Wer erinnert sich noch an die Einführung der Altersteilzeit in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, mit der die bis dahin geltenden Vorruhestandsregelungen abgelöst wurden? Wie so oft in der Sozialpolitik gab es überzeugend klingende gute Absichten, die man damit verwirklichen wollte: Älteren Mitarbeitern einen gleitenden und frühzeitigen Übergang in den Ruhestand ermöglichen und gleichzeitig sollten Anreize geschaffen werden, die freiwerdenden Arbeitsplätze mit jüngeren Arbeitskräften neu zu besetzen. Ganz offensichtlich eine win-win-Situation, sowohl für die Älteren, die vorzeitig in den Ruhestand wechseln konnten, wie auch für die vielen Jüngeren, die damals mit hoher Arbeitslosigkeit konfrontiert waren. Grundsätzlich wurden zwei unterschiedliche Ausgestaltungen der Altersteilzeit eröffnet: Zum einen das – vor dem Hintergrund der beschriebenen Hoffnungen idealtypische – Gleichverteilungsmodell (kontinuierliche Altersteilzeit). Hier reduziert der Mitarbeiter über den ganzen Zeitraum der Altersteilzeit seine Arbeitszeit auf die Hälfte seiner ursprünglichen Arbeitszeit. Dahinter stand die doppelt positive Erwartung, dass zum einen der ältere Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduziert und gleitend in den Ruhestand wechselt, eben nicht so abrupt von heute auf morgen, mit einem Schlag, was nicht selten dazu führt, dass der von einem Moment auf den anderen von Hundert auf Null gesetzte Arbeitnehmer aus den Gleisen geworfen wird und nicht mehr viel von seiner Rente hat. Zum anderen hatte man die Vorstellung, dass dieses Modell eine längere Übergangsphase an die jüngeren Mitarbeiter ermöglichen würde, also eine Art gestreckte Staffelübergabe. Soweit die Theorie.
Aber es gab ja auch noch eine andere Variante, die nachgeschoben wurde: Die dann fast ausschließlich genutzte Form der Altersteilzeit – das Blockmodell. In der ersten, sogenannten Arbeitsphase bleibt die wöchentliche Arbeitszeit ungekürzt. In der zweiten Phase, der Freistellungsphase, wird der Arbeitnehmer von vollständig von der Arbeit freigestellt. Über die Gesamtdauer ergibt sich also auch hier eine Reduzierung der Arbeitszeit. Man arbeitet also das frühere volle Ausscheiden aus dem Betrieb vor. Damit wurde im Ergebnis allerdings nur eine Vorverlegung des „normalen“, also abrupten Ausscheidens aus dem Erwerbsleben erreicht.
Warum sich in der Praxis fast ausschließlich das Blockmodell durchgesetzt hat? Spricht man mit den betroffenen Arbeitnehmern, stößt man immer wieder auf den Hinweis, man wolle so schnell wie möglich aus dem Betrieb raus und die Arbeit beenden. Ob das nun eine Folge der in den zurückliegenden Jahren stressiger und abstoßender gewordenen Arbeitsbedingungen ist, den vielleicht unerträglichen unternehmenskulturellen Rahmenbedingungen geschuldet war oder ob sich hier die mentale Verschiebung des Renteneintritts auf ein Alter unterhalb des formalen gesetzlichen Renteneintrittsalters (damals 65 Jahre als fixe Grenze) widerspiegelte, kann nicht wirklich abschließend beantwortet werden und stellt sich auch eher als Mischung denn als Entweder-Oder dar.
Wie dem auch sei – die starre Regelaltersgrenze blieb und wurde durch die faktische Umsetzung der Altersteilzeit auch noch stabilisiert, in dem man sie schlichtweg nach vorne verschoben hat. Aber der Grundgedanke, dass es eigentlich keine wirklich gute Idee ist, von einem Moment auf den anderen alles das, was man über Jahrzehnte über viele Stunden des Tages gemacht hat, hinzuwerfen und fortan in ganz anderen Welten unterwegs sein zu dürfen (aber eben auch zu müssen), ist nicht verschwunden, sondern lebt weiter fort.
