Und sie tun es doch: Therapeuten des Vivantes-Krankenhauskonzerns kommen in die Holzklasse und haben jetzt die Perspektive auf „branchenübliche Löhne“

Die Geschäftsführung des Berliner Vivantes-Klinikums hält daran fest, eine Tochtergesellschaft für die therapeutischen Dienste zu gründen. Das hat der Aufsichtsrat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Ergo-, Musik-, Kunst-, Tanz-, Physiotherapeuten und Logopäden sollen in das neu zu gründende Unternehmen überführt werden, berichtet die Online-Ausgabe der Ärzte-Zeitung in dem Beitrag Therapeuten kommen in die Holzklasse. Über die Absicht des Klinikmanagements sowie die Reaktionen der Betroffenen ist hier schon berichtet worden: Aus den real existierenden Arbeitsmärkten: Von „marktüblichen Löhnen“ in „Tochtergesellschaften“ und Ingenieuren aus der Datenwolke). Viele der fast 15.000 Vivantes-Mitarbeiter fürchten sich verständlicherweise vor Lohndumping im Zuge des anstehenden Konzernumbaus, der einem bekannten Muster folgen soll: »Der landeseigene Krankenhauskonzern will sparen und plant eine weitere Ausgliederung von Arbeitsbereichen. Alle therapeutischen Dienste sollen in eine noch zu gründende Tochtergesellschaft ausgelagert werden. Dasselbe droht den Mitarbeitern in den Bereichen Facility Management, Einkauf und Logistik sowie beim Patientenbegleitservice«, so Thomas Gerlach in seinem Artikel Umstrittener Diätplan. Die Zielsetzung dieser Maßnahme ist simpel: Bei Neueinstellungen würde der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) keine Anwendung mehr finden.

Das es um weniger Geld geht, bestreitet niemand mehr. So wird Peter Zühlsdorf, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Berliner Vivantes-Klinikkonzerns, mit Blick auf die notwendigen Schritte zur „Wirtschaftlichkeitssteigerung“ mit den folgenden Worten zitiert: „Dazu gehören neben Investitions- und Qualitätssicherung auch Strategien, um die Kosten zu begrenzen, und zwar zeitnah“, erklärte Zühlsdorf. Das künftige Tochterunternehmen werde Neueinstellungen „zu branchenüblichen Tarifen“ vornehmen. Und die liegen dann unter dem, was bislang gezahlt wird. Und was bei den Therapeuten geklappt hat, muss dann ja nicht auf diese begrenzt bleiben.

Der Hintergrund ist neben dem allgemeinen Muster, dass man auch aus anderen Branchen kennt, ein spezieller mit Blick auf die Krankenhäuser: Viele von ihnen sind unterfinanziert, weil die Länder, die dafür zuständig sind, in den vergangenen Jahren schlichtweg zu wenig Investitionsmittel zur Verfügung gestellt haben und sich dadurch ein Investitionsstau gebildet hat (den wir ja auch aus anderen Bereichen mit öffentlicher Unterfinanzierung kennen).

Für die betroffenen Arbeitnehmer muss das ganze wieder einmal wie ein Schlag ins Gesicht wirken, denn s ist wahrlich nicht so, als wenn man erst jetzt irgendwie an den Finanzproblemen des Unternehmens „beteiligt“ wird und einen ersten Beitrag leisten soll: »Zehn Jahre lang hatte die Belegschaft … auf Lohn verzichtet, um das Unternehmen zu stabilisieren. 2014 war erstmals wieder das volle Tarifgehalt gezahlt worden.«

Aus den real existierenden Arbeitsmärkten: Von „marktüblichen Löhnen“ in „Tochtergesellschaften“ und Ingenieuren aus der Datenwolke

Vivantes, der Krankenhauskonzern des Landes Berlin, will Hunderte Mitarbeiter ausgliedern, um keine Tariflöhne mehr zahlen zu müssen, berichtet Thomas Gerlach in seinem Artikel Umstrittener Diätplan. Und Hannes Heine sekundiert diese Berichterstattung unter der Überschrift Proteste gegen den Vivantes-Sparkurs. Viele der fast 15.000 Vivantes-Mitarbeiter fürchten sich verständlicherweise vor Lohndumping im Zuge des anstehenden Konzernumbaus, der einem bekannten Muster folgen soll: »Der landeseigene Krankenhauskonzern will sparen und plant eine weitere Ausgliederung von Arbeitsbereichen. Alle therapeutischen Dienste sollen in eine noch zu gründende Tochtergesellschaft ausgelagert werden. Dasselbe droht den Mitarbeitern in den Bereichen Facility Management, Einkauf und Logistik sowie beim Patientenbegleitservice«, so Gerlach in seinem Artikel. Die Zielsetzung dieser Maßnahme ist simpel: Bei Neueinstellungen würde der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) keine Anwendung mehr finden.

