Eine „Studie“ hat ergeben, dass wir „einen regelrechten Zusammenbruch des Vertrauens in die gesetzliche Rentenversicherung“ haben. Man sollte genauer hinschauen

Seit Jahren werden wir mit einem immer wiederkehrenden Muster konfrontiert: Man lässt eine „Studie“ erstellen (am besten für die Verkaufe ist es, wenn man mit einer „wissenschaftlichen Studie“ hausieren gehen kann, mindestens muss das aber „repräsentativ“ sein), haut dann einige wenige Ergebnisse gezielt raus und hofft auf den – oftmals auch beobachtbaren – Effekt, dass zahlreiche Medien in ihrer Zeitnot und unter Vernachlässigung basaler journalistischer Regeln wie Prüfung der Quellen (was natürlich Zeit kostet und Zeit ist heutzutage nicht nur Geld, sondern vor allem ein Zurückfallen im hyperhektischen Click-Rennen in der Welt der Online-Informationsströme, in der Inhalte nicht nur auf rudimentäre Satzstummel entkernt werden, sondern auch gleichsam mit Worp-Antriebsgeschwindigkeit wieder den Aufmerksamkeitskegel verlassen, um Platz zu machen für neue Nachrichtenhäppchen) mit „copy and paste“ die Verbreitung der beabsichtigten Botschaft befördern.

Das ist schon grundsätzlich ein Problem, aber in der Sozialpolitik und damit in überaus komplexen Systemen, von deren Leistungen Millionen Menschen und das oftmals über viele Jahre oder gar Jahrzehnte existenziell abhängig sind, ist das ein besonderes Problem. Denn wenn bestimmte Botschaften nur oft genug wiederholt und von vielen anderen übernommen werden, dann kann sich eine eigene Wirklichkeit aufbauen – dann ist das, was (so oft wiederholend) behauptet wird, selbstverständliches Wissen.

Man kann mit einem solchen Vorgehen (und das erst einmal unabhängig von der Frage, ob das tatsächlich an einem grünen Tisch geplant wurde oder sich das durch potenzierende „copy and paste“-Schleifen gleichsam „wildwüchsig“ auskristallisiert hat) die Behauptung, dass man beispielsweise von der gesetzlichen Rentenversicherung sowieso nichts mehr zu erwarten habe, zu einem nicht mehr bezweifelbaren Tatbestand werden lassen. Der dann immer wieder durch möglichst beeindruckende Zahlen bestätigt wird.

Die gesetzliche Rente ist ein totes Pferd (und jetzt muss man nur noch rechtzeitig auf ein noch lebendes wechseln)

Diese Tage wird man (wieder einmal) mit solchen Nachrichten konfrontiert: Mehrheit der Deutschen hat geringes Vertrauen in die Rente. Und direkt unter der Überschrift wird dann nachgeschoben: »Viele Menschen zweifeln daran, dass sie mit der gesetzlichen Rente ihren Lebensstandard halten können. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen Altersvorsorge-Reports.« Und damit allen auch wirklich die Schwere der hier zitierten Ergebnisse eines „Reports“ deutlich vor Augen geführt wird, kommt die eine große Zahl zum Einsatz: »Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung glaubt nicht, dass die gesetzliche Rente langfristig zuverlässig funktionieren kann.«

In einem anderen Beitrag – unter der Überschrift Deutschlands Rentensystem in der Vertrauenskrise – wird dann als seriöse Quelle und zur Verstärkung der Botschaft Peter Schwark vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) zitiert mit den Worten: »Wir haben einen regelrechten Zusammenbruch des Vertrauens in die gesetzliche Rentenversicherung.«

Da muss man erst einmal schlucken. Und das wird dann auch noch befeuert, wenn man erfährt: 2019 waren („erst“) 54 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Rente nicht zuverlässig sei. Und nun sind es also schon 80 Prozent. 

Ganz genau sind es sogar (angeblich) 83 Prozent, die keinen Euro mehr auf die gesetzliche Rente wetten würden. Diese Zahl kann man finden, wenn man in das Original schaut, das den Berichten zugrunde liegt:

„Geringes Vertrauen in gesetzliche Rente – 83 Prozent der Deutschen halten das System für unzuverlässig“ – so lautet die Kernbotschaft, die der „Altersvorsorge-Report 2025“ von Deutsche Bank und DWS in den Medien platziert hat. Was für ein Misstrauensvotum gegenüber der Rentenversicherung. 

Aber wie ist man auf diese 83 Prozent gekommen, die von vielen Medien einfach mal abgeschrieben wurde? 

