Der Rettungsdienst, wie wir ihn (noch) kennen. Vor fünfzig Jahren wurde ein kleiner Junge angefahren und verstarb. Sein Tod war zugleich die Geburtsstunde für eine heutige Selbstverständlichkeit

Es gibt Dinge, die für uns so selbstverständlich sind, als wären sie naturgegeben schon immer da gewesen. Beispielsweise die Tatsache, dass man die 110 oder die 112 wählt, wenn man dringend Hilfe braucht. Weil ein kleiner Junge angefahren wurde und dringend notfallmedizinisch versorgt werden muss. Und keiner wird sich dann verwundert zeigen, dass tatsächlich in den meisten Fällen in kürzester Zeit ein Rettungswagen, in nicht wenigen Fällen auch ein Notarzt, zur Unfallstelle eilt, so dass dann Fachpersonal die Erstversorgung übernehmen kann. Und wie viele Menschenleben sind durch diese fachkundige Hilfe schon gerettet worden? Niemand wird sie gezählt haben, es sind viele. Sehr viele.

Wenn man sich heute aufregt, dann über die Zeiten, die es braucht, bis die qualifizierte Hilfe vor Ort eintrifft. Das kann zuweilen qualvoll langgezogene Minuten dauern. Oder dass Menschen den Rettungsdienst in Anspruch nehmen (wollen) für Bagatellen, für die man früher niemals und auch nicht annähernd auf die Idee gekommen wäre, einen Notruf zu missbrauchen. Oder – völlig berechtigt – über den Wahnsinn, dass zuweilen die Rettungskräfte nur unter Polizeischutz ihrer Arbeit nachgehen können, weil sie beleidigt oder sogar angegriffen werden. Aber das ist alles nur deshalb beobachtbar, weil wir dankenswerterweise vom Normalfall ausgehen können, dass es einen eigenständigen und professionellen Rettungsdienst überhaupt gibt.

Aber zumindest die älteren Semester werden sich erinnern: Das alles ist weiß Gott keine naturgegebene Selbstverständlichkeit, sondern noch gar nicht so lange her, dass das, was wir heute haben, auf den Weg gebracht wurde. Früher war eben nicht alles besser, sondern vieles deutlich schlechter als in der Gegenwart.

Karin Truscheit erinnert mit ihrem Artikel Wegen dieses Unfalls gibt es die Notrufnummern 110 und 112 (und nicht nur die) an das Jahr 1969. »Ein kleiner Junge kommt an einem Maitag aus dem Freibad, er will nach Hause. Er überquert eine Straße und wird von einem Auto erfasst. Der Junge erleidet Knochenbrüche und einen Schock. Viele Leute bekommen den Unfall mit, rufen den Krankenwagen. Es dauert eine Stunde, bis der Wagen kommt. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt der Junge, vermutlich an den Folgen des Schocks. Eine Woche später hätte er seinen neunten Geburtstag gefeiert. Der kleine Junge hieß Björn Steiger, er starb vor 50 Jahren im baden-württembergischen Winnenden. Heute hätte er den Unfall überlebt … Damals war eine Stunde Wartezeit Durchschnitt. „Nach 18 Uhr fuhr gar kein Krankenwagen mehr.“ Dabei war sogar ein Wagen in der Nähe: Er fuhr auf einer Parallelstraße, eine Leerfahrt. Aber wie hätte man ihn verständigen sollen? Über Funkgeräte verfügten Feuerwehr, Polizei, Taxis. Nicht die Krankenwagen.«

Das hatte Folgen. In den Worten von Karin Truscheit: »Die Eltern des Jungen, Ute und Siegfried Steiger, erfuhren damals von der Polizei, dass die lange Wartezeit nicht „Pech“, sondern „normal“ sei. Damit wollten sie sich nicht abfinden. „Kein Gesetz hat irgendetwas geregelt. Rettungswesen, das war ein rechtsfreier Raum“, sagt Pierre-Enric Steiger. Die Eltern schrieben einen Brief an Hilda Heinemann, die Frau des gerade gewählten Bundespräsidenten. Ob sie sich bitte ihrer Sache, den Rettungsdienst zu verbessern, annehmen könne? „Frau Heinemann empfahl meinen Eltern, eine Stiftung zu gründen. Und sicherte ihre Unterstützung zu.“ Am 7. Juli 1969, zwei Monate nach dem Tod ihres Sohns, gründete das Architekten-Paar Steiger zusammen mit Freunden die „Björn Steiger Stiftung“.«

„Sie haben die Notfallrettung in Deutschland revolutioniert“, so die Worte von Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestags, bei der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Gründung der Björn Steiger Stiftung (vgl. dazu Björn Steiger Stiftung begeht Festakt in Winnenden). Bundesweite Notrufnummern 110/112, Notruftelefone am Straßenrand, BOS-Sprechfunk im Rettungsdienst, 24-Stunden-Notarztsystem, Luftrettung – all dies und viel mehr hat das Ehepaar Steiger angestoßen.

