Für viele Menschen steigen die Mieten und das Wohngeld soll jetzt auch mal wieder angehoben und gestärkt werden. Licht und Schatten des Wohngeldstärkungsgesetzes

Es gibt Tage, an denen man schon mit der Kenntnisnahme des gesetzgeberischen Outputs, der den Deutschen Bundestag verlassen hat, hinterherhechelt. Geschweige denn, dass man alle Änderungen und Neuerungen inhaltlich nachvollziehen kann. Dabei handelt es sich bei der sozialpolitisch relevanten Gesetzgebung in der Regel um Veränderungen, die Auswirkungen auf die Lebenslagen von Millionen Menschen haben (können). »Der Bundestag hat etliche Gesetze von Arbeitsminister Hubertus Heil verabschiedet. Profitieren sollen davon unter anderem Pflegende, Paketboten und Unternehmensgründer«, kann man einer Meldung vom 25. Oktober 2019 entnehmen, die schon die enorme Bandbreite der Betroffenen von „nur“ vier hier an einem Tag verabschiedeten Gesetzesänderungen andeutet.

Und bereits am 18. Oktober 2019 wurde auf den Seiten des Deutschen Bundestages in der den dort vorherrschenden sachlich-technokratischen Tonart unter der Überschrift Bundestag stimmt der Erhöhung des Wohngelds zu verkündet: »Der Bundestag hat … das Wohngeld erhöht, indem er den Entwurf der Bundesregierung für ein Wohngeldstärkungsgesetz … mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD bei Enthaltung der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in der vom Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen geänderten Fassung … annahm.« Wir sprechen hier über Änderungen, die Hunderttausende betreffen.

Das Wohngeld als eigenständige Leistung gibt es schon seit dem Jahr 1965. Interessant ist ein Blick auf die Ausgabenentwicklung, hier dargestellt für die Jahre 1991 bis 2018:

»Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Das Wohngeld wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet«, heißt es im § 1 des Wohngeldgesetzes (WoGG). Ein Maß für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Wohngeldes ist die Entwicklung der Wohnkostenbelastung vor und nach Wohngeldleistung bezogen auf das verfügbare Einkommen der Haushalte. Für 2017 werden folgende Anteilswerte ausgewiesen: 36 Prozent vor und 25 Prozent unter Berücksichtigung des Wohngeldes. Eine durchaus erhebliche Entlastung für die betroffenen Haushalte, deren durchschnittliche Einkommen bei 970 Euro je Haushalt lagen. Diese und weitere Daten findet man in dem Wohngeld- und Mietenbericht 2018 der Bundesregierung, der am 11. Juli 2019 veröffentlicht wurde.

Wenn man sich den Verlauf der Wohngeld-Haushalte anschaut, erkennt man sofort die deutlichen Sprünge nach bzw. oben. Die resultieren aus gesetzlichen Veränderungen bzw. einem Auseinanderlaufen von Einkommensentwicklung und Einkommensschwellen. Ein markanter Punkt in der Zeitreihe ist das Jahr 2005 (vgl. dazu noch deutlicher die Abbildung mit der Ausgabenentwicklung), denn in diesem Jahr reduzierte sich der Kreis der Wohngeldberechtigten zunächst deutlich: Hauptursache war „Hartz IV“, das am 1.1.2005 in Kraft trat. Infolge der Reform entfiel für Empfänger staatlicher Transferleistungen sowie für Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft das Wohngeld: Dies betrifft zum Beispiel Empfänger von Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld nach dem SGB II, von Hilfe zum Lebensunterhalt beziehungsweise Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß SGB XII oder von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Für das Jahr 2009 ist dann ein deutlicher Anstieg der Zahl der Wohngeld-Haushalte erkennbar. Dafür lassen sich zwei Ursachen identifizieren:

➔ Ein Grund dafür ist der sogenannte „Kinderzuschlag“. Der zum 1.1.2005 eingeführte Kinderzuschlag wird Eltern gewährt, die zwar ihren Bedarf aus eigenem Einkommen grundsätzlich selbst decken können, nicht aber den Bedarf ihrer Kinder. Durch den Kinderzuschlag soll vermieden werden, dass Haushalte allein aufgrund ihrer Kinder abhängig von SGB II-Leistungen werden. Änderungen beim Kinderzuschlag haben spürbare Auswirkungen auf Empfänger von Wohngeld mit Kindern, da die Kinder in der Regel auch einen Wohngeldanspruch haben. Und solche Änderungen wurden zum 1. Oktober 2008 in Kraft gesetzt: Der Kreis der Kinderzuschlagsberechtigten wurde ausgeweitet, indem eine feste, niedrigere Mindesteinkommensgrenze festgelegt und die Anrechnungsquote von Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 70 % auf 50 % verringert wurde. Das führte zu einem deutlichernAnstieg der Zahl der Haushalte mit Wohngeldbezug. Infolge der Weiterentwicklung des Kinderzuschlags ab Oktober 2008 wechselten Haushalte mit Kindern vom SGB II in die vorrangigen Leistungssysteme Wohngeld und Kinderzuschlag.

