Ach, das Betreuungsgeld. 150 Euro eingeklemmt zwischen dem Bundesverfassungsgericht, den nicht nur bayerischen Inanspruchnehmern, den ostdeutschen Skeptikern und logischen Widersprüchen

Was war das im Jahr 2013 für eine erregte Debatte. Wieder einmal ging es – typisch für viele deutsche Diskussionen – um ganz grundsätzliche Fragen des Seins und wie es sein sollte bzw. nicht sein darf. Und dann ging es auch noch um „die“ Familie, ein normativ und emotional hochgradig aufgeladenes Terrain mit vielen Fettnäpfchen, von denen man kaum alle umgehen kann. Entweder so oder anders. „Zu Hause“ oder „Fremdbetreuung“ (eine Wortschöpfung, die genau so antiquiert daherkommt und ist wie das wenig einladende „Fremdenzimmer“ im ländlichen Übernachtungswesen). Die damals anstehende Scharfstellung des Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zum 1. August 2013 und die aufgeregte Diskussion über ein drohendes „Kita-Chaos“ war schon spannungsgeladen genug und wurde dann auch noch angereichert durch das ebenfalls vor der Einführung stehende „Betreuungsgeld“, dem jüngsten Sprössling in der langen Geschwisterreihe „familienpolitischer“ Leistungen. Eine überaus skurrile Geldleistung im Kanon der anderen Förderungen und Kostenerstattungen.

Und während die überschaubare Zahl an Betreuungsgeld-Befürwortern, vor allem aus der bayerischen Unionswelt, die Inanspruchnahme dieser Nicht-Inanspruchnahme-Leistung zu einer familienpolitischen Grundsatzfrage auf Leben und Tod hochstilisierte, mit der erkennbaren Absicht, bei einem Teil ihrer Wählerschaft kostengünstig (weil eine Geldleistung aus Bundesmitteln und dann auch noch in einer überschaubaren Höhe von anfangs 100, mittlerweile 150 Euro) als familienpolitischer Löwe zu punkten, wurde von der anderen Seite mit „Herd“-, „Kita-Fernhalte“- und sonstigen Prämienbegriffen provoziert. Und immer wieder das Argument, dass die anfangs 100, nunmehr 150 Euro gerade bei Familien „mit Migrationshintergrund“ oder aus „bildungsfernen“ Schichten dazu führen würde, dass die Kinder aus diesen Familien nicht in die für sie doch so gewinnbringende Kita geschickt werden, nur, um das Geld zu kassieren – eine Position, die im vergangenen Jahr scheinbar durch eine „Studie“ belegt wurde, die sofort über viele Kanäle verteilt wurde als „Beweis“ für die Richtigkeit dieser Unterstellung, obgleich sich schnell herausgestellt hat, dass diese Studie das nun gerade nicht belegen konnte (vgl. dazu meine kritische Aufarbeitung in dem Beitrag Immer diese Jahrestage. Wie wär’s mit dem Betreuungsgeld? vom 27. Juli 2014). 

Vor dem Hintergrund des Wissens, dass die damals zitierte „Studie“ des Deutschen Jugendinstituts aus wissenschaftlicher Sicht massiv kritisiert und hinsichtlich der damit angeblich belegbaren Wirkungen des Betreuungsgeldes als fehlerhaft eingeordnet worden ist, muss man sich schon wundern, dass die heute offensichtlich wieder reanimiert wird, denn Peter Mühlbauer berichtet in seinem Artikel Betreuungsgeld vor Gericht. Karlsruhe lässt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Subvention erkennen: »In seiner heute vor Gericht vorgetragenen Stellungnahme verweist der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele auch auf einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI), die den Schluss nahelegt, dass das Betreuungsgeld in der Praxis dazu führt, dass Kindern aus bildungsfernen Schichten Förderung vorenthalten wird. Die Subvention beziehen nämlich vor allem Eltern mit niedrigen Schulabschlüssen, während solche mit höheren lieber arbeiten und ihr Kind in Betreuungseinrichtungen geben.« Das ist gelinde gesagt ein Beispiel für das Motto: Frechheit siegt, denn genau das konnte die Studie eben nicht nachweisen!

