Über den Mangel an dann auch noch halbwegs bezahlbaren Wohnraum wird seit langem ausführlich berichtet. Und das ist nicht nur ein Problem für die vielen vom Mangel betroffenen Menschen, sondern es verstärkt die ebenfalls hinlänglich bekannte Klage über fehlende Fach- und Arbeitskräfte. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht wirklich, wenn nun wieder häufiger über ein Instrumentarium berichtet wird, bei dem der eine oder andere eher an die Zechensiedlungen des Ruhrgebiets oder die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg denkt: Werkswohnungen. Oder neudeutscher: Mitarbeiterwohnungen.
»Viele Firmen suchen Fachkräfte – das Unternehmen Wasserle aus Oberbayern findet immer welche. Es bietet zum Job auch eine bezahlbare Bleibe«, berichtet beispielsweise Astrid Uhr in ihrem Artikel „Mehr Sicherheit“: Mit Werkswohnungen gegen den Fachkräftemangel. „Das Haus, in dem ich mit meiner Familie wohne, hat mein Chef gemietet“, sagt Joszef Reti. Der gebürtige Rumäne fühlt sich sehr wohl in der Gemeinde Hurlach im Landkreis Landsberg. Als Vorarbeiter bei der Gebäudereinigung Wasserle im oberbayerischen Kaufering zahlt er fix 600 Euro Miete inklusive Nebenkosten für rund 100 Quadratmeter. Dann bleiben ihm noch 1.600 Euro übrig im Monat.
»Diese günstigen Kosten sind nur möglich, weil sein Arbeitgeber ihm vertraglich eine dauerhaft niedrige Miete zugesagt hat, trotz Inflation. Das schätzt der 31 Jahre alte Vater – und bleibt seiner Firma treu. Er arbeitet schon fast zehn Jahre für den gleichen Chef.« Von den 400 Beschäftigten des Unternehmens leben 50 in einer Werkswohnung. »Das heißt konkret, die Firma tritt als Zwischenmieter auf, vermietet günstig weiter und zahlt selbst die Mehrkosten drauf.« Interessant aber auch: »Langfristig empfiehlt Wasserle seinen Mitarbeitern aber, sich firmenunabhängigen Wohnraum zu suchen. Sonst sei die Gefahr der Abhängigkeit vom eigenen Chef zu groß.«
In dem Artikel wird auf die lange Traditionslinie hingewiesen: »Die Idee, dass Firmen eine bezahlbare Bleibe bieten, ist alt: Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland Arbeiter-Wohnungen gebaut, etwa von der Eisenbahner-Genossenschaft oder der Postbaugenossenschaft. Auch Dax-Unternehmen wie BMW oder Siemens hatten früher viel Wohnraum. Heute ist fast alles verkauft, denn die Verwaltung von Immobilien ist aufwendig und zählt nicht zum Kerngeschäft der Konzerne.«
Auch andere Beispiele aus der Medienberichterstattung legen den Eindruck nahe, dass wir mit einer Art Renaissance dieser speziellen Form der Wohnraumversorgung konfrontiert sind:
»Unternehmen suchen Fachkräfte. Fachkräfte suchen Wohnungen. Immer mehr Arbeitgeber setzen aufs Konzept Mitarbeiterwohnen und wollen so gleich zwei Probleme auf einmal lösen«, so Lara Wernig in ihrem Artikel Mein Chef, mein Vermieter. Arbeitgeber wie das Klinikum Stuttgart, aber auch VW, Bosch oder Beiersdorf hätten das erkannt und versuchen nun, Fachkräfte mit der Aussicht auf Job und Wohnung zu locken.
Beispiel Klinikum Stuttgart: »Rund tausend Fachkräfte können in den Unterkünften des Klinikums wohnen. Erst diesen Monat wurden rund 170 neue Wohnungen eröffnet. Alle entstanden in nur zehn Monaten durch nachhaltige, modulare Holzbauweise. Das ging auch dank kommunaler Zuschüsse. Die Bewohner profitieren nun von subventionierten Mietpreisen, die abhängig sind von ihrem Einkommen. „Die Personalwohnungen sind ein wichtiger Baustein, um als Arbeitgeber attraktiv für Mitarbeitende zu sein“, erklärt Klinik-Sprecher Stefan Möbius. Nicht nur für Ranine Jemai war das Konzept überzeugend. Sie zahlt 460 Euro Miete. „Für diesen Preis hätte ich niemals eine Wohnung in Stuttgart gefunden“, sagt sie. Die private Wohnungssuche beschreibt die Pflegerin als „schlimm“. Aus mehreren Jobangeboten hat sie sich schließlich auch deshalb für das Klinikum Stuttgart entschieden, weil ihr damit eine Wohnung sicher war. „Das spielte eine große Rolle“, sagt sie.