➔ Hauptursache für den deutlichen Anstieg der Zahl der Wohngeldhaushalte 2009 ist die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Reform des Wohngeldrechts. Mit ihr waren erstmals seit den Anpassungen im Jahr 2001 wieder Leistungsverbesserungen für die Wohngeldbezieher verbunden: Vor dem Hintergrund gestiegener Energiepreise wurden erstmals die Heizkosten in das Wohngeld einbezogen. Und die Höchstbeträge für Miete und Belastung wurden über die Abschaffung der Baualtersklassen auf Neubauniveau vereinheitlicht und zusätzlich um 10 % angehoben.

Hauptursachen für den erneuten Rückgang der Zahl der Wohngeldhaushalte im Jahr 2011 waren zwei gesetzliche Änderungen:
➞ Zum einen wurde am 1.1.2011 der Betrag für die Heizkosten (Heizkostenkomponente) bei der Ermittlung der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung im Wohngeld gestrichen.
➞ Zum anderen sind seit dem 1.4.2011 Leistungsberechtigte nicht mehr verpflichtet, Wohngeld in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft beseitigt würde. Die Grundsicherungsstelle darf künftig nicht mehr einzelne Personen einer Bedarfsgemeinschaft, insbesondere Kinder, auf die Inanspruchnahme von Wohngeld verweisen.

Im Jahr 2016 geht dann die Zahl der Wohngeldhaushalte wieder deutlich nach oben. Was ist hier passiert? Nach sieben Jahren gab es mal wieder eine Wohngeldreform. Im Fokus der Änderungen stand die Angleichung des Wohngeldes an die Entwicklung der Mieten und Einkommen. Dabei fanden nicht nur die gestiegenen Kaltmieten Beachtung, sondern auch die Nebenkosten für Warmwasser und Heizung. Die wichtigsten Neuerungen waren:
➞ Erhöhung der Wohngeldleistungen (Tabellenwerte) um durchschnittlich 39 Prozent.
➞ Anhebung der Miethöchstbeträge: Angepasst an die regional vorherrschende Durschnittsmiete werden die Miethöchstbeträge (höchste bezuschussungsfähige Miete) angehoben. Da die Durchschnittsmieten in Deutschland stark variieren, werden auch die Miethöchstbeträge in unterschiedlicher Höhe angepasst.

Und nun also – im Jahr 2019 – kommt die nächste Reform des Wohngeldes: das Wohngeldstärkungsgesetz (vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wohngeldes (Wohngeldstärkungsgesetz – WoGStärkG), Bundestags-Drucksache 19/10816 vom 11.06.2019 in der vom Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen geänderten Fassung, vgl. Bundestags-Drucksache 19/14135 vom 16.10.2019). Was beinhaltet die erneute Reform des Wohngeldes?

»Das Gesetz zielt auf eine Erhöhung des Wohngeldes ab. Vorgesehen ist eine Anpassung der Parameter der Wohngeldformel, um die Zahl der Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger zu erhöhen und die Reichweite des Wohngelds zu vergrößern. Eine Anpassung an die allgemeine Entwicklung von Mieten und der nominalen Einkommen in Höhe der Inflation sei dabei berücksichtigt. Vorgesehen ist die Einführung einer Mietenstufe VII in bestimmten Gemeinden und Kreisen, um Haushalte mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnkosten zu entlasten.
Außerdem werden die Höchstbeträge, bis zu denen die Miete berücksichtigt wird, regional gestaffelt angehoben. Zudem soll das Wohngeld künftig dynamisiert – also alle zwei Jahre per Verordnung an die eingetretene Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. „Eine regelmäßige Fortschreibung des Wohngelds stellt sicher, dass seine Leistungsfähigkeit als sozialpolitisches Instrument der Wohnungspolitik erhalten bleibt“, begründet die Regierung die Dynamisierung.« (Quelle: Bundestag stimmt der Erhöhung des Wohngelds zu).