Nun haben wir diese Geldleistung seit einiger Zeit und die Inanspruchnahme entwickelt sich im Rahmen dessen, was man bei einer neuen Leistung erwarten kann. Wieder hochgespült wird das Thema Betreuungsgeld aufgrund der Tatsache, dass der Stadtstaat Hamburg gegen das Betreuungsgeld Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben hat. Genauer: Einen Normenkontrollantrag des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg gegen das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz).

Der Hamburger Senat hält »das Gesetz zum Betreuungsgeld in mehreren Punkten für verfassungswidrig. So habe der Bund in dieser Frage gar keine verfassungsrechtliche Kompetenz. Außerdem verstößt das Betreuungsgeld nach Ansicht der Hamburger gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sozialsenator Scheele argumentiert, die Leistung verfestige alte Rollenbilder und halte Frauen davon ab, nach der Geburt schnell wieder in den Beruf einzusteigen. Im Kern geht es also um die Frage: Fördert das Betreuungsgeld ein ungleiches Lebensmodell?«, so Ann-Katrin Müller und Anna Reimann in ihrem Artikel Ist das Betreuungsgeld verfassungswidrig?
Die für das Betreuungsgeld zuständige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat ein echtes Problem, denn sie hatte es im Vorfeld vehement bekämpft und abgelehnt und muss nun in der Rolle eines Mitglieds der Bundesregierung dieses ungeliebte Kind auch noch verteidigen – sie lässt sich aber in Karlsruhe nicht blicken, sondern schickt ihren Staatssekretär zur mündlichen Anhörung des Ersten Senats am 14.04.2015.

»Besonders brisant: Zur mündlichen Verhandlung schickt Schwesig ihren Staatssekretär Ralf Kleindiek. Ausgerechnet Kleindiek aber hat die Klage aus Hamburg erfunden. Bevor er nach Berlin wechselte, war er Staatsrat in der Hamburger Justizbehörde und an der Vorbereitung der Klage maßgeblich beteiligt.« Dazu auch Spagat bei der Herdprämie von Christian Rath.

Das Bundesverfassungsgericht selbst skizziert die Einwände des Hamburger Senats (dazu auch die Seite Warum klagt Hamburg gegen das Betreuungsgeldgesetz? der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration) in seiner Pressemitteilung vom 13.03.2015 zur mündlichen Anhörung am 14.04.2015 so:

a) Zum einen fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz, denn die Voraussetzungen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG lägen nicht vor.
Die Zuordnung einer Materie zum Kompetenztitel der „öffentlichen Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) setze voraus, dass sie sich auf eine Situation der Hilfebedürftigkeit beziehe und noch dem Bild entspreche, das durch die klassische Fürsorge geprägt sei. Dies treffe auf das Betreuungsgeld schon deshalb nicht zu, da dieses alleine von der Nichtinanspruchnahme öffentlicher Förderangebote abhängig sei und sich damit nicht auf eine Situation der Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit beziehe.
Das Betreuungsgeld sei zudem nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich (Art. 72 Abs. 2 GG). Es sei nicht erkennbar, dass das Gesetz darauf gerichtet, geeignet und erforderlich sei, einer tatsächlichen Situation entgegenzuwirken, in der sich die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik in einer das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigenden Weise auseinander entwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung abzeichne.
b) Das Betreuungsgeldgesetz sei auch materiell verfassungswidrig. Die wesentliche Bestimmung über die Bezugsberechtigung (§ 4a Abs. 1 Nr. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Mit der Gratifikation für ein Aufwachsen außerhalb öffentlich geförderter Kinderbetreuungseinrichtungen führe das Betreuungsgeld eine Ungleichbehandlung anhand eines Kriteriums ein, das mit dem allgemeinen Gleichheitssatz im Lichte des Schutzes der Familie und des Elternrechts unvereinbar sei. Auch der Aspekt der Anerkennung erzieherischer Leistung könne das Betreuungsgeld nicht rechtfertigen, da die Entscheidungsfreiheit der Familien in Bezug auf die Kinderbetreuung nicht unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebots gefördert werde. Das Betreuungsgeld löse zudem bei Männern und Frauen gravierend unterschiedliche Effekte aus (Art. 3 Abs. 2 GG).