Bleiben wir einen Moment lang in der Pflege, aus der bekanntlich ein dramatischer Personalmangel berichtet wird – und die Rekrutierung von ausländischen Pflegekräften spielt hier eine große Rolle: Mit dem Konzept „Schwesternwohnheim 2.0“ hat das Caritas-Altenzentrum Sankt Josef in Arzbach 2023 den Innovationspreis des Verbandes katholische Altenhilfe gewonnen. Die Caritasdirektorin Stefanie Krones berichtet darüber in dem Beitrag „Schwesternwohnheim 2.0“ als internationale Pflege-Azubi-WG: Aus einem seit etwa 15 Jahren leerstehenden Pfarrhaus wurde ein „Schwesternwohnheim 2.0“. »Das neue Konzept ist eine Weiterentwicklung der Idee des Zusammenwohnens, -lernens und -lebens während der Pflege-Ausbildung. Das einstige Pfarrhaus bietet neben den WG-Plätzen für bis zu zehn Azubis einen Schulungs- und Freizeitraum und eine Gemeinschaftsküche mit Essplatz. Wir setzen auf ein geschütztes Wohn-, Arbeits-, Lern- und Lebensumfeld für internationale Pflege-Auszubildende als Grundlage für ein gelingendes Ankommen und den Integrationserfolg in unserer Region.« Das Caritas-Altenzentrum Sankt Josef am Standort Arzbach hat Auszubildende aus Marokko rekrutiert. Aber: »Es gibt keine nutzbaren Wohnungen in und um Arzbach. Die Struktur besteht aus selbstbewohnten Ein- und Zweifamilienhäusern. Einen Markt für Fremdvermietung gibt es nicht. Insbesondere kostengünstige Mietwohnungen, die vom Ausbildungsgehalt finanziert werden können, sind so gut wie nicht existent.« Der Lösungsansatz: »Für die Unterbringung während der Ausbildung entstand 2021 auf dem Nachbargrundstück im ehemaligen Pfarrhaus mit der Pflege-Azubi-WG Wohnraum, der bezahlbar, integrierend, gemeinschaftsfördernd und ortsbelebend ist.« Die Auszubildenden »erhalten einen „Werksmietvertrag“, der an den Ausbildungsvertrag gekoppelt ist, und zahlen Untermiete von ihrer Azubi-Vergütung. Nach konservativen Berechnungen ist die Renovierung, auch unter Berücksichtigung von möglichen Auszügen und auch Ausbildungsabbrüchen, nach einem überschaubaren Zeitraum refinanziert.«
Apropos Ausbildung: Auch andere Branche betätigen sich in diesem Bereich. So baut die Hamburger Sparkasse ein eigenes Wohnheim für Auszubildende, kann man dieser Meldung entnehmen: Sparkasse lockt Azubis mit günstiger Wohnung. „Wir bauen insgesamt 70 Apartments für zusammen 140 Azubis und Studierende in begehrter Wohnlage in Hamburg-Altona“, so der Vorstandschef der größten deutschen Sparkasse. Im Sommer 2024 können die ersten Azubis und dual Studierenden einziehen. »Das Mietniveau der Azubi-Apartments „Young Urban Living by Haspa“ richtet sich für die nächsten 30 Jahre nach den Vorgaben der Hamburgischen Investitions- und Förderbank für geförderten Wohnraum. Aktuell sind das 235 Euro zuzüglich Nebenkosten pro Mieter.«
Renaissance einer nur scheinbar veralteten Idee?
„Wir brauchen eine echte Renaissance des Werkswohnungsbaus“, wird Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), zitiert. Und an anderer Stelle legt er den Finger auf eine heute wieder offene Wunde: „In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Werkswohnungen auch großer Firmen wie der Deutschen Bahn verkauft, weil mancher damals glaubte, Werkswohnungen würden nicht mehr benötigt“.
