Wie man auch immer die nun langsam auslaufende Legislaturperiode von CDU/CSU und SPD bewertet – das Thema Pflege war nicht nur auf der semantischen Ebene kontinuierlich vertreten. Der Gesundheits- und damit auch zuständigkeitshalber Pflegeminister Hermann Größe (CDU) hat einige gesetzgeberische Schneisen geschlagen, man denke an die Pflegeversicherungsreformen in mehreren Gesetzgebungspaketen. Seit wenigen Tagen ist er beispielsweise endlich da, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Pflegeversicherung. Die Pflegebedürftigen werden nicht mehr in drei Pflegestufen, sondern in fünf Pflegegraden eingestuft. »Damit einher geht eine bessere Berücksichtigung von kognitiven (Funktionen, die mit Wahrnehmung, Denken, Lernen zu tun haben) Einschränkungen, was sich insbesondere für Betroffene, die unter Demenz leiden, positiv auswirken soll«, so Frank Weidner, der Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln, in seinem Beitrag Was leistet unser Pflegesystem, Herr Weidner? Zudem: »So sind Geld- und Sachleistungen für Pflegebedürftige aufgestockt worden und mehr Betreuungsangebote und -kräfte können nun mit Geld aus der Pflegeversicherung bezahlt und eingesetzt werden. Auch soll die Pflegeberatung durch eine größere Verantwortung der Kommunen verbessert werden.« Aber Weidner weist auch auf die weitgehend unbeantwortet gebliebene Frage hin, wer denn diese Leistungen zukünftig unter welchen Bedingungen erbringen soll: »… abgesehen vom Ausbau der Anzahl an gering qualifizierten Betreuungskräften leidet Deutschland unter einem inzwischen als verheerend zu bezeichnenden Fachkräftemangel in der Pflege. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge fehlen heute schon rund 100.000 Kranken- und Altenpfleger. Prognosen für die nächsten Jahre verheißen auch nichts Gutes. Bis 2030 soll sich der Fachkräftemangel sogar auf bis zu 500.000 Fachkräfte vervielfachen.«
In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gefordert, um genügend Menschen für die Pflegeberufe gewinnen zu können. Hier befinden wir uns in einem mehrdimensionalen Feld, dazu würde nicht nur eine höhere Vergütung gehören oder die Verbesserung der Personalschlüssel für die Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Altenpflege. Auch eine Neuordnung der Pflegeausbildung wird seit vielen Jahren von Fachverbänden und aus der Pflegewissenschaft gefordert.
Mit dem Gesetz über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflegegesetz – AltPflG), das am 1. August 2003 in Kraft getreten ist, und der Novellierung des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz – KrPflG) zum 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber auch auf die immer wieder vorgetragene Anfrage, ob die bestehende Pflegeausbildungen noch zukunftsträchtig sind, reagiert. Diese Gesetze haben eine Erprobungsklausel eingeführt, die vielfältige neue Konzeptionen von Pflegeausbildung im Rahmen von Modellvorhaben erlauben.
In einem vierjährigen Modellvorhaben („Pflegeausbildung in Bewegung“) wurde zwischen 2004 und 2008 erprobt, wie eine gemeinsame Weiterentwicklung der Altenpflegeausbildung einerseits und der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung beziehungsweise der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegeausbildung andererseits aussehen kann. Acht Modellprojekte an insgesamt 15 Pflegeschulen in acht Bundesländern führten die Ausbildungen in unterschiedlicher Weise zusammen (vgl. auch BMFSFJ: Pflegeausbildung in Bewegung. Schlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung, Berlin 2008).
