Mieten und Immobilienpreise steigen vor sich hin – und der Staat fördert einen Teil davon durch die steuerliche Begünstigung von Renditejägern

Ohne Frage – für viele Menschen nicht nur im unteren Einkommensbereich, sondern zunehmend für viele normale Durchschnittsverdiener ist der Mangel an halbwegs bezahlbaren Wohnraum gerade in den wachsenden Städten eine existenzielles Problem. Für die grassierende Wohnungsnot gibt es natürlich mehrere, teilweise ganz unterschiedliche Gründe. Aber eine Rolle spielt sicher der Tatbestand, dass sich in diesem Bereich zahlreiche Spekulanten und Renditejäger tummeln, die nicht nur, aber auch angesichts des Defizits an anderen renditenträchtigen Anlagemöglichkeiten das reichlich vorhandene Geld (also natürlich nicht bei allen, sondern den Anlegern) in den Immobilienbereich schleusen. Und die dort Kasse machen wollen.

Und die Mieten und Kaufpreise für Immobilien steigen und steigen. Und diese Bewegung der Preise nach oben wird auch durch staatliche Anreize gefördert statt begrenzt. Mit Blick auf den Preisanstieg führt Tal Schönball in seinem Kommentar Der Staat darf Renditejägern keine Steuerschlupflöcher lassen aus: »Schuld daran ist der Markt. Und der Staat. Denn der hat einer kleinen Gruppe von Investoren ein Jahrhundertgeschenk gemacht: Steuerfreiheit auf den Immobilienhandel. Dafür müssen die Investoren ihre hübschen Häuser nur in eine nette Verpackung verhüllen, in einen „Firmenmantel“. Schon ist die Steuerpflicht ausgehebelt – durch einen sogenannten „share deal“.«

Was um alles in der Welt ist ein „share deal“ in diesem Kontext? Schon seit Jahren kommt aus der Politik immer wieder die Klage, dass große Wohnungsbestände den Eigentümer wechseln, ohne dass die Bundesländer Steuern kassieren.

Bei „Share Deals“ werden nicht einzelne Wohnungen, sondern Anteile an Firmen verkauft. Diese haben oft Hunderte von Immobilien, aber keinen einzigen Mitarbeiter. Der Vorteil dieser Geschäfte: Grunderwerbsteuer – in Berlin sind das sechs Prozent – wird nur minimal fällig, weil ja auf dem Papier eine Firma und keine Immobilie verkauft wird. Experten zufolge erleichtert und beschleunigt dieses Instrument den Handel mit Wohnungspaketen. Und treibt die Preise. Denn kommt ein neuer Bieter für die Wohnungen und offeriert einen noch höheren Preis, kann das Paket im Mantel der Firma mit Gewinn unverzüglich weitergereicht werden, kann man diesem Artikel aus dem vergangenen Jahr entnehmen: Berlin will sich gegen Spekulanten wehren.

Das nun ist nicht erst eine in diesen Tagen kritisierter, derzeit legaler Steuertrick: »Ist der Preisanstieg da nicht die ganz normale Antwort des Marktes auf das knappe Gut? Nein, sagen Experten aus SPD und Opposition: Auch eine Rechtslücke beschleunige den Preisanstieg: „Share Deals“, die den Großen der Branche die Grunderwerbssteuer erspart«, konnte man diesem Artikel vom 8. Mai 2017 entnehmen: Wie sich Immobilienkonzerne die Grunderwerbssteuer sparen. »Statt wie jeder andere am Markt ein Haus oder eine Wohnung zu verkaufen (Asset Deals), worauf dann Grunderwerbssteuer zu zahlen ist, stecken die Verkäufer die Immobilien in eine Firma – und verkaufen deren Anteile (Shares) an die Käufer. Grunderwerbssteuer wird dann nicht fällig.« Aber wieso lässt der Gesetzgeber so etwas zu? Gehen wir mal davon aus, dass er das nicht von Anfang an bewusst so zulassen wollte, sondern es sich um eine Art Kollateralschaden einer ganz anderen Zielsetzung handelt.

Und tatsächlich war es so, dass man mit dieser Möglichkeit im Falle eines Eigentümerwechsels bei Industriefirmen Arbeitsplätze und Investitionsmittel durch den Verzicht auf Steuern schonen wollte. Ursprünglich sollte das Gesetz den Generationen-Übergang von produzierenden Firmen erleichtern. Der Unternehmer, der hunderte von Arbeitsplätzen durch seine Investition sicherte, sollte nicht auch noch mit einer Grunderwerbsteuer auf das Fabrikgebäude belastet werden.

