Das ist doch mal eine Ansage: 1.200 Euro für jeden österreichischen Staatsbürger über 18 Jahren an jedem Monatsanfang. Das ist die Kurzfassung der wesentlichen Forderung, die über ein Volksbegehren dem Parlament vorgelegt werden soll. Bis zum 25. November 2019 haben nun die Österreicher eine Woche lang die Möglichkeit, sich online oder in jedem Gemeindeamt für das Volksbegehren einzutragen. Wenn es von mindestens 100.000 Stimmberechtigten unterstützt wird, muss sich das Parlament damit befassen. Allerdings reicht eine bloße Debatte, ein entsprechender Gesetzentwurf muss nicht daraus folgen, berichtet Peter Münch in seinem Artikel mit der etwas missverständlichen Überschrift Österreich stimmt über bedingungsloses Grundeinkommen ab.
Bereits richtig abgestimmt hat das Volk der Schweizer – schon im Jahr 2016. Das Ergebnis wurde damals in diesem Beitrag besprochen: Mit dem Herz dafür, aber mit dem Kopf dagegen? Oder mit dem Verstand dafür, aber ohne Herz? Das „bedingungslose Grundeinkommen“ ist (nicht) krachend gescheitert. Die einen sagen „nur“ 23,1 Prozent haben mit Ja gestimmt, aber eigentlich muss man von „immerhin“ und „erstaunlicherweise“ sprechen. „Mit ihrer revolutionären Idee haben sie fast ein Viertel der Stimmenden hinter sich gebracht“, so wurde damals Claudia Blumer zitiert (Fast jeder vierte Urnengänger stimmte für ein bedingungsloses Grundeinkommen).
Nun also, wenn auch vor einem anderen Verbindlichkeitshintergrund, die Österreicher. Wer hat das auf den Weg gebracht?
Initiiert wurde es von dem Grazer Peter Hofer, eine Partei oder ein Verein steckt nicht dahinter. Alexander Hahn und Leopold Stefan berichten in ihrem Artikel Volksbegehren fordert 1.200 Euro Grundeinkommen ohne Gegenleistung zu dem Hintergrund: „Es war eine Spontanaktion meinerseits“, sagt Organisator Peter Hofer. Ursprünglich habe er nur 50 Personen via E-Mail mit der Bitte um Unterstützung und Weiterverbreitung angeschrieben. „Daraus sind 14.973* Unterschriften geworden“, berichtet der Initiator, den die Eigendynamik überrascht habe. „Es war unglaublich. Ich bin noch immer völlig geflasht, weil ich so etwas nicht erwartet habe.“ Sein Werbeaufwand habe bloß 80 Euro betragen, nämlich für eine Website.
*) In Österreich reichen 8.401 Unterschriften für die Einleitung eines Volksbegehrens, dies entspricht einem Promille der Bevölkerung.
Die angesprochene und überaus spartanisch gehaltene Website des Initiators findet man hier: www.volksbegehren-bedingungslosesgrundeinkommen.at.
