Immer wenige neue Ausbildungsverträge und immer weniger bestandene Abschlussprüfungen. Der Nachwuchs aus der dualen Berufsausbildung auf dem Sinkflug

Überall – außerhalb von Deutschland – wird die duale Berufsausbildung als eine besondere und idealerweise zu imitierende Form der beruflichen Qualifizierung gelobt und als großes Vorbild herausgestellt.

Aber in Deutschland, dem Kernland der dualen Berufsausbildung, steckt sie in vielen Berufsfeldern in einer schweren Krise. Auf der einen Seite gibt es seit Jahren ein Problem für viele eigentlich ausbildungswillige Betriebe – und deren Anteil an allen Betrieben schrumpft zugleich -, denn sie können die angebotenen Ausbildungsplätze kaum oder immer öfter gar nicht mehr besetzen. Sie finden schlichtweg keine Azubis.

Zum anderen gibt es in bestimmten Regionen – man denke hier an das Ruhrgebiet oder Berlin – viele junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden und „unversorgt“ bleiben. 

Dabei sind die vielen, die im sogenannten „Übergangssystem“ untergebracht sind, noch gar nicht mitgezählt, denn sie gelten ja als „versorgt“. Und wir sprechen hier nicht über einige wenige, sondern 2024 sind nach den Daten aus der Integrierten Ausbildungsberichterstattung fast 260.000 junge Menschen in den „Übergangsbereich“ eingetreten.

Hinzu kommt, dass es in vielen Ausbildungsberufen ganz erhebliche Abbruchquoten gibt, teilweise 20 bis über 30 Prozent der Auszubildenden, die zumindest in dem Betrieb, in dem sie angefangen haben, die Ausbildung nicht beenden. Und oftmals orientieren sich die jungen Leute dann auch ganz weg aus dem Berufsfeld.

Was zum einen die besondere Stärke der dualen Berufsausbildung ist, also die Einbettung in den betrieblichen Kontext und damit eine hohe Praxis- und Transferrelevanz, ist auf der anderen Seite auch eine Achillesferse, denn die Unternehmen sind nicht auf einer ökonomischen Insel der Glückseligen, sondern sie sind auch den Marktkräften ausgesetzt und wenn wir in krisenhafte Situationen geraten – man denke hier an die Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2008/2009 oder die Corona-Pandemie 2020/2021 -, dann hat das Auswirkungen auf das Angebot an Ausbildungsstellen bzw. die Nachfrage nach Auszubildenden.

Und leider muss man hier rückblickend eine Faustformel ableiten, die keine gute Botschaft transportiert: Nach jedem krisenbedingten Einbruch erholen sich anschließend die Zahlen neuer Ausbildungsverträge nicht mehr, sondern die bleiben unter dem Niveau, von dem aus wir in die jeweilige Krise gerutscht sind.

Das verheißt nichts Gutes, wenn wir allein an den demografisch bedingten Ersatzbedarf im mittleren Qualifikationsbereich denken, der in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren mit dem altersbedingten Ausscheiden der „Boomer-Generation“ aus dem Erwerbsleben auf uns zukommt. 

Und in dieser Gemengelage kommt eine weitere problemverschärfende Nachricht auf den Tisch: Immer wenige Abschlussprüfungen werden auch bestanden. Paul Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat sich die Zahlen von 2009 bis 2024 genauer angeschaut und diese Abbildung produziert:

»Vier Jahre nach dem ersten „Corona-Jahr“ 2020 sank die Zahl der bestandenen Abschlussprüfungen in der dualen Berufsausbildung auf den tiefsten bisher ermittelten Stand. Die amtliche Berufsbildungsstatistik berichtet für das Jahr 2024 nur noch insgesamt 339.219 bestandene Abschlussprüfungen – 8.352 (2,4 Prozent) weniger als im Vorjahr 2023, 44.079 (11,5%) weniger als im „Vor-Corona-Jahr“ 2019 und 139.818 (29,2 Prozent) weniger als 2010.«

Man muss wahrlich kein Prophet sein um zu erkennen, in was für einen Mangel wir uns im Zusammenspiel der genannten Einflussfaktoren manövrieren. Das wird dann an anderer Stelle als Fachkräftemangel aufgerufen, der sich übrigens weniger bei den vielen Akademikern manifestiert, sondern in den Berufs- und Tätigkeitsfeldern, in denen man eine solide dualen Berufsausbildung braucht oder gebrauchen könnte.

Es kann auch nach oben gehen: Auszubildende zur Bestattungsfachkraft

Ein Teil der demografischen Entwicklung wird immer wieder als ein Grund für die rückläufigen Zahlen der jungen Menschen in einer dualen Berufsausbildung genannt: Wenn es weniger jungen Menschen gibt und sich gleichzeitig die Welt der Ausbildungsmöglichkeiten auffächert (Stichwort: „Akademisierung“), dann ist es nicht wirklich überraschend, wenn die Zahl der klassischen Azubis sinkt, weil sich weniger junge Menschen auf mehr unterschiedliche Ausbildungswege verteilen (können).

Aber diese demografische Entwicklung besteht zugleich nicht nur aus weniger jungen Menschen, sondern auch aus vielen älteren Menschen und damit verbunden nicht nur einer hohen, sondern in Zukunft mit Sicherheit auch steigenden Zahl an Sterbefällen. Anfang der 1990er Jahre gab es jährlich um die 900.000 Sterbefälle in Deutschland, im vergangenen Jahr waren es bereits über eine Million. 2024 gab es 16 Prozent mehr Todesfälle als zehn Jahre zuvor. Da geht die Kurve rauf – und ein kleiner Teil des Ausbildungssystems reagiert auf diese Entwicklung (natürlich nicht nur auf diese Entwicklung, sondern auch auf die Veränderung und Erweiterung des Berufsbildes).1

Zum Jahresende 2024 befanden sich insgesamt 890 Personen in einer dualen Ausbildung zur Bestattungsfachkraft – so viele wie nie zuvor. Damit hat sich die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, berichtet das Statistische Bundesamt. 2014 gab es über alle Ausbildungsjahre hinweg „nur“ insgesamt 390 Auszubildende. Eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft wird mittlerweile etwas häufiger von Frauen gewählt: 2024 waren 57 Prozent der Auszubildenden in diesem Bereich Frauen. Zehn Jahre zuvor lag der Frauenanteil noch bei 45 Prozent. Der zunehmende Bedarf schlägt sich auch in gestiegenen Beschäftigtenzahlen und Umsätzen nieder. Im Jahr 2023 waren rund 26.300 Personen bei den hierzulande ansässigen 4.200 Unternehmen im Bestattungshandwerk tätig. Auch die nominalen Umsätze sind 2023 gestiegen: auf rund 2,32 Milliarden Euro.

Fußnote

  1. „Wir sind Eventmanager, Dekorateure, Handwerker und die Dienstleister in einem“, sagt Ulrike Grandjean, Inhaberin eines Bestattungsunternehmens in Trier in einem Interview des SWR zum Thema Warum der Beruf des Bestatters boomt. „Die Dienstleistungen, die wir anbieten, haben sich sehr stark erweitert. Die Arbeit ist abwechslungsreich.“ In ihrem Betrieb arbeiten drei Auszubildende. ↩︎