Ein Update zur Belegung der Intensivstationen in der zweiten Corona-Welle

»Die Zahl der Corona-Patienten auf deutschen Intensivstationen hat erstmals die Schwelle von 4.000 überschritten. Am Freitag meldete die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) 4011 Menschen in intensivmedizinischer Behandlung«, so diese Meldung: Höchstwert erreicht: Mehr als 4000 Corona-Patienten auf Intensivstationen. 60 Prozent der Patienten werden invasiv beatmet. »Nach dem raschen Anstieg der Infektionszahlen unter anderem im Oktober war erwartet worden, dass auch die Zahl der Schwerkranken und Toten deutlich steigt. Trotz eines seit Anfang November geltenden Teil-Lockdown stagniert das Infektionsgeschehen seit mehreren Wochen auf weitgehend hohem Niveau.«

Die tägliche Veränderung der Zahl der intensivmedizinisch betreuten Covid-19-Patienten sieht so aus:

Und zur Abrundung hier eine Darstellung der insgesamt belegten und der (noch) freien Betten auf den Intensivstationen sowie der sogenannten „Notfallreserve“ (innerhalb von 7 Tagen aktiuierbare Betten), die erst seit Anfang August 2020 erfasst und in den Daten aus dem Intensivregister ausgewiesen wird:

➔ Am 4. Dezember 2020 gab es 22.401 belegte Intensivbetten in Deutschland sowie 5.033 freie Intensivbetten. 11.731 Betten wurde als „Notfallreserve“ ausgewiesen, die man (angeblich) innerhalb von sieben Tagen aktivieren könnte – wobei an dieser Stelle offen bleiben muss, ob diese Betten dann auch mit geeignetem Personal, vor allem Pflegepersonal betrieben werden könnten. Angesichts des bereits vorhandenen Mangels muss man das mehr als kritisch sehen.
➔ Auf den Intensivstationen war die Zahl der verfügbaren Betten in den vergangenen Wochen deutlich gesunken. Sie liegt ohne Notfallreserve aktuell bei rund 5.000. Nach DIVI-Angaben könnte diese Entwicklung unter anderem auch damit zusammenhängen, dass einige Kliniken die Zahl ihrer freien Betten zunächst falsch angegeben hatten. Statt den „betriebsbereiten Betten“, für die auch Pflegepersonal zur Verfügung steht, hätten einige die tatsächlich vorhandene Bettenzahl an das Divi-Register weitergeleitet. Das sei mittlerweile korrigiert worden, so dass die Zahl der Betten im Register im Oktober und November gesunken sei. Es könnte allerdings auch sein, dass Pflegepersonal krankheitsbedingt ausfalle und die Krankenhäuser daher weniger Patienten auf den Intensivstationen aufnehmen können.

Gibt es Signale der Entwarnung? Offensichtlich, wenn man solche Überschriften zur Kenntnis nimmt: Intensivmediziner: Corona-Lage in Kliniken bessert sich (02.12.2020): »Trotz einer Rekordzahl von Corona-Todesfällen sieht der Chef der Intensivmediziner-Vereinigung, Uwe Janssens, die Situation in den Krankenhäusern unter Kontrolle. „Wir hoffen sehr stark, und wir sehen es in den letzten Tagen auch, dass wir in eine sehr hohe Stabilisierungsphase auf deutschen Intensivstationen eintreten“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin … Die Zuwächse bei den Zahlen seien nicht mehr in dem Umfang da, „das heißt, wir kommen auf ein Plateau“. Wenn es so bleibe, könne es in 14 bis 20 Tagen einen leichten Rückgang der Belastung geben … In einigen Regionen Deutschlands seien noch viele Intensivbetten frei, 20 bis 30 Prozent etwa in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Im theoretischen Fall wieder steigender Infektionszahlen müsste man demnach erst diese Ressourcen durch Verlegungen ausnutzen. Erst dann sei man an einer Grenze angekommen, er und viele seiner Kollegen gingen aber nicht davon aus, dass es so weit komme.«