Genau an dieser Stelle könnte man nun die neueren Entwicklungen anzudocken versuchen, die unter dem Terminus „Flexi-Rente“ subsumiert und nunmehr in die konkrete gesetzgeberische Umsetzung eingetreten sind.
Um das, was sich im kommenden Jahr ändern soll, verstehen zu können, muss man den Blick zurück richten auf die Anfangszeit der jetzigen großen Koalition (vgl. dazu auch Cordula Eubel: Einigung nach einer halben Ewigkeit) mit dem Rentenpaket, das dann 2014 gesetzgeberisch in die Welt gesetzt wurde: »Die Union bekam die Mütterrente, für die sie im Wahlkampf geworben hatte. Die SPD konnte im Gegenzug ihr Wunschprojekt durchsetzen: die abschlagsfreie Rente mit 63, für die sich auch große Gewerkschaften wie die IG Metall stark gemacht hatten.«
Die abschlagsfreie Rente mit 63 (für einige Jahrgänge) stieß von Anfang an auf heftigen Widerstand der Wirtschaft. »Auf Druck des Unions-Wirtschaftsflügels verabredeten die Koalitionsspitzen damals, die Übergänge in den Ruhestand flexibler gestalten und Anreize für längeres Arbeiten setzen zu wollen. Der CDU-Mittelstandpolitiker Linnemann erfand den wohlklingenden Namen „Flexi-Rente“.«
Allerdings: Unter dem Namen „Flexi-Rente“ haben sich Fachpolitiker von Union und SPD jeweils etwas ganz anderes vorgestellt. Während es den Unionspolitikern um eine Flexibilisierung „nach oben“ ging (und weiterhin geht), wollten SPD-Politiker Arbeitnehmern auch schon vor dem regulären Rentenalter mit flexibleren Regeln entgegen kommen. »Sie forderten, die Altersgrenze für den Bezug einer Teilrente von derzeit 63 Jahren auf 60 Jahre zu senken. Die Teilrente ermöglicht es Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit im Alter zu reduzieren und gleichzeitig bereits einen Teil ihrer Rente zu beziehen.« Das nun wieder stieß auf Widerstand bei der Union – auch wegen der Befürchtung, in der Öffentlichkeit könnte sich eine „Rente mit 60“ in den Köpfen festsetzen und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf Dauer verbauen oder erheblich erschweren.
Lange Zeit hat sich vor diesem Hintergrund nichts getan in der großen Koalition und das, was jetzt auf den gesetzgeberischen Weg gebracht wird (vgl. die Materialsammlung zum Flexirentengesetz – FlexiG), muss als Kompromiss zwischen diesen beiden Lagern verstanden werden.
Gegenwärtig sieht die Situation so aus: »Nur wer die gesetzliche Altersgrenze von derzeit 65 Jahren und fünf Monaten erreicht hat und dann regulär ohne Abschläge in Rente geht, kann unbegrenzt Geld verdienen, ohne Abstriche von seiner Rente befürchten zu müssen. Für Frührentner, die sich vorzeitig aus dem Arbeitsleben zurückziehen und deshalb Abschläge bei ihrer Rente in Kauf nehmen müssen, gelten hingegen starre Regeln. Sie können nur bis zu 450 Euro im Monat kassieren. Gibt es einen Cent mehr, wird nur noch zwei Drittel der Rente ausgezahlt«, schreibt Thomas Öchsner in seinem Artikel Rentner sollen bald leichter dazuverdienen können. Eine Übersicht über die aktuellen Regelungen zum Hinzuverdienst findet man in dieser Broschüre der Deutschen Rentenversicherung: Altersrentner: So viel können Sie hinzuverdienen. Daraus geht hervor: Abhängig vom Hinzuverdienst wird die Altersrente in voller Höhe – als sogenannte Vollrente – oder vermindert – als sogenannte Teilrente – gezahlt. Je mehr man hinzuverdient, desto niedriger ist der Anteil der Rente. Und die Teilrente gibt es als Zwei-Drittel-, Ein-Halb- und Ein-Drittel-Teilrente. Das hört sich nicht nur kompliziert an – das ist es. Deshalb wird dieser Befund nicht überraschen:´
»Die Teilrente, die es in drei Stufen gibt, wurde deshalb nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) 2015 von gerade einmal gut 4.000 Versicherten genutzt. Minijobs mit der Verdienstgrenze von 450 Euro sind bei Rentnern hingegen sehr beliebt.«
