Im Juli 2024 wurde hier ein Beitrag veröffentlicht, der den Finger auf eine der ganz großen sozialen Fragen unserer Tage legt: die Wohnungsnot und die Suche danach, was man machen kann, um in diesem existenziellen Bereich Verbesserungen hinzubekommen. »Über den Mangel an dann auch noch halbwegs bezahlbaren Wohnraum wird seit langem ausführlich berichtet. Und das ist nicht nur ein Problem für die vielen vom Mangel betroffenen Menschen, sondern es verstärkt die ebenfalls hinlänglich bekannte Klage über fehlende Fach- und Arbeitskräfte. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht wirklich, wenn nun wieder häufiger über ein Instrumentarium berichtet wird, bei dem der eine oder andere eher an die Zechensiedlungen des Ruhrgebiets oder die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg denkt: Werkswohnungen. Oder neudeutscher: Mitarbeiterwohnungen.« So beginnt der Beitrag, der am 12. Juli 2024 unter der Überschrift Renaissance der Werkswohnungen? Unternehmerische Wohnungsversorgung als ein durchaus hilfreicher Tropfen auf den heißen Stein der Wohnungsnot veröffentlicht wurde. Dort wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich durchaus hier und da einiges getan hat, man aber realistisch bleiben sollte: es handelt sich eher um einen Tropfen auf dem heißen Stein der Wohnungsnot.
Zu diesem Thema wurde zwischenzeitlich eine neue, umfangreich angelegte Studie veröffentlicht. Auch die sieht einige neue Bewegungen, weist zugleich aber ebenfalls darauf hin, dass man die Erwartungen bzw. Hoffnungen nicht zu hoch hängen sollte.
Die angesprochene neue Studie im Original findet man hier:
➔ Michael Voigtländer et al. (2024): Bestandsaufnahme zum Wohnen für Mitarbeitende, Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), November 2024
Im Fokus der Studie von Voigtländer et al. »stand die Frage, welche Relevanz das Wohnen für Mitarbeitende für die Wohnraumversorgung insgesamt sowie die die Sicherung und Gewinnung von Fachkräften besitzt. Hierfür wurde untersucht, wie viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden Unterstützungsmaßnahmen anbieten, welche Wohnungsbestände existieren, wie sich die Bestände entwickelt haben, welche Zielgruppen angesprochen werden, welche Dauerhaftigkeit die Angebote haben und welche Erfahrungen die Beteiligten damit gesammelt haben. Darüber hinaus wurde untersucht, welche strukturellen Hemmnisse bestehen, die dazu führen, dass Unternehmen nicht (mehr) aktiv sind.«
Statt nach klassischen Werkswohnungen oder gar Arbeitersiedlungen zu suchen, geht man mit der Zeit und kreist um „Unterstützungsmöglichkeiten beim Wohnen für Mitarbeitende“
Es wird darauf hingewiesen, dass es heutzutage eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden unterstützen können, die weit über den klassischen Werkswohnungsbau hinausgehen – insofern muss man auch den Titel des Beitrags hinsichtlich einer Renaissance (?) der „Werkswohnungen“, wie wir sie auf früheren Jahrzehnten in großem Umfang kennen, dahingehend relativieren, dass in der Gegenwart schon weitaus geringer dimensionierte Aktivitäten von Unternehmen als wohnungspolitisch relevante Tat gebucht werden. In der neuen Studie spricht man dann auch erheblich weicher statt von Werks- oder Mitarbeiterwohnungen von „Unterstützungsmöglichkeiten beim Wohnen für Mitarbeitende“. Das wurde in zwei Definitionen gepackt:
»Nach der engen Definition umfasst das Wohnen für Mitarbeitende alle Aktivitäten, die den Beschäftigten einen direkten Zugang zum Wohnungsmarkt ermöglichen. Die Arbeitgeber müssen dabei nicht selbst als Vermietende auftreten, stellen aber – gegebenenfalls in Kooperation mit Partnern – Wohnraum zur Verfügung oder unterstützen bei der Schaffung von Wohnraum. Bei den indirekten Maßnahmen unterstützen die Arbeitgeber dagegen die Mitarbeitenden bei der Wohnungssuche. Hierbei sind zahlreiche, auch aufeinander aufbauende Maßnahmen denkbar. Dazu zählen beispielsweise die Möglichkeit der Nutzung von Plattformen, so dass Mitarbeitende untereinander sich gegenseitig über Mietangebote informieren können. Die Beauftragung von Maklerbüros oder die Gewährung von Zuschüssen sind weitere Wege, um etwa ortsspezifisch besonders hohe Wohnkosten abzufedern.«
Es wurde eine Personen- und eine Unternehmensbefragung durchgeführt. Und das hat man dann zu Tage gefördert:
»Auf Grundlage der Befragungen konnte über Hochrechnungen der Anteil der Unternehmen erfasst werden, die ihre Mitarbeitenden rund um das Wohnen unterstützen. 5,2 % der Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden mit direkten Maßnahmen. Dies entspricht hochgerechnet rund 675.000 Wohnungen und weiteren rund 46.000 Wohnheimplätzen für (junge) Mitarbeitende. Weitere 11,6 % der Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden durch indirekte Maßnahmen.«
Und nicht wirklich überraschend:
»Dabei zeigen sich jedoch Unterschiede hinsichtlich des Aktivitätsgrads der Unternehmen über Branchen, Unternehmensgrößen und Regionen hinweg. Größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden bieten häufiger direkte Unterstützung bei der Wohnraumversorgung an als kleine und mittlere Unternehmen. Dagegen unterstützen kleine und insbesondere mittlere Unternehmen ihre Mitarbeitenden häufiger mit indirekten Angeboten als große Unternehmen. Aufgrund der großen Anzahl kleiner Unternehmen in Deutschland leisten diese aber dennoch einen sehr großen Anteil der Wohnungen für Mitarbeitende. Differenziert nach Branchen unterstützen Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche am häufigsten ihre Mitarbeitenden. Dazu gehören auch Unternehmen aus dem Gastgewerbe.«
Nun gibt es – wie erläutert – sehr unterschiedliche Intensitätsstufen wohnungspolitischen Engagements betreffend. Dazu aus der Studie: »44 % der aktiven Unternehmen geben an, dass sie Wohnungen an- und weitervermieten. Auch der Kauf von Wohnungen und deren Vermietung an die Mitarbeitenden wird mit 44 % angegeben. Der Neubau von Wohnungen durch die Unternehmen liegt mit 17 % deutlich niedriger, ebenso der Erwerb von Belegungsrechten mit 8 %. Dabei muss beachtet werden, dass Unternehmen sich nicht zwangsläufig auf eine Handlungsstrategie festlegen und sich die verschiedenen Möglichkeiten ergänzen können. Dass Unternehmen durchaus verschiedene Maßnahmen kombinieren, zeigt die Anzahl an Mehrfachnennungen in der Befragung.«
Nicht jede der insgesamt etwa 675.000 Wohnungen für Mitarbeitende vergrößert den Wohnungsbestand in Deutschland. Denn wenn ein Unternehmen beispielsweise Wohnungen aus dem Bestand erwirbt, kann es zwar die eigenen Mitarbeitenden direkt unterstützen, allerdings wird dadurch kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Die Studie schätzt, dass »etwa 24 % des Wohnungsbestands für Mitarbeitende bestandserweiternd« wirken. Somit sind etwa 161.000 Wohnungen neu entstanden.
Um die Relationen deutlich zu machen: Das entspricht etwa 0,4 Prozent des Wohnungsbestands in Deutschland.
Was hemmt mehr Aktivitäten?