Die Vivantes-Sprecherin Kristina Tschenett wird dementsprechend mit den Worten zitiert: „Zweck der konzerneigenen Tochtergesellschaft ist es daher, bei Neueinstellungen eine branchenübliche Vergütung zu zahlen“ – und die „marktüblichen Löhne“ liegen deutlich unter dem aktuellen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvöD). Der geplante Konzernumbau folgt dem Muster einer Aufspaltung in Stamm- und „Randbelegschaft“: »Ärzte und Pflegekräfte bilden künftig die Stammbelegschaft. Ergo- und Physiotherapeuten, Wachleute sowie Reinigungskräfte aber sollen in Tochterfirmen arbeiten. Dort würde bald weniger gezahlt als bislang«, so Heine. Besonders aufgebracht sind die Beschäftigten – darunter Ergotherapeuten, Logopäden, Physio- und Musiktherapeuten -, weil sie schon in den vergangenen Jahren einen Lohnverzicht hingenommen haben. Die Beschäftigten bringen in einem offenen Brief das zum Ausdruck, was das landeseigene Unternehmen hier machen will: Tarifflucht. Von den aktuellen Plänen würden etwa 800 Mitarbeiter betreffen, schätzt die Gewerkschaft Ver.di Berlin-Brandenburg. »Perspektivisch könnte Vivantes jedoch alle Mitarbeiter in neue oder bestehende Tochtergesellschaften auslagern, die nicht zu den Kernbereichen Ärzte, Pflegepersonal und Funktionsdienste, wie etwa Röntgen und MRT, gehörten. Dann würden bis zu 6.000 der etwa 15.000 Beschäftigten aus dem TVÖD herausfallen.«

Der Hintergrund aus Sicht des Unternehmens: Viele Behandlungen werden nicht ausreichend von den Krankenkassen vergütet, Vivantes muss zudem marode Gebäude sanieren. Der Konzern benötige jährlich zusätzlich 40 Millionen Euro vom Land, um den Investitionsstau aufzulösen, die er offensichtlich nicht bekommt und die man sich nun teilweise bei den eigenen Beschäftigten holen will. Nach Angaben der Berliner Krankenhausgesellschaft werden für alle Berliner Kliniken Investitionsmittel von mindestens 140 Millionen Euro jährlich benötigt, 2014 gibt Berlin aber nur rund 70 Millionen in das System. Für 2015 sind 77 Millionen Euro im Doppelhaushalt eingeplant.
»Knapp 70 Prozent der Ausgaben entfielen auf Personalkosten, und mit den jüngsten Tarifsteigerungen würden die Kosten deutlich schneller steigen als die Einnahmen aus den Fallpauschalen der Krankenkassen – also die Summe, die diese für die Behandlungen von Patienten zahlen«, so Gerlach mit Bezug auf die Argumentation der Unternehmensführung.

Fazit: Eine doppelte Unterfinanzierung der Krankenhäuser in Verbindung mit einem strukturellen Problem personenbezogener Dienstleistungen schlagen hier wie im Lehrbuch zu: Die doppelte Unterfinanzierung der Kliniken resultiert zum einen aus der Systematik des Fallpauschalensystems, die besonders problematisch ist für Häuser der Maximalversorgung bzw. für die Kliniken, die eine breite Angebotspalette vorhalten müssen und die sich nicht auf lukrative Felder innerhalb des Systems spezialisieren können, wo man tatsächlich hohe Margen erwirtschaften kann. Hinzu kommt die seit Jahren wirkende zweite Unterfinanzierung, die aus der dualen Krankenhausfinanzierung resultiert, denn für die Investitionen sind – eigentlich – die Länder zuständig und die geben schlichtweg zu wenig Geld in die Krankenhauslandschaft, so dass sich ein veritabler Investitionsstau über die letzten Jahre aufgebaut hat – im zweistelligen Milliardenbereich.

