Der sich ausbreitende Mangel an Pflegekräften, die besondere Problematik eines doppelten Mangels in der Altenpflege und ein lösungsorientierter Blick auf die Arbeitsbedingungen

Wenn man in diesen Tagen einen Streifzug durch die Berichterstattung im Land macht, dann müsste man schon mit Blindheit geschlagen sein, um die immer mehr anschwellenden Meldungen über den sich ausbreitenden Mangel an Pflegekräften zu übersehen. Nur einige wenige willkürlich herausgegriffene Beispiele dafür: »Gute Pflegekräfte sind rar im teuren München. Mittlerweile müssen sogar Notaufnahmen schließen, weil es an Personal fehlt. Die städtischen Kliniken greifen nun tief in die Tasche, um an Krankenschwestern oder Pfleger zu kommen – mit einer Kopfprämie von satten 8.000 Euro«, wird uns aus der bayerischen Landeshauptstadt berichtet. Dazu leider passend der Fernsehbericht: Not im Krankenhaus: München gehen die Pfleger aus: »Leere Betten, Patienten müssen weggeschickt werden. Münchens Krankenhäuser schlagen Alarm. Ihnen gehen die Pfleger aus. Schuld sind die steigenden Lebenshaltungskosten in München. Teilweise können die Krankenhäuser schwerkranke Patienten nicht versorgen. Selbst Krebspatienten mussten auf andere Krankenhäuser verteilt werden.« Und natürlich – gerade am Beispiel München förmlich sich aufdrängend – hängen die hier beschriebenen Probleme zusammen mit anderen gesellschaftlich überaus brisanten Entwicklungen, Stichwort Mangel an halbwegs noch bezahlbaren Wohnungen. Dazu passen dann diese Reaktionen auf die Berichterstattung: „Man müsse insbesondere den Mietmarkt in den Griff bekommen“.

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Die konstanten Lohnfragen: Entgelte von Vollzeit-Pflegekräften, die Schere zwischen Alten- und Krankenpflege, die Unterschiede zwischen hier und da. Und die Frage: Was tun?

Am Ende des Bundestagswahlkampfs schaffte es die Pflege, vor allem die Altenpflege für einen kurzen Moment auf das Tablett der öffentlichen Aufmerksamkeit. Am 11. September 2017 hatte der Hildesheimer Krankenpflege-Azubi Alexander Jorde der CDU-Kanzlerin auf den Zahn gefühlt.  Die Würde des Menschen werde „tagtäglich tausendfach verletzt“, weil zu wenig Personal da sei. Und die Geschäftsführerin eines Lübecker Pflegeservice, Dagmar Heidenreich, bohrte bei Martin Schulz nach: Wie solle sie künftig all die offenen Stellen besetzen? Der SPD-Kandidat Schulz versprach einen „Neustart in der Pflegestruktur“ in den ersten 100 Tagen seiner (möglichen) Amtszeit. „Dazu gehören drei Dinge: mehr Personal, bessere Bezahlung des Personals und Pflegeplätze.“ Die Gehälter müssten um mindestens 30 Prozent angehoben werden. Vielen Beschäftigten ginge es gar nicht so sehr ums Geld, sondern um mehr Personal und einen einheitlichen Pflegeschlüssel.

Auch die Bundeskanzlerin hatte sich, wenn auch bedächtiger, auf den Zug gesetzt, so dieser Artikel: Merkel plädiert für bessere Bezahlung von Pflegekräften: Die derzeitige Entlohnung sei „im Hinblick auf die Belastungen, die dieser Beruf mit sich bringt, nicht angemessen“, sagte Merkel der Bild am Sonntag. Sie forderte zudem einen neuen Personalschlüssel … Ein Teil des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen hänge in Deutschland auch mit der unterschiedlichen Bewertung der Berufe zusammen – „also zum Beispiel Pflegeberufe im Vergleich zu Mechatronikern oder Elektrikern“, sagte Merkel. „Wir müssen daran arbeiten, dass die Gehälter schrittweise weiter steigen.“ 

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Umrisse einer GroKo neu. Teil 3: Gesundheitspolitik und Pflege

»Sie sind überall, sie werden gezogen, gesetzt und überschritten: die roten Linien. Angemahnt mal vom Beamtenbund, mal vom FDP-Politiker und Jamaika-Aus-Schöpfer Christian Lindner«, so Johann Schloemann, der sich auf die Suche nach der Herkunft dieser Floskel gemacht hat. »Im „Red Line Agreement“ von 1928 vereinbarten die großen Ölfirmen in der Turkish Petroleum Company ein Kartell: In den Grenzen des untergegangenen Osmanischen Reiches dürfe keine der Ölgesellschaften auf eigene Faust agieren. Nicht ganz klar waren ihnen die Grenzen, bis sie, so wird erzählt, mit einem roten Buntstift auf der Karte eingezeichnet wurden. Von dort wanderte der Begriff in die amerikanische Diplomatiesprache und wurde inflationär.« Und dann das: »Die rote Linie für rote Linien ist die Nichtdurchsetzbarkeit: als Barack Obama seine leeren Drohungen gegenüber Syrien aussprach, vermutete der republikanische Senator John McCain, die rote Linie sei „offenbar mit Zaubertinte geschrieben“.« Das leitet hervorragend über zum dritten Themenfeld der Serie „Umrisse einer GroKo neu“: Gesundheitspolitik und Pflege.

Hier gab es sogar dunkelrote Linien – vor der Sondierung: Noch Ende November 2017 musste man diese knallharte Ansage zur Kenntnis nehmen: »SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nannte die Bürgerversicherung ein „zentrales Anliegen“ seiner Partei. Die SPD wolle eine „Bürgerversicherung mit einem gemeinsamen Versicherungsmarkt ohne Zwei-Klassen-Medizin“, sagte der Gesundheitsexperte … Wenn die Union der SPD nicht entgegen komme, werde es Neuwahlen geben.« Nun wird es möglicherweise – wer weiß das schon in diesen Tagen – Neuwahlen geben, aber nicht, weil die SPD in den Sondierungsgesprächen auf der „Bürgerversicherung“ bestanden hat, ganz und gar nicht. 

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