Bereits beim letzten großkoalitionären „Rentenpaket“ 2014 gab es neben der „Rente mit 63“ ein weiteres Aufreger-Thema: die „Mütterrente“. Dabei ging es (scheinbar) darum, ein für viele Menschen offensichtliches Gerechtigkeitsproblem zu lösen: Bis 2014 war es so, dass für Kinder, die nach 1992 geboren wurden oder werden, drei Entgeltpunkte pro Kind als Rentenanspruch nach Kindererziehungszeiten gutgeschrieben werden – während es für die Kinder, die vor 1992 das Licht der Welt erblickt haben, lediglich ein Entgeltpunkt gab. Diese erhebliche Unwucht zwischen „alten“ und „neuen“ Kindern ist letztendlich primär ausgabenseitig begründet gewesen, denn als man die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten eingeführt hat, wollte man die Kosten aufgrund der ausgabenrelevanten älteren Kindern, deren im Regelfall anspruchsberechtigten Mütter bereits im Rentenbezug waren und absehbar davor standen, begrenzen. Und für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, höhere Rentenansprüche zu versprechen, war damals mehr als wohlfeil, denn die Politik wusste, dass der Renten- und damit der Zahlfall noch weit in der Zukunft liegen wird und dann ganz andere Politiker die Folgen zu tragen haben werden.
Dieses Gefälle wurde auch deshalb kritisiert, weil man angesichts der Folgen, die Kindererziehung in den früheren Jahrzehnten für die (Nicht-)Erwerbsbiografie vieler Mütter gehabt hat, eigentlich mit guten Gründen argumentieren könnte, dass diese Mütter stärker kompensiert werden müssten als die Erziehungspersonen, die ihre Kinder in der jüngeren Vergangenheit oder demnächst betreuen und versorgen.
Die krasse Ungleichbehandlung hat die letzte große Koalition 2014 geändert – und die von vielen beklagte „Gerechtigkeitslücke“ gleichsam halbiert, in dem für die Kinder vor 1992 nun zwei Entgeltpunkte gewährt werden, immer noch weniger als für die jüngeren Kinder. Aber immerhin. Einen Punkt mehr für alle Kinder.
Und alle, die auf die völlige Gleichstellung mit den jüngeren Kindern gehofft haben, konnten Hoffnung schöpfen, als die Sondierungsergebnisse der mittlerweile nach längeren Geburtswehen ins Leben getretene neue alte „große“ Koalition bekannt wurden, die so dann auch in den Koalitionsvertrag eingeflossen sind (vgl. dazu den Beitrag Umrisse einer GroKo neu. Teil 2: Die Rente vom 14. Januar 2018): »»Mit dem zweiten Kindererziehungsjahr in der Rente für Geburten vor 1992 haben wir einen ersten Schritt getan. Wir wollen die Gerechtigkeitslücke schließen: Mütter, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen. Wir wollen die Mütterrente II einführen. Das ist ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung von Altersarmut.« Na also. Wie immer im Leben sollte man allerdings vollständig lesen: »Diese Verbesserungen bei der Mütterrente durch einen 3. Punkt sollen für Mütter gelten, die drei und mehr Kinder vor 1992 zur Welt gebracht haben.« Ups – das ist mehr als gar nichts, aber deutlich weniger als eine Gleichstellung der (überwiegend) Mütter, die Anspruch auf Rentenleistungen wegen Kindererziehungszeiten zugestanden bekommen. Denn natürlich ist klar, dass es viele Mütter gibt, die „nur“ ein oder zwei Kinder zur Welt gebracht haben und die deshalb von der Verbesserung ausgeschlossen werden.
Wie ist man auf diese eigenartige und ganz neue Gerechtigkeitsfragen aufwerfende Sonderregelung gekommen? Zum einen wird berichtet, die CSU habe darauf gedrungen, um zu demonstrieren, dass man was für die kinderreichen Familien tun will. Die sollen herausgehoben werden. Aber wenn es um die Leistungen durch Kinderziehung geht – was ist dann mit der Leistung, wenn man zwei Kinder durch Kindheit und Jugend und zuweilen auch noch lange danach durchs Leben gebracht hat?
