Habemus Tarifabschluss. Geschlossene Kitas und Wartezeiten in der Notaufnahme: Nach tagelangen Warnstreiks ist der Tarifstreit über den öffentlichen Dienst beendet: Einigung im Tarifstreit über den öffentlichen Dienst. Es geht um die Einkommen von rund einer Million Beschäftigten: Die Gehälter sollen um acht Prozent, mindestens aber 240 Euro steigen. Die Laufzeit der Tarifeinigung solle 33 Monate betragen. Offensichtlich sind beide Seiten zufrieden: Die lange Laufzeit gebe „Planungssicherheit“, sagte der Verhandlungsführer der Länder, der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Bsirske sagte: „Das ist das beste Ergebnis für einen Lohnabschluss im Länderbereich seit vielen Jahren.“
Die Vertreter der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), der Gewerkschaft Ver.di und des Beamtenbunds DBB verhandelten über die Bezahlung für ganz unterschiedliche Tätigkeiten der Länderbeschäftigten. Für alle Beschäftigten hatten sie eine Lohnerhöhung von sechs Prozent, mindestens aber zusätzlich 200 Euro im Monat verlangt.
Die Gehälter sollen rückwirkend zum 1. Januar 2019 in einem Gesamtvolumen um 3,2 Prozent steigen, mindestens um 100 Euro. Eine weitere Erhöhung um 3,2 Prozent, mindestens 90 Euro, soll es am 1. Januar 2020 geben. Zum 1. Januar 2021 soll es 1,4 Prozent mehr geben, mindestens 50 Euro. Am frühen Sonntag gab die Bundestarifkommission der Gewerkschaft Verdi grünes Licht für den Abschluss, wie eine Sprecherin mitteilte.
Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Mitteilung über den Tarifabschluss so überschrieben: Das ist spektakulär. 380 Euro auf einen Schlag. Das Ergebnis im Detail:
»Rückwirkend zum 1. Januar 2019 wird es eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent mit mindestens 100 Euro geben, zum 1. Januar 2020 weitere 3,2 Prozent mit mindestens 90 Euro und zum 1. Januar 2021 noch einmal 1,4 Prozent mit mindestens 50 Euro. Für die Auszubildenden steigen die Vergütungen insgesamt um 100 Euro in zwei Schritten von 50 Euro, rückwirkend zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020. Wie auch schon beim Abschluss mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) erhalten sie zudem einen zusätzlichen Urlaubstag und werden nun auch 30 Urlaubstage haben.
Und auch das wurde vereinbart: In allen 15 Entgeltgruppen im Landesdienst sollen die Einstiegsgehälter in den Eingangsstufen für Neueinsteiger aufgewertet werden. Diese Aufwertung beträgt im Volumen rund 11 Prozent und erfolgt in zwei Schritten zum 1. Januar 2020 sowie zum 1. Oktober 2020.«
Schwierig waren die Verhandlungen vor allem wegen zusätzlichen Forderungen, die die Struktur der einzelnen Lohngruppen betrafen, etwa von Erzieherinnen oder Lehrern. Auch eine Aufstockung um 300 Euro in der Gehaltstabelle für die Krankenpflege stand auf der Liste.
Auch vor diesem Hintergrund beginnt die Verdi-Meldung mit einem Zitat aus den Reihen der Krankenhaus-Pflegekräfte:
»„200 Euro sollten es mindestens mehr sein.“ Kristina Prast, OP-Schwester vom Uni-Klinikum Jena und seit neun Jahren freigestelltes Personalratsmitglied, war realistisch, bevor die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder begonnen haben, und die Pflegekräfte zusätzlich 300 Euro auf den generellen Lohnabschluss gefordert hatten. Nachdem nahezu drei Tage lang in der dritten Verhandlungsrunde Anfang März gar das Scheitern der Tarifrunde nicht ausgeschlossen war, ist sie jetzt begeistert. „Daumen hoch für die Pflege!“, ist ihr erster Kommentar, als das Ergebnis nach einem langen Tag des Wartens am späten Abend des 2. März’ endlich auf dem Tisch liegt. Examinierte Pflegekräfte werden rückwirkend zum 1. Januar 2019 bis zu 380 Euro brutto mehr im Monat erhalten. „Das ist mehr, als wir erwartet haben“, sagt Kristina Prast, auch wenn jetzt alles noch genau für alle Entgeltgruppen nachgerechnet werden muss.«
Eine Aufwertung erfahren vor allem die Pflegekräfte und auch die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten, die ab dem 1. Januar 2020 in die bessere Entgelttabelle der Kommunen wechseln und oben drauf die beschlossenen Entgelterhöhungen bekommen werden, so Verdi.
Aber angesichts der Breite der Berufe und Tätigkeiten, für die hier verhandelt wurde, nicht überraschend: »Abstriche mussten die Gewerkschaften – Verdi und der Beamtenbund dbb – bei der Entgeltordnung hinnehmen. Hier wurden zwar bestimmte Berufsgruppen bessergestellt, aber nicht alle, wie es die Gewerkschaften verlangt hatten. Zudem ist die Laufzeit von 33 Monaten länger als von der Arbeitnehmerseite gewünscht und bei den Lehrern konnten nicht alle Vorstellungen voll durchgesetzt werden.« Dem Artikel Acht Prozent mehr Lohn in drei Jahren kann man auch entnehmen: »Der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), wies unter anderem darauf hin, dass Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsberufen eine deutliche Anhebung bekommen. Ebenso würden die Auszubildenden aufgewertet. Gerade für junge Leute soll der Einstieg in den öffentlichen Dienst der Länder attraktiver werden.« Zu den angeblichen Kosten des Abschlusses erfahren wir von Kollatz, dass sich diese auf 7 Milliarden Euro über die vereinbarten 33 Monate Laufzeit belaufen würden.
Zumindest von den nun bekannt gewordenen Eckpunkte reiht sich der Abschluss ein in das, was für das zurückliegende Jahr 2018 vom WSI-Tarifarchiv berichtet wird:
»In der Tarifrunde 2018 wurden von den DGB-Gewerkschaften für gut 11 Millionen Beschäftigte neue Tarifabschlüsse vereinbart. Für weitere 8,6 Millionen Beschäftigte traten im Jahr 2018 Erhöhungen in Kraft, die bereits 2017 oder früher vereinbart wurden. Die durchschnittliche Laufzeit der Tarifverträge lag 2018 bei 26,5 Monaten und erreichte damit einen neuen Rekord … Kaum ein Tarifvertrag wurde für weniger als zwei Jahre abgeschlossen. Eine Ausnahme bildete traditionell die chemische Industrie, die als einzige der großen Tarifbranchen auch 2018 einen Tarifvertrag für lediglich 15 Monate abschloss … Besonders lange Laufzeiten wurden hingegen mit 30 Monaten im öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) und mit 34 Monaten im privaten Verkehrsgewerbe (Nordrhein-Westfalen) vereinbart. Insgesamt setzte sich damit der seit Jahren anhaltende Trend zu immer längeren Laufzeiten fort.«
➔ Thorsten Schulten und WSI-Tarifarchiv (2019): Tarifpolitischer Jahresbericht 2018. Kräftige Lohnzuwächse und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit, Düsseldorf, Februar 2019