Hinzu kommt ein generelles Strukturproblem personenbezogener Dienstleistungen, die – wie die Krankenhausbehandlung, aber man denke hier auch an die Altenpflege sowie die meisten sozialen Dienstleistungen – am Tropf der öffentlichen oder parafiskalischen Finanzierung hängen, also auf Steuer- und/oder Beitragsmittel angewiesen sind. Sie sind konfrontiert mit dem, was die Ökonomen „administrierte Preise“ nennen, also beispielsweise Fallpauschalen oder Pflegesätze. Und deren Anpassung folgt oftmals einer Budgetlogik (beispielsweise wird die Budgetanhebung begrenzt auf den Anstieg der eigenen Beitragseinnahmen), die dann Probleme verursacht, wenn der tatsächliche Kostenanstieg darüber liegt. Und wenn bei einem Personalkostenanteil an den Gesamtkosten von 70% und mehr die Löhne z.B. um 3 Prozent erhöht werden, die Fallpauschalen oder die Pflegesätze aber nur um 1 Prozent, dann kann der betroffenen Anbieter die Lücke nur durch Produktivitätssteigerungen aufzufangen versuchen, was allerdings in Bereichen wie der Pflege schwer oder gar nicht möglich ist oder wenn man es denn tut, in dem endet, was als „Pflegenotstand“ skandalisiert wird. Wenn er also den Weg der Produktivitätssteigerung nicht gehen kann, dann verbleibt dem Anbieter nur die Option, bei den Personalkosten eine Kostensenkung zu realisieren, beispielsweise wie bei Vivantes durch Tarifflucht.

Nun wird der eine oder die andere sagen: So ist das eben im Bereich der sozialen Dienstleistungen, die am Tropf der öffentlichen Mittel hängen. In der „freien“ Wirtschaft hingegen sei vieles anders. Also werfen wir einen Blick in die „schöne Welt“ der Industrie.

Auslaufmodell Festanstellung? Diese Frage wirft Christoph Ruhkamp in seinem Artikel auf – und meint damit nicht irgendwelche Underdogs des Arbeitsmarktes, sondern berichtet über eine Gruppe, die man üblicherweise nicht mit diesem Thema in Verbindung bringen würde, sondern die im Mittelpunkt der Debatte über einen (angeblichen) Fachkräftemangel stand und steht: Ingenieure. Angesichts der seit Jahren schon beobachtbaren Entwicklung einer immer stärkeren Nutzung von (outgesourcten) Werk- und Dienstverträgen ist das für die, die sich mit der Materie intensiver beschäftigen, keine Überraschung, sondern die logische Fortführung eines seit langem laufenden Trends.

»Schöne digitale Arbeitswelt: Wenige Ingenieure arbeiten mit Tausenden freien Entwicklern zusammen. Das hat Folgen für die Arbeitswelt«, so Ruhkamp. Beobachtet wird eine Zunahme der Zahl an außerhalb der klassischen Unternehmen arbeitenden Crowdworkern, also an Menschen, die ihre Arbeitsleistung über Internetplattformen erbringen. Wieder einmal ist die Automobilindustrie ganz vorne dabei: »Der amerikanische Kleinserienspezialist Local Motors beschäftigt nur 100 Festangestellte. Ihnen stehen 40.000 externe Entwickler gegenüber, die für das Unternehmen arbeiten.«

Partner von Local Motors ist übrigens BMW. Erwähnt werden die auch aus anderen Artikeln bekannten Beispiele:

IBM »führte für seine Abteilung Anwendungsentwicklung ein Tool namens „Liquid“ ein. Damit werden Projekte in kleine Arbeitseinheiten aufgeteilt – und anschließend weltweit an die am wenigsten verlangenden Programmierer vergeben, sowohl konzernintern als auch an Freelancer. Die Folge: Hochqualifizierte in aller Welt stehen im direkten Wettbewerb zueinander.«
»Der Internetkonzern Amazon hat einen Marktplatz für Gelegenheitsarbeiten namens Mechanical Turk eingeführt, auf dem die „Mechanical Turker“ gerade einmal 1,25 Dollar in der Stunde verdienen. Sechzig Prozent der digitalen Fließbandarbeiter geben an, dass ihre Arbeit auf der Plattform ihre einzige Einkommensquelle ist. Die Details der Arbeitsverhältnisse werden einfach durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen geregelt.«