Natürlich werden an dieser Stelle alle Skeptiker einwerfen, dass es hier – wie so oft – schlichtweg um die schnöden Finanzen geht. Denn die mit der Gewährung eines weiteren Entgeltpunktes für alle Mütter wären milliardenschwere Zusatzausgaben verbunden, die man natürlich verkleinern kann, wenn man die Grundgesamtheit der Leistungsberechtigten entsprechend eindampft.
Aber wenigstens für die überschaubare Gruppe derjenigen, die drei und mehr Kinder vor 1992 zur Welt gebracht haben, wird sich das dann doch lohnen? Dass das so sein wird und dann noch sozialpolitisch positiv aufgeladen, darauf deutet eine solche Überschrift hin: Mütterrente II kommt vor allem unteren Einkommensgruppen zugute. »24 Prozent der heutigen Rentnerinnen würden von dieser Reform profitieren, geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Insgesamt würde das Haushaltsnettoeinkommen der begünstigten Rentnerhaushalte um knapp vier Prozent steigen.« Hier wird Bezug genommen auf eine neue Studie aus dem DIW:
Stefan Bach, Hermann Buslei und Michelle Harnisch (2018): Die Mütterrente II kommt vor allem Rentnerinnen mit geringen und mittleren Einkommen zugute, in: DIW Wochenbericht Nr. 28/2018
Das hört sich erst einmal gut an – aber sogleich muss auch wieder Wasser in den Wein, der hier für einige aufgetischt wird, gegossen werden: »Nicht begünstigt wären allerdings einkommensschwache Rentnerinnen, die Grundsicherung in Anspruch nehmen, da die Mütterrente II vollständig auf diesen Zuschuss angerechnet wird.« Damit sprechen die Autoren der Studie eine Problematik an, die auch schon 2014 einige kalt erwischt hat, als sie davon ausgingen, dass alle Rentnerinnen von der Verbesserung der Mütterrente profitieren, denn so hatte das die damalige Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) und die Bundeskanzlerin auch immer behauptet, die Anrechnung aber wohlweislich „vergessen“. Vgl. dazu bereits den Beitrag „Mütterrente“: Wenn die scheinbaren Spendierhosen in der Realität zu heiß gewaschen werden, dann laufen sie ein vom 10. Januar 2015.
Bleiben wir bei denen, die von der geplanten Neuregelung profitieren werden: »Die geplante Mütterrente II wird bei unverändertem aktuellem Rentenwert die Rentenausgaben um jährlich 3,5 Milliarden Euro erhöhen. Begünstigt werden Rentnerinnen mit vor 1992 geborenen Kindern bei mindestens drei Kindern. Nach Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) betrifft dies fast ein Viertel aller Rentnerinnen. Simulationsrechnungen zeigen, dass die Mütterrente II überproportional Rentnerinnen mit niedrigen Haushaltseinkommen zugutekommt, da diese häufiger drei oder mehr Kinder haben. In den unteren 20 Prozent der Einkommensverteilung steigen die Einkommen der begünstigten Rentnerinnen um durchschnittlich sechs Prozent, bei alleinlebenden Frauen ab 75 Jahren um 8,5 Prozent.«
„Insofern wäre das Ziel der Armutsvermeidung, das sich die Bundesregierung auf die Fahne geschrieben hat, teilweise erfüllt. Allerdings würden auch wohlhabende Rentnerinnen begünstigt. Dafür gingen arme Rentnerinnen mit nur zwei Kindern leer aus“, relativiert DIW-Ökonom Stefan Bach die Wirkung der Mütterrente II. Und man muss, wie bereits erwähnt, berücksichtigen, dass die Rentnerinnen im Grundsicherungsbezug überhaupt nichts von der Ausweitung der Kinderziehungszeiten haben werden.
Und es gibt einen weiteren problematischen Punkt – die Frage der Finanzierung, also wer zahlt die Rechnung. Das wurde bereits in diesem Beitrag vom 21. Juni 2018 kritisch betrachtet: Die Rechnung bitte – für die anderen. Die „Mütterrente“ und die Beitragszahler. Denn eigentlich müsste die Aufstockung dieser zusätzlichen Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden, handelt es sich doch um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, so die Meinung vieler Diskussionsteilnehmer. Aber der Bundesfinanzminister will seine Schatulle nicht zur Verfügung stellen und die Rentenversicherung die Kosten begleichen lassen.
