Vom Hörsaal über eine geregelte Weiterbildung an die Couch? Die Psychotherapeuten sollen einen eigenen Studiengang bekommen

Das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz; PsychThG) regelt seit 1999 in Deutschland die Ausübung der Psychotherapie durch nichtärztliche Psychotherapeuten, also durch die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Aus Sicht der Ärzte war das ein markanter Einschnitt, denn bis 1999 durften in Deutschland im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur Ärzte Psychotherapie durchführen. Diplom-Psychologen konnten jedoch im sogenannten Delegationsverfahren tätig werden. Voraussetzung dafür war eine Weiterbildung in einem anerkannten und zugelassenen Verfahren der Psychotherapie und ein delegierender Arzt.

Das hat sich mit dem PsychThG entscheidend verändert, denn: Menschen mit psychischen Erkrankungen können sich direkt an einen niedergelassenen Psychotherapeuten wenden. Eine Überweisung ist hierfür nicht (mehr) erforderlich. Damit hat man die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gleichsam als eigene Säule neben die Medizinern gestellt und auch noch die Abrechnung der Leistungen mit dem Honorartopf für die niedergelassenen Ärzte vermengt, wenn die Psychotherapeuten eine Kassenzulassung haben. Beides ist nicht auf Wohlwollen bei den etablierten Medizinern gestoßen (um das mal freundlich zu formulieren), sowohl der Entzug des Hierarchie- (und Steuerungs)elements der Delegation wie auch die Einbettung in die gewachsenen Vergütungsstrukturen der ambulanten, also vertragsärztlichen Versorgung. Hier vermengen sich handfeste finanzielle Interessen im „Haufischbecken“ Gesundheitswesen mit durchaus fundamentalen Statusfragen im bisher pyramidal strukturierten System der Gesundheitsberufe, in der alle Nicht-Mediziner unter diesen als Heil- und Hilfsberufe eingeordnet wurden. 

Das hat sich mittlerweile auch in den Zahlen niedergeschlagen. So findet man bei der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die folgenden Daten: »Die ambulante vertragspsychotherapeutische Versorgung wird in Deutschland von 13.369 Psychologischen Psychotherapeuten, 3.110 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und 5.322 ärztlichen Psychotherapeuten sichergestellt. Diese 21.801 KV-zugelassenen Psychotherapeuten versorgen pro Quartal circa eine Million Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Psychotherapeutische Leistungen werden darüber hinaus auch von weiteren 1.702 Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie und 843 Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie erbracht.« Hinzu kommen rund 7.000 Psychotherapeuten, die in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen arbeiten.

Auf der einen Seite steigen also die Zahlen der Psychologischen Psychotherapeuten (was aber nicht automatisch bedeutet, dass die auch eine Kassenzulassung haben), auf der anderen Seite wird man andauernd mit Berichten über offensichtliche Versorgungsmängel konfrontiert. Nur ein Beispiel: Psychotherapie für gesetzlich Versicherte: 20 Wochen bis zum Termin, so ist eine der entsprechenden Meldungen überschrieben. Wobei man hier wieder einmal beachten sollte, dass es sich um Durchschnittswerte handelt, die Wartezeit gerade in den ländlichen und kleinstädtischen Regionen ist oftmals erheblich länger. »Als Ursache für lange Wartezeiten sieht die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) eine veraltete Bedarfsplanung, die zuletzt 1999 aktualisiert wurde. Um eine ausreichende Versorgung der Patienten zu gewährleisten, fehlen nach Meinung der BPtK bundesweit 7.000 Kassensitze für Psychotherapeuten.« Die Daten zu den Wartezeiten basieren auf dieser Studie:

➔ Bundespsychotherapeutenkammer (2018): Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie‐Richtlinie. Wartezeiten 2018, Berlin, 11.04.2018

Besonders offensichtlich ist eine Unterversorgung für jeden nachvollziehbar dann, wenn sich Menschen in einer akuten psychischen Krisensituation befinden – und dann wochen-, teilweise monatelang auf einen ersten Termin bei einem Psychotherapeuten warten müssen, bei dem dann überhaupt festgestellt werden kann, ob und was weiter geschehen sollte. Das strukturelle Problem ist schnell identifiziert: Die Psychotherapeuten haben nur wenige bis gar keine Möglichkeiten, in die Menge zu gehen, also die Fallzahlen zu erhöhen. Sie können auch kaum wie im haus- oder fachärztlichen Bereich begrenzt möglich, durch eine Delegation von Teilleistungen an nicht-ärztliches Personal die Behandlungsmenge zu erhöhen (es geht hier ausdrücklich nicht um die Frage, ob und mit welchen qualitativen Problemen das verbunden sein kann bzw. ist). Das liegt in der Natur der Sache, bringt es aber mit sich, dass man schlichtweg mehr Psychotherapeuten braucht, wenn sich die Fallzahlen erhöhen bzw. der Bedarf ansteigt.