Ann-Katrin Müller und Anna Reimann sprechen in ihrem Artikel vom „letzten Gefecht um das Betreuungsgeld“ und Heribert Prantl legt noch eine Schippe rauf: Die letzte Schlacht um das Betreuungsgeld, so martialisch hat er seinen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung überschrieben. Und er lehnt sich mit Blick auf das Verfassungsgericht ganz schön weit aus dem Fenster:

»Urteilt das Verfassungsgericht in dem Geist, der seine Urteile seit jeher geprägt hat, dann dürfte es am Betreuungsgeld-Gesetz nicht viel Gutes finden. Wenn man mit dem Leuchtstift durch diese Urteile geht und einschlägige Stellen markiert, ergibt sich ein negatives Urteil fast von selbst. „Zur Gleichberechtigung der Frau gehört“, so heißt es etwa in einem Urteil von 1957, „dass sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger“.«

Aber wie heißt es so schön – auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, also baut er gleich mal vor und schiebt diesen Satz nach: »Aber: Es gibt in der jüngsten Karlsruher Rechtsprechung zum Familienrecht auch etliche konservative Blinklichter.«

Eine andere Perspektive entfaltet Christian Rath in seiner Kommentierung: Dumme Gesetze sind nicht verfassungswidrig:

»In der Demokratie hat das Parlament auch das Recht, dumme Gesetze zu beschließen. Es ist nicht die Aufgabe von Verfassungsrichtern, politisch schädliche Normen zu korrigieren …  Das Betreuungsgeld sollte vor den Rechnungshof, nicht vor das Verfassungsgericht.«

Der aktuellen Berichterstattung über die heutige Anhörung in Karlsruhe können wir entnehmen: Richter zweifeln am Betreuungsgeld, so Helene Bubrowski. Offensichtlich haben die sich festgebissen an der Diskussion über die Frage, ob der Bund überhaupt zuständig war, das Betreuungsgeld einzuführen.

Die »Fragen des Ersten Senats unter Vorsitz des Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof (deuten) darauf hin, dass sie erhebliche Zweifel an der Kompetenz des Bundes haben. Denn für die öffentliche Fürsorge hat der Bund nur die sogenannte konkurrierende Zuständigkeit. Das heißt: Er  darf anstelle der Länder tätig werden, wenn das für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich ist. Ist der unterschiedliche Ausbaustand und die Dichte der Kitas in den Ländern und die unterschiedliche Betreuungsquote in Ost und West dafür ein ausreichender Grund? Verfassungsrichter Paulus macht aus seiner Skepsis keinen Hehl: Dann wäre die Ersatzleistung ja nur möglich, so lange es nicht genügend Plätze gibt, sozusagen als „Trostpflaster“. Doch das Gesetz sei ja nicht gerichtet, eine temporäre Lücke zu überbrücken, so Paulus. Das Ziel sei doch ein anderes: Die 150 Euro pro Monat soll die Wahlfreiheit der Eltern zwischen Betreuung in der Kita und zu Hause schaffen.«
Wie dem auch sei – die Verfassungsrichter werden über das Thema brüten und mit einem Urteil ist in einigen Monaten im Laufe dieses Jahres zu rechnen. Eine gute Zusammenfassung des Rechtsstreits vor dem Bundesverfassungsgericht und der noch vielen offenen Fragen hierbei findet man in der Hintergrund-Sendung des Deutschlandfunks Betreuungsgeld – Ideologischer Streit geht vor Gericht vom 14.04.2015.

Was aber spricht dann – nicht aus verfassungsrechtlicher, sondern aus politischer Sicht gegen diese skurrile Geldleistung? Zuweilen muss man einfach das wiederholen, was man vor Monaten schon mal ausgeführt hat:

Hinsichtlich des Betreuungsgeldes muss man immer wieder auf die mehrfache Fragwürdigkeit dieser neuen Geldleistung hinweisen. Zum einen handelt es sich um eine Leistung, die dadurch charakterisiert ist, dass sie nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn eine andere öffentliche Leistung nicht in Anspruch genommen wird, denn das Betreuungsgeld bekommen ja nur die Eltern, die ihr Kind nicht in eine Kita oder in die öffentlich finanzierte Tagespflege schicken. Das ist schon aus einer grundsätzlichen Perspektive mehr als fragwürdig. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, dann könnte man durchaus argumentieren, dass das auch in anderen Bereichen Anwendung finden müsste – und da würde sich ein ganzes Universum an möglichen Fallkonstellationen auftun. Man denke nur beispielsweise an die erheblichen staatlichen Subventionen, die in den Bereich der Opern fließen. Nun gibt es viele Menschen, die aus welchen Gründen auch immer niemals in ihrem Leben einen Fuß in eine derart hoch subventionierte Oper werden. Insofern könnte man nun über die Kompensation derjenigen nachdenken, die die Dienstleistung Oper nicht in Anspruch nehmen wollen und werden.

Die Apologeten des Betreuungsgeldes begründen die Legitimation des Betreuungsgeldes, dass mit dieser Leistung „Wahlfreiheit“ hergestellt wird und gleichzeitig eine staatliche Anerkennung der Erziehungsleistung innerhalb der Familie erfolgen würde. Wenn man sich diese Argumentation einmal genauer anschaut, dann ergeben sich doch einige notwendige kritische Anfragen: Diese beziehen sich nicht nur auf die mehr als diskussionswürdige Höhe der Anerkennungsleistung (150 Euro pro Monat), die dem einen oder der anderen nicht zu Unrecht als ein für den Staat im Vergleich zu den ansonsten fälligen Ausgaben für die Kinderbetreuungsinfrastruktur recht billiges „abspeisen“ der Betroffenen vorkommen mag.

Wenn man das Argument ernst nimmt, dass die elterliche Erziehungsleistung innerhalb der Familie mit dieser Geldleistung eine zusätzliche Anerkennung finden soll, dann ist die tatsächlich aber vorgenommene Regelung, dass die Eltern, die sich im Harz IV-Bezug befinden, also im SGB II-Grundsicherungssystem, von der Zusätzlichkeit dieser Leistung nichts haben, weil ihnen nämlich das Betreuungsgeld auf die SGB II-Leistungen angerechnet wird, logisch natürlich nicht nachvollziehbar. Erbringen etwa die Eltern, die sich in Grundsicherungsbezug befinden, keine Erziehungsleistung, die doch zusätzlich honoriert werden soll? Diese Restriktion ist deshalb auch fragwürdig, weil das Betreuungsgeld ja gerade keine einkommensabhängige Leistung ist, somit alle Familien, die die formalen Voraussetzungen erfüllen, einen Anspruch auf diese Leistung haben, also auch die Familien, die über ein hohes bzw. sehr hohes Einkommen verfügen. Aber gerade bei denjenigen, die nun über die niedrigsten Einkommen verfügen, wird die Leistung gleichsam gekappt, indem sie verrechnet wird mit einer anderen staatlichen Leistung. Das macht keinen logischen Sinn, sondern erscheint eher wie eine Bestrafungsaktion der „Hartz IV-Eltern“, die tief blicken lassen würde hinsichtlich des Familienbildes.

Darüber hinaus ist die Argumentation, dass hier die Erziehungsleistung innerhalb der Familie durch die Eltern honoriert werden soll, auch dadurch fragwürdig, weil zwar keine öffentlich finanzierte Kita oder Tagespflege in Anspruch genommen werden darf, daraus aber nicht folgt, dass immer und in jedem Fall die betroffenen Eltern, also im Regelfall die Mütter, die Leistung auch tatsächlich übernehmen. Denn das Betreuungsgeld kann selbstverständlich auch in den Fallkonstellationen bezogen werden, in denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten und ein Au-pair-Mädchen aus Osteuropa einstellen, das dann in der Familie die Betreuungsaufgaben übernimmt. Die betroffenen Familien werden sich über die anteilige Mitfinanzierung dieser Person seitens des Staates sicher freuen.

Es gibt also zahlreiche gute Argumente gegen die Sinnhaftigkeit dieser Leistung.