Auch dazu finden wir konkrete Berechnungen in der Studie des DIW. Die DIW-Simulation ergibt eine Erhöhung der Rentenausgaben von 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. „Da aber das deutsche Rentensystem eine Rentenanpassung vorsieht, wenn die Ausgaben steigen, schätzen wir, dass die tatsächlichen Rentenausgaben für die Mütterrente II nach den Anpassungen um etwa 40 Prozent niedriger ausfallen“, wird Hermann Buslei zitiert. „In diesem Sinne wird also ein großer Teil der Ausgaben durch die Rentnerhaushalte mitfinanziert.“ Zusätzlich muss zum Ausgleich von steigenden Ausgaben der Beitragssatz angehoben werden. Dieser steigt nach Abschluss des Anpassungsprozesses um 0,15 Prozentpunkte, haben die DIW-Ökonomen berechnet. Dies würde knapp die Hälfte der jährlichen Mehrausgaben finanzieren. Zusätzlich kämen für einen kleinen Teil die SteuerzahlerInnen auf, da der allgemeine Bundeszuschuss zur Rentenkasse ebenfalls erhöht wird.
Wieder einmal werden wir hier mit einem dieser typischen Verschiebebahnhöfe konfrontiert. Die Beitragszahler und die Rentner müssen den Großteil der Rechnung begleichen.
Aber es ist ja nicht durch das. Rentenpräsidentin warnt vor neuer Bürokratie bei Mütterrente, konnte man bereits am 1. Mai 2018 lesen. Das verweist auf die gerne von der Politik ausgeblendete Frage der administrativen Umsetzung solcher Vorhaben. „Wenn die Ausweitung auf Eltern von drei Kindern und mehr eingeschränkt wird, hätten wir als Rentenversicherung einen deutlich höheren Aufwand“, wird die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, zitiert. Warum das? „Dadurch, dass die Kinder etwa bei Patchworkfamilien bei Müttern und Vätern gespeichert sein können, wäre der administrative Aufwand größer, das umzusetzen.“
Nun könnte und wird man argumentieren, dass die das eben umsetzen müssen. Aber es gibt weitere große Fragezeichen – beispielsweise die als Ungerechtigkeit zu verstehende neue Differenzierung zwischen „kinderreichen“ Familien, also denen ab drei Kinder, die von der Mütterrente II profitieren, und den anderen, die leer ausgehen sollen. Das könnte ein Einfallstor für Klagen werden. Diese Befürchtung wird dann durch solche Stellungnahmen befeuert: Mütterrente II darf nicht auf Mehrkindfamilien beschränkt werden, so hat der Deutsche Juristinnenbund eine Pressemitteilung vom 2. Juli 2018 überschrieben. Die von der Kinderzahl abhängige Ausgestaltung der stärkeren Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten „wird den mit der Reform angestrebten Zielen nicht gerecht und wirft im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Grundgesetzes erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auf“, so die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb), Maria Wersig. Zur Begründung der Bedenken wird ausgeführt:
»Die von den Koalitionsparteien bezweckte Bekämpfung der Altersarmut, von der insbesondere Frauen betroffen sind, erfordert die volle rentenrechtliche Berücksichtigung von drei Jahren für jedes von ihnen erzogene Kind, unabhängig von der Anzahl der Kinder insgesamt und dem Jahr, in dem das Kind geboren wurde. Die Beschränkung auf Erziehende mit drei und mehr Kindern schafft eine neue Gerechtigkeitslücke. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die für das erste oder zweite Kind aufgewendete Erziehungszeit nur dann rentenrechtlich berücksichtigt wird, wenn noch ein weiteres Geschwisterkind folgt. Offen ist dabei zudem, wie die Leistungsaufstockung umzusetzen ist, wenn die Kindererziehungszeit in partnerschaftlicher Familiengestaltung zwischen den Eltern aufgeteilt wurde.«
Und mit Blick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit der geplanten Regelung wird dann der Finger in diese offene Wunde gelegt:
»Nicht zuletzt ist die geplante Differenzierung nach der Anzahl der Kinder und damit die unterschiedlich ausgestaltete Wertschätzung der Erziehungsleistung bezogen auf den Generationenvertrag der Rentenversicherung im Hinblick auf den Gleichheitssatz in Art 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich angreifbar. Für die Benachteiligung der Erziehenden mit einem Kind oder zwei Kindern fehlt es an einem zureichend gewichtigen sachlichen Grund. Anders als bei der bisherigen Differenzierung nach dem Geburtsjahr der Kinder handelt es sich nicht um eine unter bestimmten Voraussetzungen zulässige Stichtagsregelung. Finanzielle Erwägungen, insbesondere das Ziel Ausgaben zu sparen, reichen in der Regel nicht aus, um eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Personengruppen hinreichend zu rechtfertigen. Andere verfassungsrechtlich weniger problematische Lösungen sind denkbar. So wurden bei Einführung der Kindererziehungszeiten im Jahre 1987 beispielsweise die Leistungen für Kindererziehung bei vor 1921 geborenen Müttern nach Geburtsjahrgängen der Frauen eingeführt und später sukzessive ausgeweitet.«