Eigentlich sollte Patienten der Zugang zur Behandlung durch die Strukturreform der psychotherapeutischen Versorgung, die zum 1. April 2017 in Kraft getreten ist, erleichtert werden. Seitdem können Menschen in psychischen Krisen schneller ein Erstgespräch bei einem Therapeuten führen und in akuten Fällen rascher behandelt werden. Bis allerdings eine ambulante Regeltherapie beginnt, vergehen immer noch mehrere Monate. Ausführlicher zu diesem Thema der Beitrag Menschen in psychischen Krisen kommen schneller dran und müssen länger warten? Scheinbare Widersprüche in der psychotherapeutischen Versorgung vom 12. Februar 2018.

Und erst vor kurzem hat ein weiterer geplanter Rationierungsversuch für eine Menge Aufruhr gesorgt und dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Vielzahl an bitterbösen Reaktionen beschert: »Speziell ausgebildete Experten sollen künftig entscheiden, wer in Deutschland eine Psychotherapie bekommt. So will es zumindest Gesundheitsminister Jens Spahn – und löst damit einen Proteststurm aus«, kann man diesem Artikel entnehmen: Psychotherapeuten wehren sich gegen Spahns Patientenkontrolle. Künftig sollen speziell geschulte Ärzte und Psychotherapeuten Patienten mit psychischen Problemen voruntersuchen und entscheiden, wer welche Therapie bekommt (vgl. dazu auch aus der Vielzahl an Artikeln Protest gegen Spahns Terminreform oder Hürdenlauf für psychisch Kranke?). Das hat das Bundesgesundheitsministerium in den Gesetzentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) gepackt. Gegen dieses Vorhaben hat sich massiver Widerstand formiert: Fast 150.000 Menschen haben eine Petition unterzeichnet, die die geplante Neuerung kippen soll. Auch der Bundesrat lehnt das Vorhaben des Gesundheitsministers ab. Spahn selbst zeigt sich mittlerweile kompromissbereit. „Ich schließe nicht aus, dass wir andere Regelungen finden“, so wird der Minister zitiert.

Dabei haben die Psychotherapeuten eine Menge Rückenwind in den Medien bekommen: »Jens Spahns Reformpläne für die Suche nach einem Therapeuten sind reine Schikane«, so dieser schon in der Überschrift mehr als eindeutige Artikel: Psychoterror. »Jens Spahns Idee zur Vergabe von Therapieplätzen ist absurd. Die Suche nach PsychotherapeutInnen wird noch schwerer, als sie jetzt schon ist«, so dieser Beitrag: Krank genug? »Die strikte Begrenzung von Kassensitzen für Psychotherapeuten hält die Zahl der Therapieplätze künstlich knapp. Gesundheitsminister Spahn scheint zu glauben, unter psychisch Kranken wären massenweise Hypochonder. Das ist unzeitgemäß und gefährlich«, so dieser Artikel: Psychotherapie rettet Leben.

Der massive Protest wird sicher nicht ohne Wirkung verhallen, auch deshalb, weil es sich hier um eine durchaus artikulationsfähige Teilgruppe unseres Gesundheitswesens handelt.

Da kommt es wie gerufen, dass aus dem Hause Spahn ein zweiter gesetzgeberischer Vorstoß kommt, mit dem man bei der Zielgruppe sicher punkten kann – eine Reform der Ausbildung, die zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten führt. Und das ist in diesem Beitrag auch das eigentliche Thema.

Der (bisherige) Weg, um in die (potenzielle) Nähe einer Kassenzulassung zu kommen, ist für die Psychotherapeuten wahrlich kein einfacher. Und die Verhältnisse, mit denen wir in dieser eigenen Welt konfrontiert werden, werden immer wieder kritisiert. Mit guten Argumenten. Warum?