Zurück zu dem Bericht von Karin Truscheit in der FAZ: »Die ersten Ziele der Stiftung: Funksprechverkehr für den deutschen Krankentransport. „Ein Funkgerät kostete damals soviel wie ein Krankenwagen.“ Im November 1969 bekam das Deutsche Rote Kreuz auf Betreiben der Steigers das erste Gerät, der Beginn des Sprechfunks im Krankentransport. Bei dieser Ausrüstung sollte es nicht bleiben: Meist wurden Verletzte einfach nur mit dem Wagen ins nächste Krankenhaus transportiert – ohne medizinische Betreuung während der Fahrt. Durch die Stiftung änderte sich das: Im Dezember 1971 sorgte sie dafür, dass jedes Bundesland einen Krankenwagen mit voller medizinischer Ausstattung bekam. Doch um gerettet zu werden, muss der Krankenwagen zunächst einmal gerufen werden. Die einheitliche Notrufnummer 110/112 gab es noch nicht. „Auf den Telefonen haben sich die Leute immer die jeweilige Notrufnummer ihres Orts notiert“, erzählt Steiger. Um die Einführung des Notrufs zu erreichen, verklagte Siegfried Steiger im Juli 1973 das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik. Die Klage wurde erwartungsgemäß abgewiesen, aber die Unterstützung durch die Öffentlichkeit war ungebrochen. Im September 1973 wurde endgültig die Einführung des Notrufs beschlossen.«

So etwas werden sich die meisten heute schlichtweg nicht vorstellen können – aber so lange ist das alles auch noch nicht her, vor allem, wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat (und dauert), bis Neuerungen auch wirklich in die Fläche diffundieren und nicht mehr nur von einzelnen Leuchttürmen die Rede ist.

Insofern kann und muss man sagen, dass die Stiftung Anfang der 1970er Jahre ganz wichtige Anstöße gegeben hat für die Ausdifferenzierung eines modernen Rettungsdienstes. Dass das überhaupt auf einen entsprechenden Resonanzboden gestoßen ist, hat mit weiteren Entwicklungslinien zu tun.

Dazu beispielsweise dieser Beitrag:

➔ P. Pfütsch (2019): Vom Ehrenamt zum Notfallsanitäter. Die Geschichte eines anhaltenden Professionalisierungsprozesses, in: Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin, Heft 3/2019, S. 258-262

»Nach Gründung der BRD im Jahr 1949 waren beim Aufbau des Gesundheitswesens andere Dinge, wie z. B. der Aufbau des Krankenhauswesens oder die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, zunächst vorrangiger als das Rettungswesen. Der Rettungsdienst wurde daher lokal ganz unterschiedlich organisiert und griff dabei auch auf ältere Strukturen aus der Weimarer Republik zurück. Als größte Träger bildeten sich allmählich das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter-Unfallhilfe und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) heraus. Daneben waren auch noch kleinere, private Krankentransportunternehmen für das Rettungswesen zuständig. Im Wesentlichen bestand die Aufgabe des Rettungsdiensts in den 1950er-Jahren allein darin, den Patienten zu einem Arzt zu bringen. Nur der Transport, keine Behandlung war vorgesehen.
Dieses Modell begann Mitte der 1960er-Jahre allmählich zu erodieren. Der Hauptgrund dafür ist in den durch den stark zunehmenden Autoverkehr massiv gestiegenen Unfallzahlen zu suchen, die das bestehende System, das bisher ohne zentrale Steuerung auskam, kaum mehr versorgen konnte. Da auch die Sicherheitseinrichtungen in den Pkw und auf den Straßen nur rudimentär ausgebaut waren, führten Unfälle dementsprechend auch häufig zu schweren Verletzungen.
Auf der anderen Seite machte auch die medizinische Forschung weiter wichtige Fortschritte. So wurde die Schocktherapie mit Infusionen und Bluttransfusionen entwickelt und auch die Herzdruckmassage in Verbindung mit der Atemspende setzte sich als Erstmaßnahme bei einem Kreislaufstillstand durch. Dadurch kam man allmählich zu der Erkenntnis, dass vielen verletzten Personen geholfen werden könnte, wenn eine medizinische Versorgung nur rechtzeitig einsetzte … Mitte der 1960er-Jahre begann sich das „Stay-and-play-Prinzip“ gegen das „Load-and-go-Prinzip“ durchzusetzen. „Stay and play“ wurde oftmals im sog. Rendezvoussystem durchgeführt, nach dem der Rettungsdienst in der BRD teilweise organisiert war und immer noch ist. Dieses sieht vor, dass Notarzt und Rettungssanitäter getrennt zum Einsatzort anreisen.«

