Leiharbeiter bekommen mehr Geld. In den nächsten drei Jahren. Zur Tarifeinigung zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und den Arbeitgeberverbänden der Arbeitnehmerüberlassung

Mehr als 750.000 Beschäftigte können sich Hoffnung machen. Tarifabschluss für Beschäftigte der Leiharbeit erzielt, meldet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Und die Erwartungen werden befeuert, wenn man die Worte von Stefan Körzell, Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer, zur Kenntnis nimmt: „Es waren harte Verhandlungen. Wir haben wesentliche Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Leiharbeitsbranche durchgesetzt. Neben der Entgelterhöhung gibt es künftig mehr Urlaubstage und ein höheres Urlaubs- und Weihnachtsgeld für alle Beschäftigten. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Angleichung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten dieser Branche.“ Die Leiharbeit ist die einzige Branche, in der alle acht Mitgliedsgewerkschaften als DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit Tarifverhandlungen führen. Mit der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), in der sich die beiden großen Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit, der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) zusammengeschlossen haben. Und die geben natürlich das von sich, was man von ihnen erwartet: »Der Verhandlungsführer der VGZ, … Sven Kramer, betont, man sei mit dem Abschluss bis an die Schmerzgrenze gegangen.«

Also haben die Gewerkschaften ihre 8,5 Prozent mehr bekommen – und zwar für eine Laufzeit von 12 Monaten? Das war deren Forderung, nachdem die Entgelttarifverträge fristgerecht zum 31.12.2019 gekündigt worden sind. Auch wenn sich das für manche nach viel anhören wird – 8,5 Prozent mehr bei dem bestehenden Lohngefüge in der Leiharbeit wären nicht einmal ein Euro mehr pro Stunde. Nun wird der eine oder andere an dieser Stelle schon zwei Anmerkungen machen: Zum einen ist es doch bekannt, dass man so gut wie nie mit dem heraus kommt, womit man in Verhandlungen reingegangen ist. Folglich werden es weniger sein. Und zum anderen könnte man erstaunt bis irritiert zur Kenntnis nehmen, dass bereits einen halben Monat vor dem 31.12.2019 ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt werden konnte. 

Also wie erwartet sind die Forderungen der Gewerkschaften am Ende bei weitem nicht erfüllt worden: »Beim Entgelt gibt es in 2020 eine Steigerung um 1,9 Prozent im Westen und 3 Prozent im Osten. Zum 1. Oktober 2020 gibt es im Osten eine zweite Anpassung um 2,2 Prozent … die Löhne (steigen) ab 1.4.2021 um weitere 3,0 Prozent, ab 1.04.2022 nochmals um 4,1 Prozent. Mit der neuen, zusätzlichen Entgeltgruppe 2b werden Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter mit einfacher Qualifikation deutlich bessergestellt. Arbeitnehmer mit einer dreijährigen abgeschlossen Berufsausbildung werden künftig in die Entgeltgruppe 4 eingruppiert.« Auch wichtig: »Ab 2021 gibt es eine gestaffelte Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, beginnend mit jeweils 150 Euro ab 6 monatiger Tätigkeit bis maximal 400 Euro ab 3 Jahren Tätigkeit in 2023.« Und: »Im ersten Jahr der Beschäftigung gibt es künftig 25 Tage Urlaub, im zweiten und dritten Jahr 27 und ab dem vierten Jahr 30 Tage.«

Man kann sich anhand der folgenden Abbildung verdeutlichen, um welche Größenordnungen es hier geht:

Hinsichtlich der Stufenregelung bei den Entgelthöhen muss ergänzt werden: Mit der neuen, zusätzlichen Entgeltgruppe 2b werden Leiharbeiter mit einfacher Qualifikation bessergestellt. Arbeitnehmer mit einer dreijährigen abgeschlossen Berufsausbildung werden künftig in die Entgeltgruppe 4 eingruppiert. Man muss aber darauf hinweisen, dass zahlreiche Leiharbeiter in der Entgeltgruppe 1 oder 2 eingruppiert sind.

Zwei Dinge kann man dem Tabellenwerk entnehmen: Angesichts der Tatsache, dass der gesetzliche Mindestlohn von derzeit noch 9,19 Euro pro Stunden Anfang 2020 auf 9,35 steigen wird und für 2021 eine weitere Anhebung kommen wird – vor allem aber angesichts der parallel laufenden Debatte über eine eigentlich notwendige Anhebung des Mindestlohns heute oder wenigstens in kurzen Schritten auf mindestens 12 Euro: Der Tarifabschluss mauert zahlreiche betroffene Leiharbeiter für mehrere Jahr unter dieser derzeit diskutierten und geforderten Grenze ein. Und zum anderen muss die lange Laufzeit hervorgehoben werden, die es denn auch nicht überraschend neben der maßvollen Erhöhung der Löhne das Hauptargument für die Arbeitgeberseite, dem Verhandlungsergebnis schnell zuzustimmen. Uwe Beyer, stellvertretender VGZ-Verhandlungsführer und BAP-Vorstandsmitglied, wird dann auch so zitiert: Der Tarifabschluss gibt „uns auch wieder drei Jahre Planungssicherheit, was angesichts der gegenwärtigen und zukünftigen Unsicherheitsfaktoren von großem Wert ist.“

Fazit: Man hat den Eindruck, dass hier offensichtlich zahlreiche Akteure froh sind, die Kuh schnell und mit einer langen Dauer vom Eis bekommen zu haben. Dabei gibt es in der Leiharbeit Besonderheiten, die es in anderen Branchen so nicht gibt und die die Frage aufwerfen, warum die Gewerkschaften nicht versucht haben, mehr von ihren Forderungen durchzusetzen: So ist ein eigener Tarifvertrag für die Leiharbeiter Voraussetzung dafür, dass die Verleihunternehmen ihren Beschäftigten nicht vom ersten Tag an „equal pay“ gewähren müssen, also (annähernd) gleiche Bezahlung wir die Stammbelegschaften in den entleihenden Unternehmen. Der derzeitige Tarifvertrag ist zum 31.12.2019 fristgerecht und ordentlich gekündigt worden. Hätte man bis zum neuen Jahr keine Einigung gefunden, dann würde der bestehende Tarifvertrag zwar nachwirken, aber diese Nachwirkung würde nicht für Neueinstellungen in der Leiharbeit gelten. Damit hätten die Gewerkschaften an sich ein starkes Druckmittel in der Hand. Man darf gespannt sein, wie die Gewerkschaften diesen Abschluss mit einer so langen Laufzeit erklären werden. Und ob sie das überhaupt zu erklären versuchen.