»Die Ergebnisse der Analyse zeigen zwei zentrale Hemmnisse für Aktivitäten beim Wohnen für Mitarbeitende auf: Sowohl die Furcht vor dem hohen organisatorischen als auch vor dem finanziellen Aufwand schrecken Unternehmen ab, zumal der Wohnungsbau ohnehin als sehr komplex wahrgenommen wird. Während kleine und mittlere Unternehmen der organisatorische Aufwand abhält, wirkt bei großen Unternehmen eher der hohe finanzielle Aufwand hemmend. Für viele Unternehmen ist der organisatorische Aufwand auch deshalb so hoch, weil sie keine passenden Kooperationspartner finden. Schließlich ist die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Wohnungswirtschaft noch nicht eingeübt. Dies offenbart einen hohen Informationsbedarf, um den Einstieg in das Thema für Unternehmen zu erleichtern. Denn gerade die Vielfältigkeit der Unterstützungsleistungen, die weit über den traditionellen Werkswohnungsbau hinausgehen, bietet hier einfache Möglichkeiten, die aber offenbar von vielen Unternehmen gar nicht erkannt werden. Bei Unternehmen, die sich tiefer mit möglichen Unterstützungsangeboten auseinandergesetzt haben, zeigt sich, dass neben den fehlenden Kooperationspartnern die Zinsentwicklung, Unsicherheiten in der Förderlandschaft, fehlendes Bauland und der Mangel an entsprechendem Fachpersonal hemmend wirken.«
Was könnte man tun, um das kleine Pflänzchen zu pflegen und idealerweise einen Wachstumsschub auszulösen?
Natürlich wird seitens der Unternehmen mehr Förderung gewünscht – in der Studie wird aber auch auf die „zahlreichen bereits vorhandenen Förderungen“ hingewiesen: »So können etwa die Landesförderungen des sozialen Wohnungsbaus oder auch die KfW-Förderungen für den Wohnungsbau und die Modernisierung im Bestand genutzt werden. Mit der Erhöhung des steuerfreien geldwerten Vorteils im Jahr 2020 sowie dem Wegfall der Sozialversicherungspflicht im Jahr 2021 haben Unternehmen bereits die Möglichkeit, ihren Mitarbeitenden Wohnungen deutlich unterhalb des ortsüblichen Marktniveaus zu vermieten und ihnen damit einen steuerfreien finanziellen Vorteil zu gewähren. Diese Regelung ist grundsätzlich attraktiv, sollte allerdings an einigen Stellen, wie bei der Begrenzung der Quadratmetermiete an hochpreisigen Standorten wie München, angepasst werden.«
Und schon sind wir bei den Empfehlungen angekommen: »Eine Option, den organisatorischen Aufwand gering zu halten, stellt der Erwerb von Belegungsrechten dar. Es sollte geprüft werden, ob bestehende Nachteile für Belegungsrechte beseitigt werden können. Aktuell sind die Regelungen, mit denen der steuerliche geldwerte Vorteil (Sachbezug) erfasst wird, bei der Nutzung von Belegungsrechten ungünstiger als bei einer direkten Vermietung von Wohnungen durch den Arbeitgeber. Hier besteht eine Möglichkeit, das Engagement von kleinen und mittleren Unternehmen zu erhöhen.«
Wohnungsbauprogramme, wie beispielsweise der soziale Wohnungsbau oder die Förderung durch verschiedene KfW-Programme, sollten – so die Studie – auch durch Arbeitgeber in Anspruch genommen werden können. Belegungsrechte als Unterstützungsmaßnahme sollten auch im Steuerrecht gestärkt werden.
Und schlussendlich: »Abschließend ist die Bedeutung von Best-Practice-Beispielen zu betonen, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen. Schließlich bleibt das Wohnen für Mitarbeitende aus streng betriebswirtschaftlicher Sicht bei Einzelbetrachtung des Immobilieninvestments ein Zuschussgeschäft, da Faktoren wie die Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden nur indirekt gemessen werden können. Umso wichtiger ist es aber, durch Informationen und erfolgreiche Beispiele die Unternehmen für die Vorteile der Mitarbeiterbindung durch Wohnungsunterstützung zu sensibilisieren und an ihre soziale Verantwortung in einer sozialen Marktwirtschaft zu erinnern.«