„Pflegebonus“: Klappe, die nächste. Sie haben es schon wieder getan. Aber (vielleicht) gut gemeint kann auch schlecht gemacht zur Folge haben

Schauen wir noch einmal zurück in das Jahr 2020: Im Frühjahr kam die Corona-Pandemie über uns und viele andere Länder. In den Kliniken und Pflegeheimen an vielen Orten liefen Katastrophen ab und das Personal war gerade in dieser alle schockartig verunsichernden ersten Corona-Welle extrem belastet. Und massiven Risiken ausgesetzt. Unser Nachbarland Frankreich wurde hart getroffen von der Corona-Pandemie und wie in anderen Ländern auch wurden die vor Corona produzierten Mängel des Gesundheitssystems schmerzhaft erfahrbar. Gerade in Frankreich gab es lange vor der aktuellen Corona-Krise eine intensive Debatte und auch zahlreiche Proteste gegen die Sparmaßnahmen und den Abbau von Kapazitäten beispielsweise in den Krankenhäusern. Der französische Gesundheitsminister hatte im Mai 2020 eine abgabenbefreite Prämie für die Pflegekräfte angekündigt, „um das unerlässliche Engagement während der Krise anzuerkennen“. Bereits im Juni zahlte die französische Regierung eine 1.5000 Euro-Prämie an das medizinische Personal in den 40 am härtesten betroffenen Départemts aus. In den 61 übrigen Départements 1.000 Euro. Neben der Einmal-Zahlung gab es eine dauerhafte Verbesserung für Ärzte und Pflegekräfte bis hin zu den Hilfskräften: im Schnitt wurden die Löhne um 183 Euro pro Monat erhöht. Wobei man korrekterweise anmerken muss: In der Hochphase der Corona-Krise hatte Gesundheitsminister Olivier Véran wiederholt eingestanden, dass die Gehälter für Pflegekräfte in Frankreich um 300 Euro unter dem europäischen Durchschnitt liegen.

Und zu der gleichen Zeit in Deutschland? Da wurde die Idee mit der Prämie aufgegriffen. Nicht aber die Umsetzungsgeschwindigkeit der Franzosen. Bereits Anfang April 2020 wurde auch in Deutschland die Idee, die besonderen Leistungen der Altenpflege mit einer „Corona-Sonderprämie“ von 1.500 Euro für die mehr als eine halbe Million Beschäftigten zu honorieren, in den öffentlichen Raum gestellt und den Pflegekräften versprochen. Aber bereits wenige Wochen später ging es bereits los mit den Verschiebebahnhöfen: Es hat sich ausgeklatscht und die versprochene Prämie für Pflegekräfte in der Altenpflege will keiner zahlen, so ist ein Beitrag überschrieben, der hier am 21. April 2020 veröffentlicht wurde. Und wenige Tage später, am 27. April 2020, folgte dann dieser Beitrag: Nur nicht sich selbst bewegen und mit dem Finger auf andere zeigen: Die Sonderprämie für Beschäftigte in der Altenpflege und die Reise nach Jerusalem bei der Frage: Wer zahlt (nicht)?. Es hat dann einige Zeit gedauert, bis man sich mühsam verständigt hat über die Kostenaufteilung – und dann meldete sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Wort: nach den Altenpflegekräften sollte auch ein Teil des Pflegepersonals in den Kliniken eine Corona-Prämie bekommen. Das war auch eine publikumswirksame Reaktion auf das Unverständnis und die Proteste aus den Reihen der Krankenhäuser, dass das dort belastete Personal nicht durch eine Corona-Prämie beglückt werden sollte.

Zwischenzeitlich war nach monatelangem Gezerre die Prämie für die Altenpflege auf den Weg gebracht worden – also eine Prämie für einige, nicht alle, wie dann viele frustrierte Beschäftigte, die angeblich die Voraussetzungen nicht erfüllt haben, zu spüren bekamen. Dazu mehr in dem Beitrag Wenn eine am Anfang sicher gut gemeinte Anerkennungsprämie zu einem toxischen Spaltpilz mutiert. Bei der Corona-Prämie für Pflegekräfte sortiert und differenziert man sich ins Nirwana vom 3. September 2020.