»Gut gemeint, schlecht umgesetzt: Dass nun auch Finanzjongleure durch Steuerfreiheit dafür belohnt werden, dass sie auf steigende Mieten in Metropolen wie Berlin wetten … – das ist einfach nur ungerecht. Und muss gestoppt werden«, meint Ralf Schönball in seinem Kommentar Der Staat darf Renditejägern keine Steuerschlupflöcher lassen. Denn die »Firmen, die da verkauft werden, haben meistens keine Mitarbeiter, keinen Geschäftszweck außer der „Optimierung“ des „Wohnungsbestandes“. Einfach ausgedrückt: Mieten erhöhen bis an die Grenze des gesetzlich Zulässigen. Und dazu Modernisieren, weil die Kosten dafür an die Mieter weitergereicht werden können und außerdem noch weitere Steuervorteile bringen. Nach diesen Eingriffen – teilweise auch davor oder dabei – verkaufen die Händler ihre Wohnungen schon wieder mit kräftigem Profit. Pardon, sie verkaufen ja „nur“ die Firmenanteile (mit hunderten von Wohnungen) – und weil keine Grunderwerbsteuer fällig wird, ist maximaler Gewinn drin.«

Der  Staat begünstigt Spekulanten und bestraft die einfachen Bürger, die das eigene Dach über dem Kopf kaufen wollen, indem er ausschließlich von ihnen Grunderwerbsteuer fordert? Ja, im Ergebnis ist das so, wenngleich am Anfang eine ökonomisch durchaus nachvollziehbare Absicht stand, bei produzierenden Unternehmen Arbeitsplätze nicht zu gefährden.

Es geht also um diese von einem Teil der Immobilienbranche instrumentalisierten „share deals“, „Anteilsgeschäfte“: »Mit diesem Trick kaufen und verkaufen Rendite-Jäger Anteile von Firmen mit Abertausenden Wohnungen – und nur wegen der Verpackung der Immobilien in einem Firmenmantel gehen die Finanzämter leer aus. Berlin kostete das Hunderte Millionen Euro.«

Und wie sieht das die andere Seite? Dazu wurde bereits 2017 berichtet: »Warum aber haben die großen Wohnungskonzerne die Grunderwerbssteuerbefreiung durch Share Deals so dringend nötig? „Weil wir uns beim Kauf von Unternehmensanteilen Nachteile bei den Ertragssteuern einhandeln“, sagt Daniela Heyer, Steuerexpertin der Deutsche Wohnen. Ihr Argument: Die Immobilien, die mit den Shares der Firma gekauft werden, gehen nicht mit ihrem Kaufpreis in die Bilanz des Käufers ein, sondern mit ihrem (niedrigeren) ursprünglichen Wert. Damit werden gleichsam die echten Kosten des Kaufpreises nicht steuerlich wirksam – und deshalb fielen mehr Ertragssteuern an.«

Und in dem Artikel bekam man auch schon die Gegenposition serviert: »„Haarsträubend“ nennt der Chef des Berliner Mietervereins die Steuerbefreiung für die Häuser-Händler: „Ausgerechnet bei jenen verzichtet der Staat auf Einnahmen zur Finanzierung seiner Infrastruktur, die gar nichts für die soziale Wohnraumversorgung leisten.“ Landeseigene Wohnungsunternehmen, die Sozialwohnungen errichten sowie Genossenschaften würden keine Share Deals abschließen. „Und auch kein Einzeleigentümer kommt an der Grunderwerbssteuer vorbei“, sagt Reiner Wild. Gerecht wäre eine steuerliche Entlastung allein für Firmen, die bezahlbare Wohnungen bereitstellen. Hier sei die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage am größten.«

Nun fordert Ralf Schönball in seinem Kommentar, diese steuerrechtliche Inanspruchnahme einer für ganz andere geplanten Befreiungsregelung im Immobilienbereich zu stoppen: »Dass es möglich ist, hat … das Gutachten eines Steuerrechtlers von der Bundeswehruniversität Hamburg gezeigt. Er beruft sich auf das Grundgesetz und ruft die Politiker schlicht dazu auf, das zu tun, wofür sie gewählt wurden: zu gestalten. Und der Experte betont, dass die jetzige Regelung wegen der Ungleichbehandlung eben gerade anfechtbar ist. Dass andere Gutachter die bestehende Rechtslücke fast schon als Naturgesetz ansehen und jede Änderung gegen das Grundgesetz verstoßen würde, ist bloß Polemik im Dienste einer kleinen, aber mächtigen Gruppe von Marktteilnehmern.«

