Es ist keine neue Erfahrung, dass bei Diskussionen über „die“ Rente in Deutschland immer wieder die Forderung nach einer Integration der Selbstständigen und der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung auf eine breite Zustimmung stößt. Vor allem die Absonderung der Beamten in einem eigenständigen Alterssicherungssystem wird oftmals als ein Gerechtigkeitsverstoß wahrgenommen (in der Regel geht das dann einher mit einem Vergleich der teilweise erheblich unterschiedlichen Höhen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit den Pensionen der Beamten).
Insofern überrascht es auch nicht, dass Politiker immer wieder geneigt sind, diese Forderung aufzugreifen und in den öffentlichen Raum zu stellen. Im Frühjahr 2025 war es mal wieder soweit. Die neue schwarz-rote Bundesregierung hatte sich gerade konstituiert und Bärbel Bas (SPD) hatte das Bundesarbeitsministerium von ihrem Vorgänger Hubertus Heil (ebenfalls SPD) übernommen. Außerdem stand der SPD-Bundesparteitag Ende Juni 2025 in Berlin vor der Tür und auf dem wollte Bas neben Lars Klingbeil dann zur Co-Vorsitzende der SPD gewählt werden, so dass man im Vorfeld sicherheitshalber die sozialdemokratische Seele streicheln musste mit sozialpolitischen Forderungen, wie sie schon seit Jahrzehnten immer wieder am wärmenden Lagerfeuer der Partei erzählt werden.
➔ Auf dem SPD-Bundesparteitag Ende Juni 2025 in Berlin wurde der Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil mit nur 64,9 Prozent der Stimmen als Parteichef bestätigt – so wenig Zustimmung bekam noch nie ein SPD-Vorsitzender ohne Gegenkandidat. Ganz anders seine neue Co-Vorsitzende: Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas überzeugte die Delegierten und kam auf 95 Prozent.
Vor diesem Hintergrund muss dann wohl solche Meldungen zur Kenntnis nehmen: »Vorstoß der neuen Arbeitsministerin: Bärbel Bas (SPD) will Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. … „In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern“«, wird die neue Ministerin in diesem Artikel mit einer bezeichnenden Überschrift zitiert: Ministerin Bas will mehr Einnahmen. Sie konnte gewiss sein, dass solche allgemeinen Forderungen auf einen großen zustimmenden Resonanzboden stoßen werden.
In der sich nun erneut anschließenden Debatte über diesen nun wirklich nicht neuen Vorstoß wurde und wird immer wieder auf das Beispiel Österreich hingewiesen, die das schon längst umgesetzt hätten, daran könne man sich ein Vorbild nehmen.
Auch die Medien greifen das immer wieder auf: »In Deutschland wird immer wieder gefordert, dass auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen. Österreich hat diesen Schritt schon vor über 20 Jahren getan«, so beginnt dieser Artikel: Beamte zahlen Rentenbeiträge – wie es klappen kann. Und weiter heißt es dort: »Was in Deutschland immer wieder zu heftigen Debatten führt, ist in Österreich seit Jahrzehnten Realität: Alle zahlen in die Rentenversicherung ein, auch Beamte. Bereits im Jahr 2004 wurde hier das sogenannte Pensionsharmonisierungsgesetz verabschiedet.«
In einem anderen Beitrag – Rente für alle gleich: Wie Österreich das geschafft hat – kann man lesen: »In Österreich wurde vor mehr als 20 Jahren zum Gesetz, was in Deutschland immer wieder diskutiert wird: Alle müssen seit 1. Januar 2005 in die Rentenversicherung einzahlen, auch Selbstständige, Politiker und Beamte – wenn sie zum Stichtag noch keine 50 Jahre alt waren.«
Geht doch, werden sich viele in der deutschen Debatte bestätigt fühlen. Wie immer bei sozialpolitischen Themen, vor allem aber bei den gerne bemühten partiellen Ländervergleichen – sollte und muss man sich das genauer anschauen. Es geht in diesem Beitrag ausschließlich um den Blick auf die Reform des Pensionssystems in Österreich mit einem besonderen Blick auf die Einbeziehung der Beamten, nicht um die weitaus breiter zu diskutierenden Frage, ob und wenn ja wie man eine Integration der Beamten in eine zur Erwerbstätigenversicherung transformierte Sozialversicherung in Deutschland hinbekommen könnte.