Verständlich, die Menschen reagieren auf die Anreize, die solche Regelungen setzen. Hier könnte die geplante Flexi-Rente ansetzen und einfachere Strukturen schaffen. Könnte. Schauen wir genauer hin (vgl. dazu Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz), Kabinettsbeschluss vom 14.09.2016):
Die geplante Neuregelung dreht sich zum einen um das Lebensalter 63 und zum anderen um den Euro-Betrag 6.300 Euro pro Jahr: Die festen Grenzen fallen weg, die Teilrente wird also stufenlos. Stattdessen gilt: Wenn ab einem Alter von 63 Jahren eine Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro pro Jahr überschritten wird, dann werden künftig 40 Prozent des Betrages darüber von der Rente abgezogen. Vorgesehen ist eine Obergrenze des Hinzuverdienst: Wer mit Teilrente und Hinzuverdienst mehr als sein früheres Bruttoeinkommen verdient, muss dies voll auf die Rente anrechnen lassen. Wobei bei der Bestimmung des „früheren Bruttoeinkommens“ das höchste Einkommen der zurückliegenden 15 Jahre herangezogen werden soll.
Und was ist mit Rentner, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen sind?
»Auch für sie soll das Arbeiten über der Altersgrenze von 65 Jahren und fünf Monaten attraktiver werden: Arbeitgeber sollen dann keinen Beitrag mehr für die Arbeitslosenversicherung zahlen müssen. Das Vorhaben ist auf fünf Jahre befristet. Die Unternehmen müssen für solche Beschäftigte aber wie bisher auch die Beiträge für die Rentenversicherung abführen. Das Neue ist: Rentenbezieher haben nach Erreichen der Regelaltersgrenze künftig die Möglichkeit, während einer Beschäftigung Beiträge in die Rentenkasse zu entrichten. Dadurch und durch die Arbeitgeber-Beiträge soll sich die Rente einmal jährlich erhöhen«, so Öchsner in seinem Artikel.
Hier sind wir an einer Stelle angekommen, die bereits in dem Blog-Beitrag Was für ein Jahresanfangsdurcheinander: Die Rente mit 70 (plus?), ein Nicht-Problem und die Realität des (Nicht-)Möglichen vom 3. Januar 2015 untersucht wurde. Dort wurde darauf hingewiesen, dass es sich auch unter den gegenwärtigen Regelungen lohnt, weiter zu arbeiten, also nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze – aufgrund der Zuschlagssystematik der Rentenformel, die dazu führt, dass man für ein Jahr, das man länger arbeitet, eine um 6 Prozent erhöhte Monatsrente bekommt, lebenslang. Zugleich sind die arbeitenden Rentner von Beitragszahlungen an die Arbeitslosen- und Rentenversicherung befreit.
Und was wurde sich ändern mit dem Flexi-Rentengesetz? Dazu Thomas Öchsner:
»Arbeitgeber sollen dann keinen Beitrag mehr für die Arbeitslosenversicherung zahlen müssen. Das Vorhaben ist auf fünf Jahre befristet. Die Unternehmen müssen für solche Beschäftigte aber wie bisher auch die Beiträge für die Rentenversicherung abführen. Das Neue ist: Rentenbezieher haben nach Erreichen der Regelaltersgrenze künftig die Möglichkeit, während einer Beschäftigung Beiträge in die Rentenkasse zu entrichten. Dadurch und durch die Arbeitgeber-Beiträge soll sich die Rente einmal jährlich erhöhen.«
Kommen wir nochmals zurück auf die Zahl 63. Vorgesehen ist also in dem Flexi-Rentengesetz, dass man bereits mit 63 Jahren die Kombination Teilrente und Hinzuverdienst wählen kann. Aber gibt es da nicht die lebenslangen Abschläge, wenn man vorzeitig die Rente beanspruchen will, denn die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 ist ja nicht ausgesetzt worden? Die gibt es und die soll es auch weiterhin geben – nur die Möglichkeit zur Kompensation dieser Abzüge soll erweitert werden.