Wer hat die 83 Prozent produziert?

In der Mitteilung der Deutschen Bank findet man diesen erst einmal beruhigend daherkommenden Hinweis: »Für den repräsentativen „Altersvorsorge-Report 2025“ befragte das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag von Deutsche Bank und DWS im August und September 2025 insgesamt 3.200 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren.«

Also das sind „repräsentative Daten“, die uns hier präsentiert werden.

Sind sie das wirklich?

Der eine oder andere könnte beim Hinweis auf das Meinungsforschungsinstitut Civey, die das als Auftragsarbeit für die Deutsche Bank und die DWS (die DWS Group ist mit einem gesamten verwalteten Vermögen von 1.054 Milliarden Euro „ein führender Vermögensverwalter in Europa mit globaler Reichweite“)1 gemacht haben, die Stirn runzeln. Civey? War da nicht mal was?

Die Civey GmbH ist ein Berliner Start-up-Unternehmen, das Online-Umfragen für Meinungs- und Marktforschung durchführt, wobei Ergebnisse unmittelbar angezeigt werden. Die Umfragen werden gleichzeitig auf verschiedenen Internetseiten eingeblendet, sodass sich die Umfrageteilnehmer aus Besuchern dieser Seiten rekrutieren. Um hohe Repräsentativität zu erreichen, werden die Umfrageergebnisse anhand weiterer Kriterien unterschiedlich gewichtet. Kritiker zweifeln jedoch an der Qualität der Ergebnisse.2

Die Kritik an Civey bezieht sich hauptsächlich auf die Methodik, die auf nicht-zufälligen Online-Stichproben basiert und daher laut Kritikern keine echte Repräsentativität gewährleistet. Weitere Kritikpunkte sind fragwürdige Ergebnisse, die Medienberichte verzerren können, sowie methodische Schwächen, wie die ungenügende Einbeziehung bestimmter politischer Parteien. 

Nicht-repräsentative Stichproben: Civey nutzt Online-Panels, die keine echten Zufallsstichproben sind. Wissenschaftler und Konkurrenten betonen, dass dies zu weniger verlässlichen Ergebnissen führt als bei traditionellen Methoden mit Zufallsstichproben.

Bereits am 26.9.2018 hat Michael Höfele diesen Artikel veröffentlicht: Repräsentativ daneben? »Civey wird immer öfter von großen Medien zitiert, obwohl es mit fragwürdiger Methode arbeitet. Die Konkurrenz schaltet den Presserat ein.«

»Wer sich in diesen Tagen für Umfragezahlen interessiert, kommt an Civey kaum vorbei. Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung, Welt, Tagesspiegel, der Fernsehsender Phoenix – viele nutzen die Daten des Berliner Start-ups, das mit einer ganz neuen Methode arbeitet.

Einige renommierte Soziologen sehen das kritisch – und die Konkurrenz ist richtig sauer. Die alteingesessenen Institute Forsa, Infas und die Forschungsgruppe Wahlen haben gemeinsam eine Beschwerde beim Presserat eingereicht, exemplarisch wegen einer Civey-Umfrage bei Focus Online. Der Vorwurf: Von der versprochenen „Repräsentativität“ könne keine Rede sein, die Civey-Methode widerspreche wissenschaftlichen Grundsätzen und wer so etwas veröffentliche, der verletze journalistische Sorgfalt … Was ist passiert? Anders als bei den alten Umfrageinstituten, wird bei Civey gar nicht erst versucht, eine Zufallsstichprobe aus der Bevölkerung zu ziehen. Der Newcomer arbeitet ausschließlich mit Internet-Umfragen, die er auf den Webseiten seiner „Medienpartner“ (Civey) platziert und bei denen jeder abstimmen kann, wer will. Weil das zur Manipulation geradezu einlädt, werden die Daten nachgewichtet und sollen dann „repräsentativ“ sein. Wie genau dieser Prozess abläuft, ist Geschäftsgeheimnis. Die Resultate kann man nur glauben oder eben nicht. Frank Faulbaum von der Uni Duisburg entscheidet sich für Letzteres: „Nahezu alle Qualitätsstandards werden missachtet, Entscheidungsträger sind gut beraten, sich nicht auf diese Ergebnisse zu stützen“, sagt der Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Sozialwissenschaftliche Methoden und Empirische Sozialforschung. Und sein Kollege Jörg Blasius von der Uni Bonn findet diverse mathematische und inhaltliche Fehler auf der Civey-Internetseite und urteilt über die Methode: „Das ist längst nicht repräsentativ.“ Blasius hat das „Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung“ mitherausgegeben ….« 

»Fakt ist …, dass die Civey-Zahlen immer wieder extrem von denen der großen Institute abweichen.«

Die „alten Institute“ haben zwar auch ihre Probleme, allen voran eine rückläufige Teilnahmebereitschaft. Aber immerhin kommen sie zeitgleich auch zu gleichen oder sehr ähnlichen Ergebnissen.

