Jetzt geht es den geschlossenen Männer-Gesellschaften in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft aber so richtig ans Hemd – die gesetzliche Frauenquote ist im gesetzgeberischen Geburtskanal. Nun gut, vielleicht muss man sie ganz korrekt als ein „Quötchen“ bezeichnen, aber es reicht, um in der Wirtschaft wütende Proteste auszulösen. Was genau soll eigentlich kommen?
Hans Monath hat das im Tagesspiegel unter der Überschrift „Frauenquote soll 2016 kommen“ so zusammengefasst: Künftig sollen mindestens 30 Prozent weibliche Beschäftigte in den Aufsichtsräten von Firmen sitzen. Ein Teil der Meldung ist richtig, der andere unvollständig.
Richtig ist der 30%-Wert und auch der Hinweis auf Aufsichtsräte, aber etwas irreführend der Hinweis auf die „Firmen“. Es sind nur ganz bestimmte Unternehmen, um die es hier geht. Denn gemeint sind börsennotierte Aktiengesellschaften, denen die Quote ab 2016 auferlegt werden soll. Diese Frauenquote ist als eine „embryonale“ zu bezeichnen, denn sie bezieht sich nicht auf das eigentliche Machtzentrum der Unternehmen, denn das sind die Vorstände. Und hier hat die Union in den Verhandlungen für Entwarnung gesorgt: Ihr »gelang es, die SPD von einer festen Quote auch für Vorstände von Firmen abzubringen, für die nur eine selbst festzulegende Flexiquote gelten soll.« Dafür hat die SPD auch was bekommen, nicht nur die 30%-Quote für die Aufsichtsräte, sondern auch, »dass die neue Regelung mit harten Sanktionen bewehrt ist und der Einstieg in die Frauenförderung per Gesetz schon 2016« stattfinden soll. Die Sanktion: »Falls börsenorientierte Unternehmen die Frauenquote von mindestens 30 Prozent nicht erfüllen, darf das Aufsichtsratsmandat nicht besetzt werden.« Das wird in dem einen oder anderen Fall weh tun.
Als Zwischen-Fazit bleibt festzuhalten: Die SPD hat im Angesicht der gefundenen „Lösung“ kräftig Federn lassen müssen, denn in ihrem Wahlprogramm findet sich die Forderung: »Wir werden deshalb eine 40-Prozent-Geschlechterquote für Aufsichtsräte und Vorstände börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen verbindlich festlegen.« 40-10 Prozent und Vorstände weg, so kann man das auf eine Kurzformel bringen.
Wie nun ist dieses Verhandlungsergebnis einzuordnen und zu bewerten? Schauen wir an dieser Stelle ins benachbarte Ausland. Hans Monath schreibt dazu:
»Im Vorreiter-Land Norwegen müssen die Vorstände staatlicher und großer börsenorientierter Konzerne zu rund 40 Prozent mit Frauen besetzt sein. In fünf EU-Staaten sind nach Angaben der EU-Kommission Frauenquoten für Aufsichtsräte und teilweise auch für Vorstände privater Unternehmen in Kraft. So sollen in Frankreich bis 2017 mindestens 40 Prozent der Vorstandsmitglieder weiblich sein. In Spanien müssen Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten den Frauenanteil in der Chefetage ebenfalls auf 40 steigern. Auch Italien, Belgien und die Niederlande haben in den vergangenen Jahren starre Frauenquoten in Kraft gesetzt.«
Man kann einerseits erkennen, dass die Quotenregelung im europäischen Vergleich keine besonders neue Einrichtung ist. Und man sollte wissen, dass die deutsche Quotenabsicht letztendlich nur ein Umsetzungsversuch der Beschlusslage auf europäischer Ebene darstellt: Das EU-Parlament hatte im Oktober dafür gestimmt, dass ab 2020 insgesamt 40 Prozent der Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen Frauen sein sollen.
Andererseits stellt sich aber die Frage nach der Sinnhaftigkeit und daran anschließend nach den erwartbaren Effekten.
Versuchen wir es mit einem positiven Blick auf das Verhandlungsergebnis, für den wir einige Hinweise finden in dem Beitrag „Trippelschritt in die richtige Richtung“ von Simone Schmollack. Sie zitiert Manuela Schwesig von der SPD, »das Ergebnis sei ein „wichtiges Signal, um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern“. Unions-Unterhändlerin Annette Widmann-Mauz meinte: „Damit geben wir dem Aufstieg von Frauen in Aufsichtsräte und Vorstände den richtigen Schwung und schaffen einen Kulturwandel im Inneren der Unternehmen.“« Und auch Elke Holst, Volkswirtin und Forschungsdirektorin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, sekundiert, dass die Ergebnisse, insbesondere die Pflichte zur Transparenz, als „kleiner Schritt in die richtige Richtung“ zu bewerten sei.