Zu dem neuen Gutachten auch dieser Artikel: So könnte Berlin das Steuer-Schlupfloch beim Häuserkauf schließen: »Das Gutachten stammt von Ulrich Hufeld von der Universität der Bundeswehr in Hamburg … Hufeld kommt … zum Ergebnis, dass „wir ein Gleichbehandlungsproblem“ im Zusammenhang mit den Share Deals haben. Denn der Begriff der Grunderwerbsteuer selbst enthalte den Grundsatz, dass die Steuer „alle treffen soll“.«

Zum aktuellen Rechtsstand und der Einordnung der folgenden Anteilswerte muss man wissen: Werden weniger als 95 Prozent der Anteile gekauft, muss auch keine Grunderwerbssteuer abgeführt werden. Hufeld »leitet aus dem Verfassungsrecht selbst ab, dass die Grunderwerbsteuer „unausweichlich“ nicht nur die Zahlungskraft von Neueigentümern erfasst, des Bürgers, der eine Wohnung kauft, sondern auch „desjenigen, der mehrheitlich Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt“. Damit wäre der Kauf von 50 Prozent der Anteile an einer Firma mit Immobilien-Beständen grunderwerbsteuerpflichtig.« Das sein ein „radikaler Reformvorschlag“, sagt der Gutachter selbst.

Übrigens ist das nicht wirklich brandneu. Auf die Frage, wie sich die Rechtslücke schließen lässt, wurde im Mai 2017 bereits ausgeführt: »Indem die Steuerfreigrenze nur noch bei der Übertragung von 75 Prozent einer Immobilien-Firma greift, statt wie bisher 95 Prozent. Dadurch behalte der Verkäufer noch Kontrollrechte über die verkaufte Firma, was viele Käufer wohl abschrecken würde. Die Grünen wollen dasselbe Ziel erreichen, die Grenze aber auf 50 Prozent festlegen.«

Das wird jetzt in dem Gutachten von Hufeld wieder aufgegriffen. Bereits 2017 hat das Land Schleswig-Holstein einen Antrag im Bundesrat gestellt: „Entschließung des Bundesrates zur Beseitigung von Steuergestaltungen im Rahmen von share deals und zur Unterstützung des Ersterwerbs von eigengenutzten Wohnimmobilien“, so ist die Bundesrats-Drucksache 627/17 vom 13.09.2017 überschrieben.

Das die Länder hier überhaupt Druck machen, lässt sich gut erklären: Nach Einschätzungen des hessischen Finanzministers geht den Bundesländern durch Share Deals jährlich etwa eine Milliarde Euro verloren. Wir sprechen hier von einer ganz erheblichen Summe.

Das Bundesfinanzministerium will sogenannte Share Deals bei Grundstücks- oder Immobilienkäufen abschaffen. „Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, gemeinsam mit den Ländern eine verfassungsfeste Lösung zu finden, die schädliche Steuergestaltungen über sogenannte Share Deals wirksam eindämmt“, wird Martin Chaudhuri, Sprecher des Bundesfinanzministers, in diesem Beitrag zitiert: „Die Kleinen zahlen die Steuer“. »Große Immobilienkonzerne wie die Vonovia Aktiengesellschaft oder das Unternehmen Deutsche Wohnen umgehen die Grunderwerbssteuer beim Kauf von Immobilien. Während Privatpersonen die Steuer bei einem Kauf innerhalb von nur vier Wochen entrichten müssen, entziehen sich Immobilienfirmen der Besteuerung. Nach Angaben der Bundesregierung hat allein die Vonovia AG in den letzten drei Jahren bundesweit 46.000 Wohnungen über Share Deals erworben.«

Fazit: Man könnte an dieser Stelle sehr wohl was machen und sollte das auch tun, folgt man den Vorschlägen schon aus früheren Jahren und nun angereichert mit dem Gutachten von Hufeld. Aber in den vergangenen Jahren ist hier so gut wie keine Änderung vorgenommen worden. Es ist nicht unplausibel, wenn man davon ausgeht, dass das auch diesmal das Nicht-Ergebnis sein wird. Aber man könnte, wenn man denn wollte.

Foto: © Stefan Sell