Abschließend noch ein Hinweis auf die immer wieder zu beobachtende Tendenz, dass die Medien einfach irgendwas abschreiben, ohne das genau zu prüfen. Heute kann man überall lesen, dass man in Bayern die höchste Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes beobachten könne – was ja auch irgendwie ins Weltbild passt, war es doch die CSU aus diesem Freistaat, die mit aller Kraft und gegen große Mehrheiten in allen anderen Fraktionen das Betreuungsgeld durchgeboxt haben. So schreiben beispielsweise Ann-Katrin Müller und Anna Reimann in ihrem Artikel Ist das Betreuungsgeld verfassungswidrig?: »Am meisten Empfänger gibt es in Bayern – für die CSU der Beweis, dass sie mit ihrer Politik richtig liegt. Die Landesregierung im Freistaat hat allerdings auch viel für den Zulauf getan: Anträge für das Betreuungsgeld werden schon ausgefüllt an Eltern verschickt, müssen nur noch unterschrieben werden.« Und sie fügen eine Tabelle an mit einem Ranking der Bundesländer hinsichtlich der Betreuungsgeldempfänger. Mit Bayern auf Platz 1.
Aber sie verwenden die absoluten Zahlen der Leistungsempfänger, nicht die relativen Werte, die wesentlich aussagefähiger sind.

Schaut man sich die „Betreuungsgeldquote“ an, wie das Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) gemacht hat, also die Zahl der „anspruchsbegründenden Kinder“ in Bezug zur Zahl der Kinder im „Betreuungsgeldregelalter“, dann ergibt sich ein anderes Bild, über das ich bereits in meinem Beitrag Das „Betreuungsgeld“ und seine Inanspruchnahme. Die streut ganz erheblich zwischen den Bundesländern vom 18. Februar 2015 berichtet habe.

Die höchste Inanspruchnahmequote weist demnach das grün-rot regierte Baden-Württemberg auf, danach erst kommt das schwarze Bayern und das rot-grüne Rheinland-Pfalz steht an dritter Stelle. Im Bundesdurchschnitt belief sich diese Quote nach den Berechnungen des BIAJ auf 45,3%. Allerdings mit einer erheblichen Streuung zwischen den einzelnen Bundesländern, die von nur 6,3% in Sachsen-Anhalt bis zu 66,8% in Baden-Württemberg reicht.

Und viele Medien berichten heute darüber, dass das Betreuungsgeld ein echter Renner sei, immer stärker werde es nachgefragt. Scheinbar belegen die Zahlen diese Aussage: Betrachtet man die Entwicklung der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes gemessen an der absoluten Zahl der „anspruchsbegründenden“ Kinder im Verlauf des Jahres 2014, dann erkennt man einen starken Anstieg – von 145.756 im 1. Quartal des Jahres 2014 bis zu 386.439 am Ende des 4. Quartals. Was für eine Zunahme. Aber auch hier zeigen sich die Untiefen der Statistik, deren richtige Interpretation das alles nicht nur relativieren, sondern in einem anderen Licht erscheinen lassen. Das BIAJ hat seine Mitteilung hierzu aus dem Februar dieses Jahres überschrieben mit Betreuungsgeldquote im vierten Quartal 2014 erstmals leicht gesunken. Wie kann das nun zustande kommen? Der Anstieg der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes ist Folge der Stichtagsregelung und nicht Folge einer wachsenden Beliebtheit, so Paul M. Schröder in einer Replik auf die aktuellen Presseberichte.
Hintergrund: Nach der Stichtagsregelung haben lediglich Eltern von Kindern, die seit dem 1. August 2012 geboren sind, Anspruch auf Betreuungsgeld, i.d.R. im 15. bis 36. Lebensmonat des Kindes. Eine vollständige „Betreuungsgeld-Generation“ (22 Geburtsmonate) wird erstmals am 31. Juli 2015 anspruchsberechtigt sein. Bis dahin hat sich die Zahl der Geburtsmonate, für die i.d.R. ein Anspruch auf Betreuungsgeld besteht, von Monat zu Monat vergrößert. Am Ende des Jahres 2013 waren dies Kinder aus drei Lebensmonaten, am Ende des Jahres 2014 Kinder aus 15 Lebensmonaten und erst Ende Juli 2015 werden dies Kinder aus 22 Lebensmonaten sein.

Alles klar?