»Die Ausbildung zum Psychotherapeuten dauert Jahre, kostet Zehntausende Euro und Praktika werden kaum bezahlt«, so Bernd Kramer in seinem Artikel Enttäuscht, frustriert, verschuldet. Die negative Einfärbung kontrastiert auf den ersten Blick mit solchen Zahlen: »Dabei wird der Therapeutenjob immer beliebter: 2.352 Menschen haben im vergangenen Jahr die Abschlussprüfung als Erwachsenen- oder Kinder- und Jugendpsychotherapeut abgelegt, fast viermal so viele wie noch 2005.« Was muss man sich genau unter dem Weg zum Psychotherapeuten vorstellen? Dazu Kramer:

»Vor der Prüfung liegt in der Regel eine sehr lange, sehr prekäre Strecke. Schon der Zugang zum Studium, Psychologie, ist in Deutschland stark reglementiert. Wer auf dem Abiturzeugnis keine Eins vor dem Komma schafft, muss mit jahrelanger Wartezeit rechnen – oder den Traum vom Traumberuf gleich begraben. Nach dem Uni-Abschluss lernen angehende Therapeuten an einem meist privaten Institut, das sich die Seminare gut bezahlen lässt. Nebenbei müssen sie Behandlungserfahrung sammeln, 600 Stunden in der Praxis eines Therapeuten oder in einer Einrichtung, davor 1200 Stunden Pflichtpraktikum in psychiatrischen Kliniken. Die wiederum bezahlen ihren PiAs wenig, manchmal nichts. PiA steht für: Psychotherapeut in Ausbildung. Psychotherapeut in Ausbeutung träfe es besser, meinen viele PiAs. Nicht wenige verschulden sich dafür.«

Und auch hier werden wir mit dem PsychThG konfrontiert: »Erst mit dem Psychotherapeutengesetz wurden Therapeuten in das Gesundheitssystem aufgenommen; die Weiterbildungsanbieter wurden zu Ausbildungsinstituten mit verpflichtendem Lehrprogramm. Dass das Gesetz Praxisstunden vorschreibt, nutzen Kliniken seither, um billige Arbeitskräfte anzuheuern. Ob und wie die praktische Tätigkeit zu vergüten ist, wurde im Gesetz nicht geregelt.«

Dagegen hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Proteste gegeben – und irgendwann ist das dann auch in die Ohren der verantwortlichen Politiker gekommen. „Wir werden das Psychotherapeutengesetz samt den Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung überarbeiten“, so der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Allerdings war das schon der aus dem Jahr 2013. Aber Bernd Kramer musste im Januar 2017 berichten: »Vor Kurzem hat das Gesundheitsministerium einen ersten Entwurf vorgestellt. Verabschiedet wird die Novelle in dieser Legislaturperiode aber wohl nicht mehr.«

Immerhin konnte man die Marschrichtung der Reform der Ausbildung erkennen: »Die Richtung für die Reform hat die deutsche Psychotherapeutenkammer bereits vorgezeichnet: Es soll eine Art eigenes Psychotherapiestudium geben, angelehnt an das Medizinstudium. Angehende Therapeuten sollen schon an der Uni Praxiserfahrungen mit Patienten sammeln und mit ihrem Abschluss genau wie Ärzte die Approbation erhalten – also die staatliche Zulassung zur Berufsausübung. Damit würde sich, so die Hoffnung, ihr Status und vor allem die Bezahlung in den Kliniken verbessern. Sie könnten ein geregeltes Gehalt bekommen, so wie Assistenzärzte, die sich zum Facharzt weiterbilden. Und ebenso wie Ärzte würden Therapeuten eine eigene Praxis erst nach der Fachausbildung an den Instituten eröffnen können.«

Tatsächlich wurde daraus in der vergangenen Legislaturperiode nichts mehr – aber die gleiche Konstellation hat ja nach einigen Findungsschwierigkeiten erneut einen Koalitionsvertrag geschlossen – und in dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2018 findet man nun auf der Seite 100 diese Festlegung: Die Novellierung der Ausbildung der bisherigen psychologischen Psychotherapeuten in Form einer Direktausbildung werden wir zügig abschließen. Und offensichtlich will der Bundesgesundheitsminister Spahn zu diesem Punkt nun liefern.