»Fragt man die anderen Institute, fällt das Urteil über Civey böse aus. Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen, den man aus dem ZDF als sachlichen Statistiker kennt, spricht plötzlich von „Bullshit“ und „Scharlatanerie“, Forsa-Chef Manfred Güllner nennt die Civey-Leute einen „gefährlichen Gaunerhaufen“.«

Und auch vor Gericht ist die Methoden-Frage gelandet

Im Jahr 2023 berichtet Rainer Burger in der FAZ unter der Überschrift Landgericht Hamburg zweifelt an der Civey-Methode: »Die Klick-Demoskopen von Civey stehen schon seit einiger Zeit in der Kritik. Nun bezweifelt das Landgericht in einem Urteil, dass die Erhebungsmethode des Demoskopie-Instituts repräsentativ ist.« Also ist das schon vor Gericht gelandet. Schauen wir uns den Fall einmal genauer an. Zuerst kommt eine allgemeine Einstimmung:

»Das gar nicht mehr so junge Umfrage-Start-up Civey fällt gerade vor Wahlen mit merkwürdigen Zahlen zu vermeintlichen Erdrutschen, Aufholjagden, Stimmungsumschwüngen, Kopf-an-Kopf-Rennen auf, kurzum mit „kuriosen Kurven“. Obwohl mittlerweile klar sein müsste, dass die auch zu allerlei anderen Anlässen erhobenen Civey-Daten mit Vorsicht zu genießen sind, werden sie von reichweitenstarken Medienpartnern oder auch regionalen Zeitungen unverdrossen wei­terverbreitet.«

Um was genau ging es vor dem Landgericht Hamburg?

»Das ebenfalls in Berlin ansässige Institut Forsa hält die zentrale Civey-Werbeaussage für wettbewerbswidrig. Sie lautet: „Profitieren Sie von Deutschlands größtem Online Panel. In der Markt- und Meinungsforschung setzt man inzwischen mehrheitlich auf Online-Fragen. Viele Anbieter nutzen dabei eine Datenbank mit Personen, die sich dazu bereit erklärt haben, an Umfragen teilzunehmen und regelmäßig dazu aufgefordert werden. Dies nennt man Online Panel und Online-Access- Panel.“« 

Und was hat das LG Hamburg entschieden? Dazu berichtet Rainer Burger:

»In seinem am 15. September verkündeten Urteil (Aktenzeichen 416 HKO 45/23) hat das Landgericht eine bereits Anfang Juni gegen diese Aussage ergangene einstweilige Verfügung bestätigt – mit einer für Civey verheerenden Begründung. Denn das Gericht bezweifelt die Repräsentativität von Civey-Umfragen. Die Irreführung des Werbeslogans liege darin, dass erhebliche Teile der möglichen Kunden ihn so verstünden, Civey sei mithilfe seiner Datenbank in der Lage, „mittels gezielter Ansprache einer konkret umrissenen Personengruppe repräsentative Ergebnisse zu den . . . zu bestimmten Themen in Auftrag gegebenen Umfragen zu liefern“. Der Firma Civey sei es im Verfahren jedoch nicht gelungen, schlüssig darzulegen, dass die „von ihr praktizierte Methode diese Erwartungen erfüllt“. Umfrageteilnehmer müssten an keiner Stelle erklären, dass sie damit einverstanden sind, regelmäßig an Civey-Erhebungen teilzunehmen und entsprechend regelmäßig dazu aufgefor­dert zu werden.

Angesichts der Un­verbindlichkeit, die Civey seinen Nut­zern ermögliche, sei es auch nicht ab­sehbar, wie sich der Teilnehmerkreis der jeweiligen Umfrage zusammensetzen werde. „Es ist daher schwer vorstellbar, dass Umfragen, die in ei­nem derart unverbindlichen Rahmen stattfinden, dazu geeignet sind, in kurzer Zeit repräsentative Umfra­geer­gebnisse zu konkret umrissenen Themen zu liefern.“ Auch dürfte es Civey nach Einschätzung des Landgerichts „nicht immer – oder nicht zeitnah – gelingen, eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern zu generieren, sodass die gewonnene Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit ist“.«

➔ Die Entscheidung des Gerichts im Original findet man hier: LG Hamburg, 16. Kammer für Handelssachen, Urteil vom 24.Juli 2025 , Az: 416 HKO 51/23.