Und mit Blick auf die neben der ambulanten und stationären Altenpflege auch mit einer Corona-Prämie zu beglückenden Pflegekräfte in den Kliniken hieß es bereits 2020 seitens der Deutschen Krankenhausgesellschaft: »Grundlegend sollen Pflegekräfte im Sinne der „Pflege am Bett“ begünstigt werden. Die Auswahl der anspruchsberechtigten Pflegekräfte und die Definition der individuellen Prämienhöhe für die Pflegekraft – je nach pandemiebedingter Belastung – obliegt dem Krankenhausträger in Abstimmung mit der Mitarbeitendenvertretung.« Man ahnt schon, so meine damalige Bewertung, »was das in praxi für Folgen haben wird: man muss all diese schwammig daherkommenden Begriffe mit abgrenzbaren Leben füllen, also wer kommt rein und wer muss draußen bleiben.«

Hinter den Abgrenzungs-Klimmzügen standen einerseits banale budgetäre Interessen, also die Mittel möglichst klein zu halten oder den Empfängerkreis an ein vorgegebenes Budget anzupassen. Ein Aspekt, der auch in der aktuellen Prämienausschüttungsrunde eine Rolle gespielt hat. Hinzu kommt, dass bereits 2020 eindringlich gewarnt wurde vor Spaltungen innerhalb der vielgestaltigen Beschäftigtenlandschaft, die sich notwendigerweise ergeben müssen aus den logischen Widersprüchen der Abgrenzerei von (Nicht-)Begünstigten einer Prämie:

»Nehmen wir als ein Beispiel die … nicht von einer Prämie beglückten Reinigungskräfte, die eine besondere Verantwortung und auch sicher Mehraufwand hatten, wenn sie denn mit Covid-19-Patienten zu tun hatten. Da liegt ein gewaltiger Sprengsatz. Was, wenn sie gar nichts mit Corona-Patienten zu tun hatten? Was auch auf viele Pflegekräfte in der ersten, heißen Phase der Pandemie zutraf? Wo durch die Stilllegung ganzer Abteilungen endlich – es sei ihnen gegönnt – Überstunden abgebaut werden konnten? In denen Personal sogar in Kurzarbeit geschickt wurde, weil durch die Absage aller nicht unbedingt notwendigen diagnostischen und therapeutischen Verfahren schlichtweg wenig zu tun war? Jetzt könnte man in der vor uns liegenden Debatte möglicherweise eine Berücksichtigung auch des Reinigungspersonals, das an der Corona-Front gekämpft hat, durchsetzen. Aber was ist dann eigentlich mit den vielen Reinigungskräften, die möglicherweise (wer weiß das schon) mit ihrer Arbeit in den Heimen dazu beitragen haben, dass es nicht zu Corona-Fällen gekommen ist? Müssten die nicht eigentlich auch? Und man darf gewiss sein, dass sich solche, von außenstehenden Beobachtern sicher als mindestens „merkwürdig“ charakterisierten Diskussionen Bahn brechen werden. Und ob gewollt oder als faktisches Ergebnis, zahlreiche Spaltungs- und Abgrenzungserfahrungen befördern werden. Kann man so etwas wirklich wollen? Ist es das wert?«

Auch wenn es Monate gedauert hat, bis die bereits Ende Mai 2020 mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Form des § 150a SGB XI (eigentlich) für alle in der ambulanten und stationären Altenpflege eingeführte „Sonderleistung während der Coronaviris-SARS-CoV-2-Pandemie“ umgesetzt werden konnte, was selbst bei dieser Prämie längst nicht alles klar in dem Sinne, dass auch jeder nun endlich den Bonus ausgezahlt bekommen hat. So wurde hier am 17. April 2021 dieser Beitrag veröffentlicht, dessen Überschrift bereits deutlich macht, dass man immer wieder auch nachhalten muss: Wo ist sie geblieben, die „Corona-Prämie“ des Jahres 2020 für die Beschäftigten in der ambulanten und stationären Altenpflege? Sie ist nicht bei allen angekommen. In dem Beitrag wurde eine Studie der Steuerberatung ETL Advision zum Lohnvergleich in der Pflegebranche zitiert. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass bundesweit bis Dezember 2020 mehr als 40 Prozent der Beschäftigten in den untersuchten ambulanten und teilstationären Pflegebetrieben die ihnen zustehende steuerfreie Corona-Prämie nicht erhalten haben. Für die Studie wurden mehr als 360.000 Datensätze ausgewertet, sie umfasst mehr als 1.000 Pflegedienste. Finanziert wurde die Prämie aus Mitteln des Bundes und der Bundesländer, die Auszahlung erfolgte über den Arbeitgeber. Oder eben nicht, wie man sieht.