Auch in den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013 hat es die Forderung nach einer Reform der Pflegeausbildungen geschafft. Im Pflege-Teil findet man diese Zielsetzung:
»Der Wechsel zwischen den Berufen in der Pflege muss erleichtert werden. Wir wollen die Pflegeausbildung reformieren, indem wir mit einem Pflegeberufegesetz ein einheitliches Berufsbild mit einer gemeinsamen Grundausbildung und einer darauf aufbauenden Spezialisierung für die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege etablieren. Wir wollen die Ausbildungsangebote an staatlichen Berufsfachschulen stärken und die Ausbildung gerecht, einheitlich und gemeinsam finanzieren. Ziel sollte ein transparentes und durchlässiges Aus- und Weiterbildungssystem sein.« (S. 60)
Die damit als Ziel anvisierte gemeinsame Pflegeausbildung bildet durchaus den internationalen Standard ab, dass man innerhalb von drei Jahren auf den Einsatz in der allgemeinen Pflege vorbereitet wird und sich danach erst durch Weiterbildungen spezialisiert (vgl. dazu beispielsweise die Aussage des Pflegewissenschaftlers Michael Isfort: »Nirgendwo auf der Welt finden Sie heute eine altersgruppenbezogene Pflegequalifikation. Durch eine Vereinheitlichung würde Deutschland also international anschlussfähig« in dem Beitrag Kein Kästchendenken mehr). Eine genrealistische Ausbildung würde auch eine automatische Anerkennung des Berufsabschlusses in Europa gemäß den Anforderungen der EU-Richtlinie 2013/55/EU mit sich bringen.
Aber zwischen dieser Zielsetzung und einem gesetzgeberischen Produkt ist viel Zeit vergangen. 2015 wurde ein erster Referentenentwurf auf den Weg gebracht.
Am 9. März 2016 wurde dann der Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG) als BT-Drs. 18/7823 vorgelegt. Kernelement des Gesetzentwurfs der Bundesregierung:
»Die bisherigen drei Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege werden reformiert und zu einem einheitlichen Berufsbild zusammengeführt; die bestehende Dreigliederung der Pflegeberufe wird aufgehoben. Ergänzend zur fachberuflichen Pflegeausbildung wird eine bundesgesetzliche Grundlage für eine primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung geschaffen. Die neue Ausbildung bereitet auf einen universellen Einsatz in allen allgemeinen Arbeitsfeldern der Pflege vor, erleichtert einen Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen und eröffnet zusätzliche Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten. Die Ausbildung wird in ein gestuftes und transparentes Fort- und Weiterbildungssystem eingepasst und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Qualifikationsstufen in der Pflege verbessert. Die Ausbildung ist für die Auszubildenden kostenlos.« (BT-Drs. 18/7823: 1 f.)
Wenn man nun ein Beispiel sucht für ein Gesetzgebungsverfahren, das im wahrsten Sinne des Wortes im Parlament stecken bleibt, dann wird man das hier finden. Denn die mit dem Pflegeberufereformgesetz verfolgte Zielsetzung der Einführung einer genrealistischen Pflegeausbildung ist eben nicht unumstritten. Dabei kann man grob eher fachlich-inhaltliche Bedenken von ökonomisch motivierten Einwänden trennen. Dazu nur einige rückblickende Beispiele:
➔ Hinsichtlich der fachlich-inhaltlichen Bedenken haben sich frühzeitig unterschiedliche Akteure zu Wort gemeldet: Kinderärzte sind gegen generalistische Pflegeausbildung, um ein Beispiel aus dem Oktober 2015 aufzugreifen. „Die Pflege kranker Kinder wird sehr darunter leiden, wenn die spezielle Ausbildung von einer generalistischen Ausbildung abgelöst wird; dies wird zu einem deutlichen Qualitätsverlust in der Pflege führen“, so wird der Verband der Kinder- und Jugendärzte zitiert. Die Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/innen seien nach der bisher dreijährigen Ausbildung hoch spezialisiert. Dies müssten sie auch sein, um zum Beispiel Frühchen fachgerecht versorgen zu können. Und dann kommt ein interessanter Hinweis, der gleich noch eine Rolle spielen wird: »Sollte die Politik an der Generalistik festhalten, sollte nach einer zweijährigen fachübergreifenden Ausbildung eine einjährige Spezialisierungsphase folgen.« Zu ablehnenden Haltung vgl. auch Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) et al.: Kranke Kinder im Abseits: Hauptsache „irgendwie“ pflegen? – Kinderkrankenpflege soll abgeschafft werden, 01.12.2015. Aber auch andere haben Bedenken bzw. Bauchschmerzen mit dem Ansatz. Um ein anderes Beispiel zu zitieren: »Susanne Gerber, die Leiterin der Münchner Altenpflegeschule, … kennt alle Sparten der Branche. Für sie sind das „drei eigenständige Berufe“, die man keinesfalls leichtfertig zusammenlegen dürfe. Zwar gebe es durchaus Stoff, den alle Pflegeschüler lernen müssten – Anatomie zum Beispiel oder die Lehre von bestimmten Krankheiten. Doch sei der Umgang mit einem Frühchen eben kaum vergleichbar mit der Aufgabe, einen schwer kranken Senior beim Sterben zu begleiten. Die Reform aus Berlin bewirke, so Gerber, dass Pfleger in Zukunft „von allem ein bisschen können und nichts so ganz“«, so Kim Björn Becker in seinem Artikel Pflegeausbildung: „In drei Jahren drei Berufe lernen“. Allerdings wird das in anderen Ausbildungsstätten differenzierter gesehen, wie Carolin Klinger in ihrem Artikel Das Beste aus allen Pflegeberufen berichtet: »Im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus … können die Auszubildenden bereits seit dem Jahr 2002 eine sogenannte integrative Ausbildung absolvieren. Dabei wählen sie zwischen der Kombination aus Krankenpflege und Altenpflege oder Krankenpflege und Kinderkrankenpflege. „Wir haben die Ausbildung integrativ statt generalistisch genannt, um den Eindruck zu vermeiden, dass es sich um einen Einheitsbrei handelt“, sagt die Pflegedirektorin Ursula Matzke. Denn spezialisieren können sich die Auszubildenden dennoch, sie profitieren jedoch auch von dem breiter angelegten Spektrum der Ausbildung.« Ursula Matzke war an dem Projekt beteiligt, mit dem von 1998 bis 2000 die Basis für die neue Ausbildung geschaffen wurde. „In der aktuellen Diskussion entsteht der Eindruck, das neue Gesetz ist vom Himmel gefallen. Dabei hat der Prozess bereits vor über 15 Jahren begonnen“, so wird sie in dem Artikel zitiert. Der Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat sich seit längerem für eine genrealistische Pflegeausbildung positioniert (vgl. dazu z.B. die Beiträge in DBfK: Generalistische Ausbildung in der Pflege, Berlin 2014).
➔ Es gibt aber auch eine primär ökonomisch motivierte Kritik an der geplanten Reform der Pflegeberufe. Die wird mit großer Vehemenz vorgetragen von den privaten Pflegeheimbetreibern, vertreten durch den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der auch massiv gegen die Einrichtung von Pflegekammern in einigen Bundesländern Sturm läuft. Vereinfacht gesagt geht es darum, dein eigenständigen Ausbildungsgang zur Altenpflegekraft zu erhalten (und von der Gesundheits- und Krankenpflegekraft abzuschotten), denn befürchtet wird, dass die Auszubildenden – da sie in einem genrealistischen System ja nicht mehr ausschließlich für eine Säule ausgebildet werden – angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede zwischen der Vergütung in der Alten- und Krankenpflege den Altenpflegebereich meiden und versuchen werden, in anderen pflegerischen Bereichen Fuß zu fassen. Das würde einen erheblichen Aufwertungsdruck in der Altenpflege bei den Vergütungen der Pflegekräfte auslösen – den man sehr gerne vermeiden würde.