Deutlich kritischer ist die Kommentierung bei Yasmin El-Sharif in ihrem Beitrag „Goldene Röcke für Deutschland„. Ihrer Meinung nach Vorgabe verfehlt die jetzt gefundene Quotenregelung ihr eigentliches Ziel. Profitieren werden zunächst einige wenige Frauen, die gleich mehrere Kontrollposten übernehmen Das eigentliche Ziel wird die Frauenquote in Aufsichtsräten nicht erreichen: nämlich die sogenannte gläserne Decke zu durchbrechen. Und die haben wir in den Vorständen, den eigentlichen Machtpositionen in den Unternehmen. Als Beleg für diese These führt sie gerade Norwegen an, das Land, das bereits 2003 mit einer Quote gestartet ist, wie sie jetzt hier in Deutschland vorgesehen sind:
»Dort ist zwar schon seit rund fünf Jahren ein 40-Prozent-Anteil von Frauen in den Aufsichtsratsgremien vorgeschrieben – und wird sogar eingehalten – doch wird er keinesfalls entscheidend übertroffen. Die Unternehmen erfüllen ihre Pflicht, aber das war es dann auch. In den Vorständen, den Machtzentralen der Unternehmen, tut sich fast gar nichts.«
Und dann verweist sie auf eine reale und durchaus plausible Gefahr: »… wie schon in Norwegen, dürften auch in Deutschland „Goldene Röcke“ bald zum geflügelten Begriff werden. Damit sind Frauen gemeint, die diverse Aufsichtsratsposten innehaben, weil es ad hoc einfach nicht genügend Kräfte für die neuen Frauensitze gibt.« Damit adressiert sie ein diskussionsbedürftiges generelles Grunddilemma solcher Quotenregelungen, die auf einen Durchschnitts-Anteilswert basieren: In der einen Branche mag das wirklich locker zu reißen sein oder sogar noch übertroffen werden können, in anderen Branchen wird es sehr lange dauern, wirklich nur in die Nähe des Anteilswertes zu kommen, da schlichtweg aufgrund der bisherigen Geschlechterspaltung nicht annähernd genügend geeignete Frauen zur Verfügung stehen (können), was dann wiederum das schräge Bild der „Quotenfrau“ festigen wird, mit allen Abwehrreflexen, die das auslösen wird.
Auch wenn es sich nicht gut zu verkaufen ist wie irgendeine Quote – El-Sahrif hat schon recht, wenn sie schreibt: »Viel dringender als eine Quote in Aufsichtsräten werden mehr Frauen in managementnahen oder naturwissenschaftlich-technischen Studienfächern benötigt, mehr Förderprogramme für junge Talente, bessere (Betreuungs-)Angebote für junge Familien, ein Umdenken bei Männern und nicht zuletzt eine größere Offenheit von Chefs für die besonderen, teils anderen Fähigkeiten von Frauen.« Damit adressiert sie zum einen den notwendigen Sinneswandel, der einem Kulturwandel entspricht – übrigens, wenn man das hier anmerken darf, eben nicht nur auf der Seite „der“ Unternehmen und „der“ Männer, sondern auch bei vielen Frauen bei ihren Entscheidungsprozessen. Substanzielle Veränderungen müssen auch wenn es schmerzt auf intrinsischer Motivation der Unternehmen aufbauen. Zum anderen ist aber auch klar, dass viele Maßnahmen zur mittel- und langfristigen Verbesserung der Lage Investitionen erforderlich machen – und man kann schon den Verdacht hegen, dass sich die Große Koalition in spe hier auf eine symbolische Maßnahmen „zu Lasten“ Dritter verständigt hat, die vor allem einen echten Vorteil mit sich bringt: Sie kostet keinen Euro.
Wie weit die Wegstrecke noch ist, wenn man denn von einem anzustrebenden höheren Anteilswert in den Aufsichtsräten und den Vorständen großer börsennotierter Unternehmen ausgeht, verdeutlichen die Daten aus dem noch laufenden Jahr 2013, die von FidAR, der Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte, in Form des Women-on-Board-Index (WoB-Index) veröffentlicht werden:
»12 Jahre nach der freiwilligen Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, und über 4 Jahre nach der Aufnahme der Forderung nach mehr Vielfalt in den Deutschen Corporate Governance Kodex beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten insgesamt 17,4 Prozent … Von den Vorständen sind nur 6,1 Prozent weiblich … Kumuliert liegt der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen bei 11,7 Prozent.«
Aber angesichts der erheblichen Probleme, die viele Frauen immer noch und im Teilzeitbereich sogar zunehmend auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben, angesichts der ökonomischen Abhängigkeit von den (männlichen) Partnern, die nach neueren Forschungsbefunden sogar zugenommen hat, bleibt das doppelt ungute Gefühl, dass hier nicht nur eine Symbolpolitik betrieben wird, sondern dass die darüber hinaus auch noch auf eine extrem kleine Gruppe von Frauen ausgerichtet ist, mit denen die Millionen „normalen“ Frauen nicht das geringste zu tun haben. Eine – in diesem Beitrag nicht zu leistende – Analyse der für diese Frauen relevante bisherigen Beschlüsse muss zum jetzigen Zeitpunkt mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Nicht einmal in Erwägung gezogen wurde beispielsweise eine Abschaffung oder wenigstens ein Umbau der frauenpolitisch hoch problematischen geringfügigen Beschäftigung, also der so genannten „450-Euro“- oder auch „Minijobs“, die man nicht anzutasten bereit ist. Dabei weiß jeder unbefangene Beobachter, welche negativen Auswirkungen diese Beschäftigungsform auf die Biografie vieler Frauen hat. Um nur ein wirklich relevantes Beispiel zu nennen.
Wieder einmal verlässt man die Bühne mit dem Gefühl, einer veritablen Luftnummer beizuwohnen.