2021 gab es dann einen neuen Anlauf für eine weitere Corona-Prämie – und diesmal hat man bestimmt gelernt aus den Erfahrungen im ersten Corona-Jahr. Oder doch nicht?

Lassen wir die mehr als „ruckeligen“ Erfahrungen aus dem ersten Corona-Jahr hinter uns und vertrauen wir erst einmal darauf, dass man daraus sicher gelernt hat.

Wir erinnern uns an den Herbst des Jahres 2021: Die Belegung der Intensivstationen mit Corona-Patienten stand im Mittelpunkt der täglichen Medien-Berichterstattung. In der Politik wurde die damals wieder einmal vielerorts beschriebene massive Belastung des Personals auf den Intensivstationen dahingehend aufgegriffen, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten eine Prämie speziell für die Intensivpflege, als Anerkennung ihrer Leistung in der vierten Welle, in den Ankündigungsraum gestellt haben. Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn hatte „5.000 Euro plus x“ gefordert.« Die tun was, so die Hoffnung auf die Botschaft an die Menschen da draußen, denn die Bundestagswahlen standen vor der Tür und da wird bekanntlich gerne der Turbo der Versprechungen gezündet.

Man sollte in Erinnerung behalten: ursprünglich ging es um eine Prämie für die Intensivpflegekräfte. Nach der Bundestagswahl, die zu einer neuen Koalition geführt hat, wurde das aufgegriffen – allerdings auf der Ebene der Ankündigungen bereits mit einer Erweiterung des potenziellen Empfängerkreises, denn wie beschrieben stand am Anfang das Vorhaben, die Intensivpflegekräfte mit einem Bonus zu versehen: „Für die besonders geforderten Pflegekräfte in den Krankenhäusern und in den Pflegeheimen werden wir eine Bonuszahlung veranlassen.“ Eine Milliarde Euro stehe dafür bereit, so der designierte Kanzler bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages Ende November 2021.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte zwischenzeitlich einen Entwurf für die Prämie – allerdings wie ursprünglich begrenzt auf die Intensivpflegekräfte – vorgelegt. Der Entwurf des Ministeriums sah vor, dass je nach Zahl der intensivbehandelten Covid19-Patienten für jedes Krankenhaus eine Summe ermittelt wird, die der Krankenhausträger in Abstimmung mit dem Betriebsrat dann eigenverantwortlich an seine Mitarbeiter ausschütten sollte. Dabei soll jede Pflegekraft, die auf einer Intensivstation oder auf einer Station eingesetzt wird, auf der eine intensivmedizinische Behandlung stattfindet, eine Prämie in Höhe von 3.000 Euro erhalten. Nicht nur die Pflegekräfte selbst, auch andere auf der Intensivstation Beschäftigte sollten laut Entwurf für die Prämie ausgewählt werden können.

Doch wer zählt alles dazu? Die Reinigungskraft, Techniker, der Pförtner? Wie groß der Kreis der Anspruchsberechtigten sein soll, darauf konnte man sich politisch nicht einigen.

Und Anfang Dezember 2021 musste man sich dann die Augen reiben und solche Meldungen zur Kenntnis nehmen:  Vorerst keine Prämie für Intensivpfleger. Bitte? »Der geplante Bonus für Intensivpflegekräfte wird verschoben. Das Geld ist da, doch die neue Ampel-Regierung kann sich nicht auf die Formalitäten einigen.« Und warum? Die Ampel-Koalitionäre konnten nicht einigen, welcher Personenkreis von der Sonderzahlung profitieren und nach welchen Kriterien die Ausschüttung ablaufen sollte.

