In Deutschlands Großstädten rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in die Armut oder haben nur noch extrem wenig Geld zum Leben. Dort müssen bereits gut eine Million Haushalte mit 1,6 Millionen Bewohnern mehr als die Hälfte des Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Etwa 1,3 Millionen Haushalte können nach Abzug der Mietzahlung nur noch über ein Resteinkommen verfügen, das unterhalb der Hartz-IV-Leistungen liegt. So einige wichtige Befunde aus einer neuen Studie, die Thomas Öchsner in seinem Artikel Hohe Mieten bringen viele an den Rand der Armut hervorgehoben hat.
Bei der angesprochenen Studie handelt es sich um diese Untersuchung:
➔ Henrik Lebuhn, Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel (2017): Wohnverhältnisse in Deutschland – eine Analyse der sozialen Lage in 77 Großstädten. Bericht aus dem Forschungsprojekt „Sozialer Wohnversorgungsbedarf“, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, September 2017
In der Studie wurden auf Basis von Daten des Mikrozensus 2014 für 77 deutsche Großstädte von Berlin bis Siegen Miethöhen und Mietbelastung ausgewertet. Im Mikrozensus werden alle vier Jahre auch auch repräsentative Daten zu den Wohnbedingungen der Menschen erhoben werden.
Eine Zusammenfassung findet man in dem Beitrag Miete: Vor von zehn Haushalten in deutschen Großstädten tragen eine prekär hohe Belastung der Hans-Böckler-Stiftung, die die Studie in Auftrag gegeben hat: »Rund 40 Prozent der Haushalte in Deutschlands Großstädten müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Miete (bruttokalt) zu bezahlen. Das entspricht rund 5,6 Millionen Haushalten, in denen etwa 8,6 Millionen Menschen leben.« Warum wird hier offensichtlich eine Grenze bei 30 Prozent des Nettoeinkommens gezogen?
Eine »Mietbelastungsquote oberhalb von 30 Prozent des Haushaltseinkommens (gilt) als problematisch, weil dann nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung zur Verfügung bleibt, insbesondere bei Menschen mit kleineren Einkommen. Auch viele Vermieter ziehen hier eine Grenze, weil sie zweifeln, dass Mieter sich ihre Wohnung dauerhaft leisten können.«
Wenn man diese Grenze in Erinnerung behält, dann sind die Befunde der Wissenschaftler alarmierend: »Gut eine Million Haushalte (mit rund 1,6 Millionen Menschen) in den 77 deutschen Großstädten müssen sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Etwa 1,3 Millionen Großstadt-Haushalte haben nach Abzug der Mietzahlung nur noch ein Resteinkommen, das unterhalb der Hartz-IV-Regelsätze liegt.«
Die Studie hat gravierende Unterschiede bei der Belastungsquote gefunden: Während die Haushalte mit höherem Einkommen im Mittel 17,2 Prozent davon für die Bruttokaltmiete aufwenden müssen, sind es bei den Haushalten an der Armutsgrenze 39,7 Prozent.
Auch interessant: Hohe Mietbelastungen sind aber nicht auf bestimmte teure Städte und wohlhabende Regionen wie München oder Düsseldorf beschränkt. Unter den zehn Städten mit dem höchsten Anteil finden sich auch wirtschaftlich schwache Standorte wie Bremerhaven, weil dort viele Menschen eher wenig verdienen.
Henrik Lebuhn wird mit diesen Worten zitiert: „Die Wohnbedingungen sind damit nicht nur ein Spiegel bestehender Ungleichheit, sondern tragen auch selbst durch die hohe Mietkostenbelastung zu einer wachsenden Ungleichheit bei.“
Und das wird sich fortsetzen (müssen): Vor allem in Großstädten mit zunehmender Einwohnerzahl konstatieren die Wissenschaftler einen großen Mangel an bezahlbaren – insbesondere kleineren – Wohnungen.
»Unter den 77 deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern konstatieren die Forscher in 54 eine im Trend zunehmende Einwohnerzahl, 31 davon wachsen sogar überdurchschnittlich stark. Somit könne mindestens in diesen 54 Großstädten von einem „angespannten Wohnungsmarkt“ ausgegangen werden. Da vor allem die Metropolen stark an Einwohnern gewinnen, sind sogar rund 80 Prozent der deutschen Großstadtbewohner mit angespannten Wohnungsmärkten konfrontiert. Das entspricht rund 20,4 Millionen Menschen oder einem Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland.«
Die Wissenschaftler bilanzieren: »Die Ungleichheit der Wohnverhältnisse entspricht in etwa den Einkommensunterschieden. Die sozialpolitische Dimension der Wohnversorgungssysteme, Einkommensunterschiede zu mildern und einen Beitrag zur sozialen Kohäsion zu leisten, haben sich weitgehend aufgelöst. Die Wohnverhältnisse reproduzieren die Einkommensunterschiede in den meisten Dimensionen. In Bezug auf die Mietbelastungsquote kann sogar eine Verschärfung der Ungleichheit durch die Wohnverhältnisse festgestellt werden. Die Wohnbedingungen sind damit nicht nur ein Spiegel bestehender Ungleichheit, sondern tragen auch selbst durch die hohe Mietkostenbelastungen zu einer wachsenden Ungleichheit bei.« (Lebuhn et al. 2017: 78).