Auch Pfütsch weist auf die Rolle der Björn Steiger Stiftung hin und bilanziert dann: »Die Notfallmedizin entwickelte sich als eigener Bereich und der Rettungsdienst wurde nun immer stärker als medizinischer Aufgabenbereich wahrgenommen. Der Medizinhistoriker Nils Kessel spricht daher von einer „Verärztlichung des Rettungsdiensts“.«

»Diese Entwicklung des Rettungswesens hatte auch erhebliche Auswirkungen auf die Berufsentwicklung der Rettungssanitäter. Bislang waren sie in erster Linie für den schnellen Transport des Patienten verantwortlich. Viele medizinische Kenntnisse waren dafür nicht zwingend erforderlich. Da nun aber immer mehr Patienten an Ort und Stelle behandelt wurden, wurde der Rettungssanitäter zum elementaren Partner des (Not‑)Arztes. In dieser Umbruchphase wurde relativ schnell deutlich, dass die bisherige Ausbildung der Rettungssanitäter zu einer qualifizierten Zusammenarbeit mit den Ärzten nicht ausreichte. Die Rettungssanitäter waren zur damaligen Zeit zum großen Teil ehrenamtliche Mitarbeiter, die in Kurzlehrgängen ihrer jeweiligen Hilfsorganisation Grundlagenkenntnisse erlangten.«

Von einem richtigen Beruf konnte man bis in die 1970er-Jahre noch nicht sprechen: »Beim ASB machten die ehrenamtlichen Mitarbeiter im Jahr 1971 96 % aus, beim DRK immerhin noch 80%. So bestand die Ausbildung in der Regel in einem standardmäßigen Erste-Hilfe-Kurs von 8 Doppelstunden und einem Weiterbildungskurs von 12 Doppelstunden. Die Rettungssanitäter besaßen demnach medizinische Kenntnisse, die man innerhalb von 14 Tagen erwerben konnte.«

Dann dauerte es noch eine Zeit lang, bis das, was viele noch als Rettungssanitäter kennen, die Bühne betreten konnte: »Lange Diskussionen zwischen den verschiedensten Akteuren – von der Bundesärztekammer, über die Hilfsorganisationen bis zu den Gewerkschaften – führten im Jahr 1977 zu einem Kompromiss bezüglich der Ausbildung. Am 20. September 1977 verabschiedete der Bund-Länder-Ausschuss Rettungswesen das 520-Stunden-Programm. Die sog. 520-Stunden-Ausbildung ist auch heute vielen im Bereich des Rettungswesens tätigen Personen bekannt, da sie über viele Jahre hinweg die Grundausbildung schlechthin darstellte. Diese als Mindestausbildungsprogramm bezeichnete Richtlinie legte 160 h theoretischen Unterricht, 160 h praktische Ausbildung in einer Klinik, 160 h Praktikum in einer Rettungswache und einen 40-stündigen Abschlusslehrgang als Mindestausbildungsstandards für Rettungssanitäter fest.« Keiner der Beteiligten war mit dem Kompromiss wirklich zufrieden. Erst 1989, mit dem Inkrafttreten des Rettungsassistentengesetzes (RettAssG), gab es eine normative Weiterentwicklung der Ausbildungsrichtlinien.