Aber erst einmal standen die Weihnachtsferien an und da muss man dann auch mal ausspannen (wenn man nicht im Schichtsystem und einer Rund-um-die-Uhr-Arbeit außerhalb des Homeoffice – beispielsweise in der Pflege – eingebunden ist). Also wurde die weitere Bearbeitung des Themas auf das damals kommende Jahr 2021 verschoben.

Und wenige Tage nach dem Jahreswechsel bekamen wir dann solche Nachrichten serviert: »Nur wer in der Pandemie besonders belastet war, soll einen Pflegebonus bekommen. Der könne somit höher ausfallen, plant der Gesundheitsminister«, so dieser Artikel: Karl Lauterbach will Bonus nur für bestimmte Pflegekräfte. Offensichtlich fangen die versprochenen Beratungen erst an und Lauterbach gibt schon mal den Flaschenhals vor: »Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will den geplanten Pflegebonus nur an einen begrenzten Kreis von Pflegekräften zahlen. „Der Pflegebonus sollte vor allem Pflegekräften bezahlt werden, die in der Corona-Pandemie besonders belastet waren“, sagte Lauterbach … „Dann kann der Bonus auch in nennenswerter Höhe angesetzt werden“, sagte der SPD-Politiker. „Nur so kann die besondere Leistung von Pflegekräften wirklich gewürdigt werden.“«

Und erneut wird sortiert, selektiert, ein- und ausgeschlossen – und die Voraussetzungen für den Erhalt einer Prämie müssen nicht nur zu der guten Absicht passen, sondern auch die Höhe des Budgets berücksichtigen.

Der neue Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) hat die Widrigkeiten der budgetären Logik verstanden. Das wurde hier am 9. Januar 2022 in dem Beitrag „Pflegebonus“: Wenn man „den“ Pflegekräften erneut eine Geldprämie zuwerfen möchte und vorher aber noch die potenziellen Nutznießer eindampfen muss so charakterisiert:

»Wenn mir eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung gestellt wird (die eine Milliarde Euro), dann muss ich berücksichtigen, dass der am Ende der Nahrungskette ausgezahlte Betrag um so kleiner wird, je mehr Mäuler zu stopfen sind. Oder anders formuliert: Wenn ich die Gruppe derjenigen begrenze, die in den Genuss des Pflegebonus kommen (können), dann kriegen die auch mehr. Lauterbach formuliert genau das ja auch, wenn er mit den Worten zitiert wird: „Dann kann der Bonus auch in nennenswerter Höhe angesetzt werden“ – also wenn der Bonus vor allem Pflegekräften ausbezahlt wird, die in der Corona-Pandemie „besonders belastet“ waren, wobei die „besondere Belastung“ dann der Schlüssel ist, mit dem man den Bonusspeicher verschließen kann.«

Das muss und wird dazu führen, dass viele Pflegekräfte erneut erfahren werden, dass sie nicht gemeint waren mit der „besonderen Beanspruchung“ in der Corona-Krise. Das wurde auch in den Medien an mehreren Stellen kritisch aufgenommen und es wurde darauf hingewiesen, dass das zu viel Frust führen wird bei den Betroffenen und den Nicht-Begünstigten.

Und auch bei der Corona-Prämie 3.0 im Pflegebereich melden sich berechtigterweise mahnende und kritische Stimmen zu Wort, dass hier (erneut) ein Irrweg beschritten werde. Nur ein Beispiel:

David Gutensohn kommentiert unter der Überschrift Ein Bonus darf nicht spalten, die eher einen Wunsch auszudrücken versucht als das, was jetzt passiert: »Karl Lauterbach will nur bestimmten Pflegekräften einen steuerfreien Zuschlag gewähren. Das wäre fatal, denn die Pflege braucht eines sicher nicht: eine Neiddebatte.« Und Gutensohn weitet den Blick auf das Minenfeld etwas, wenn er schreibt: »… es klingt auch erst mal sinnvoll, jene Pflegekräfte mit einer Corona-Prämie zu belohnen, die auch Corona-Patientinnen und -Patienten behandelt haben. Doch gerade jetzt wäre es ein fatales Signal, zwar eine Impfpflicht für alle Beschäftigten in der Pflege zu verabschieden, aber nur einen Teil von ihnen mit einem Bonus wertzuschätzen.« Er kommt zu dem Schluss: »Es wäre falsch, bloß diejenigen zu berücksichtigen, die auf Intensivstationen arbeiten. Oder – wie im Jahr 2020 – die Prämie nur Kliniken zu ermöglichen, die eine bestimmte Zahl von Corona-Patienten aufgenommen haben. Ein solches Gesetz würde Pflegekräfte gegeneinander aufbringen, die Branche spalten, denn es belohnt die einen und zeigt zugleich allen anderen, dass sie keinen Bonus verdient hätten. Wenn es Orte geben sollte, die in diesen Tagen keine Neiddebatte brauchen, dann sind es die Kliniken und Pflegeheime. Wohl kaum eine andere Berufsgruppe musste in der Pandemie mehr leisten als diese, keine hätte einen Bonus so sehr verdient wie sie. Und deswegen sollte er sich auch an alle Pflegekräfte richten.«

