»Liegt die zweite Corona-Impfung zu lange zurück, haben Arbeitnehmer künftig keinen Lohnanspruch mehr. Bislang betraf das nur Ungeimpfte in Quarantäne«, kann man dieser Meldung entnehmen: Millionen Arbeitnehmern droht Lohnausfall bei Quarantäne. Nach einem Kurzgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages haben Arbeitnehmer in Quarantäne, die einmal geimpft sind oder deren Zweitimpfung mehr als drei Monate zurückliegt, künftig keinen Anspruch auf eine Lohnzahlung.
Grundlage für die Meldung ist diese Ausarbeitung:
➔ Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (2022): Zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs bei Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG infolge fehlender Auffrischimpfung. WD 9 – 3000 – 003/22 (18. Januar 2022)
Arbeitnehmer und Selbständige können ihren Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfällen verlieren, wenn sie keinen vollen Impfschutz durch eine Corona-Drittimpfung haben und in Quarantäne müssen. Eigentlich gewährt das Infektionsschutzgesetz Personen, die infiziert sind oder unter Infektionsverdacht stehen und denen deshalb eine Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit verboten ist, einen Entschädigungsanspruch in Geld. In der staubtrockenen Juristen-Sprache lautet das dann so:
»§ 56 Abs. 1 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gewährt Personen, die auf Grund des IfSG als Aus- scheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige oder als sonstige Träger von Krank- heitserregern im Sinne von § 31 S. 2 IfSG Verboten in der Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstä- tigkeit unterliegen oder unterworfen werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, eine Entschädigung in Geld.«
Hört sich eindeutiger an, als es ist, denn in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG findet man einen Ausschlussgrund, auf den die Wissenschaftlichen Dienste hinweisen:
»Danach erhält die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 IfSG nicht, „wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, […] ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.“«
Auf diesen Passus ist man gestoßen, weil die Wissenschaftlichen Dienste den Auftrag bekommen haben, zu prüfen, »ob auch das Fehlen einer COVID-19-Auffrischimpfung (sog. Booster-Impfung) zum Ausschluss der Entschädigung für den Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG führt. Dazu müsste die COVID-19-Auffrischimpfung zunächst eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung im Sinne der Norm sein.«
Um das zu klären, muss man berücksichtigen, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen abgibt. Die STIKO erarbeitet also „Empfehlungen“. Und dann geht es weiter nach unten, denn die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO aussprechen.
Und wie sieht es derzeit aus? »Die STIKO empfiehlt aktuell allen Personen ab dem 18. Lebensjahr eine COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff in einem Mindestabstand von drei Monaten zur Grundimmunisierung.« Für 12- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche soll das auch empfohlen werden, ist aber noch im Prozess.
»Sofern die obersten Landesgesundheitsbehörden auf Grundlage der Empfehlung der STIKO eine öffentliche Empfehlung zur COVID-19-Auffrischimpfung aussprechen, handelt es sich dabei um eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG.«
»Das Fehlen der COVID-19-Auffrischimpfung würde dann zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs für den Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG führen, sofern durch sie ein Verbot in der Ausübung der bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermieden werden können.«
Eine Übersicht über die Empfehlungen der Landesgesundheitsbehörden oder der Zahl möglicher Betroffener enthält die Expertise der Wissenschaftlichen Dienste nicht.
Die geboosterten Menschen sind seit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. Januar 2022 »von den Quarantänepflichten ausgenommen. Für Personen mit einer zweimaligen Impfung gelten die Ausnahmen von der Quarantänepflicht hingegen nur bis zum 90. Tag nach der Impfung.«
Das würde bedeuten, dass drei Monate nach der Zweitimpfung Schluss mit Ersatz des Verdienstausfalls bei Quarantäne ist (wenn denn in den jeweiligen Bundesland eine hier erforderliche Empfehlung seitens der obersten Landesgesundheitsbehörde vorliegt.
Damit wird nun etwas übertragen auf die Nicht-Geboosterten, was im Herbst 2021 schon mal gemacht wurden, denn damals beschlossen die Gesundheitsminister der Länder als generelle Linie, dass es für die meisten Nicht-Geimpften bei Verdienstausfällen, die wegen angeordneter Quarantäne entstehen, keine Entschädigung vom Staat mehr geben soll – und zwar für alle, für die es eine Impfempfehlung gibt und die sich auch impfen lassen können.
Und während in der Politik hinsichtlich einer allgemeine Impfpflicht die Entscheidung wie eine heiße Kartoffel von dem einen zum anderen geworfen wird, wird demnächst eine ganz andere Dimension von Lohnausfällen am Horizont heraufziehen:
Die „einrichtungsbezogene“ Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen, die zum 15. März 2022 scharf gestellt wird
Die neue Impfpflicht – genau genommen handelt es sich um eine „Nachweispflicht“ – wird ab dem 15. März 2022 für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Reha-Kliniken, Geburtshäusern oder auch bei Rettungsdiensten gelten. Dort müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann einen Nachweis vorlegen, dass sie vollständig geimpft oder genesen sind oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Geschieht dies nicht, muss der Arbeitgeber das Gesundheitsamt informieren. Das Gesundheitsamt kann ein Betretungsverbot für die Arbeitsstelle aussprechen. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass mit einem Betretungsverbot im Ergebnis auch die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers entfällt. Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen sind nicht ausgeschlossen.
In der Begründung zu Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (Bundestags-Drucksache 20/188 vom 06.12.2021) findet man auf der Seite 42 diesen klaren Hinweis, dass die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers entfällt, wenn ab März 2022 kein Impfnachweis geliefert werden kann bzw. der Arbeitnehmer das nicht will:
»Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in Einrichtungen oder Unternehmen nach Absatz 1 Satz 1 beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in Einrichtungen oder Unternehmen nach Absatz 1 Satz 1 tätig werden (betrifft nicht im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnis tätige Personen). Im Ergebnis entfällt für diesen Personenkreis die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 326 Absatz 1 BGB, § 326 Absatz 2, §§ 615 und 616 BGB sind nicht einschlägig). Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen können im Einzelfall in Betracht kommen.«
Die Nachweispflicht besteht gegenüber dem Arbeitgeber. Die Arbeitgeber sollen den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten prüfen und die Nachweise auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorlegen können. Die Verpflichtung, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Kommen Beschäftigte ihr nicht nach, liege ein Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vor.
Können die dann gekündigt werden? Der eine oder andere ahnt es schon, so schnell geht das auch nicht. Dazu Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg, der in diesem Beitrag zitiert wird: Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Was Beschäftigte wissen müssen: »Bevor der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, muss er erstmal dazu auffordern, den Nachweis zu erbringen. Ändert sich dadurch nichts, folgt eine Abmahnung. Die ist Hinweis für Beschäftigte, dass sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen und der Arbeitgeber das nicht weiter hinnehmen wird. In der Abmahnung weist der Arbeitgeber darauf hin, dass eine Kündigung droht – wenn der oder sie Beschäftigte den Nachweis weiterhin nicht erbringt. Wer dann immer noch keinen Nachweis vorlegt, muss allerdings damit rechnen, das die Kündigung des Arbeitsverhältnisses folgt.«
Und mit Blick auf die (Nicht-)Lohnzahlung: Arbeitnehmer, die keinen Nachweis vorlegen, dürfen nicht beschäftigt werden. In einem solchen Fall wird die Person freigestellt – und zwar ohne weiter eine Vergütung zu erhalten.