Dazu Lara Müller in ihrem Artikel Was die „Flexi-Rente“ ändert:
»Wenn sich Arbeitnehmer entscheiden, früher als zu ihrem Renteneintrittsalter in Rente zu gehen, erhalten sie Abzüge von ihrem Rentenanspruch. Das sind für jeden Monat, der früher in Rente gegangen wird, 0,3 Prozent weniger. Bislang war es möglich, diese Abschläge durch höhere Einzahlungen auszugleichen. Mehr einzahlen durfte man ab 55 Jahren.
Mit der „Flexi-Rente“ soll diese Grenze nach unten verschoben werden. Es soll schon ab 50 Jahren Jahren möglich sein Ausgleichszahlungen zu tätigen.«
Nur – das muss man sich auch leisten können, denn diese Vorsorge gegen spätere Abschläge innerhalb der Rentenversicherung muss von den Arbeitnehmern erbracht werden.
Und während sich die besser verdienenden Arbeitnehmer diese individuelle Zusatzabsicherung vielleicht noch leisten können, sieht das bei den anderen im Niedrigeinkommensbereich ganz anders aus, denn die kommen ja schon bei den laufenden Ausgaben oft nur schwer über die Runden.
Außerdem darf die geplante Flexi-Rente nicht als isolierter Baustein in der rentenpolitischen Landschaft gesehen werden – man denke hier mit Blick auf die Wucht der Abschläge an die fortdauernde Debatte über eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters (vgl. hierzu den Beitrag Verkehrte Welten: Rente mit 69, ach was: besser 73. Als Forderung mal wieder in den Medien. Und Jobcenter schicken Arbeitslose mit 63 in die Zwangsrente vom 23. August 2016), denn daran sind die Abschläge ja gekoppelt. Und so, wie die pauschale Anhebung des Renteneintrittsalters sozial höchst selektiv ist mit einer klar negativen Schlagseite für diejenigen Arbeitnehmer, die zumeist kumulativ vorhandenen erwerbsbiografische Risiken auf sich vereinigen, könnte die geplante Flexi-Rente genau so wirken. Sie hat eine „helle“ und eine ziemlich „dunkle“ Seite.
Fazit: Die Flexi-Rente könnte in der Wirkung die Spaltung zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken in der Rentenversicherung weiter befördern. Folgendes Szenario ist denkbar: Die Fachkräfte und die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Arbeitnehmer bekommen deutlich bessere Möglichkeiten, einen Rentenbezug mit Einkommen aus einer (teilzeitigen) Erwerbsarbeit zu kombinieren, ihre Leistungsansprüche steigen und die ansonsten anfallenden Abschläge können umgangen werden durch die freiwilligen Beitragsleistungen dieser Arbeitnehmer. Für diese Gruppe könnten die geplanten Regelungen der Flexi-Rente tatsächlich einen sanfteren Übergang in den Ruhestand ermöglichen.
Aber was ist mit den anderen? Die sind das sozialpolitische Problem in multipler Hinsicht, denn es handelt sich hier um Menschen, die eh schon niedrige Rentenanwartschaften angesammelt haben und die zugleich weniger stark nachgefragt werden. Zugleich werden sie darauf verwiesen werden, dass sie doch grundsätzlich die Zuverdienst-Option haben. Entweder werden sie sich verkaufen müssen auf dem Arbeitsmarkt oder sie finden selbst dann keine Weiterbeschäftigung, wenn sie sich dennoch anbieten auf dem Arbeitsmarkt. Im Zusammenspiel könnte die neue Regelung dazu beitragen, die heute schon beobachtbare Spaltung innerhalb der älteren Arbeitnehmerschaft deutlich voranzutreiben.