Und es wird nicht überraschen, dass die zwischenzeitliche Erweiterung des Empfängerkreises des neuen „Pflege-Bonus“ auch auf die Altenpflege andere Gesundheitsberufe in Stellung gebracht hat: So fordern die Medizinischen Fachangestellten, die in den Praxen der niedergelassenen Haus- und Fachärzte den Laden während der beiden Corona-Jahre a, Laufen gehalten haben, ebenfalls eine Prämie. Und das Personal der Rettungsdienste hat ebenfalls mit guten Argumenten für eine Berücksichtigung geworben. Und wie sieht es mit … nein, wir hören an dieser Stelle mit der Aufzählung mal auf.

Nun haben sie es wieder gemacht. Der Pflegebonus in der dritten Variante ist auf dem Weg

Man darf an dieser Stelle zusammenfassen: Die erste Corona-Prämie im ersten Corona-Jahr sollte ursprünglich nur das Pflegepersonal in der Altenpflege bekommen, die wurde dann in einem zweiten Schritt erweitert auf die Krankenhaus-Pflegekräfte. 2021 gab es dann einen dritten Anlauf dergestalt, dass man ursprünglich eine Prämierung der Intensivpflegekräfte vornehmen wollte, dann gab es aber im anlaufenden Umsetzungsprozess eine Erweiterung diesmal auch auf den Bereich der Alten- bzw. Langzeitpflege.

Herausgekommen ist nun nach mehreren Monaten dieser Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (Pflegebonusgesetz), BT-Drs. Drucksache 20/1331 vom 05.04.2022. Und der Deutsche Bundestag hat am 19. Mai 2022 unter der Überschrift Bundestag stimmt für Auszahlung eines Pflegebonus mitgeteilt, dass der Gesetzentwurf in einer vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (vgl. BT-Drs. 20/1909 vom 18.05.2022) mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und AfD bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden ist.

➔ Von der Mehrheit abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Bonuszahlung für Leistung der Medizinischen Fachangestellten, Zahnmedizinischen Fachangestellten sowie Beschäftigten im Rettungswesen in der Corona-Pandemie – Nachhaltige Stärkung des Berufsbilds der Medizinischen Fachangestellten jetzt voranbringen“ (BT-Drs. 20/1014 vom 15.03.3022)

Die Ampelfraktionen schreiben in ihrem Gesetzentwurf, die Pandemie stelle das Pflegepersonal in Krankenhäusern und in der Langzeitpflege vor besondere Belastungen und verlange ihm besondere Leistungen ab. Dieser Einsatz werde durch die kurzfristige Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Prämienzahlungen anerkannt. Insgesamt stehen für den Corona-Pflegebonus eine Milliarde Euro bereit. Es sollen 500 Millionen Euro für Prämienzahlungen in Krankenhäusern verwendet werden und weitere 500 Millionen Euro für Prämien in der Langzeitpflege.