Die Bundesregierung erwartet spürbare Ergebnisse, denn »mit der Novelle würden 660.000 Haushalte und damit 180.000 Haushalte mehr als bisher die Leistung beanspruchen können. Die verabredete Dynamisierung sei ein Fortschritt, da es so einen Mechanismus bislang nicht gegeben habe. Eine Evaluierung werde feststellen, ob der gewählte Zweijahresrhythmus – der auch mit dem bürokratischen Aufwand zu tun habe – ein richtig gewählter Zeitraum sei.«

Interessant ist natürlich auch die Bewertung der relevanten Oppositionsparteien:

➔ Von Seiten der Linken wird kritisiert, die Reform sei zu halbherzig. So würde in 164 Kommunen die Erhöhung des Wohngelds ausbleiben, weil diese Städte in Bezug auf die Mietstufen herabgestuft werden. Das sei absurd. Insgesamt gehe der Kreis der Wohngeldempfänger immer weiter zurück. Die Linken fordern, dass sich das Wohngeld an den realen Kosten orientieren und folglich auch Heizkosten berücksichtigen müsse. Die Linksfraktion hatte einen eigenen Antrag eingebracht: Wohngeld ausweiten und die Belastung durch Wohnkosten begrenzen. Insgesamt sei das Wohngeld für die Linken nicht das Allheilmittel, denn es subventioniere letztlich nur die Rendite privater Großvermieter. Nachhaltiger wären mehr Investitionen in bezahlbare und öffentlich geförderte Wohnungen.

➔ Die Grünen kritisieren, das Wohngeld werde mit der Novelle nicht strukturell gestärkt. Die Fraktion hatte einen Entschließungsantrag (Bundestags-Drucksache 19/14146 vom 16.10.2019) eingebracht, in dem kritisiert wird, dass »die Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag, eine Klimakomponente einzuführen, nicht erfüllt (wird). Das ist vor allem deswegen kritisch, weil einkommensschwachen Haushalten mit Wohngeldbezug bei energetischen Modernisierungen ein anteiliger oder auch kompletter Verlust des Wohngeldes droht. Zudem wird ihnen die Anmietung von energetisch saniertem Wohnraum erschwert, weil die Kaltmieten häufig oberhalb der wohngeldrechtlichen Höchstgrenzen liegen. So können Klima- und Mieterschutz für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen nicht miteinander verbunden werden.« 
Das hier eine ziemlich offene Wunde adressiert wird, kann man auch daran erkennen: Als Vertreter der Bundesregierung verteidigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbauministerium, Marco Wanderwitz (CDU), das Aussparen der Klimakomponente: »Dafür habe man nun ein Jahr Zeit, um im Zuge des Klimapakets eine Lösung zu finden. Klar sei, dass man einen Aufschlag auf das Wohngeld für Haushalte brauche, die sich die Miete nach einer energetischen Sanierung nicht leisten können.«

➔ Interessant ist auch die Position der FDP. Nach deren Auffassung sei die Wohngeldreform grundsätzlich überfällig gewesen. Beim Wohngeld anzusetzen, sei richtig, denn dieses unterstütze zielgenau und schütze vor Verdrängung. Der FDP-Abgeordnete Daniel Föst prophezeite weiter große Reibungsverluste an den Schnittstellen von Sozialleistungen mit einem hohen bürokratischen Aufwand für Betroffene und die Verwaltung. Und dann: »Seine Fraktion schlage ein liberales Bürgergeld, das Sozialleistungen bündelt.« En passant sind wir in der Grundeinkommensdebatte angekommen, denn die FDP ist da vertreten mit eben dem Konzept eines liberalen Bürgergeldes“. In diesem Kontext hat die FDP den Antrag Bezahlbare Mieten sichern – Zielgerichtet unterstützen – Liberales Bürgergeld einführen (Bundestags-Drucksache 19/11107 vom 25.06.2019) eingebracht. Hier geht es also um die Integration des Wohngeldes in ein neues Sicherungssystem

Zum Wohngeldstärkungsgesetz wie auch zu dem „liberalen Bürgergeld“-Ideen der FDP hatte es am 25. September 2019 eine Anhörung im Bundestag gegeben, bei der auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit vertreten war. Deren Stellungnahme kann man hier abrufen:

➞ Kerstin Bruckmeier, Jannek Mühlhan und Jürgen Wiemers (2019): Zum Entwurf des Wohngeldstärkungsgesetzes – Bewertung der Schnittstellen zwischen Wohngeld, Arbeitslosengeld II und Kinderzuschlag. Stellungnahme des IAB zur Anhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen des Deutschen Bundestags am 25. September 2019. IAB-Stellungnahme 15/2019, Nürnberg 2019

