Wenn man sich so die von vielen Seiten vorgetragene Kritik an dem Kompromiss zur „Grundrente“ anschaut, dann ist da wieder die Sehnsucht nach einfach mal nur positiven Botschaften zu diesem so existenziellen Feld der Alterssicherung. Wie wäre es da mit solchen Meldungen? Athleten freuen sich über Einführung der „Sportlerrente“, so beispielsweise der Deutschlandfunk. „Der Start in die Altersvorsorge ist ein tolles Signal der Wertschätzung“, so wird Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, zitiert. Man freue sich für die Mitglieder, die ihren Karrieren im Spitzensport oft den Einstieg ins Berufsleben unterordneten. „Mit diesem Beschluss gewinnen sie ein Stück Sicherheit.“
»Im Namen seiner Mitglieder dankt Athleten Deutschland der Bundesregierung, dem Sportausschuss unter der Führung der Vorsitzenden Dagmar Freitag und dem Bundesinnenministerium, die gemeinsam diesen Beschluss auf den Weg gebracht haben. Besonderer Dank gilt der Deutschen Sporthilfe, die sich schon seit geraumer Zeit mit ihrer Energie und Expertise für diesen weiteren Förderbaustein der Altersvorsorge eingesetzt hat«, kann man der Pressemitteilung des Verbandes unter der Überschrift Mehr Unterstützung für den Leistungssport vom 15.11.2019 entnehmen. Das hört sich doch nun rundum positiv an und offensichtlich nach dem guten Ende einer schon seit längerem laufenden Geschichte.
»Unter den rund 4.000 Sportlern, die die Stiftung Deutsche Sporthilfe jährlich mit 14,5 Millionen Euro unterstützt und für die Zuwendungen zwischen 300 und 1.500 Euro oftmals die Existenzgrundlage sind, kann der Großteil aber nicht mit großer Lockerheit das Sparen fürs Alter angehen. Laut einer Studie mit mehr als 1.100 Spitzenathleten liegt der Durchschnittsverdienst bei knapp 2.000 Euro brutto. In der Erfolgsgesellschaft ist Ruhm schnell vergessen. Wer zudem mit Geld nicht umgehen kann, sieht sich nach der Laufbahn einer Leere im Leben und im Portemonnaie konfrontiert. Für viele Athleten in weniger beachteten Sportarten, die vielleicht nicht Erster, aber immerhin Achter werden, könnte die Rente eine willkommene Anerkennung sein.«
Und noch im August 2018 konnte man das hier zur Kenntnis nehmen: »Nicht alle Spitzensportler verdienen so gut wie Fußballspieler oder Rennfahrer. Deshalb ist selbst für erfolgreiche Olympioniken die Zukunft oft ungewiss. Eine Sportlerrente könnte helfen – doch die Idee ist umstritten.« So Thomas Jaedicke in seinem Beitrag Spitzensport und Altersversorgung – Nach Olympia-Gold Hartz IV?. »In Deutschland gibt es rund 2000 Spitzenathleten, die in ihren jeweiligen Disziplinen so gut sind, dass sie das Zeug haben, bei Weltmeisterschaften oder Olympia an den Start zu gehen. Diese Sportler leisten enorm viel für ihren persönlichen Erfolg, dessen Glanz über den Medaillenspiegel aber natürlich auch auf ihr Land abfärbt. Wird diese Leistung von unserer Gesellschaft genug gewürdigt?«
Zuweilen lohnt der Blick auf andere Länder, das lernen wir ja beispielsweise bei der Diskussion über die sogenannte „Grundrente“ in Deutschland auch immer wieder, wenn man dann nach Österreich, in die Schweiz oder gar in die Niederlande schaut.
»Polnische Medaillengewinner haben zum Beispiel das Recht auf eine lebenslange, steuerfreie Rente ab dem 40. Lebensjahr von 2600 Zloty – umgerechnet sind das 620 Euro. Italiens Goldmedaillengewinner erhalten einmalig 150.000 Euro und anschließend vier Jahre lang noch jeweils 30.000 Euro. 20.000 Euro gibt es für einen deutschen Olympiasieger.«
»Viele deutsche Spitzensportler, die während ihrer aktiven Laufbahn nicht genug Geld verdienen konnten und zudem einfach keine Zeit für eine Ausbildung hatten, stehen nach ihrer Karriere vor einer ungewissen Zukunft.« Aber wir haben in Deutschland ein ganz eigenes Auffangsystem für einen Teil der Athleten: Die Bundesrepublik leistet sich etwa 1.000 Sportförderstellen, die größtenteils aus dem Etat des Bundesinnenministeriums finanziert werden. Warum nun aus diesem Haushalt? Weil der organisierte Sport bei uns zuständigkeitshalber im Bundesinnenministerium angesiedelt ist? Das sicher auch, aber hinzu kommt, sos Jaedicke in seinem Bericht: »Das heißt, diese Leistungssportler sind offiziell bei Polizei, Zoll, Bundeswehr und Bundespolizei angestellt, können sich aber sozusagen als „Staatsamateure“ fast ganz auf ihren Sport konzentrieren.« Das System wird von Thomas Jaedicke an einem konkreten Beispiel illustriert:
Florian Breuer ist Wildwasserkanute. „Also ich bin bei der bayerischen Polizei. Ich bin da in der Spitzensportfördergruppe. Das ganze System ist so aufgebaut: Man muss eine olympische Sportart betreiben. Die olympische Sportart muss in Verbindung mit der bayerischen Polizei stehen.“ Über einen Kooperationsvertrag zwischen dem Kanuverband und der bayerischen Polizei wird Florian Breuers Planstelle in der Spitzensportfördergruppe bereitgestellt … „Und das Ganze wird so aufgezogen: Man kriegt eine vollwertige Polizeiausbildung in dem Zeitraum von fünf Jahren. Fünf Jahre klingt immer ziemlich lang. Ist es auch. Aber: Man muss nur vier Monate im Jahr die Ausbildung plus Training machen. Und acht Monate im Jahr ist man freigestellt nur für den Sport. Eine normale Ausbildung dauert ja nur zweieinhalb Jahre, aber die ist ja Vollzeit.“ … Im Gegensatz zu den Sportsoldaten der Bundeswehr ist Florian Breuer bei der Polizei inzwischen sogar verbeamtet. Wenn er also irgendwann mit dem Leistungssport aufhört, ist seine Zukunft gesichert, weil er dann die Möglichkeit hat, nahtlos in den Polizeidienst überzugehen. Drei Viertel der deutschen Leistungssportler kommen nicht in den Genuss dieser Sicherheiten.«
Das Modell funktioniert also, aber natürlich nicht für alle Spitzenathleten. Zu den Zahlen: Rund 1.000 von etwa 4.000 Spitzensportlern sind also über ihre Sportförderstellen mehr oder weniger abgesichert.
