Überschuldung in Deutschland und (nicht nur) die steigenden Wohnkosten

Am 15. November 2018 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Zu viele Schulden. Nein, nicht in Griechenland oder Italien, sondern mitten unter uns. Zum SchuldnerAtlas 2018 und den Ausstrahlungen der Altersarmut. Darin wurde über den SchuldnerAtlas 2017 berichtet, der von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlicht wurde. Ein Befund: Das Thema „Altersüberschuldung“ hat weiter deutlich an Bedeutung gewonnen. 2018 müssen rund 263.000 Menschen in Deutschland ab 70 Jahren als überschuldet eingestuft werden (+ 69.000 Fälle; + 35 Prozent). Angesprochen werden auch die steigenden Mietkosten:

„Wohn- und Mietkosten in deutschen Städten werden immer mehr zum Überschuldungsrisiko.“ Und das ist neu, warnt Henning Rödl, der die die Verschuldung der Verbraucher seit Jahreszehnten für die Auskunftei beobachtet. Bei immer mehr Haushalten, auch in Klein und Mittelstädten, sagt er, gehe schon ein Drittel des Einkommens fürs Wohnen drauf.

Nun wird nicht nur jedes Jahr der SchuldnerAtlas der Creditreform veröffentlicht, sondern auch der iff-Überschuldungsreport. Dieser ist eine Studie über die Situation von privater Überschuldung be­trof­fener Menschen in Deutschland 2018: Ausgewertet wurden die Daten von 110.000 über­schul­­deten Haus­halten in 39 Schuldner­­­beratungs­stellen. Die Studie analysiert die Schulden, Verzugszinsen und die Kosten der Rechtsverfolgung bei den verschiedenen Gläubiger­gruppen. Die Studie zeigt, dass die Überschuldeten stark unter der steigenden Wohnkosten leiden. Ein Viertel von Ihnen gibt mehr als die Hälfte dafür aus.

Dem iff-Überschuldungsreport 2018 kann man diese Zusammenfassung entnehmen (S. 2-3):

»Für den diesjährigen iff-Überschuldungsreport wurden insgesamt 111.538 Fälle aus allen Bundesländern ausgewertet, hiervon 10.252 aus dem Jahr 2017.

 Überschuldungsauslöser: Arbeitslosigkeit und reduzierte Arbeit machen zusammen 26,4 Prozent der angegebenen Ursachen aus. 2011 lag der Wert bei fast dem gleichen Wert, die Bedeutung dieses Auslösers hat somit trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs und des damit verbundenen Beschäftigungszuwachses nichts an seiner Bedeutung verloren. Einkommensarmut, der zweitwichtigste Auslöser, war über die letzten Jahre immer häufiger genannt worden, zuletzt war sie allerdings auf 10,4 Prozent zurückgegangen. Krankheit (9,9 Prozent) wird ein immer bedeutenderer Faktor. Scheidung oder Trennung (9,5 Prozent) hingegen verlieren in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung, ebenso wie Konsumverhalten (8,7 Prozent) und gescheiterte Selbstständigkeit (8,1 Prozent).

Rahmendaten: (…) Die Wohnungskosten sind in einigen Regionen für niedrige Einkommen nicht mehr finanzierbar. Trotz des sechs Jahre andauernden Aufschwungs sind die Zahlen der Überschuldeten auf mittlerweile 6,91 Millionen Personen gestiegen. Gleichzeitig leben immer mehr Menschen mit den Schulden, die Zahl der Überschuldungsberatungen ist mit 560.673 auf einem langjährigen Tiefststand. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren hat erneut abgenommen. Trotz des 2015 eingeführten Mindestlohns ist die Zahl der Aufstocker, also der Arbeitnehmer, die trotz Arbeit Arbeitslosengeld II beziehen, lediglich leicht gesunken. 2017 waren mehr als eine Millionen Menschen als Leiharbeiter tätig.

➔ Zusammensetzung und Entwicklung der Schulden: Mehr als 60 Prozent der Überschuldeten haben Schulden von weniger als 20.000 Euro. Beim sogenannten typischen Schuldner sind es 15.044 Euro, die sich auf höchstens zehn Forderungen verteilen. Der mit Abstand größte Anteil der Forderungen entfällt mit etwa 28 Prozent auf die Banken. Öffentlich-rechtliche Gläubiger stehen mit 20 Prozent an zweiter Stelle und nehmen seit Jahren stetig zu. Forderungen von Versicherern, dem Versandhandel, Inkassounternehmen und Rechtsanwälten enthalten ein Fünftel Zinsen und Kosten auf die Hauptforderung. Die Kosten alleine machen bei Inkassounternehmen und Rechtsanwälten und Versicherern regelmäßig mehr als 10 Prozent der Hauptforderung aus. Dabei sind in Umschuldungen versteckte Kosten nicht mitgerechnet.

➔ Die Ratsuchenden: Knapp 50 Prozent der Ratsuchenden sind zwischen 25 und 45 Jahre alt; diese Altersgruppe ist somit doppelt so häufig wie in der Gesamtbevölkerung vertreten. Partnerlosigkeit und Kinder erhöhen das Überschuldungsrisiko deutlich. Rund 60 Prozent aller Beratenen sind alleinlebend. Alleinerziehende kommen dreimal so häufig unter den Überschuldeten vor wie in der Gesamtbevölkerung. Rund die Hälfte der Überschuldeten ist arbeitslos. Rund zwei Drittel der Ratsuchenden sind einkommensarm. Der Einkommensunterschied zur Bevölkerung, die nicht armutsgefährdet ist, ist beträchtlich und hat in den letzten vier Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2017 lag das Pro-Kopf- Einkommen der Überschuldeten 19 Prozentpunkte unterhalb der Armutsschwelle. Ein Viertel der Ratsuchenden gibt mindestens 50 Prozent des Einkommens für Wohnkosten aus.

Beratungsergebnis: Eine erfolgreiche Regulierung gelingt nur in 15 Prozent der Fälle. Die meisten Beratungen enden nach wie vor mit einem Insolvenzverfahren. Verkürzte Restschuldbefreiungen kommen praktisch nicht vor. Bei den jüngeren Beratenen bis 25 Jahren werden 28,2 Prozent aller Beratungen vorzeitig abgebrochen. Alleinlebenden Frauen und Paaren ohne Kinder gelingen überproportional häufig außergerichtliche Regulierungen. Die Erfolgsaussichten für eine außergerichtliche Schuldenregulierung nehmen mit der Schulbildung zu.