„Das Comeback der Mitarbeiterwohnungen“ sei eine mögliche Lösung der angesprochenen Probleme, so dieser Artikel aus der WirtschaftsWoche: Wenn Wohnen zum Standortfaktor wird. Und in der Zeitschrift für kommunale Wirtschaft wird das sogar schon als Tatbestand ausgewiesen: Werkswohnungen feiern ein Comeback. Dort bezieht man sich auf die neue Studie „Bezahlbares Wohnen wird zum Standortfaktor“ des Instituts RegioKontext, in der man bundesweit den Stand bei den Arbeitgebern ermittelt hat. Ende der siebziger Jahre gab es in der alten Bundesrepublik rund 450.000 Werkswohnungen. Heute ist der Bedarf nach bezahlbarem Wohnen gerade in den Metropolregionen wieder immens groß. »Das Institut RegioKontext, das seit Jahren zum Mitarbeiterwohnen forscht und berät, erwartet, dass in Zukunft pro Jahr rund 10.000 Mitarbeiterwohnungen entstehen könnten.«
Der notwendige Blick zurück
Wurde die unternehmerische Wohnraumversorgung im 19. und 20. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Literatur ausführlich diskutiert, fehlt es an einer vertieften Debatte dazu im 21. Jahrhundert – so die These von Robert Kitzmann et al. in einem 2021 veröffentlichten Beitrag, in dem gerade der Blick zurück auf die Hoch- und Blütezeit der Werkswohnungen die sozialpolitische Relevanz des Themenfeldes aufzeigen kann, zugleich kann man aber auch besser einordnen, dass man das, was heute als „Renaissance“ dieses Teilstrangs der Wohnungspolitik diskutiert oder behauptet wird, bei aller Wertschätzung doch wieder relativieren muss:
➔ Robert Kitzmann et al. (2021): Werkswohnen 2.0: die Wiederbelebung unternehmerischer Wohnungsversorgung, in: Forum Wohnen und Stadtentwicklung, Heft 2/2021, S. 105-110
Dem Beitrag kann man einen historischen Rückblick auf das Werkswohnungswesen entnehmen:
1900 existierte ein Bestand von 143.000 Werkswohnungen im Deutschen Reich. »Ab dem 20. Jahrhundert vollzog sich allmählich ein Bedeutungswandel des Werkswohnungsbaus von einer eher infrastrukturell bedingten zu einer mehr personalpolitisch motivierten Maßnahme, bei der die langfristige Bindung der Belegschaft im Zentrum stand … Die Zuweisung einer Werkswohnung wurde meist von einer bestimmten Dauer der Werkszugehörigkeit sowie sozialen Kriterien abhängig gemacht. Bis zum Ersten Weltkrieg verdoppelte sich die Zahl der Werkswohnungen in Deutschland.«
»Während der Weimarer Republik wurde das bis dahin größte öffentliche Wohnungsbauprogramm initiiert, wobei die Wohnraumversorgung in den Aufgabenbereich staatlicher Akteure gelegt wurde.« Hervorzuheben ist die Transformation, die in den 1920er Jahren stattgefunden hat: »Der werkseigene entwickelte sich zunehmend zum werksgeförderten Wohnungsbau, bei dem die Unternehmen nicht mehr selbst den Bau übernahmen. Stattdessen wurden, zum Teil auch durch den Zusammenschluss von Unternehmen, eigene Wohnungsbaugesellschaften gegründet … Zudem unterstützten Unternehmen zunehmend den Wohnungsbau von Baugenossenschaften.«
»Für das Jahr 1937 wurde für das sogenannte Dritte Reich ein Werkswohnungsbestand von 466.400 Wohnungen angegeben.«
Und für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg werden wir dann auch schon mit dem konfrontiert, was heutzutage als „bürokratische Hemmnisse“ kritisiert wird:
»Da der Werkswohnungsbestand aufgrund der Kriegsschäden des Zweiten Weltkrieges auf 145.000 Einheiten reduziert wurde, nahm der Bau von werkseigenen Wohnungen in der Nachkriegszeit gegenüber der Zwischenkriegszeit erheblich zu, um die Wohnungsnot unter den Beschäftigten möglichst schnell zu überwinden. Da der werksgeförderte Wohnungsbau strengen staatlichen Auflagen hinsichtlich der Belegung von Wohnraum unterlag und sich recht bürokratisch darstellte, gewann der eigene Werkswohnungsbau wieder an Bedeutung … Der Werkswohnungsbestand in der Bundesrepublik wurde bis in die 1970er Jahre auf rund 450.000 Wohneinheiten ausgeweitet …, verlor in der Folge jedoch erheblich an Bedeutung.« Warum? »Trennten sich Unternehmen anfangs noch durch Einzelverkäufe an Mieter, deren Angehörige oder andere Betriebsangehörige von ihren Beständen, folgte ab den 1990er Jahren der Verkauf großer Wohnungsportfolios, welche der Freisetzung von Eigenkapital sowie der Konzentration auf das unternehmerische Kerngeschäft dienten.«