Zur Einordnung des Urteils des LG Hamburg

»Ein abermaliger Blick auf die Civey-Erhebungsmethode hilft, die Trag­weite der Urteilsbegründung aus Hamburg besser einordnen zu können. Anders als die Forschungsgruppe Wahlen, Infratest Dimap, das Institut für Demoskopie Allensbach oder Forsa erhebt Civey seine Daten nicht auch per Telefon, sondern mittels ei­nes Klicktools, das auf den Websites seiner Medienpartner oder über die eigene Homepage der Klickdemoskopen zu sehen ist. Während die eta­blierten Institute großen Wert auf methodisches Handwerk legen und sich um wirklich repräsentative Zufallsstichproben bemühen, kommen die Stichproben von Klickdemoskopen – wie nun im Fall Civey vom Landgericht Hamburg moniert – irgendwie zustande. Denn Nutzer werden nach dem sogenannten River-Sampling-Verfahren rekrutiert. Ähnlich wie ein Angler seine Rute aus­wirft, so fischen Klickdemoskopen wie jene von Civey im digitalen Medienstrom nach Befragungspersonen. Wer anbeißt, darf abstimmen.

Wissenschaftler monieren schon lange: Solche Onlineerhebungen kön­nen, anders als behauptet, nicht repräsentativ sein. Rainer Schnell, Pro­fessor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität Duisburg-Essen, hat Anfang Au­gust in einem „Wie man sich eine Studie backt“ überschriebenen „Zeit“-Interview ein anderes anschauliches Bild zu dem Umstand geprägt, dass Institute wie Civey nur diejenigen Personen erreichen, die auf den fraglichen Webpages surfen: „Mit der gleichen Logik könnte man Fragebögen an einer Autobahnraststätte auslegen. Dann würden nur Rei­sende an der Umfrage teilnehmen.“«

Die Methodenprobleme gelten nicht nur für ein Institut, aber …

Es geht hier keineswegs darum zu behaupten, dass es eine kritische Infragestellung von verallgemeinernden „Hochrechnungen“ auf „die“ Bevölkerung in Deutschland nur dann zu geben hat, wenn dieses eine Institut genannt wird. Denn die klassischen, etablierten Institute haben ebenfalls und seit längerem zunehmend Probleme, die Voraussetzungen für „repräsentative Ergebnisse“, die auf Hochrechnungen aus Zufallsstichproben basieren, sicherstellen zu können.

Als Beispiel für eine Zusammenfassung der aktuellen Methodendiskussion sei hier aus der 2024 publizierten Arbeit von Sabine Pokorny und Dominik Hirndorf – Online, offline oder beides? Umfragemethoden im Praxistest – zitiert:

»Die drei Erhebungsmethoden im Telefon-, Online- und Mixed-Mode-Verfahren unterscheiden sich aufgrund der Stichprobenziehung in ihrer Qualität. Während Telefon-Verfahren auf reine Zufallsstichproben setzen, werden in Online-Erhebungen mit Nicht-Zufallsstichproben nur Personen erreicht, die eine gesteigerte Bereitschaft zur Teilnahme aufweisen. Die Ergebnisse von Nicht-Zufallsstichproben schwanken ungewöhnlich stark und liefern daher unzuverlässige Ergebnisse. Gewichtungen sind kein Garant für Repräsentativität. Sie können fehlende Gruppen („Offliner“/ältere Menschen) nicht ausgleichen. Unbekannte Abweichungen werden durch Gewichtungen nicht korrigiert, sondern ggf. verstärkt. Mixed-Mode-Verfahren können soziodemografische Probleme der Telefon-Methode lösen, bringen jedoch qualitative Mängel durch die nicht-zufallsbasierte Stichprobenziehung im Online-Teil mit sich.«

Mit dem Rammbock des (angeblichen) Zusammenbruchs des Vertrauens an die Bankkonten der Verunsicherten, aber zugleich noch Zögerlichen

Eigentlich sollen die „mehr als 80 Prozent“, die für den (angeblichen) „Zusammenbruch des Vertrauens in die gesetzliche Rentenversicherung“ stehen und die wie wir gesehen haben auf äußerst fragwürdiger Grundlage als „repräsentativer Wert“ behauptet wird, „nur“ eine Türöffner-Funktion erfüllen: Wenn eine so große Mehrheit die gesetzliche Rente für kaputt erklärt, dann muss da nicht nur was dran sein, sondern man muss doch auch was dagegen machen. 