In der Zusammenfassung heißt es: »Nach Darstellung der Schnittstellenproblematik zwischen den bedarfsgeprüften Leistungen Arbeitslosengeld II, Wohngeld und Kinderzuschlag plädieren die … Autoren für eine verbesserte Abstimmung der Leistungen, sowohl mit Blick auf Arbeitsanreize als auch zur Reduzierung der Kosten für die Inanspruchnahme. Sozialrechtliche Vereinfachungen und Harmonisierungen bei Leistungen und Anspruchsprüfungen seien erforderlich, um Bürokratiekosten zu senken und die Transparenz für die Betroffenen zu erhöhen. Das IAB schlägt die Einführung eines Erwerbszuschusses vor, der die drei bedarfsgeprüften Leistungen für Erwerbstätige ersetzt. Positiv gesehen werden daher die politischen Vorschläge zur Integration von Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft, Wohngeld und Kinderzuschlag in einer Leistung wie im „Liberalen Bürgergeld“ oder in einem „Garantieeinkommen für Alle“.«

Bei der Anhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen des Deutschen Bundestages wurde auch in der Stellungnahme des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dieser Hinweis gegeben: »Ein verbleibender Kritikpunkt an der Wohngeldreform ist, dass sie eine isolierte Reform darstellt. So bleiben die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Grundsicherung und dem Wohngeld bestehen. Für Familien ist eine getrennte Beantragung des Wohngeldes mit dem Kinderzuschlag erforderlich. Hierdurch bleibt es für viele Bedürftige mit niedrigem Einkommen schwierig abzuschätzen, welches System sie idealerweise nutzen sollten. Dies erfordert für die betroffenen Haushalte und Verwaltungen einen hohen Aufwand bei der Beantragung und Prüfung der Leistungen in den Jobcentern, Wohngeldbehörden und Familienkassen. Durch eine Kombination von Wohngeld und Kinderzuschlag besteht überdies das Problem, dass in einigen Einkommensbereichen die kumulierten Grenzbelastungsraten der beiden Systeme sehr hoch sind, woraus negative Arbeitsanreize resultieren.« Diese innere Komplexität a) des eigentlichen Gesetzes in Verbindung mit b) den Schnittstellen zu anderen Leistungsbereichen kann und wird dazu führen, dass nicht wenige, die im Grunde Anspruch hätten auf Wohngeld, diesen nicht einlösen. Dass es eine erhebliche Dunkelziffer der Nicht-Inanspruchname des Wohngeldes gibt, darauf deuten auch die mehr als überschaubaren Inanspruchnahmequoten in Verbindung mit den hohen Mietbelastungen hin.

Wie bei so vielen anderen sozialpolitisch hoch relevanten Leistungen, erleben wir auch beim Wohngeld eine sich potenzierende Kumulation von zahlreichen Einzelbestimmungen, die zu schwer verständlichen Gesetzen auf der einen Seite, zugleich aber auch zu handfesten Überschneidungsproblemen zu anderen Rechtskreisen führen.

Darauf verweist auch die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): Wohngeld: Instrument mit Licht und Schatten, so ist die überschrieben. Die Gewerkschaften seien (wie auch andere Sozialverbände) „wenig begeistert“. Die von der Bundesregierung behauptete „deutliche Verbesserung“ für viele Haushalte stellt sich für den DGB so dar:

»Das Wohngeld wurde zuletzt zum 1. Januar 2016 angepasst. Seitdem sind ein Drittel der Empfänger*innen aus dem Bezug gefallen. Dies kann schon passieren, wenn das Einkommen der Betroffenen nur mit der Inflationsrate steigt, da die Einkommensgrenzen bislang nicht angepasst wurden. Die nun verabschiedete Erhöhungen der Mietzuschüsse und der Einkommensgrenzen stellen vor diesem Hintergrund keine Leistungsverbesserung des Wohngeldes gegenüber 2016 dar, sondern entsprechen lediglich einer Realwertsicherung.«

Eine strukturelle Verbesserung erkennen die Gewerkschaften in der Dynamisierung des Wohngeldes, die alle zwei Jahre erfolgen soll. Hier kritisiert der DGB: »Eine jährliche Anpassung wäre besser, denn sie würde verhindern, dass Menschen aufgrund der unterschiedlichen Anpassungszyklen zwischen Grundsicherung und Wohngeld wechseln müssen.«