Im weiteren Verlauf entwickelte sich innerhalb der Rettungskräfte eine interessante Polarisierung – als es um eine weitere Professionalisierung des Rettungsdienstes ging. Da waren auf der einen Seite (nicht nur) die ehrenamtlichen Kräfte:

»Die ehrenamtlichen Rettungssanitäter sahen in einer Ausweitung des Aufgabengebiets für Rettungssanitäter durch die damit unweigerlich verbundene Verlängerung der Ausbildung die Gefahr, dass der Rettungsdienst kaum noch durch ehrenamtliche Arbeit durchgeführt werden könnte. Sie hielten es für unwahrscheinlich, dass ehrenamtliche Mitarbeiter die Zeit und die Bereitschaft dafür haben würden, längere Aus- bzw. Weiterbildungen zu absolvieren.
Auch die Hilfsorganisationen, die besonders im ländlichen Raum als Träger des Rettungsdiensts und wichtigste Arbeitgeber der Rettungssanitäter fungierten, vertraten in den Diskussionen bis Mitte der 1980er-Jahre ähnliche Positionen wie die ehrenamtlichen Rettungssanitäter. Sie sahen in einer möglichen Aufgabenerweiterung der Rettungssanitäter eine Gefahr für das Ehrenamt und verbanden mit einem möglichen Rückzug des Ehrenamts auch die Befürchtung eines massiven Kostenanstiegs des Rettungsdiensts.«

Auf der anderen Seite: »Die hauptamtlichen Rettungssanitäter, die sich ab Ende der 1970er-Jahre mehr und mehr als eigenständige Akteurgruppe formierten, sahen dies jedoch anders. Mit einer Erweiterung des Aufgabenbereichs verbanden sie auch die Hoffnung auf eine Weiterentwicklung des Berufsfelds und damit bestenfalls auch die Möglichkeit zu einem sozialen und finanziellen Aufstieg.«

Ende der 1970er Jahre kann man die Geburtsstunde eines Professionalisierungsschubes verorten: »Im Jahr 1979 wurde mit dem Berufsverband der Rettungssanitäter (BVRS e. V.) der erste Berufsverband in diesem Bereich ins Leben gerufen, im Jahr 1978 wurde mit Der Rettungssanitäter die erste Fachzeitschrift gegründet und im Jahr 1979 fand in Dormagen der erste Kongress für Rettungssanitäter statt, womit sich eine Vorform einer „scientific community“ etablierte.«

»Der BVRS fungierte als Sprachrohr der hauptamtlichen Rettungssanitäter. Das größte Ziel, das er verfolgte, war die Schaffung eines eigenständigen Berufsbilds für die Rettungssanitäter. In diesem Sinne forderte er auch vehement die Übertragung von solchen Aufgaben wie das Anlegen von Infusionen, das Durchführen von Intubationen und das Verabreichen von Medikamenten auf das nichtärztliche Rettungspersonal. Als Mitte der 1980er-Jahre in den Fachkreisen vermehrt darüber berichtet wurde, dass die US-amerikanischen „paramedics“ erfolgreich Frühdefibrillationen durchführten, forderten sie auch diese Aufgabe für sich ein. Als Argument dafür wurde oftmals das Rendezvoussystem angeführt.« An dieser Stelle bekamen die Befürworter einer eigenständigen Professionalisierung der Rettungsfachkräfte allerdings Widerstand seitens der ärztlichen Berufsfunktionäre, die alle heilkindlichen Maßnahmen beim Arzt belassen und eine rechtlich legale Durchführung durch Rettungssanitäter an eine explizite Zustimmung eines Arztes in jedem Einzelfall binden wollten. Das Verhalten kennt man ja auch aus anderen Zusammenhängen, wenn es um Delegation und Substitution geht.

Erst 1989 gab es dann mit der Verabschiedung des Rettungsassistentengesetz (RettAssG) erfüllten sich die langjährigen Forderungen der Rettungssanitäter nach einem eigenständigen Berufsbild. Das Berufsgesetz sah eine 2‑jährige Ausbildung mit 1200 h theoretischer Ausbildung und 1600 h praktischer Tätigkeit in Lehrrettungswachen vor. In einigen Schulen wurden als Modellprojekte auch 3‑jährige Ausbildungen durchgeführt. Dies war jedoch nicht gesetzlich verankert, sondern galt als ein besonderes Qualitätsmerkmal der jeweiligen Schulen. Aber: Die Rolle des Rettungsassistenten als „Helfer des Arztes“ wurde mit diesem Gesetz eindeutig festgeschrieben.

In den 2000er-Jahren intensivierten sich wieder die Diskussionen um die Ausbildung (und Aufwertung) der Rettungsassistenten, die schlussendlich im Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (NotSanG) gipfelten, das im Jahr 2014 in Kraft trat. Das NotSanG verlängerte die Ausbildung des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals von 2 auf 3 Jahre.