Warum nur für alle österreichischen Staatsbürger und nicht für alle in Österreich lebenden Personen, fragen Hahn und Stefan den Initiator. Die Antwort geht so: »Weil dies unter der türkis-blauen Regierung nicht möglich gewesen wäre, erklärt Hofer, man hätte ihm alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt. Eigentlich schwebe ihm vor, langfristig ein Grundeinkommen für alle Erdenbürger einzuführen.«
»Mit der Einschränkung auf Österreicher tun sich andere Befürworter eines Grundeinkommens schwer, weil es eben nicht bedingungslos ist. Dazu zählt Helmo Pape, Obmann des Vereins Generation Grundeinkommen. Er betrachtet die Initiative als „Schritt in die richtige Richtung“, kritisiert aber, dass 1,5 Millionen Menschen, von denen einige in Österreich geboren worden seien und Steuern zahlten, vom bedingungslosen Grundeinkommen ausgenommen wären.«
➔ Der Hinweis auf den Verein Generation Grundeinkommen ist interessant: »… in Österreich ist das jetzige Volksbegehren nicht der erste Anlauf in dieser Sache. 2017 bereits ist ein Verein namens Generation Grundeinkommen gegründet worden, der das Thema in den öffentlichen Fokus rücken wollte. Ziel war es, per Crowdfunding eine halbe Million Euro zu sammeln, um damit eine wissenschaftliche Studie zu finanzieren, einen Kongress abzuhalten und weitere Kampagnen zu finanzieren. Es kam jedoch bei Weitem nicht genügend Geld zusammen.«
Die Begrenzung auf „nur“ österreichische Staatsbürger muss natürlich und vor allem vor dem Hintergrund der ausländerskeptischen bis -feindlichen Haltung bei nicht wenigen Österreichern gesehen werden. Und da überrascht es dann auch nicht, wenn sofort an dieser Stelle Salz in eine (angebliche?) Wunde gestreut wird. So berichtet Leopold Stefan in seinem Artikel Volksbegehren fordert 1.200 Euro Grundeinkommen über diese Einschätzung der Reichweite des Vorstoßes – und man achte neben der Frage, ob die europarechtliche Einordnung wirklich so eindeutig ist, vor allem auf das illustrierende Beispiel, wer zu den Profiteuren eines solchen Grundeinkommens gehören könnte/würde: »EU-Bürger (erhalten) hierzulande die Mindestsicherung, wenn sie in Österreich gearbeitet haben oder schon länger als fünf Jahre im Land sind. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen gilt diese Logik aber nicht, erklärt Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal. EU-Bürger sowie Asylberechtigte dürften nicht vom Grundeinkommen ausgeschlossen werden. Außerdem könne jeder Österreicher auch im Ausland, etwa auf einer indonesischen Insel, wohnen und dort vom heimischen Grundeinkommen leben.«
Klar, auf eine warme Insel ziehen und mit dem bedingungslosen Grundeinkommen Caipirinha schlürfen. Und das bei den enormen Summen, die aufgebracht werden müssen, um diese monetäre Beglückung aller erwachsenen Österreicher finanzieren zu können. Hinzu kommt, dass auch weiterhin zahlreiche andere Transferleistungen finanziert werden müssen: »Aus der Begründung des aktuellen Begehrens geht hervor, dass die Mindestsicherung obsolet würde. Bei anderen Leistungen wie Pensionen oder Arbeitslosengeld treten wiederum rechtliche Hürden auf. Schließlich gilt ein Vertrauensschutz. Versicherte, die in das Pensionssystem einzahlten, haben rechtlichen Anspruch auf die Leistung. Ein bedingungsloses Grundeinkommen müsste zusätzlich ausgezahlt werden«, so Leopold Stefan.
Wie soll das eigentlich funktionieren mit der Finanzierung?
Erst einmal zur Größenordnung der aufzubringenden Mittel: Der Initiator Peter Hofer wird mit den Worten zitiert, dass 92 Milliarden Euro im Jahr notwendig wären. Das entspricht einer Schätzung des Ökonomen Harald Badinger von der Wirtschaftsuniversität Wien. Zum Vergleich, der Bundeshaushalt 2019 beträgt knapp 90 Milliarden. Schauen wir hinsichtlich der Frage nach der Mittelherkunft für das bedingungslose Grundeinkommen auf die Website des Initiators. Dort findet man dann diese Hinweise:
»Jede/r bezahlt – wenn sie/er in irgendeiner Form Geld ausgibt, einen SOLIDARITÄTSBEITRAG von 0,94% (bei € 100.- sind das € 0,94.-) an die Gemeinschaft = alle in Österreich lebenden Menschen! Wenn jemand sein gesamtes BGE von € 1200.- im Monat ausgibt, zahlt er dafür an die Gemeinschaft einen SOLIDARITÄTSBEITRAG von € 11.- Wenn jemand im Monat € 10.000.- ausgibt, zahlt er einen SOLIDARITÄTSBEITRAG von € 90.- an die Gemeinschaft. Damit ist nicht nur das BGE locker finanzierbar, sondern es bleibt auch viel Geld für sehr nützliche Dinge übrig (Bildung, Gesundheit, Infrastruktur usw.), die der Allgemeinheit zu Gute kommen.«
Er hat angeblich mal die Begrifflichkeit „Finanztransaktionssteuer“ verwendet, in Höhe von 0,94 Prozent, dieser Terminus ist aber missverständlich und er verwendet ihn in dem überschaubaren Absatz zur Finanzierungsfrage, der hier zitiert wurde, auch nicht (mehr?). Und er vermeidet auch den Steuerbegriff, in dem er – semantisch wesentlich liebevoller – von einem „Solidaritätsbeitrag“ spricht. Warum hier die „Finanztransaktionssteuer“ nicht passt und was auch der Unterschied zu der bekannten Umsatzbesteuerung ist, erläutert Leopold Stefan so:
»Die Besteuerung ginge über Aktien und Finanzpapiere hinaus. Jedes Mal, wenn im Land Geld die Hände wechselt, würden 0,94 Prozent an den Staat gehen. Hofer will nicht von Steuern sprechen, sondern einem „Solidaritätsbeitrag.“ Im Gegensatz zur Umsatzsteuer, die nur vom Endverbraucher gezahlt wird, würde der Beitrag auch entlang der Wertschöpfungskette anfallen. Hofer schätzt, dass der Staat dadurch über 190 Milliarden Euro im Jahr einnehmen würde.«
Man kann sich vorstellen, was eine solche Finanzierungsvision an Reaktionen auslöst. Stellvertretend dazu die Kommentierung von Eric Frey unter der Überschrift Grundeinkommen: Attraktiv, naiv und ärgerlich: »Die kolossalen Kosten eines Grundeinkommens sind das Kernproblem dieser Utopie.« Die Forderung an sich sei ein höchst attraktives Konzept, so Frey. »Aber alle Initiativen für ein Grundeinkommen, sei es das Schweizer Referendum 2016 oder das aktuelle Volksbegehren, haben einen Haken: Sie stellen Forderungen auf, deren Kosten alle bestehenden Sozialprogramme übertreffen, bleiben aber bei der Finanzierung vage. Das muss sich eine reiche Gesellschaft wie unsere einfach leisten können, heißt es oft. Oder man verbindet den Plan für das Grundeinkommen mit neuen Steuern, deren Machbarkeit im Dunkeln liegt«, so die Klage von Frey. Der »Wohlstand in den reichen Industriestaaten ist keine Schatztruhe, bei der man sich für gut gemeinte Vorhaben bedienen kann. Er muss Tag für Tag von Menschen erwirtschaftet werden. Über Vermögens- und Finanzsteuern allein lässt sich selbst bei größter Anstrengung ein anständiges Grundeinkommen nicht finanzieren.«
Und der spezifische Blick von Eric Frey auf Sozialpolitik im Allgemeinen und Sozialleistungen im Besonderen wird an diesem Passus verständlich: »Der heutige Sozialstaat ist flexibel und finanzierbar; er setzt auch auf Sachleistungen, die oft wirkungsvoller sind als allgemeine Geldgeschenke. Und er sorgt erfolgreich dafür, dass erwerbsfähige Personen im Arbeitsmarkt bleiben und nicht durch Untätigkeit ihre Fertigkeiten und ihre Würde verlieren. Dieses System gehört Schritt für Schritt verbessert und nicht für ein unbezahlbares Luftschloss geopfert.« In die gleiche Richtung gehen auch die von der Sozialwissenschaftlerin Karin Heitzmann von der Wirtschaftsuniversität Wien vorgetragenen Bedenken: Bedingungsloses Grundeinkommen? Nichtmonetäre Unterstützung ist oft effektiver, so hat sie Ihren Beitrag dazu überschrieben. Natürlich werden auch wieder die Stimmen der Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ins Feld geführt, allen voran der unermüdliche Philip Kovce, dessen Beitrag so übertitelt ist: Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Bürgerrecht. Das doppelte Jobwunder spielt Arme und Reiche nicht mehr gegeneinander aus.
Wie dem auch sei – erst einmal muss die Hürde einer Befassung des Parlaments genommen werden, dafür werden wie beschrieben mindestens 100.000 Stimmen für das Volksbegehren benötigt. Aber möglicherweise kann man den Ausstieg aus der eigenen Sache auch so vorbereiten:
Die Latte für einen Erfolg seiner Initiative hat Hofer selbst sehr hoch gelegt. „Wenn das Volksbegehren eine Million Unterstützungserklärungen erhält, mache ich weiter“, sagte er. „Sonst lasse ich es sein.“