Diese Kritiker haben eine Stimme gefunden beim pflegepolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dem Abgeordneten Erwin Rüddel. Der war von 1993 bis 2009 Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Senioren-Residenz Bad Arolsen GmbH, kommt also aus der Branche. Der meldete sich am 20.10.2016 mit dieser Pressemitteilung zu Wort: „Wir sollten den Reset-Knopf drücken!“ Pflegeberufegesetz: Erwin Rüddel plädiert für Neustart der Beratungen. Er befürchtet, dass das Gesetz die Personalprobleme in der Altenpflege noch verschärfen werde. Angeblich herrsche in fast allen Ländern mit generalistischer Pflegeausbildung ein Fachkräftemangel in der Altenpflege. Schließlich dominierten in deren Curricula die Inhalte der Krankenpflege. Kritisiert wird auch die Kürzung des Praxisanteils der Altenpflege um etwa die Hälfte. Er plädiert dafür, »vorläufig Abschied von der Generalistik zu nehmen und stattdessen zunächst nur die Altenpflege zu reformieren und hier ein einheitliches Berufsbild mit klarer Qualifikation in Deutschland zu schaffen.« Was natürlich die Generalistik für eine sehr lange Zeit auf Eis legen würde, was wohl das eigentliche Ziel dieses Vorstoßes ist. Denn man muss darauf hinweisen, dass die Ausbildung in der Altenpflege bereits seit 2003 bundeseinheitlich geregelt ist und es gibt einheitliche Rahmenvorgaben für die zu vermittelnden Lehrinhalte und Kompetenzen. Zwar existieren in den einzelnen Bundesländern zum Teil zusätzliche Ausbildungsbestimmungen, diese dürfen jedoch den vom Bund festgelegten Rahmen nicht unterlaufen. Aber Erwin Rüddel hat Gewicht in der Unionsfraktion als pflegepolitischer Sprecher und deshalb überrascht diese Artikelüberschrift in der „Ärzte Zeitung“ vom 20.10.2015 auch nicht: Generalistische Ausbildung vor dem Aus? Und die FAZ wollte sogleich den Eindruck erwecken, dass das nicht Rüddel, sondern „die“ Union sei, die hier Bedenken habe: Union droht mit Blockade der Pflegeausbildung, so der Artikel vom 23.10.2017 – nur zu Erinnerung: Der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist Mitglied der CDU und auch der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, die beide für die generalistische Pflegeausbildung werben (vgl. beispielsweise den Aufruf Generalistik jetzt!). Es gab zwar schnell Gegenwind für Generalistik-Kritiker, aber Rüddel ist es gelungen, eine Menge Sand ins Getriebe zu werfen.
Am 30. Mai 2016 gab es im Deutschen Bundestag eine große öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zum Entwurf eines Pflegeberufereformgesetzes (vgl. dazu die zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen). Seitens des Bundestags wurde unter diesen Überschriften berichtet: Pflegeausbildungsreform mit Chancen und Risiken sowie Streit über einheitliche Pflegeausbildung, was schon erkennen lässt, wie gespalten die Einschätzung des vorliegenden Gesetzentwurfs ausfällt. Aber seitdem hängt der Entwurf im Bundestag fest – und Monate später, am 5. Januar 2017, meldete die FAZ: Reform der Pflegeausbildung vor dem Aus. In dem Artikel wird dann aber korrekterweise von einem drohenden Scheitern gesprochen. Ein Kompromissvorschlag aus dem Kassen-Lager werde von der SPD abgelehnt. Die Lage ist verfahren.
»Der Vorstand des Spitzenverbands der Kassen, Gernot Kiefer, schlägt … den Kompromiss vor, „den Test in der Wirklichkeit zu machen und eine Zeit lang mehrere Ausbildungswege zuzulassen.“ Die diskutierten Ausbildungsmodelle seien keine unüberwindbaren Gegenpole, sondern böten große Schnittmengen, erläutert sein Sprecher. Es könne die Debatte versachlichen, wenn man „zumindest eine Zeit lang“ parallel die integrative Ausbildung (zwei plus ein Jahr), als auch die dreijährige gemeinsame Ausbildung aller drei Fachrichtungen zulassen würde, „zumal beide Ausbildungswege die gleichen Ziele verfolgen“. Die Praxis könne zeigen, welches der beiden Modelle das bessere sei.«
Auch hier wieder wird Erwin Rüddel zitiert, mit einer – scheinbar – positiven Reaktion auf den Vorschlag, um diesen aber sogleich wieder einzudampfen: »Rüddel könnte sich Testläufe im Saarland, in Berlin, in Hamburg und in Schleswig-Holstein vorstellen.«
Der Vorschlag von Kiefer wurde von Timot Szent-Ivanyi wohlwollend kommentiert: »Da keine gesicherten Erfahrungen mit der Generalistik vorliegen, bietet sich der Vorschlag von Kassenverbands-Vorstand Kiefer an. Er hat angeregt, zeitweise mehrere Ausbildungswege parallel zuzulassen und die Ergebnisse dann zu evaluieren. Denkbar wäre zum Beispiel, die klassischen Ausbildungswege zu erhalten und auf freiwilliger Basis die Lehrinhalte der jeweils anderen Pflegeberufe als zusätzliches Element aufzunehmen. Dann kann sich dieser „Pflege-Generalist“ bewähren, ohne Kollateralschäden anzurichten.«
Die SPD hält an der „Generalistik für alle“ fest. „Es muss einen sofortigen Übergang in die Generalistik geben“, wird SPD-Vizefraktionschef Lauterbach zitiert. So sei es schließlich im Koalitionsvertrag verabredet. Die einheitliche Ausbildung müsse von jeder Pflegeschule angeboten werden. Ob einzelnen Schulen auf Antrag Einzelabschlüsse anbieten könnten, etwa in der Kinderkrankenpflege, sei zu prüfen.
