Die einen wollen nicht mehr genau hinschauen, die anderen mobile Impfteams in „Hochhaus-Siedlungen“ schicken. Das Ungleichheitsvirus ist angekommen in der impfpolitischen Debatte. Aber zu spät?

»Die Stadt München hat entschieden, künftig nicht mehr aufzuschlüsseln, aus welchen Vierteln besonders viele Corona-Neuinfektionen gemeldet werden. Hintergrund sind Befürchtungen, die Menschen dort könnten stigmatisiert werden. Köln geht einen anderen Weg – und wird Menschen zum Beispiel in Hochhaussiedlungen bald bevorzugt impfen«, kann man einer Meldung des Deutschlandfunks entnehmen. Erneut ein Beispiel für das föderale Durcheinander? Selbst im angesprochenen Freistaat Bayern gibt es offensichtlich keine eindeutige Linie: »Während Nürnberg die „Problemviertel“ im Auge hat, verzichtet München darauf«, so dieser Beitrag: Hohe Inzidenzen in „Problemvierteln“: Keine Zahlen in München. »Die bayerische Landeshauptstadt verzichtet auf eine Aufschlüsselung der Statistik, um einzelne „Problemviertel“ nicht zu stigmatisieren. „Stadtviertel mit besonders hoher Inzidenz würden gebrandmarkt,“ so lautet die offizielle Begründung der Stadt München, weshalb sie keine gesonderten Infektionszahlen je nach Stadtviertel erhebt. Man erhalte keine Auskunft darüber, wo die Infektion stattfand, sondern lediglich darüber, wo infizierte Menschen wohnten,«, so die Auskunft der bayerischen Landeshauptstadt. Man kann die Augen natürlich verschließen vor der ungleichen Verteilung. Man kann aber auch genauer hinschauen, nicht um zu stigmatisieren, sondern um eine gezielte Pandemiebekämpfung vornehmen zu können.

»In Städten wie Hamburg hat die Auswertung des Wohnorts der Infizierten anhand von Daten der Sozialämter dagegen gezeigt, dass sich in sozial schwächeren Gegenden wohnende Menschen bis zu sechs Mal häufiger mit Corona infizierten als andere. Auch Nürnberg verzeichnet deutlich höhere Infektionszahlen in sozial angespannten Quartieren, was auch mit dem vorhandenen Wohnraum zusammenhängt.«

mehr

Gewerkschaften in den USA: Eine Niederlage und dann auch noch gegen Amazon. Zugleich werden die bitteren Folgen der Atomisierung gewerkschaftlicher Gegenmacht in Dollar und Cent erkennbar. Und warum das auch für Deutschland relevant ist

Fast alle klagen über die Folgen und die Belastungen durch die Corona-Pandemie und die Liste der Verlierer wird immer länger. Aber nicht wirklich alle werden darin einstimmen – denn wie immer gibt es auch Gewinner. Und ein Gewinner steht definitiv fest: Amazon. Schon das erste Corona-Jahr, also 2020, war ein „Geschenk“ für diesen global aufgestellten Konzern, Dazu muss man sich nur diese beiden Abbildungen anschauen:

Und diese Abbildung enthält noch nicht das für den Konzern so außergewöhnlich „bescherungsreiche“ 4. Quartal 2020, denn mit den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres haben die Zahlen noch einmal einen richtigen Sprung nach oben hingelegt: Insgesamt 125,56 Mrd. US-Dollar setzte Amazon im 4. Quartal 2020 um, dies entspricht einem Umsatzwachstum um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2019).

mehr

Das Corona-Virus als „Ungleichheitsvirus“: Die Umrisse werden deutlicher erkennbar. Und „Menschen mit Migrationshintergrund“ diesseits und jenseits der Statistik

Es häufen sich verständlicherweise die Beiträge, in denen diskutiert und nachgezeichnet wird, dass das Corona-Virus eben nicht als „großer Gleichmacher“ ohne Ansehen von Stand und Geld über den Globus und durch unsere Gesellschaften wabert, sondern dass man von einem „Ungleichheitsvirus“ in mehrfacher Hinsicht sprechen muss – vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass das Virus eben nicht gleichverteilt über uns gekommen ist und seine krankmachenden und teilweise tödlichen Schneisen schlägt, sondern dass es auf bereits vorher vorhandene soziale Ungleichheiten aufsetzt und diese verschärft oder gar potenziert. Dazu bereits die Ausführungen in diesem Beitrag vom 6. März 2021: Das Corona-Virus und die Ungleichheit: Vom anfänglichen „großen Gleichmacher“ zu einem in Umrissen immer deutlicher erkennbaren „Ungleichheitsvirus“. Darin findet man beispielsweise diesen Hinweis: In Großbritannien verknüpfen die Statistiker »den offiziellen Index of Multiple Deprivation, eine sozialgeographische Armutsstatistik, mit Daten über Corona-Todesfälle, was schon im Frühjahr 2020 fast in Echtzeit den Beweis erbrachte: Je ärmer die Gegend, desto höher die Mortalität.« Derartige Erkenntnisse sind übrigens nicht nur von akademischer Relevanz, jedenfalls im Vereinigten Königreich: »Jüngst wurde daraus die Forderung abgeleitet, deprivation und ethnicity als gleichberechtigte Risiko-Faktoren neben hohem Alter anzuerkennen – und betroffene Gruppen bevorzugt zu impfen.«

Auch in Deutschland hat man sich in der Forschung auf diesen wichtigen Weg einer differenzierten Analyse begeben, wenn auch mit Verzögerung und mit im Vergleich zu anderen Ländern teilweise erheblichen Datenrestriktionen. Aber wenn man denn auf die – mögliche – Verknüpfung von sozialer Lage und unterschiedlichen Graden der Betroffenheit von dem Corona-Virus schaut, dann ergeben sich ähnliche Befunde, wie sie bereits aus anderen Ländern berichtet werden. Stellvertretend dafür sei hier auf entsprechende Ergebnisse aus dem RKI hingewiesen:

mehr