Dann aber kommt unter der Überschrift „Kein Anspruch mehr auf Wohngeld für alleinstehende Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn“ ein wichtiger Kritikpunkt, der zugleich die höchst problematischen Folgewirkungen des Herumfummelns in nur noch historisch, nicht aber sachlogisch zu verstehenden Einzelsystemen aufzeigen kann:

»Ein … Konstruktionsfehler im Wohngeld, der Menschen in die Grundsicherung drängt, wurde nicht behoben. Alleinstehende Vollzeitbeschäftigte, die den Mindestlohn bekommen, haben in Städten mit hohem Mietniveau in der Regel keinen Anspruch (mehr) auf Wohngeld, jedoch einen Anspruch auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Ursächlich hierfür ist die unterschiedliche Anrechnung von Erwerbseinkommen in beiden Systemen. Während bei Hartz IV ein Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von bis zu 330 Euro monatlich gilt (3.960 Euro im Jahr), wird beim Wohngeld nur die steuerrechtliche Werbungskostenpauschale in Höhe 1.000 Euro im Jahr in Abzug gebracht.«

Und der DGB schlussfolgert aus seiner Perspektive: »Eine Entschärfung der Anrechnung von Erwerbseinkommen beim Wohngeld könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um unabhängig von Hartz IV leben zu können.«

Und schlussendlich legt der DGB noch den Finger auf eine offene Wunde – das Wohngeld ist ja ein Paradebeispiel für eine Subjektförderung in der Wohnungspolitik, also der oder die Mieter werden hinsichtlich ihrer Kaufkraft monetär unterstützt, so dass auch für sie Mieten bezahlbar sind, die ansonsten zu hoch wären. Man setzt also an der Nachfrageseite an. Am anderen Ende des Pols steht die Objektförderung, wo auf der Angebotsseite angesetzt wird, beispielsweise durch den Bau zusätzlicher Sozialwohnungen.

Der DGB weist nun darauf hin, »dass die Ausgaben für das Wohngeld alles andere als nachhaltig sind und die überhöhten Mietforderungen der Wohnungswirtschaft bedienen. Die öffentliche Hand gab 2017 17,5 Milliarden Euro für die sogenannte Subjektförderung in Form von Kosten der Unterkunft und Wohngeld aus … Unter gegebenen Bedingungen sind diese Ausgaben sozialpolitisch fraglos wichtig.« Man liest bereits das „Aber“:

»Ziel müsste allerdings sein, die Subjektförderung mittelfristig weniger notwendig zu machen, indem genug günstiger Wohnraum bereitgestellt wird. Das geschieht aber nicht: Im gleichen Jahr 2017 gaben Bund und Länder zusammen nur etwa 3 Mrd. Euro für die Objektförderung aus, indem sie den Bau von preisgebundenen Wohnungen förderten. Da die Anzahl der Sozialwohnungen seit 1990 fast um zwei Drittel abgenommen hat, muss die öffentliche Hand immer mehr direkte Wohnzuschüsse in Form von Subjektförderung zahlen.«

Und immer mehr direkte Mietzuschüsse in Form der Subjektförderung (was natürlich auch bei einer entsprechenden Flexibilität der Bemessungsgrenzen bedeutet: für immer höhere Mieten) ist die inbrünstig (und in expliziter Abwendung von einer Objektförderung wie im sozialen Wohnungsbau) vorgetragene Empfehlung für die Wohnungspolitik, wie man sie bei vielen Ökonomen findet. Vgl. dazu nur als ein Beispiel angesichts der Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus dem vergangenen Jahr den Beitrag Wie man in einem Gutachten über „soziale Wohnungspolitik“ das Soziale wegdefiniert und ein existenzielles Gut auf einen „Markt“ zu werfen versucht vom 29. August 2018.

Fazit: Das Wohngeld hängt nicht nur fest in der angesprochenen Grundsatzdebatte über die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit von Maßnahmen der Subjektförderung (und der anders gelagerten Forderung nach einer erheblich auszuweitenden Objektförderung über eine Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus), sondern das Regelungsdickicht innerhalb des Wohngeldrechtsrahmens sowie die Schnittstellen zu benachbarten Sicherungssystemen wie dem SGB II und XII machen das Wohngeld als eine Komponente auch zu einem Kandidaten für die von ganz unterschiedlichen Seiten geforderten Grundeinkommensmodellen, die der Auflösung vieler kleiner Einzelleistungen in einer diese vereinigenden Leistung das Wort reden.