»Direktstudium mit anschließender Weiterbildung: Gesundheitsminister Spahn macht Ernst mit der unter Ärzten umstrittenen Novelle der Psychotherapeuten-Ausbildung«, meldet die Ärzte Zeitung unter der Überschrift Spahn legt Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung vor: »Mit seinem nun vorgelegten Referentenentwurf zur Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung hält er am Plan der Vorgänger-GroKo fest, den Zugang zur Versorgung künftig über ein Masterstudium samt strukturierter Weiterbildung – analog jener der Ärzte – zu gestalten. Die Neuausrichtung sorgt auch für eine finanzielle Besserstellung der angehenden Psychotherapeuten.«

Was kann man dem angesprochenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung (PsychThGAusbRefG) selbst entnehmen? »Der neue Ausbildungsweg sieht ein fünfjähriges Hochschulstudium der Psychotherapie vor, das gezielt auf die Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie zugeschnitten ist. Es führt zur Approbation, mit der der Zugang zum Beruf eröffnet wird. Inhaltliche Überschneidungen des Psychologiestudiums mit der psychotherapeutischen Ausbildung werden reduziert. Das schafft Platz für die Integration weiterer Bezugswissenschaften in das Studium und ermöglicht eine verfahrensbreite und altersspannenübergreifende psychotherapeutische Qualifikation. Am Ende des Studiums steht mit der psychotherapeutischen Prüfung eine staatliche Prüfung, die bundeseinheitlich der Feststellung dient, dass jeder einzelne Berufsangehörige zur selbständigen und eigenverantwortlichen Patientenbehandlung in der Lage ist.«

Auf die Kritik von ärztlichen Verbänden, die seit den Überlegungen aus der letzten Legislatur einen neuen psychotherapeutischen Arztberuf befürchten, geht das Bundesgesundheitsministerium in der Begründung zum Referentenentwurf ein: »So soll trotz der neuen Inhalte im Studium „sich die Aufgabenstellung der nichtärztlichen Psychotherapie im System der Heilberufe als solche nicht“ ändern. Und weiter heißt es in der Gesetzesbegründung: „Denn die Neuordnung der psychotherapeutischen Ausbildung zielt nicht auf einen neuen psychotherapeutischen Arztberuf ab. Vielmehr greift sie nur das Aufgabenspektrum ab, das heute schon gelebte Praxis in der psychotherapeutischen Versorgung ist, und entwickelt diese in dem Umfang weiter, wie es die heilkundliche Psychotherapie erfordert“«, berichtet das Deutsche Ärzteblatt unter der Überschrift Ministerium legt neuen Entwurf für Ausbildung von Psychotherapeuten vor.

Aber die Ärzte Zeitung kippt zugleich Wasser in den Ärzte-Wein: »Bitter aufstoßen könnte der Ärzteschaft aber noch ein Vorhaben: In Modellstudiengängen soll die Verordnung und Überprüfung von Psychopharmaka erprobt werden. Und dies obwohl das BMG selbst feststellt, dass sich auch die Mehrheit der in der Versorgung tätigen Psychotherapeuten im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens gegen die Möglichkeit der Arznei-Verordnung ausgesprochen hat. Die Verordnung von Krankenpflege und Ergotherapie ist hingegen bereits Bestandteil des regulären Studiengangs.«

Norbert Wallet hat das Vorhaben aus dem BMG in seinem Artikel Spahn plant Studiengang für Psychotherapie so eingeordnet: » Er legt einen Gesetzentwurf vor, der die Ausbildung revolutioniert.« Und er zitiert den Minister mit den Worten: Ziel des Gesetzes sei es, „eine eigenständige, fundierte und attraktive Ausbildung zu schaffen“. Mit der Reform komme die Politik „nach langen Vorarbeiten endlich zur gesetzgeberischen und von vielen ersehnten Umsetzung“.

Aber Revolutionen sind das eine, die Umsetzung in Deutschland das andere: »Spahn möchte das Gesetz in der zweiten Jahreshälfte 2019 durch den Bundestag bringen. Der Bundesrat muss den Plänen zustimmen. Das Studium der Psychotherapie soll dann nach den Vorstellungen des Ministeriums erstmals 2020 angeboten werden können.«

Um welche Größenordnungen soll es gehen? Dazu schreibt das Ministerium unter der Überschrift Fragen und Antworten zur Novelliierung des Psychotherapeutengesetzes: »Das BMG rechnet mit 2.500 Studierenden, die pro Jahr eine Approbation erreichen werden. Diese Zahl wird von Länder und Psychotherapeutenschaft als ausreichend angesehen, um die psychotherapeutische Versorgung sicher zu stellen.« Und nach dem Studium kommt die Weiterbildung. Dazu das BMG: »Die Ausgestaltung – Dauer, Inhalte, Ausbildungsstellen der Weiterbildung – liegt in der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer bzw. der Psychotherapeutenkammern. Vergleichbar der Musterweiterbildungsordnung für Ärzte ist vorstellbar, dass die Bundespsychotherapeutenkammer eine Musterweiterbildungsordnung vorlegt, die von den Kammern in den Ländern übernommen wird.«