Für die anderen wurde bereits im vergangenen Jahr Hoffnung gemacht: »Ein Bestandteil der Spitzensportreform, die noch vom vorherigen Innenminister Thomas de Maizière auf den Weg gebracht wurde, ist eine Rente, die künftig auch an ehemalige deutsche Spitzensportler gezahlt werden soll.« Und: »Wahrscheinlich werde es die Sportlerrente vom Jahr 2020 an geben.« So die wie wir nun wissen zutreffende Prognose.
Und der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Michael Ilgner, wurde mit diesen Worten zitiert: „Uns geht es mit dem Baustein ‚Altersvorsorge‘ darum, dass dem Athleten, der mit 17 oder 18 Jahren sich für den Leistungssport entscheidet und aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten, Ausbildung sich eben nicht für eine Sportförderstelle entscheiden will oder kann, es erleichtert wird, das Risiko Leistungssport einzugehen, weil naturgemäß so eine Laufbahn mindestens zehn Jahre dauert.“
Die Perspektive der Sporthilfe auf den Nachwuchs im Spitzensport ist klar: Die Ausbildung wird verzögert, Berufseinstieg wird verzögert. Die Risiken zu scheitern, sind enorm. »All diese Risiken individualisiert der Athlet. Und wir wollen einen gewissen Ausgleich dafür schaffen, um zu helfen, sich für das Risiko Leistungssport zu entscheiden.« Aber da die Sportler nach ihrer Etappe im Spitzensport ganz unterschiedliche Wege gehen (müssen), verwundert es nicht, dass »Sporthilfe-Chef Michael Ilgner in den vergangenen Monaten intensive Verhandlungen geführt (hat). In vielen Gesprächen mit der Gesetzlichen Rentenversicherung, dem Arbeits- und Sozialministerium, dem Innenministerium, aber auch mit Experten von privaten Versicherungsanbietern ging es darum, aus der Vielzahl von möglichen Varianten die für die zeitlich begrenzten Sportlerkarrieren beste Lösung zu finden.«
Nun haben wir bereits am Anfang dieses Beitrags erfahren, dass hier offensichtlich die Kuh vom Eis geholt wurde. Schauen wir uns das also etwas genauer an:
»Der Bundestag hat die sogenannte „Sportlerrente“ auf den Weg gebracht«, so dieser Beitrag des Deutschlandfunks: „Aufgabe des Staates, dass junge Menschen soziale Sicherheit haben“. Für die Altersvorsorge von Athleten stellt der Bund ab 2020 2,7 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. »Die Rente solle das ausgleichen, was die Athleten durch den späteren Berufseinstieg einbüßen würden. Es gehe hier vor allem um Betroffene, die sich ansonsten eine ähnliche Altersvorsorge aus eigener Tasche nicht leisten können. Es gehe explizit nicht um Jung-Millionäre, die mit 17 schon den ersten Profi-Vertrag bei einem Fußball-Verein unterschrieben haben«, so wird die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dagmar Freitag (SPD), zitiert. Und wer und wie viele werden nun profitieren?
»Die Förderung komme rund 600 Athleten zugute, die im dritten Jahr im Perspektivkader seien und dann noch zusätzlich 300 Sportlern, die im Olympia-, Paralympics- oder Deaflympics-Kader sind, für die monatlich 250 Euro für die Einzahlung in die sogenannte Basis-Rente zur Verfügung gestellt werden … Das Geld werde mündelsicher, in nicht-spekulative Anlagen, investiert. Wohlhabende Sportler mit gutem Auskommen, seien von der Förderung ausgeschlossen. Solche Profi-Sportler könnten sich selber ausreichend um ihre Altersvorsorge kümmern.«
Und wie kommen die in Berlin nun auf eine Summe von 2,7 Mio. Euro, die man dafür zur Verfügung stellen muss?
»Die Summe von 2,7 Millionen Euro ergebe sich rein rechnerisch, wenn man für 900 Athletinnen monatlich 250 Euro einzahlt. Dann kommt man auf 2,7 Millionen Euro pro Jahr. Es sei wichtig, dass Athleten nicht besser gestellt werden, als gewöhnliche Berufsanfänger, aber auch nicht schlechter.« So die Vorsitzende des Sportausschusses unseres Parlaments.
Aber bevor jetzt alle aktiven Sportler in diesem Bereich nun schon mal den Schaumwein kalt stellen, sollte man das hier auch zur Kenntnis nehmen:
»Man starte im Jahr 2020, die Rente gelte daher nicht für vorhergehende Jahrgänge. Es sei ein in die Zukunft gerichtetes Projekt.«