Was hat man in Österreich (nicht) gemacht?
Von entscheidender Bedeutung für den Weg der Österreicher ist die Pensionsreform 2003 (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005) – wobei man hier terminologisch darauf hinweisen muss, dass Pensionen in Österreich – der Begriff steht in Deutschland exklusiv für das Versorgungssystem der Beamten – den Renten aus der deutschen Diskussion entsprechen.
Ab dem Stichtag 1. Januar 2005 gelten für alle neu eintretenden öffentlich Bediensteten (auch Beamte) die Regelungen des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG). Grundlage dafür war das Pensionsharmonisierungsgesetz, in dem auch das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) enthalten ist. Nur als Seitenhinweis vor dem Hintergrund der aufgeregten Debatte über eine Stabilisierung des Rentenniveaus in Deutschland bei 48 Prozent: Das Pensionsharmonisierungsgesetz legt seit 2005 übrigens auch fest, dass allen nach 45 Beitragsjahren eine Pension in Höhe von 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens zustehen.
Was genau ist durch das Pensionsharmonisierungsgesetz mit den Beamten1 passiert?
»Seither existiert in Österreich ein einheitliches Pensionssystem für die Bediensteten in der Privatwirtschaft sowie für die Vertragsbediensteten, Beamtinnen und Beamten des Bundes. Die Pensionen der Beamtinnen und Beamten, die in den Jahren ab 1976 geboren oder die ab 2005 ernannt worden sind sowie der ab 1955 geborenen Vertragsbediensteten, werden nach den Regelungen des APG berechnet.« (Gabmayer et al. 2025: 4).
Man kann an der Formulierung erkennen, dass die 2005 scharf gestellte Regelung eine Unterscheidung von Alt- und Neufällen beim Umgang (nicht nur) mit den Beamten vorsieht:
»So erhalten Beamtinnen und Beamte, die vor 1955 geboren wurden, eine Pension nach dem Pensionsgesetz (PG) 1965. Vertragsbedienstete, die vor 1955 geboren wurden, eine Pension nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG).« (Gabmayer et al. 2025: 4).2
Anders ausgedrückt: Für Ältere, die vor dem 1.1.2005 bereits 50 Jahre oder älter waren, galt das neue Gesetz nicht. Die Bestandsbeamten vor 2005 blieben im „alten“ Pensionsrecht, das jedoch in Teilen an das neue System angepasst wurde (beispielsweise wurde eine Anhebung des Pensionsantrittsalters, eine Absenkung der Höchstpensionsgrenzen und eine langsame Umstellung auf das Pensionskonto-Modell eingeführt).
Wichtig ist: Seit 2005 gibt es auch für die Beamten ein Pensionskonto-System wie bei den Angestellten – damit hat man die Grundlage geschaffen, die Beamten gleich zu behandeln mit den Angestellten.
Aber es wurde keine vollständige Integration in die allgemeine Pensionsversicherung vorgenommen. Seit 2005 zahlen Beamte Beiträge in eine Rentenkasse ein, deren Ausgaben für die Versorgung der pensionierten Beamten verwendet werden (Umlageverfahren). Dabei gab es lange Übergangsfristen für verschiedene Jahrgänge, die Reform dauert dadurch noch an. Aktuell liegt der Beitragssatz in Österreich bei 22,8 Prozent, wovon 12,55 Prozent der Arbeitgeber und 10,25 Prozent der Arbeitnehmer bezahlt. Es besteht also eine Parallelstruktur, die sich zunehmend an das allgemeine System angleicht, aber keine vollständige Zusammenführung darstellt.
Und was man ebenfalls wissen muss: Anders als in Deutschland, wo Beamte gar keinen Beitrag zahlen, waren die Beamten in Österreich schon vor der Reform mit 12,55 Prozent beitragspflichtig. Sie waren es also „gewohnt“, für ihre Pensionen einzuzahlen.