»Neben Unternehmen wie Bayer, Hoechst, Kraus Maffei, RWE und Thyssen Krupp, welche sich vollständig von ihren Wohnungsbeständen trennten, veräußerte auch der Bund Wohnungsbestände des Bundeseisenbahnvermögens und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte … Der Verkauf von knapp 138.000 Wohnungen von E.ON im Jahr 2005 stellte das größte jemals in Deutschland verkaufte Wohnungsportfolio dar … Folglich sank der Bestand betriebseigener Wohnungen massiv und wird … (2016) auf maximal 80.000 Einheiten geschätzt.«
… und der Blick in die Gegenwart und Zukunft
Der massive Verkauf unternehmenseigener Wohnungen fiel in eine Phase relativ entspannter Wohnungsmärkte. Das sieht seit geraumer Zeit ganz anders aus. Heute zeigen sich deutschlandweit wieder angespannte Wohnungsmarktsituationen, vor allem im Mietwohnungssegment. »Diese Entwicklung hat für eine Rückbesinnung auf die unternehmerische Wohnfürsorge in Form des Mitarbeiterwohnens geführt«, so Kitzmann et al. (2021: 106).
»Erste Studien zur Wiederbelebung unternehmerischer Wohnraumversorgung diskutieren an ausgewählten nationalen Fallbeispielen mögliche Umsetzungsformen, legen Vorteile für Anbieter und Beschäftigte dar und diskutieren die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen.«
Gemeint sind hier die von RegioKontext* erstellten Studien
➔ „Wirtschaft macht Wohnen“. Mitarbeiterwohnen: Aktuelle Herangehensweisen und modellhafte Lösungen (2016)
➔ Der »Kampf um die Köpfe« geht übers Wohnen (2020)
➔ Bezahlbares Wohnen wird zum Standortfaktor (2024)
*) Vgl. zu RegioKontext: www.mitarbeiterwohnen.de
»Bisher entwickelte sich aus diesen praxisnahen Untersuchungen jedoch kein wissenschaftlicher Diskurs, welcher in systematischer Weise Umsetzungsformen aktueller betrieblicher Wohnraumversorgung oder die Motive der Arbeitgeber untersucht«, so Kitzmann et al. (2021: 106), was die Autoren dann am Beispiel Berliner Arbeitgeber versucht haben.
Bei allen Fortschritten und in Einzelfällen auch hilfreichen Entwicklungen geben die Autoren diese relativierende Einordnung:
»Insgesamt lässt sich feststellen, dass die aktuelle Rückbesinnung auf die Versorgung der eigenen Belegschaft mit Wohnraum quantitativ auf einem wesentlich geringeren Niveau ist als in historischer Perspektive.«
Was wurde hinsichtlich der Umsetzung beobachtet?
»Hinsichtlich der umgesetzten Strategien zur Versorgung der eigenen Arbeitnehmer mit Wohnraum lässt sich ein weites Spektrum an Angeboten konstatieren. Grundsätzlich lassen sich hierbei verschiedene (1) Strategien der Wohnraumbereitstellung sowie (2) Zusatzangebote für die Beschäftigten im Bereich Wohnraumversorgung identifizieren.«
Als Strategien der Bereitstellung von Wohnraum identifiziert die Studie:
➔ Einige der Arbeitgeber hatten eigene Wohnungsportfolios mit jeweils 20 bis 300 Einheiten – verwaltet in Eigenregie oder durch beauftragte Dienstleistungsunternehmen.
➔ Stehen den Unternehmen keine eigenen Liegenschaften zur Wohnraumversorgung zur Verfügung, können Belegungsrechte bei Dritten erworben werden, sodass den Unternehmen dann Vorgriffs- oder gar Vorkaufsrechte zustehen.
➔ Die dritte und aktuell auch gängigste Möglichkeit, den eigenen Beschäftigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist die Kooperation mit privaten oder städtischen Wohnungsbaugesellschaften sowie Wohnungsgenossenschaften. Hierfür ist jedoch der Besitz eigener Flächen sowie meist deren Verkauf an die Wohnungsunternehmen nötig.