Und zur Besserstellung der Psychotherapeuten in der Weiterbildung erfahren wir: »PiW können als approbierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als Assistenten im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses mit einer entsprechenden Vergütung in der Weiterbildung tätig werden. Im Unterschied dazu sind PiA – trotz der absolvierten Ausbildung in der Psychologie oder der Pädagogik – noch nicht zur Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie befähigt und werden in einem Praktikantenverhältnis beschäftigt. Sie erhalten teilweise kein Entgelt, teilweise eine Praktikantenvergütung oder einen Teil der Leistungsvergütung, die die Krankenkassen an die Ausbildungsstätten für erbrachte Versorgung zahlt.«

Das hört sich vielversprechend an – aber man sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt skeptisch bleiben und neben der Frage, ob der Referentenentwurf auch tatsächlich und in der angekündigten Zeitdimension alle gesetzgeberischen Hürden nehmen wird, darauf hinweisen, dass es zahlreiche offene Fragen geben wird: Wie wird man mit den vielen im bisherigen System entstandenen privaten Weiterbildungseinrichtungen umgehen in dem offensichtlich staatlichen System, das hier angesteuert wird? Wie werden sich die Ärztefunktionäre positionieren? Was macht man mit den vielen, die Psychologie studieren und auf eine therapeutische Karriere hoffen trotz aller Widrigkeiten, die sich ihnen stellen? Wird es Übergangsfristen geben und wie lange werden diese dauern? Was macht man mit den Pädagogen, die bislang eine psychotherapeutische Qualifizierung für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie machen konnte? Wird es und wenn ja, wo und von wem, ausreichende Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen geben?

Nachtrag (29.01.2019):

Im letzten Absatz wurde als eine der offenen Fragen formuliert: „Was macht man mit den vielen, die Psychologie studieren und auf eine therapeutische Karriere hoffen trotz aller Widrigkeiten, die sich ihnen stellen? Wird es Übergangsfristen geben und wie lange werden diese dauern?“. Dazu dieser Artikel von Armin Himmelrath: Psychologiestudenten fühlen sich abgehängt: »Ein neues Studium soll die Ausbildung zum Psychotherapeuten verbessern. Doch aktuelle Studenten der Psychologie sind sauer: Sie fürchten, dass ihr Abschluss durch die Pläne wertlos wird.« Dort wird das angesprochene Problem erläutert:
„Prinzipiell sind die Pläne ja nicht schlecht“, sagt Fabian Heß, der in Leipzig Psychologie im Master studiert und sich in der bundesweiten Psychologie-Fachschaften-Konferenz engagiert. „Das Problem ist nur: Die aktuellen Studierenden fallen aus den Regelungen komplett raus.“
»Tatsächlich sollen die neuen Studiengänge ab 2020 starten, fünf Jahre später wären dann die ersten approbierten Master-Absolventen fertig. Gleichzeitig ist eine Übergangsfrist für heutige Studenten bis 2032 geplant – danach ist keine Möglichkeit mehr vorgesehen, die bisherige Psychotherapie-Ausbildung abzuschließen.
„Das führt dazu, dass ab 2025 jahrelang Psychotherapie-Absolventen einerseits und Psychologie-Absolventen andererseits nebeneiner in einer Einrichtung arbeiten und die gleichen Aufgaben erledigen – die einen mit Gehalt, die anderen ohne“, befürchtet Fabian Heß.
Tatsächlich müssen heutige Psychologie-Absolventen zu Beginn ihrer anschließenden therapeutischen Ausbildung 1200 Stunden als „Psychologen in Ausbildung“ (PiA) absolvieren. „Das Gehalt für die praktische Tätigkeit in den Kliniken liegt vor allem in Berlin zwischen null und acht Euro pro Stunde“, sagt Dilara Michel, die selbst als PiA bei einem Berliner Klinikkonzern gearbeitet hat.
Zwar gebe auch einige Einrichtungen in Brandenburg und Bayern, die ein normales Psychologengehalt zahlten, „der Schwerpunkt liegt aber bei Kliniken, die unter zwei Euro pro Stunde zahlen – zumindest können wir das für Berlin so feststellen“, sagt Dilara Michel.«