Die älteren Semester werden sich noch an die Einführung der Altersteilzeit in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre erinnern. Wie so oft in der Sozialpolitik gab es überzeugend klingende gute Absichten, die man damit verwirklichen wollte: Älteren Mitarbeitern einen gleitenden und frühzeitigen Übergang in den Ruhestand ermöglichen und gleichzeitig sollten Anreize geschaffen werden, die freiwerdenden Arbeitsplätze mit jüngeren Arbeitskräften neu zu besetzen. Ganz offensichtlich eine win-win-Situation, sowohl für die Älteren, die vorzeitig in den Ruhestand wechseln konnten, wie auch für die vielen Jüngeren, die damals mit hoher Arbeitslosigkeit konfrontiert waren.
Aber die bereits damals kritisierte starre Regelaltersgrenze blieb und wurde durch die faktische Umsetzung der Altersteilzeit in Form des fast ausschließlich gewählten Blockmodells auch noch stabilisiert, in dem man sie schlichtweg nach vorne verschoben hat. Aber der Grundgedanke, dass es eigentlich keine wirklich gute Idee ist, von einem Moment auf den anderen alles das, was man über Jahrzehnte über viele Stunden des Tages gemacht hat, hinzuwerfen und fortan in ganz anderen Welten unterwegs sein zu dürfen (aber eben auch zu müssen), ist nicht verschwunden, sondern lebt weiter fort.
Genau an dieser Stelle soll der Ansatz der Flexi-Rente andocken. Wobei die beiden Partner der „großen“ Koalition durchaus unterschiedliche Ziele mit dem Instrumentarium verbinden, was sich dann auch in der gesetzgeberischen Konkretisierung niedergeschlagen hat: Während es den Unionspolitikern um eine Flexibilisierung „nach oben“ ging, wollten SPD-Politiker Arbeitnehmern auch schon vor dem regulären Rentenalter mit flexibleren Regeln entgegen kommen.
Bereits am 19. September 2016 wurde in diesem Blog der Beitrag Flexi-Rente: Entschärfung des Renteneintrittsfallbeils oder doch nur ein Nirwana von (sinkender) Rente plus Zuverdienstnotwendigkeit? veröffentlicht, in dem erhebliche Zweifel an einem potenziellen Erfolg des Teilrentenmodells vorgetragen wurden, auch und gerade aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein bürokratisches Monstrum handelt.
Die damals geäußerten Bedenken scheinen sich zu bestätigen: Die Flexirente fristet ein Schattendasein, so hat Peter Thelen seinen Beitrag überschrieben: »Weniger als ein Prozent der Neurentner nutzt die neue Teilrente. Eine Studie nährt Zweifel, ob sie überhaupt hilft, Fachkräfte im Job zu halten.«
Etwas mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten der Reform sieht es nicht so aus, als würde die Flexirente die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Vor allem die verbesserten Möglichkeiten, vor Erreichen des regulären Rentenalters bei reduzierter Arbeitszeit eine Teilrente zu beziehen, werden kaum genutzt, so Thelen. Die Zahlen, die er präsentiert, sind mehr als ernüchternd:
»Zwar lag 2017 die Zahl der Arbeitnehmer, die erstmals eine Teilrente bezogen, mit 4.826 deutlich höher als 2016 mit 2.843 Fällen. Doch damit fristet die Teilrente als Mittel zum flexiblen Übergang in den Ruhestand nach wie vor ein Schattendasein. Ihr Anteil an allen Neurenten liegt deutlich unter einem Prozent. Daran hat sich auch im laufenden Jahr nichts geändert.
Hinzu kommt, dass es sich bei den meisten neuen Teilrentnern schlicht um Bezieher einer Frührente handelt, deren Vollrenten auf eine Teilrente gekürzt wurden. Bis 2016 lag die Zuverdienstgrenze bei 450 Euro im Monat. Wurde sie überschritten, wurde die Rente um ein Drittel gekürzt. Seit 2017 liegt die Freigrenze bei 6.300 Euro im Jahr. Wer mehr verdient, kriegt nur noch 40 Prozent davon auf die Rente angerechnet.
Bewusst für eine Teilrente entschieden haben sich bislang nur 823, also weniger als jeder fünfte Versicherte mit einer Teilrente.«
Das klingt nun wirklich nicht nach einem Erfolgsmodell.