Wie gut, dass die Deutsche Bank und die DWS sogleich erwartbare Hilfestellung leisten können: »Den Menschen wird immer klarer, dass sie ihren gewohnten Lebensstandard im Alter nur durch zusätzliche private Vorsorge sichern können.«

Da gibt es nur ein Problem (nicht nur) für die Deutsche Bank:

»Obwohl die Notwendigkeit erkannt wird, spart fast jeder Dritte (31 Prozent) gar nicht für den Ruhestand. Weitere 23 Prozent legen monatlich maximal 50 Euro zurück. Das bedeutet: Praktisch die Hälfte der Bürger sorgt kaum oder gar nicht privat vor. Gründe dafür sind nicht nur fehlende finanzielle Mittel, sondern auch ein Mangel an Informationen über geeignete Anlageformen und die eigene Vorsorgelücke. 54 Prozent haben keine klare Vorstellung von ihrer späteren Rente.«

Obwohl die Notwendigkeit zusätzlicher Vorsorge kaum bestritten wird, klafft zwischen Bewusstsein und tatsächlichem Handeln eine große Lücke, so auch dieser Artikel mit Bezug auf den Altersvorsorge-Report: Private Altersvorsorge bleibt Theorie: Erkenntnis ohne Handeln. Dort werden auch Konsequenzen angesprochen: »Für Versicherer und Vermittler zeichnet die Studie ein klares Bild: Aufklärung allein genügt nicht. Beratung bleibt der entscheidende Hebel – dort, wo sie stattfindet, führt sie in knapp 60 Prozent der Fälle zu einem Abschluss. Gleichzeitig sind flexible, leicht verständliche Produkte gefragt, die auch bei kleineren Budgets funktionieren und Vertrauen schaffen.«

Allerdings hat sich die Mehrheit (61 Prozent) noch nie beraten lassen – da ist also noch eine Menge Potenzial für die Beratung und Erschließung neuer Kunden. 

Und um an dieses „Potenzial“ heranzukommen, können als Wahrheiten verkaufte Hiobsbotschaften (eigentlich alle um einen herum haben die gesetzliche Rente abgeschrieben) die Bereitschaft, sich für Verkaufsgespräche zu öffnen, sicher bestärken. Genau das ist ihre Funktionalität, das bedeutet aber nicht, dass das mit den mehr als 80 Prozent auch der Realität entspricht.

Schwierig wird es nur für viele Berater, wenn sie diese vielen zögerlichen Menschen überzeugen sollen, gleichzeitig für das Alter, für die Pflege und demnächst auch für die Krankenversorgung kapitalgedeckt vorzusorgen. Da könnten/würden sich Summen ergeben, bei denen dann das Auffüllen des Kühlschranks zu einem neuen Problem werden könnte. Zumindest für die normalen Leute.

Fußnoten

  1. Die DWS Group GmbH & Co. KGaA mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein zur Deutschen Bank gehöriger, börsennotierter Vermögensverwalter. Das Unternehmen wurde 1956 gegründet und gehörte von 2004 bis zu seinem Börsengang 2018 vollständig zur Deutschen Bank.
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  2. Das Unternehmen Civey wurde 2015 von Janina Mütze zusammen mit Gerrit Richter gegründet, zunächst unter der Firma OMNI TT GmbH. Erster Geschäftsführer war Gerrit Richter, ein ehemaliger SPD-Bundestagskandidat, Politikberater und Referent bei Hans Eichel (SPD), dem ehemaligen Bundesfinanzminister. Neben Richter wurde am 8. Mai 2018 Janina Mütze zur Geschäftsführerin bestellt, von der die Idee zur Gründung stammt und die als das öffentliche Gesicht des Unternehmens bekannt ist. Im August 2016 band Der Tagesspiegel als erstes großes Medienhaus Umfragen des Unternehmens ein. Im Dezember 2016, kurz vor dem Superwahljahr 2017, folgte Spiegel Online. Im Jahr 2024 hat der SPIEGEL die Zusammenarbeit mit Civey beendet. Dazu dieser Artikel: Die Methodik hinter den Civey-Umfragen, die der SPIEGEL bis Februar 2024 durchführte (25.03.2025). Am Ende des Textes findet man diesen Hinweis: »Sämtliche Angaben zur Methodik und Repräsentativität der durchgeführten Umfragen sowie zum Datenschutz beruhen auf der Darstellung von Civey.«
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