In diesem Passus findet man auch einen doppelten Hinweis, um eine neue Entscheidung des Bundessozialgerichts ( BSG, 28.06.2018 – B 5 R 12/17 R) einordnen zu können, die auf den ersten Blick verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine unterschiedliche Behandlung bei der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vom Tisch wischt: Mütterrente-Regel ist verfassungsgemäß: »Für Kinder, die vor 1992 geboren sind, können sich Rentner nur zwei statt drei Erziehungsjahre anrechnen lassen. Jetzt hat das Bundessozialgericht (BSG) geurteilt: Die „Mütterrente“-Regelung ist verfassungsgemäß.«
Hintergrund des Rechtsstreits ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992. Die Verfassungsrichter gaben damals dem Gesetzgeber vor, die Nachteile für kindererziehende Eltern bei der Rente wieder auszugleichen. Dieser legte daraufhin fest, dass Eltern für ab 1992 geborene Kinder drei Erziehungsjahre auf ihre Rente anrechnen lassen können. Für vor 1992 geborene Kinder blieb es bei nur einem angerechneten Erziehungsjahr. 2014 wurde das dann bekanntlich mit der Mütterrente I auf zwei Jahre ausgedehnt, so dass immer noch ein Unterschied von einem Jahr geblieben ist. Das BSG hat nun entschieden, »dass der Gesetzgeber mit der unterschiedlichen Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten die Finanzierung der „Mütterrente“ gewährleisten wollte. Die Anrechnung von zwei Jahren Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder auf die Rente sei verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe auch einen entsprechenden Stichtag festlegen dürfen.« Der angesprochene doppelte Hinweis ist zum einen die Stichtagsregelung, die generell als zulässig erachtet wird, auch wenn sie das Gerechtigkeitsempfinden der einzelnen Betroffenen zutiefst verletzen mag. Und zum anderen die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung der vor und seit 1992 geborenen Kinder – aber eben aller Kinder vor und nach diesem Stichtag, so muss man in Erinnerung an die Anmerkungen des Deutschen Juristinnenbundes hier hervorheben. Allerdings, das sei hier auch angemerkt, sieht das BSG offensichtlich keine Probleme in der Begrenzung aufgrund der „Finanzierbarkeit“, das liest sich beim Deutschen Juristinnenbund noch etwas anders.
Und mit Blick auf die im Titel dieses Beitrags angedeutete Fragwürdigkeit des sozialpolitischen Diskurses rund um die Mütterrente soll hier gar nicht vertiefend auf den Tatbestand abgestellt werden, dass es schon irgendwie unbefriedigend ist, wenn man offiziell seitens der Bundesregierung herausstellt, dass die Verbesserung der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten dem Ziel des Abbaus der Altersarmut vor allem der überwiegend betroffenen Frauen dienen soll, dann aber bei den Müttern, die sich im Grundsicherungsbezug befinden und damit nun wirklich den harten Kern der altersarmen Menschen bilden, die Verbesserung vollständig anrechnet und damit jegliche Einkommensverbesserung blockiert, wo diese am nötigsten wäre – gleichzeitig aber die Rentenleistungen für Rentnerinnen erhöht, die über hohe eigene oder abgeleitete Ansprüche verfügen. Das soll auch deshalb nicht vertieft werden, weil das hier aus armutspolitischer Sicht angesprochen Problem der Ungleichverteilung der Einkommenseffekte mit einer Unwucht zuungunsten derjenigen, die ganz unten sind, aus Sicht der Sozialversicherung wiederum – von der übrigens keineswegs zwingenden vollständigen Anrechnung auf die Transferleistung aus der Grundsicherung im Alter abgesehen – keineswegs ein Problem darstellt, denn die Sozialversicherung differenziert eben nicht nach dem Haushaltseinkommen und fragt nicht bei der Leistungsausschüttung, ob man wenig oder viele hat, sondern ob man einen individuellen Rechtsanspruch hat, egal wie man lebt.