Aber wird es überhaupt dazu kommen? Das setzt voraus, dass die „guten Risiken“ mitspielen. Daran kann man nun auch wieder zweifeln, nicht nur, aber auch angesichts der erneut sehr kompliziert daherkommenden Regelungen. Einen Hinweis auf die Relevanz einer eher skeptischen Einschätzung der (möglichen) Wirkungen der Flexi-Rente findet man beispielsweise in diesem Passus aus dem Artikel von Thomas Öchsner:
»Der Bundesverband der Rentenberater hält die neuen Hinzuverdienstregeln für so „kompliziert, dass viele Menschen abgeschreckt werden und die Flexi-Rente nicht nutzen“. Das liegt vor allem an der „Spitzabrechnung“: Sie bedeutet, dass die Rentenversicherung jeweils zum 1. Juli eine Einkommensprognose für das kommende Jahr erstellt. Auf dieser Basis wird die neue Teilrente gezahlt. Nach einem Jahr wird mit dem tatsächlichen Einkommen verglichen und korrigiert. Solange übers Jahr immer das gleiche Einkommen erzielt wird, dürfte das klappen. Wird aber unterschiedlich viel verdient, „müssten Rentenbescheide immer wieder aufgehoben werden“, kritisiert der Verband. Auch Rückzahlungen wären womöglich für die Rentner fällig.«
Auch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) hat entsprechende erhebliche Bedenken vorgetragen, vgl. dazu beispielsweise den Bericht über eine Anhörung im BMAS: Flexi-Rente: DRV äußert erhebliche Zweifel. Auch hier geht es um die Praktikabilität der beim Flexirentengesetz geplanten Regelungen zu den Hinzuverdienst-Möglichkeiten beim Bezug einer Teilrente. Grundsätzlich hält die DRV das Ziel, den Übergang in den Ruhestand flexibler zu gestalten, für richtig. Aber: Für die Deutsche Rentenversicherung hakt es vor allem an der vorgesehenen „Spitzabrechnung“. In der Praxis würden bei nahezu allen Teilrenten nachträgliche Korrekturen erforderlich sein, denn es sei unwahrscheinlich, dass das prognostizierte Arbeitsentgelt dem tatsächlichen auch entspreche.
»Die Rentenversicherung verweist dabei darauf, dass zum Zeitpunkt der Prognose noch nicht vorhersehbare Tariferhöhungen, Überstunden, sonstige Zuschläge oder Änderungen in der Arbeitszeit es kaum möglich machen würden, den tatsächlichen Jahresverdienst zu prognostizieren. In der Folge müssten dann neben der Rente auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berichtigt werden. „Das Verfahren wird bei den Betroffenen Verunsicherung und Unverständnis auslösen“, ist sich die Rentenversicherung sicher. Angesichts der vielen Korrekturen dürfte bei den Betroffenen auch der Eindruck entstehen, sie hätten bei der Angabe des Hinzuverdienstes etwas falsch gemacht. Zudem würde das „Spitzenabrechnungs“-Modell das neue Hinzuverdienstrecht unnötig negativ besetzen.Die vielen wahrscheinlichen Korrekturen mit Rückforderungen oder Nachzahlungen bedeuteten auch für die Verwaltung einen sehr hohen Aufwand. „Sie sind auch hoch streitanfällig“, erklärte die Deutsche Rentenversicherung … Für viel zu kompliziert hält die Rentenversicherung auch das zweistufige Anrechnungssystem, wonach der Hinzuverdienst, der über der Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro im Jahr (450 Euro im Monat, zweimal sind monatlich auch 900 Euro erlaubt), zu 40 Prozent und der Hinzuverdienst, der über dem Hinzuverdienstdeckel (bestes Einkommen in den letzten 15 Jahren) liegt, zu 100 Prozent angerechnet werden soll. Dies werde den Betroffenen in der Praxis schwer zu vermitteln sein … das neue Hinzuverdienstrecht, das nach den Plänen am 1. Juli 2017 in Kraft treten soll, (sei) aufgrund umfangreicher EDV-technischer Anpassungen nicht zu realisieren. Gleiches gelte für die Zeitpläne für andere Neuerungen wie etwa die Erweiterung der Rentenauskunft oder die neue Möglichkeit, Beiträge zum Ausgleich von Rentenabschlägen zu leisten.«
Die Schaffen eines weiteren bürokratischen Monstrums und die offene Frage, ob sich gerade die, denen es materiell noch besser geht, dafür entscheiden werden, länger zu arbeiten, sind gewichtige Fragezeichen an der Durchschlagskraft des Flexi-Renten-Gesetzesentwurfs.
Wir dürfen uns überraschen lassen, welches Szenario die Oberhand gewinnen wird.