Und nun? Wie kann es da noch weitergehen? Der neueste Kompromissvorschlag kommt – entgegen der scheinbar klaren Ansage des Herrn Lauterbach – aus der Bundestagsfraktion der SPD. »Letzte Chance für die Reform der Pflegeberufe? Ein Vorschlag aus der SPD-Fraktion lädt jetzt zum Kompromiss ein«, berichtet Anno Fricke in seinem Artikel Zehn Jahre Puffer für die Generalistik.
Neu in der Diskussion ist ein Beitrag der hessischen SPD-Bundestagsabgeordneten Bettina Müller: »Der Bundestag solle eine Übergangsfrist von zehn Jahren in die Reform einbeziehen … Die Träger der Ausbildung könnten sich für einen der Ausbildungswege entscheiden und hätten Planungssicherheit bis 2030, argumentiert Müller … Wichtig sei, dass auch bei einer solchen Lösung das Schulgeld komplett entfalle, fordert Müller.«
An dieser Stelle darf und muss daran erinnert werden, dass sich die beiden Oppositionsparteien mit eigenen Anträgen im Umfeld des Gesetzentwurfs für eine Pflegeberufereform zu Wort gemeldet hatten: »Die Fraktion Die Linke plädiert in ihrem Antrag (18/7414) für eine integrierte Pflegeausbildung innerhalb einer mindestens dreijährigen dualen Ausbildung mit mindestens einjähriger Schwerpunktsetzung in allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/7880), das Gesetzgebungsverfahren so lange auszusetzen, bis die endgültige detaillierte Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vorliegt. Es müsse Zeit bleiben, die Verordnungen in ihren Auswirkungen zu prüfen. Ferner sollte ein Konzept für eine integrative Ausbildung entwickelt werden«, kann man dem Bericht Streit über einheitliche Pflegeausbildung vom 30. Mai 2016 entnehmen.
Die politische Mechanik lässt erwarten, dass – wenn überhaupt – nur noch ein solcher Kompromissvorschlag das Pflegeberufereformgesetz wird retten können. Allerdings in einer arg zerfledderten Form. Ob das gut ist für die Pflegeausbildung, wenn wir in den kommenden Jahren mit einer noch weiter aufgefächerten und damit unübersichtlicher als bislang schon werdenden Pflegeausbildung konfrontiert werden, muss an dieser Stelle mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Für die Profession Pflege aber ist das alles – selbst wenn man kein überzeugter Anhänger einer vollständig generalistischen Ausbildung ist – ein Desaster. Denn das wichtige Argument, dass es um eine Aufwertung der Pflege gehen sollte, hat sich mittlerweile verabschiedet aus der Diskussion. Und dass vorgesehen ist, eine mehrstufige und anschlussfähige Pflegequalifizierung auf- und auszubauen, von einer Pflegehelfer- über eine Pflegekraft- bis hin zu einer pflegewissenschaftlichen Qualifikation, das gerät zunehmend aus dem Blick. Aber genau das brauchen wir dringender denn je.