Viertklässlern in Deutschland … gravierend abgenommen. Unter insgesamt fast 4300 getesteten Grundschülerinnen und Grundschülern wiesen Kinder der vierten Klassen 2021 nach gut einem Jahr pandemiebedingter Einschränkungen eine „substanziell geringere“ Lesekompetenz auf als Viertklässlerinnen und Viertklässler 2016 … Im Durchschnitt fehle den Kindern ein halbes Schuljahr.«

„Die Ergebnisse sind alarmierend“

»Nach häufigen Wechseln zwischen Distanz- und Präsenzlernen und Unterrichtsausfällen stellte das Forscherteam Leistungsabfälle durchgängig bei allen Gruppen unter den Viertklässlerinnen und Viertklässlern fest. Demnach sank der Anteil der starken und sehr starken Leserinnen und Leser von 44 Prozent (2016) auf 37 Prozent. 28 Prozent können nur schwach oder sehr schwach lesen – fünf Jahre zuvor waren das mit 22 Prozent deutlich weniger … Zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund wurde der ohnehin bestehende erhebliche Unterschied tendenziell noch größer. Und Viertklässlerinnen und Viertklässler mit ungünstigen Lernbedingungen – kein eigener Schreibtisch, kein zuverlässiges Internet – verlieren den Angaben zufolge noch stärker als Kinder mit günstigen Bedingungen.«

➔ Für die Studie waren Daten von insgesamt 4.290 Viertklässlerinnen und Viertklässler an 111 Schulen aus ganz Deutschland ausgewertet worden. Davon hatten 2.208 Schülerinnen und Schüler 2016 den standardisierten Lesekompetenztest IGLU bearbeitet. Im Frühsommer 2021, nach gut einem Jahr Lernen unter pandemiebedingten Einschränkungen, waren es 2.082 Viertklässlerinnen und Viertklässler, die mit dem Test der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) untersucht wurden. Es handelt sich nach IFS-Angaben um die ersten wissenschaftlich repräsentativen Daten zum Stand der Lesekompetenz von Viertklässlerinnen und Viertklässler vor und während der Pandemie. Eine Übersicht zur Studie und deren Ergebnisse findet man auf der Seite IFS-Schulpanelstudie.