Was dabei rumkommen wird bzw. soll für die Beschäftigten? Der Deutsche Bundestag teilt uns dazu mit:

»Krankenhäuser, die 2021 besonders viele Corona-Patienten behandelt haben, die beatmet werden mussten, sollen Mittel für Prämienzahlungen erhalten. Die Mittel sollen Pflegekräften in der unmittelbaren Patientenversorgung zugute kommen. Ferner erhalten den Bonus Beschäftigte in der Alten- und Langzeitpflege, die im Bemessungszeitraum vom 1. November 2020 bis 30. Juni 2022 für mindestens drei Monate tätig waren und am 30. Juni 2022 noch beschäftigt sind.
Die nach Qualifikation, Arbeitszeit und Nähe zur Versorgung gestaffelte Prämie soll bis zu 550 Euro betragen. Das Geld soll steuer- und beitragsfrei ausgezahlt werden … Den höchsten Bonus erhalten Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung. Aber auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Leiharbeitnehmer sowie Mitarbeiter von Servicegesellschaften in der Alten- und Langzeitpflege sollen einen Bonus erhalten. Der Bonus soll in der Alten- und Langzeitpflege spätestens bis Ende dieses Jahres ausgezahlt werden.«

Also einmalig 550 Euro in der Altenpflege – für Intensivpflegekräfte in den Kliniken, wenn die denn prämienfähig sind, kann am Ende ein etwas höherer Betrag herausspringen. Bis zum Jahresende 2022 ist ja auch noch was hin und dann schauen sowieso nur noch wenige hin, was denn aus der Sache geworden ist.

Und wie soll das verteilt werden?

Herausgekommen ist wieder einmal ein Regelwerk, dessen Umsetzung zahlreiche Besprechungsrunden und Wutanfälle in den Kliniken, Pflegeheimen und ambulanten Diensten auslösen wird, denn die müssen die nunmehr eingedampfte Geldsummen in Abstimmung mit den Mitarbeitervertretungen unter ihren Leuten verteilen oder ihnen vorenthalten.

Ich empfehle allen das Studium des neuen § 26e Krankenhausfinanzierungsgesetz und ergänzend des neuen § 150a SGB XI mit den zu erfüllenden Voraussetzungen für den Bonus im Krankenhaus- bzw. im Altenpflegebereich. Es sind Meisterwerke juristischer Abgrenzungs- und Abrechnungsakrobatik.

Die fachkundigen Reaktionen sind nett formuliert als „enttäuscht“ zu charakterisieren:

»Die Gesamtmittel für den Bonus sind deutlich zu gering angesetzt und der Kreis der Anspruchsberechtigten ist zu klein. „Viele Pflegende im Krankenhaus werden vergeblich nach einer Prämie Ausschau halten. Wir hatten diese Kritikpunkte seit Wochen vorgebracht So läuft die Politik Gefahr, dass aus der gut gemeinten Prämie vielfach Frustration entsteht“, warnt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).« So die Mitteilung Enttäuschendes Gesetz ohne Ambition – für die Pflege im Krankenhaus steht die Ampel auf Rot der DKG vom 19.05.2022.

Das kommt einem doch bekannt vor.

Möglicherweise wird der eine oder andere einwerfen, dass man nun eben diese ganzen Abgrenzungs- und Differenzierungsklimmzüge braucht, da es ja darum geht, dass man die besonders belasteten Pflegekräfte unterstützen will. Ansonsten würde man das Geld ja über alle Pflegekräfte (und möglicherweise auch noch andere Berufsgruppen in den Einrichtungen und Diensten) mit der Gießkanne ausschütten und das könne man nicht wirklich wollen und machen.

Moment – keine Gießkanne bei der Corona-Prämierung? War da nicht vor kurzem etwas? Doch, da war was: Beschäftigte im Öffentlichen Dienst der Bundesländer haben bis spätestens März 2022 eine steuer- und abgabenfreie Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro ausbezahlt bekommen. Azubis, Praktikantinnen und Praktikanten und studentische Beschäftigte bekommen einen Corona-Bonus von 650 Euro. Mehr als eine Million Beschäftigte sind davon betroffen. Auch auf die Landesbeamten wurde das übertragen. Es sei ihnen natürlich gegönnt – aber man darf auch die Frage stellen, warum denn dort alle, unabhängig von der tatsächlichen Belastung, die in einigen Fällen auch ein faktischer Schonaufenthalt im Homeoffice gewesen sein mag, eine „Corona-Prämie“ bekommen. Interessanterweise wird dort eben nicht spaltpilzträchtig differenziert. Das könnte und muss mit Blick auf die Pflege zu denken geben.