Der deutsche Verein steckt in einer Krise – über eine solche Meldung könnte man nun vielleicht noch hinwegsehen, wenn man beispielsweise an Karnevals- oder Kaninchenzüchtervereine denkt. Aber aus einer explizit sozialpolitischen Sicht ist diese Nachricht nicht unproblematisch, denn zahlreiche soziale Initiativen und Organisationen sind in dieser Rechtsform tätig. Fast 600.000 Organisationen haben diese Rechtsform – über die üblichen Sport- und Freizeitvereine hinaus reicht sie tief in den Sozial- und Bildungssektor hinein, so Albert Funk in seinem Artikel. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat einen genaueren Blick auf die Vereine geworfen und identifiziert drei zentrale Probleme, die dazu führen, dass die Forscher ihre Studie überschrieben haben mit „Vereine an den Grenzen der Belastbarkeit“:
»… die Überalterung der aktiven Mitgliederschaft, der einsetzende Mangel an Ehrenamtlichen für Leitungsaufgaben und eine zunehmende Ökonomisierung, einhergehend mit finanziellen Schwierigkeiten.«
Nach der Studie bestehen Vereine zunehmend aus älteren Menschen, wobei diese Überalterung nicht nur auf die demografische Entwicklung zurückzuführen ist, sondern auch das Ergebnis einer Abschottung gegenüber Jüngeren sein kann/ist. So haben die Forscher beispielsweise herausgefunden: In einem Drittel der Vereine fehlen Jüngere unter 30 Jahren in den ehrenamtlichen Leitungsfunktionen völlig. Sozialpolitisch besonders relevant ist der Befund: »Bei Vereinen, in denen es um Gesundheit, Soziales und Bildung geht, die also vor allem dienstleistungsorientiert sind, beobachten die WZB-Forscher eine immer stärkere Ökonomisierung.« Der Staat verteilt seine Mittel nicht nur immer zielgenauer, sondern bindet die Vereine auch in immer mehr Vorschriften ein.
Da braucht man doch zur Abwechslung mal eine positiv daherkommende Botschaft – und wenn die dann auch noch aus dem Schulbereich kommt, dann horcht man genau hin: Drei Probleme, aber gut drauf, so Christoph Rasch in seinem Artikel über Waldorf-Lehrer: »Eine Studie belegt, dass Waldorflehrer ihren Job besser finden, als ihre staatlichen Kollegen. Das tun sie aber nicht wegen, sondern trotz der Verhältnisse an ihren Schulen.« Immerhin gibt es 235 Waldorf-Schulen in Deutschland und in einer neuen Studie konnten rund ein Drittel der 8.800 deutschen Waldorflehrer befragt werden. 90% von ihnen sind zufrieden mit ihrem Job – bei den „normalen“ Lehrern sind das „nur“ 70%. Und diese höhere Zufriedenheit der Waldorf-Lehrer muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es sie trotz der Verhältnisse an den Schulen gibt: Waldorfschulen sind nach dem Selbstverwaltungsprinzip organisiert, heißt: ohne Rektor. Organisatorische Fragen oder pädagogische Entscheidungen trifft das Waldorfkollegium gemeinsam, was aber eine hohe (zusätzliche) Arbeitsbelastung bei der Lehrern zur Folge hat.
Als vorteilhaft haben sich Waldorf-Schulen erwiesen, die nach dem so genannten Mandatsmodell arbeiten: Hierbei wählt das Kollegium einen Beauftragten für organisatorische Belange. Auch die Arbeitsbedingungen an den Schulen wurden kritisch unter die Lupe genommen. Beispiel Vergütung: »Waldorflehrer verdienen – je nachdem, wie voll die Klassen sind – bis zu 1.500 Euro weniger als ihre Kollegen an staatlichen Schulen.« Jeder fünfte Waldorf-Lehrer muss einen Zweitjob ausüben, um über die Runden kommen zu können. Auch der Bund der Freien Waldorfschulen und weist darauf hin, dass die Lehrer an diesen Schulen gut 20% weniger verdienen als ihre Kollegen an den staatlichen. Und ein drittes Problem belastet die Waldorfschulen besonders: Die Überalterung des Lehrkörpers und die in diesem Kontext besonders problematische Nachwuchsgewinnung. Die Pioniere der 1980er Jahre erreichen jetzt schrittweise das Pensionsalter. Und neu gewonnene Lehrer können in diesen Schulen oftmals nicht lange gehalten werden, bereits nach wenigen Jahren wechseln viele von ihnen auf eine Beamten-Stelle im staatlichen Schuldienst. Bleibt die Frage, warum trotz dieser Probleme eine so hohe Zufriedenheit gemessen wurde. Die Studie beantwortet diese Frage so: Waldorfpädagogen können ihre Schule aktiv mitgestalten, sie können mitbestimmen, welche Inhalte sie lehren – sie erfahren „Selbstwirksamkeit“ in ihrem Handeln.