Zuerst die Politiker, dann die Beamten …
Nicht nur im Sinne einer historischen Fußnote zu verstehen ist der Hinweis, dass die 2005 auf den Weg gebrachte schrittweise Aufweichung und Eindampfung des eigenständigen österreichischen Pensionssystems für Beamte gleichsam den zweiten Schritt der Umgestaltung des Alterssicherungssystems darstellt, vorher waren die Politiker „dran“:
»Bevor Österreich die Beamtenpensionen reformierte, wurden dort die Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung integriert. Die Politiker-Pensionen wurden bereits 1997 abgeschafft. Laut dem Protokoll der damaligen Parlamentssitzung waren die zentralen Argumente „eine steuerliche und pensionsrechtliche Gleichstellung von Politikern und Bürgern“ und „dass Politiker nicht irgendeinen automatischen Pensionsbezug haben, sondern dass sie mit gutem Beispiel vorangehen und Eigenverantwortung zeigen“.
Andreas Khol von der Österreichischen Volkspartei, gehörte zu den Politikern, die damals den Reformschritt mit auf den Weg brachten. Möglich sei er gewesen, weil der Druck der Öffentlichkeit, Politiker und Bürger bei der Altersversorgung gleichzustellen, sehr groß war. Die Forderung sei damals eindeutig gewesen, dass Politiker, die Regierungsmitglieder und die Abgeordneten keine Pension allein aus ihrer Stellung als Politiker erhalten sollen, sondern wie jeder andere auch nur dann eine Pension bekommen, wenn entsprechend eingezahlt wurde. Aus Sicht des Politikers sei dieser Schritt eine wichtige Voraussetzung gewesen, um die Reform der Beamtenpensionen dann in den folgenden Jahren auf den Weg zu bringen. „Die Gesetze werden im Parlament gemacht. Nachdem das Parlament sich selbst beschnitten hat, haben sie gesagt, dann räumen wir mit allen Privilegien auf. Das Beamtenprivileg war dadurch nicht mehr durchzuhalten“, resümiert der heute 84 jährige ehemalige Präsident des Nationalrates«, kann man diesem Artikel entnehmen: Beamte zahlen Rentenbeiträge – wie es klappen kann. Das hat dann der schrittweisen Integration der Beamten in die allgemeine Alterssicherung den Boden bereitet. Und deren vor allem indirekte Bedeutung sollte man nicht unterschätzen:
„Ohne die Einbeziehung der Beamten wäre in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die anderen Arbeitnehmer, für die Angestellten und Arbeiterinnen der Reformdruck so groß geworden, dass das unweigerlich entweder zu Leistungskürzungen oder zu einer Anhebung der Altersgrenzen gekommen wäre“, wird Wolfgang Panhölzl von der Arbeiterkammer Wien zitiert.
Und noch etwas
Man hat ab 2005 vor allem die neuen Beamten nicht nur einbezogen in das allgemeine Pensionsversicherungssystem (und ansonsten alles belassen, wie es war), sondern: mit der Reform wurde in Österreich zudem das Beamtentum rigoros zurückgefahren. Dort werden immer weniger Menschen verbeamtet.3
Auf die hier angesprochene „Entverbeamtung“ wird auch in der deutschen Debatte immer wieder hingewiesen, so beispielsweise im Beitrag Beamte in die Rentenkasse? Ja, aber als Angestellte von Marcel Fratzscher, der dafür plädiert, dass künftig neu eingestellte Beschäftigte im öffentlichen Dienst nicht mehr verbeamtet werden, sondern wie alle anderen in die Gesetzliche Rentenversicherung einzahlen (müssen). Kurzfristig würde eine solche Reform laut Fratzscher »zusätzliche Einnahmen für die gesetzliche Rente generieren, da nun zusätzliche Personen einzahlen müssten, diese aber erst in Zukunft ihre Ansprüche geltend machen können. Dieser sogenannte Einführungsgewinn bedeutet eine finanzielle Entlastung, die bis weit über 2050 hinaus wirken und die steigenden Finanzierungskosten des demografischen Wandels abfedern würde.« Allerdings würden diesen zusätzlichen Einnahmen auf der Beitragsseite auch entsprechende Ausgabenanstiege in den öffentlichen Haushalte gegenüberstehen, denn die müssten nun den Arbeitgeberanteil leisten und gleichzeitig werden die neuen Beamten ein höheres Bruttoeinkommen bekommen müssen.