Trotz heftigem Widerstand der Ärzteschaft wurde im Gesetzestext festgehalten, dass im „Rahmen der Mitwirkung“ das „eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen“ in den Aufgabenbereich der Notfallsanitäter fallen. »Dementsprechend ist im NotSanG auch kein Hinweis mehr darauf zu finden, dass der Notfallsanitäter als „Helfer des Arztes“ fungiert, vielmehr wird im Gesetzestext nun teamorientiertes Handeln hervorgehoben«, so Pfütsch in seinem Beitrag. Und mehr noch mit Blick auf die Zukunft: »Das NotSanG stellt darüber hinaus auch den Anfangspunkt einer Akademisierung des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals dar. So räumt das NotSanG explizit die Möglichkeit ein, in Form von Modellstudiengängen einen Bachelor of Science und damit einen Fachhochschulabschluss in diesem Bereich zu erwerben. Die Professionalisierung geht also allmählich in eine Akademisierung über.«

Bisherige Rettungsassistenten können nur noch bis Ende 2020 eine Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter ablegen – nach Ablauf dieser Frist müssten sie eine komplette dreijährige Ausbildung durchlaufen. Und mit Ablauf des Jahres 2026 wird die Funktion des Rettungsassistenten vollständig durch den Notfallsanitäter ersetzt.

Abschließend wieder zurück zu dem Beitrag von Karin Truscheit: »Heute, 50 Jahre nach der Gründung, sieht Stiftungspräsident Steiger keinen Grund, sich zurückzulehnen. Was ihm Sorgen macht: zunehmender Personalmangel. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht und somit des Zivildienstes sei es viel schwieriger geworden, ausreichend Rettungssanitäter zu finden. „Man kann kaum noch Leute dafür begeistern.“ Früher hingegen hätten viele durch den Zivildienst in den Rettungsdienst gefunden … Man müsse den Rettungsdienst „radikal umdenken“. Steiger fordert, dass alle medizinischen Serviceleistungen, vom Rettungsdienst bis zur kassenärztlichen Vereinigung, in einer Hotline zusammengefasst werden. Auf diese Weise kann der Disponent entscheiden: Muss ein Krankenwagen rausfahren oder soll der Anrufer zum Hausarzt geschickt werden?«

Damit wird eine seit längerem laufende Debatte aufgegriffen, über die hier bereits 2017 berichtet wurde und das durchaus ambivalent: Zentralisierung versäulter Hilfesysteme als Lösungsansatz. Zu den Vorschlägen einer Neuordnung der Notfallversorgung – und den Fragezeichen jenseits der Schaubilder, so ist der Beitrag vom 12.09.2017 überschrieben.

Selbst wenn man diesen Weg beschreiten sollte – derzeit bewegt auch den Rettungsdienst das Thema Fachkräftemangel. Um nur ein Beispiel zu zitieren: Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen klagt über Fachkräftemangel, so ist eine der vielen Berichte über das Thema überschrieben:
„Auf ausgeschriebene Stellen melden sich kaum Bewerber“, sagte eine Sprecherin des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Nordrhein. Auch Johanniter und Feuerwehr suchen händeringend Notfallsanitäter. Der Beruf des Notfallsanitäters war 2014 neu geschaffen worden und soll den bisherigen Rettungsassistenten ersetzen. Unstimmigkeiten bei der Finanzierung führen nach Angaben der Hilfsorganisationen zu Verzögerungen bei der Aus- und Weiterbildung und damit zu einer Verstärkung des Fachkräftemangels.

Und auch hier geht es u.a. um das liebe Geld: „Es kann nicht sein, dass die Krankenkassen die Notfallsanitäterausbildung zu 100 Prozent finanzieren sollen“, wird eine Sprecherin des Verbands der Ersatzkassen (vdek) zitiert. Das sei eine Gemeinschaftsaufgabe, an der das Land sich beteiligen müsse. Land und Kommunen verweisen hingegen auf die aktuelle Gesetzeslage, nach der die Krankenkassen die Kosten für die Notfallsanitäterausbildung übernehmen müssen. Als eine Folge haben wir nun einen dieser auch an anderen Stellen zu beobachtenden kommunalen Flickenteppiche: »Während einige Kommunen – etwa Köln – bei der Finanzierung der Ausbildung in Vorleistung getreten seien, warteten andere zunächst ab.«

Aber wir reden hier über Ausbildungen, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bevor darüber fertige Fachkräfte hergestellt werden können – und je länger man wartet, um so teurerer und frustrierender wird es in den vor uns liegenden Jahren werden.