Der letzte Punkt gilt natürlich auch umgekehrt, denn die Belastung der Intensivstationen streut zwischen den Regionen erheblich. Wo einerseits wie erwähnt noch zahlreiche Intensivbetten frei sind, sieht es anderswo deutlich schlechter aus. »Covid-19 bringt die Karlsruher Krankenhäuser an ihre Grenzen: Das „Diakonissen“ ist von Covid-Patienten überlaufen, die momentanen Kapazitäten im „Vincenz“ auch bald erschöpft. „Die Lage ist sehr angespannt, sie hat sich in der vergangenen Woche verschlechtert“, sagt Karl-Jürgen Lehmann, Vorstand der ViDia Kliniken Karlsruhe. Man schramme aber noch an einem Katastrophenszenario vorbei. „Wir bewegen uns unverändert auf einem sehr hohen Belastungsniveau“, erklärt für das Städtische Klinikum dessen Geschäftsführer Michael Geißler … Am Städtischen Klinikum waren am Freitag alle zehn Betten auf der für Covid-Patienten eingerichteten Intensivstation belegt.«, so dieser Artikel: Zweite Corona-Welle füllt Intensivstationen: Karlsruher Kliniken an der Schmerzgrenze.

Was wissen wir über die Sterblichkeit in der ersten Welle – und hat sich etwas geändert?

»Mediziner haben die erste deutschlandweite Analyse zu tödlichen Verläufen bei Covid-19-Intensivpatienten in der ersten Corona-Welle vorgestellt. Auffällig ist vor allem die hohe Sterblichkeit – so verläuft die Krankheit bei der Hälfte der Intensivpatienten tödlich … Bei stationär behandelten Covid-19-Patienten lag der Anteil demnach bei etwa einem Fünftel.« Darüber berichtet dieser Artikel: Rund 50 Prozent der Covid-19-Intensivpatienten in Deutschland starben. »Für die Studie wurden die Daten von rund 10.000 hospitalisierten Patienten während der ersten Corona-Welle im Frühjahr ausgewertet. Untersucht wurde etwa, wie viele Menschen an Beatmungsgeräte angeschlossen werden mussten und welche Rolle Vorerkrankungen spielten.« Der Großteil der Intensivpatienten musste während der ersten Welle invasiv beatmet werden. Allerdings gebe es Anzeichen, dass sich dieses Verhältnis in der aktuellen zweiten Welle verschoben und der Anteil an invasiv zu beatmenden Patienten deutlich abgenommen habe, so Christian Karagiannidis, Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim.

„Der härteste Risikofaktor, an dieser Krankheit zu sterben, ist nicht eine Vorerkrankung, sondern das Alter“, so Karagiannidis. Die Sterblichkeit bei Intensivpatienten über 80 Jahren liege bei über 70 Prozent, und auch bei über 70-Jährigen liege sie bei noch fast 65 Prozent – „das ist richtig viel“. Bei den unter 60-jährigen Intensivpatienten habe die Sterblichkeit immerhin noch mehr als 20 Prozent betragen.

Laut Christian Karagiannidis könnte es auf deutschen Intensivstationen bald zu einer „Stabilisierungsphase“ kommen. Derzeit befänden sich rund 4000 Patienten auf den Intensivstationen. Selbst bei einem Zuwachs von maximal 30 Prozent würde sich die Situation in den Krankenhäusern stabilisieren.

Über eine gesunkene Sterberate in der zweiten Welle wird in dem Artikel über die Situation in Karlsruhe berichtet. Aus dem Städtischen Klinikum: Es sterben dort weniger Covid-Patienten bezogen auf ihre Gesamtzahl als in der ersten Pandemiewelle im Frühjahr. „Die Sterberate ist von 25 auf 10,5 Prozent zurückgegangen.“ Wie kommt das? »Klinikdirektor Martin Bentz macht dafür „extrem beeindruckende medizinische Fortschritte bei der Behandlung“ verantwortlich.« das ist die eine Seite, die andere: »Dass inzwischen zwei Drittel dieser Patienten auf Normalstationen und nur ein Drittel auf der Intensivstation sterben, macht Geißler auch an einem veränderten Patientenverhalten fest: Mehr betagte und vorbelastete Menschen verzichten mittlerweile bei einer schweren Covid-Erkrankung auf intensivmedizinisches Eingreifen. Aus diesem Grund sterben viele Covid-Kranke, die gar nicht mehr in die Klinik wollen, in den Pflegeheimen oder zu Hause.«