Auf alle Fälle plädiert Fratzscher für eine Orientierung an unseren Nachbarn: »Ähnlich wie zum Beispiel in Österreich könnte Deutschland … sein Beamtenrecht reformieren und die Zahl der Beamten reduzieren und ihre Leistungen an das allgemeine Pensionsrecht angleichen. Das wäre auch ein Modell für Deutschland.«4
Fazit: Der österreichische Weg könnte durchaus als Blaupause herangezogen werden. »Allerdings gibt es für eine solche Reform beträchtliche Hürden. So sind anders in Österreich in Deutschland die Beamtenansprüche verfassungsrechtlich geschützt und der Gesetzgeber kann nicht einfach streichen. Darüber hinaus muss eine Reform der Beamtenversorgung von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen werden«, so der Hinweis in diesem Artikel: Rente wie in Österreich: Wie Bärbel Bas‘ Reform funktionieren kann. Außerdem kann man sich an dem Beispiel der Pensionsreform 2005 in Österreich verdeutlichen: Man kann hier nicht einen imaginären Schalter umlegen und auf einmal sind alle Beamte in der Gesetzlichen Rentenversicherung integriert, sondern angesichts der sehr langen Übergangszeiträume und dem Fortführen des alten neben dem neuen System wird es lange dauern, bis man schrittweise die angestrebte (Teil-)Integration der Beamten hinbekommt. Die von der Bundesarbeitsministerin erhofften deutlich höheren Einnahmen für die umlagefinanzierte Rentenversicherung lassen sich durch diese (aus anderen Gründen sicher begründbare) Maßnahmen kurzfristig aber nicht generieren. Wenn, dann sollte man einen solchen Schritt anders begründen.
Literatur
Gabmayer, Renate et al. (2025): Monitoring der Pensionen der Beamtinnen und Beamten im Bundesdienst 2025, Wien: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), 2025
Fußnoten
- In Österreich gibt es zwei Formen der Beschäftigung im öffentlichen Dienst: Beamtinnen/Beamte und Vertragsbedienstete (öffentliche Bedienstete). Letztere entsprechen also den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Angestellten im öffentlichen Dienst. ↩︎
- Wie so oft bei Stichtagsregelungen mussten auch die Österreicher komplexitätssteigernde Übergangsregelungen schaffen: »Beamtinnen und Beamte, die in den Jahren 1955 bis 1975 geboren wurden und bereits vor 2005 Beamtinnen und Beamte waren, werden parallelgerechnet. Das heißt: Gewichtet nach der Aufteilung der Dienstzeiten vor bzw. ab 2005 gebührt ein Teil der Pension nach dem PG 1965 und der andere nach dem APG.« ↩︎
- Das hilft, Kosten zu senken. „Gegenwärtig sind wir bei circa 3,3 Prozent der Wirtschaftsleistung, die wir für Beamte in Ruhe verwenden, durch den Rückgang der Beamtenschaft wird dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf knapp 1 Prozent und bis 2070 sogar auf 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Also in Österreich ist das ein System, das sich auswächst“, wird Christine Mayrhuber vom Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung zitiert. ↩︎
- Fratzscher weist noch auf einen anderen, seiner Meinung nach sehr positiven Aspekt einer solchen „Entverbeamtung“ hin: »Die hohen Pensionsansprüche binden Beamte an den Staat, oft ein Leben lang. Der Wechsel in die Privatwirtschaft wird unattraktiv, weil mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis meist alle Pensionsansprüche verloren gehen (ehemalige Beamte werden in der GRV in der Regel nachversichert). Das macht das System starr und passt nicht so recht zu einer Arbeitswelt, die mehr Flexibilität und Mobilität braucht. Wir brauchen daher mehr Durchlässigkeit zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft – und keine Einbahnstraße in Richtung Verbeamtung.« ↩︎