Die sozialpolitische Fragwürdigkeit auch der Mütterrente II mit ihrem aufgrund der kinderzahlabhängigen Ausgestaltung komplexitätssteigernden Design kann man diesem Zitat aus der Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes (djb) entnehmen: „Gerade Frauen, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben und wegen der Kindererziehung keine ausreichende Alterssicherung aufbauen konnten, sind auf die rentenrechtliche Berücksichtigung der vollen drei Jahre für jedes Kind angewiesen – unabhängig von der Anzahl der Kinder“, so wird dort die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb), Maria Wersig, zitiert. Genau das ist aus einer sozialpolitischen, am Sicherungsziel ausgerichteten Argumentation der Punkt. Denn gerade die (westdeutschen) Frauen in den 50er, 60er und 70er Jahren waren doch im Regelfall auf das damalige Leitmodell der Hausfrauenehe verwiesen, was einen langen Ausstieg aus der (beitragspflichtigen) Erwerbsarbeit und wenn, dann meistens einen teilzeitigen (und oftmals schlecht vergüteten) Wiedereinstieg mit sich gebracht hat. Und selbst, wenn die Frauen damals ein anderes Modell angestrebt haben oder gerne gelebt hätten, dann wäre das aufgrund der fehlenden Infrastruktur (beispielsweise außerfamiliale Kinderbetreuung) anders als für viele heute schlecht bis gar nicht realisierbar gewesen.
Fazit: Wieder einmal werde wir Zeugen, wie Murks produziert wird. Man startet mit einer an sich guten bzw. nachvollziehbaren Absicht und landet dann im dornigen Gestrüpp der unbefriedigenden Ausgestaltung. Konkret: Die Finanzierung fast ausschließlich über die Beitragszahler bzw. die Rentner selbst statt wie angezeigt aus Steuermitteln ist Murks, die Differenzierung nach der Kinderzahl und dem Fallbeil vor dem dritten und mehr Kindern ist in mehrfacher Hinsicht Murks, nicht nur administrativ, sondern vor allem auch sozialpolitisch angesichts der damit verbundene Exklusion der Mütter, die aus welchen Gründen auch immer bei zwei Kindern aufgehört haben. Das ist auch verfassungsrechtlich, soweit man das derzeit einschätzen kann, Murks. Und man könnte fortfahren.
Aber noch ist ja vielleicht Zeit, wenn das nicht alles schon längst abgearbeitet ist. „Hoffnung“ macht eine offensichtliche Arbeitsverweigerung im Regierungsapparat: Bummelei im Kanzleramt – Zeitplan für Heils Rentenpaket gerät in Gefahr, berichtet das Handelsblatt am 4. Juli 2018. Der Entwurf von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) ist eigentlich fertig, das Kabinett wird darüber aber wohl erst nach der Sommerpause abstimmen. Für die Rentenversicherung könnte es eng werden, die Änderungen bis zum Jahresende umzusetzen. Und das Rentenpaket ist eine ziemlich große Angelegenheit, die hier im Mittelpunkt stehende Mütterrente II nur ein Baustein unter mehreren: »Das Rentenpaket besteht aus vier Bausteinen: Eine „doppelte Haltelinie“ sieht vor, das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent zu stabilisieren und die Beiträge in diesem Zeitraum nicht über 20 Prozent steigen zu lassen. Bei Erwerbsminderungsrente und Mütterrente sollen die Leistungen ausgeweitet werden. Schließlich plant Heil, Geringverdiener bei den Rentenbeiträgen zu entlasten.« Der Referentenentwurf des Ministeriums soll nach Informationen des Handelsblatts im Kanzleramt hängen geblieben sein. »Dem Vernehmen nach soll die Bummelei auch damit zusammenhängen, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offenbar eine Rentendebatte im Sommer ersparen will.« Wenn man die Ausführungen hier nur zu einem Teil, also der Mütterrente, verfolgt hat, dann wird irgendwie verständlich, warum man keine Lust hat auf eine Debatte, die nur das zu Tage fördern würde, was die Mütterrente II ist: Murks.