»Da Arbeitgeber bei der Wohnungsvergabe zum Teil bestimmte Zielgruppen, wie Studierende oder Auszubildende, vorrangig unterstützen, ergibt sich die zweite Dimension der Bereitstellung von Wohnraum aus der Dauer des Aufenthalts der Beschäftigten.«
Zur Bedeutung des Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnisses bei der mietrechtlichen Ausgestaltung:
»Bei der Vergabe von unbefristeten Mietverträgen kann zwischen Werksmiet- und Werksdienstwohnungen unterschieden werden, wobei bei Ersterer Dienst- und Mietverhältnis voneinander getrennt werden, sodass der Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Wohnung verbleiben kann. Bei der Werksdienstwohnung ist das Mietverhältnis an das Dienstverhältnis gekoppelt – eine Form, die typischerweise für Hausmeister oder Tierpfleger auf dem Betriebsgelände angewendet wird.«
Neben der Bereitstellung von Wohnraum bieten Arbeitgeber weitere Unterstützungsleistungen rund um das Thema Wohnen an:
»Die Leistungen können dabei ein breites Spektrum umfassen: die Unterstützung bei der Wohnungssuche, das Beantragen von Wohnberechtigungsscheinen, die Beauftragung von Maklern, Umzugsunternehmen oder Relocation Services, der Aufbau eigener digitaler Wohnungsbörsen sowie die Vermittlung zwischen Vermietern, die ihre Wohnung bestimmten Berufsgruppen zugänglich machen wollen und den eigenen Beschäftigten. Neben angebotenen Hilfeleistungen bei der Wohnungssuche bieten einige Arbeitgeber auch finanzielle Hilfestellungen an. So zahlen Arbeitgeber zum Teil Gehaltszuschläge für die Wohnraumversorgung oder vereinbaren mit Partnerunternehmen der Wohnungswirtschaft finanzielle Vorteile wie Mietkautionsfreiheit.«
Was treibt die Arbeitgeber an?
Das bedeutendste Motiv zur wohnungswirtschaftlichen Unterstützung der eigenen Beschäftigten ist die Mitarbeiterakquise. Daneben wird die Personalbindung genannt.
Als einen zweiten zentralen Beweggrund wird die soziale Verantwortung der Unternehmen für die eigenen Beschäftigten hervorgehoben.
Fazit von Kitzmann et al. (2021):
»Die Ergebnisse der Untersuchung zur Wohnfürsorge von Arbeitgebern in Berlin zeigen deutlich, dass es sich bei der aktuellen Entwicklung nicht um ein neues Konzept betrieblicher Wohnraumversorgung handelt, sondern um eine Wiederbelebung und Erweiterung der Ideen des 19. und 20. Jahrhunderts – wenngleich in wesentlich geringerer Intensität. Dies wird am Vergleich aktueller Umsetzungsformen und Motive mit denen der Vergangenheit deutlich: Nach wie vor werden Werkswohnungen im eigenen Bestand angeboten und neue Werkswohnungen auf eigenen Flächen errichtet. Der Bau neuer Werkswohnungen durch beauftragte Wohnungsunternehmen entspricht dem ehemaligen werksgeförderten Wohnungsbau. Jedoch wird deutlich, dass Kooperationen aktuell eine wesentlich größere Bedeutung spielen als der eigene Bau von Wohneinheiten. Dadurch ist es Unternehmen weiterhin möglich, sich auf ihr eigentliches Kerngeschäft zu fokussieren und über flexiblere Lösungen, wie die Anmietung oder die Sicherung von Vorgriffsrechten, welche bei Nichtgebrauch durch die Wohnungsunternehmen anderweitig vermietet werden können, kurzfristig auf Nachfrageänderungen zu reagieren.«
Die »über das Wohnraumangebot hinausgehenden Unterstützungsleistungen stellen eine Neuerung im Vergleich zum Angebotsspektrum der Vergangenheit dar, wobei insbesondere Leistungen, wie eigene digitale Wohnungsbörsen oder die Vermittlung zwischen externen Wohnungsunternehmen und den Beschäftigten, maßgeblich durch neue digitale Kommunikationsmittel ermöglicht werden.«
Aber auch: »Der eigene Besitz von Hunderten oder gar Tausenden Wohneinheiten spielt auch vor dem Hintergrund der weitaus geringen Wohnungsnot im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts oder der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch eine Rolle, und selbst die 300 eigenen Wohneinheiten eines der befragten Unternehmen sollen mittelfristig dem freien Wohnungsmarkt zugeführt werden.«
Zusammenfassende Darstellung der Formen unternehmerischer Wohnfürsorge:
Quelle: Kitzmann et al. (2021: 105)