Aber der Beitrag von Ruhkamp verweist auch darauf, dass es Gestaltungsversuche dieser Entwicklung gibt, was deshalb von Bedeutung ist, weil sie von den Betroffenen nicht nur negativ wahrgenommen wird, sondern oftmals darauf hingewiesen wird, dass man gerne mehr Zeit- und Ortssouveränität in Anspruch nehmen möchte: »Knapp die Hälfte der Befragten aus Forschung und Entwicklung sagten, dass sie gerne einen Teil ihrer regulären Arbeit von zu Hause aus erledigen würden. Unter den Akademikern seien es laut der Beschäftigtenbefragung der IG Metall sogar 55 Prozent.« Aber das muss gestaltet werden. Vor allem brauchen die Beschäftigten das »Recht, nach Hochphasen der Arbeit auch zurückzuschalten. Dass das geht, zeigen inzwischen viele Betriebsvereinbarungen und Regelungen, die Betriebsräte entwickelt und durchgesetzt haben: BMW und Bosch zählen und bezahlen neuerdings nicht mehr nur die Arbeit auf dem Firmengelände, sondern auch die unterwegs verrichtete. Trotzdem bleiben die Arbeitszeit begrenzt und der Sonntag frei. Auch VW und Daimler akzeptieren das Recht auf Abschalten.«

Dafür brauchen die Beschäftigten aber vor allem auch eine möglichst starke Gewerkschaft und dafür müssen sie sich auch selbst bewegen und sich organisieren. Genau an dieser Stelle muss man dann darauf hinweisen, dass es mit dem Organisationsgrad gerade bei den Ingenieuren und anderen vergleichbaren Berufsgruppen „bescheiden“ aussieht. Natürlich muss auch Gewerkschaft sich bewegen und ändern – aber am Ende wird der mögliche Ausgang der (Nicht)Gestaltung der Digitalisierung auch und gerade von der Bereitschaft der Betroffenen abhängen, sich kollektiv aufzustellen. Alleine – dafür braucht man keine Studien – werden sie keine Chance haben und als kleine Crowdworker im Ozean der Globalisierung enden.

Back to the 90’s? Auf der Insel können sie es einfach nicht lassen: Privatisierung um jeden Preis. Jetzt soll es die Kinderschutzdienste in Großbritannien treffen. Dagegen regt sich massiver Widerstand

Die 1990er Jahre waren geprägt von Schlagworten wie Deregulierung, Privatisierung oder Public Private Partnership. In diesen Jahren blühte der neoliberale Zeitgeist und diffundierte in die Köpfe fast aller politischer Entscheidungsträger. Besonders markant und zugleich tief einschneidend war die Übernahme von großen Teil dieses Gedankengutes auf der bisher als „links“ titulierten politischen Seite. Als Lordsiegelbewahrer dieser Neuausrichtung der Sozialdemokratie galt Tony Blair, von 1994-2007 Vorsitzender der Labour-Party und von 1997-2007 Premierminister von Großbritannien. Er vertrat eine Politik des freien Marktes und operierte mit Schlagworten wie „New Labour“ und „Dritter Weg“. Seine Amtszeit war geprägt durch eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben in einzelnen bildungs- und sozialpolitischen Feldern bei gleichzeitiger Einführung marktorientierter Reformen. Dazu gehörte auch die Übertragung von bislang staatlich organisierten Dienstleistungen an privat-gewerbliche Unternehmen, von denen man sich offensichtlich mehr Effektivität und vor allem Effizienz erhoffte.  Die damit verbunden der Privatisierung des Sozialstaates war schon damals heftig umstritten. Die mit ihr verbundene Ideologie und auch einige Versatzstücke dessen, was in Großbritannien von Blair auf den Weg gebracht wurde, haben auf die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder beeinflusst. Man schaue sich beispielhaft nur die zahlreichen Anleihen aus Großbritannien an, die sich im Abschlussbericht der so genannten „Hartz-Kommission“ finden lassen.
Nun sollte mittlerweile bekannt sein, dass auch die Privaten nur mit Wasser kochen und zuweilen auch erhebliche Kollerlateralschäden verursacht wurden durch die Beauftragung von auf Gewinn gerichteten Unternehmen im Sozialbereich. Trotz der vielen mehr als ernüchternden Erfahrungen, die wir hatten sammeln dürfen bzw. müssen, setzt die jetzige konservativ-liberale Regierung in Großbritannien auf eine konsequente Fortsetzung des damals unter Blair eingeschlagenen Weges. Nun haben sich die Privatisierungsbefürworter ein neues und überaus sensibles Feld für ihre Expansionsgelüste ausgesucht: den Kinderschutz.

