Wenn das Personal doppelt fehlt. Beispiel Bremen: Da gab es 2019 von der Heimaufsicht nur zwei Regelprüfungen in Pflegeeinrichtungen

Dass in vielen Pflegeheimen Personal fehlt, ist ein leider seit Jahren immer wieder vorgetragener Missstand in unserem Pflegesystem. Teilweise müssen Aufnahmestopps für Pflegeheime verhängt werden, weil das erforderliche Personal schlichtweg nicht da ist. Und der allgegenwärtige Personalmangel wirkt auch an anderer Stelle, beispielsweise bei der Heimaufsicht.

»Immer öfter wird von Mängeln in verschiedenen Pflegeheimen berichtet, allerdings ist auch die Lage in der Heimaufsicht extrem schwierig: Im vergangenen Jahr wurden nur zwei Regelprüfungen durchgeführt«, berichtet Lisa-Maria Röhling in ihrem Artikel Kaum Kontrollen in Bremer Pflegeeinrichtungen. Und es kommt noch dicker: »Die Bremer Heimaufsicht, die für die Qualitätskontrolle von Pflege- und Behinderteneinrichtungen zuständig ist, hat in den vergangenen Jahren nahezu alle Regelprüfungen ausgelassen.«

Damit man ein Gefühl für die Relationen bekommt: »Demnach sind im Jahr 2019 zwei Einrichtungen überprüft worden. Eigentlich hätte die Heimaufsicht aber 190 dieser gesetzlich vorgeschriebenen, jährlichen Kontrollen erledigen müssen. Während zahlreiche Pflegeheime bei sogenannten anlassbezogenen Prüfungen kontrolliert wurden, sind insgesamt 47 Einrichtungen länger als zwei Jahre gar nicht von den Aufsichtsbehörden besucht worden.« Die Zahl dieser Prüfungen ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken: 2017 wickelte die Heimaufsicht acht von 191 vorgesehenen Regelkontrollen ab, 2018 waren es vier von 189. Die Hälfte der Regelprüfungen soll ohne vorherige Ankündigung geschehen. Knapp 200 Tagespflegeeinrichtungen oder Wohnformen mit ambulanten Pflegeleistungen unterliegen nicht den Regelprüfungen. Sie werden deshalb nur dann kontrolliert, wenn es Beschwerden gibt.

Bei den sogenannten Regelprüfungen geht es darum, Menschen in den Einrichtungen – dabei geht es nicht nur um stationäre Altenpflegeeinrichtungen, sondern auch um solche für Menschen mit Behinderungen und psychisch Erkrankte sowie Suchtkranke – bei der Wahrnehmung ihrer Interessen zu unterstützen und sie vor Benachteiligungen zu schützen. Die dafür zuständige Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht kann auch Belegungsstopps oder Auflagen wegen Pflegemängeln verhängen. »Bei den jährlichen Kontrollen soll die Heimaufsicht die Bewohnerstruktur, die Belegung, den Pflege- und Betreuungsplan, aber auch den Umgang mit den Bewohnern begutachten. Für viel Aufsehen hatte der 2017 verhängte Belegungsstopp im Pflegeheim „Marcusallee“ gesorgt, das unter dem vormaligen Betreiber Alloheim erhebliche Betreuungsdefizite aufgewiesen hatte.« Vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Belegungsstopp für Bremer Altenheim vom 12.03.2018. Mittlerweile ist das Pflegeheim der Alloheim-Gruppe von der Bremer Specht & Tegeler Seniorenresidenzen übernommen worden, dazu: Bremer Betreiber übernimmt umstrittenes Pflegeheim.

Nur eine differenzierende Anmerkung: Anders sieht die Situation bei den anlassbezogenen Kontrollen der Heime aus. Ihre Zahl steigt seit Jahren: Im Jahr 2017 waren es 210, bis Ende Oktober 2019 waren die Mitarbeiter der Heimaufsicht in 220 Fällen den Hinweisen auf mögliche Missstände nachgegangen. Dass es immer mehr Beschwerden gibt, hat auch mit dem zunehmenden Fachkräftemangel in den Einrichtungen zu tun.

Und wie begründet die zuständige Heimaufsicht dieses desaströse Ergebnis bei den Nicht-Regelprüfungen? Mit dem, was in vielen Einrichtungen ebenfalls das ganz große Problem darstellt: Personalmangel.

»Die Prüfbehörde hatte zuletzt immer wieder mit erheblichen Personalengpässen zu kämpfen: Im April 2018 waren zehn Mitarbeiter für die knapp 200 Einrichtungen zuständig, die Leitungsstelle war vakant. Im Dezember des gleichen Jahres wurde auf zwölf Angestellte mit einem Beschäftigungsvolumen von neun Sachbearbeitern aufgestockt, auch der Führungsposten war wieder besetzt. Nach Angaben der Sozialbehörde hat sich die Stunden- und die Mitarbeiterzahl innerhalb eines Jahres nun wieder reduziert: Im November arbeiteten elf Sachbearbeiter mit einem Stundenkontingent entsprechend dem von achteinhalb Vollzeitstellen bei der Wohn- und Betreuungsaufsicht.«

Das hat Folgen: »Hintergrund für die wenigen Kontrollen soll die schwierige Arbeitssituation sein. Konkret steige das Arbeitsaufkommen für die Sachbearbeiter konstant … Besonders gravierend scheint sich die Arbeitsbelastung der einzelnen Mitarbeiter entwickelt zu haben.« Dabei muss man berücksichtigen, dass die Mitarbeiter der Heimaufsicht die Einrichtungen in Alleinzuständigkeit betreuen müssen. Hinzu komme eine wachsende Zahl von Wohn- und Unterstützungsangeboten in Bremen sowie besonders interessant »gravierende Änderungen in der Trägerlandschaft und damit einhergehend auch eine sinkende Kooperationsbereitschaft. Dadurch müsse die Heimaufsicht wesentlich „intensiver und ausdauernder“ kontrollieren und sei zunehmend in juristische Auseinandersetzungen mit den Betreibern verwickelt.«

Die Berichterstattung über die gleichsam nicht mehr stattfindenden Regelprüfungen sorgt für Ärger in der Bremer Politik, so Nina Willborn in ihrem Artikel Parteien wollen mehr Kontrollen in Pflegeeinrichtungen. Die Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) wird mit den Worten zitiert, dass zusätzliches Personal nötig sei, „weil die Lage auf dem Pflegesektor mit ihren international operierenden Konzernen immer komplexer wird.“ Für den neuen Haushalt 2020/2021 hat ihr Ressort deshalb den Wunsch nach vier zusätzlichen Mitarbeitern für die Heimaufsicht angemeldet. Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, wird mit Blick auf die Prüftätigkeit, die sich auf anlassbezogene Kontrollen verdichtet habe, mit diesen Worten zitiert: „Die Heimaufsicht fährt, wie die Feuerwehr, nur zum Löschen raus, statt präventive Schutzmaßnahmen durchführen zu können.“

Dann muss man das eben umdefinieren. Dazu die Sozialsenatorin: „Formal ersetzt eine … Anlassprüfung zwar die Regelprüfung nicht“, so Stahmann, “faktisch sichert sie aber gleichermaßen die schutzwürdigen Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner.“ Die personelle Ausstattung der Heimaufsicht reiche derzeit für mehr nicht aus.