Bleiben wir einen Moment bei den positiven Nachrichten: Kinderbetreuung finanziert sich selbst, konnte man in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen. Der Artikel berichtet über eine Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, die bereits Ende 2011 abgeschlossen wurde. In der Studie wurde das Erwerbsverhalten von Müttern, die eine Betreuung für ihr Kind nutzen, mit Müttern, deren Kinder keine Betreuungsangebote nutzen, verglichen. Das Bundesfamilienministerium hat diese Tage dazu eine Pressemitteilung herausgegeben:
»Mütter mit Kindern unter sechs Jahren, die ihre Kinder betreuen lassen, nehmen eher eine Erwerbstätigkeit auf oder dehnen diese aus als Mütter, deren Kinder keine öffentlich geförderte externe Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Mütter, deren unter dreijähriges Kind betreut wurde, hatten eine um circa 35 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, arbeiteten im Schnitt zwölf Stunden mehr pro Woche und verdienten je nach Schätzmethode zwischen 500 und 700 Euro brutto mehr als Mütter, deren Kind nicht extern betreut wurde. Die Mütter wechselten vor allem von der Nichterwerbstätigkeit in eine Teilzeitbeschäftigung. Bei Müttern mit Schulkindern zeigte sich, dass diese durch die Nutzung der Ganztagsbetreuung vor allem ihre Arbeitszeiten ausweiten.«
Interessant sei, so die Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“, »dass sich dem ifo-Institut zufolge die Kosten einer staatlich geförderten Kinderbetreuung zu großen Teilen selbst finanzieren: So nehme der Staat durch die erhöhte Erwerbstätigkeit von Müttern mehr Geld in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ein – und könne damit die direkten Kosten der Kinderbetreuungssubventionen „zu einem beträchtlichen Teil“ decken.« Die Selbstfinanzierungsquoten liegen zwischen 40 und 50% im Krippen- und Kindergartenbereich und zwischen 65 und 100% im Bereich der Betreuung in Ganztagsschulen.
Was die Wirtschaftsforscher vom ifo an dieser Stelle aber sogar noch unterschätzen, ist der Refinanzierungsgrad, den wir bei Kindertageseinrichtungen haben. Denn die angegebenen 40-50 % beziehen sich lediglich auf die zusätzlichen Einnahmen aus der zusätzlichen Erwerbstätigkeit der Mütter, die ihre Kinder in der Kita betreuen lassen können. Noch gar nicht berücksichtigt bei dieser Rechnung ist aber die Tatsache, dass von den öffentlichen Mitteln, die in die Kindertageseinrichtungen schließen, ein Großteil Personalkosten sind. Und wenn man beispielsweise 1.000 Erzieherinnen zusätzlich beschäftigt, dann verbessert man damit nicht nur die Erwerbsarbeitsmöglichkeiten der Mütter, sondern die in diesem Bereich arbeitenden Erzieherinnen werden – wie alle anderen sozialversicherungspflichtigen Berufe auch – zur Besteuerung sowie zu den Abgaben an die Sozialversicherungen herangezogen. Berechnet man nun, was es wirklich kosten würde, eine Anzahl x an neuen Erzieherinnen einzustellen, dann muss man vor den immer wieder genannten und diskutierten Brutto-Kosten die Steuer- und Sozialversicherungsabgaben abziehen, um bekanntlich auf die Netto-Größe zu kommen. Die ist im Ergebnis dann nur noch 50%. Und von der Hälfte müsste man die bereits beschriebenen Selbstfinanzierungsquote durch die Erwerbstätigkeit der Mütter nochmals abziehen.