»Experts sound alarm over proposal … to outsource children’s services to private firms«, so Patrick Butler in seinem Artikel Privatise child protection services, Department for Education proposes. Nach Plänen des zuständigen Bildungsministeriums (DfE) könnte die Zuständigkeit, Kinder aus ihren Familien zu nehmen, zusammen mit weiteren Kinderschutzdienstleistungen privatisiert werden. Grundlage ist ein Papier aus dem Ministerium mit dem Titel „Powers to delegate children’s social care functions“ vom 17. April 2014. Damit würde ein „outsourcing of children’s social services in England to companies such as G4S and Serco“ möglich werden, was auf massive Bedenken und Proteste von Experten stößt, denn hier soll ein neues Geschäftsfeld aufgemacht werden in einem überaus sensiblen Bereich für Großkonzerne – denn darum handelt es sich bei den beiden beispielhaft genannten Unternehmen, die von einem solchen Schritt profitieren könnten. Die Begründung für eine solche Öffnung hin zu gewinnorientierten Anbietern in dem Papier aus dem Ministerium kommt daher wie ein Textbaustein aus den späten 1990er Jahren: „encourage innovation and improve outcomes for at-risk youngsters“.

»Private providers will allow authorities to „harness third-party expertise“ and „stimulate new approaches to securing improvements“ for safeguarding services outside „traditional hierarchies“, the document says.«

„Das ist eine schlechte Idee“ – mit dieser Bewertung wird nicht irgendein Oppositionspolitiker zitiert, sondern die Professorin Eileen Munro, die vom derzeitigen Minister Michael Gove selbst beauftragt wurde, eine unabhängige Studie über den Kinderschutz in Großbritannien zu erstellen. Ihr umfassender Bericht wurde 2011 veröffentlicht (vgl. Munro, E.: The Munro Review of Child Protection. Final Report. A child-centred system, London, 2011 sowie weitere Reports aus dem Umfeld dieser Studie auf der DfE-Seite „Munro review reports„). Munro wird in dem Artikel von Patrick Butler zitiert mit den Worten »establishing a market in child protection would create perverse incentives for private companies to either take more children into care or leave too many languishing with dangerous families.« Perverse Anreize also, die durch die Etablierung eines Marktes im Bereich des Kindesschutzes ausgelöst werden können. Munro hat eine klare Position: „It’s the state’s responsibility to protect people from maltreatment. It should not be delegated to a profit-making organisation.“

Unabhängig von Munro’s Positionierung wurde ein öffentlicher Brief von 37 ausgewiesenen akademischen Kinderschutzexperten im Guardian veröffentlicht: Child protection services too important to be privatised, so haben sie ihr Protestschreiben genannt. Sie warnen vor allem vor der angestrebten Option, Unternehmen wie  G4S, Serco oder auch Atos mit Kinderschutzdiensten zu beauftragen und verweisen hierbei auf die offensichtliche Mängelliste, die den genannten Unternehmen heute schon anhaftet:

»Their track record elsewhere has hardly been unblemished in providing Olympics security, over-claiming payments for tagging offenders, misreporting on GP out-of hours contracts, and delaying and denying disability benefits … Child protection is much too important to be exposed to their fickleness and failings.«

Kathy Evans von Children England, die 100 Organisationen repräsentiert, wird ebenfalls mit einer ablehnenden Stellungnahme zitiert, denn »although there was a need to explore new ways of improving child safeguarding services, profit-making firms were not the answer«. Auch bei ihr kommt eine grundsätzliche Kritik an der Übertragung derart sensibler sozialpolitischer Aufgaben an private, auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen zum Ausdruck: Der Minister »must ensure that no commercial company and its shareholders should ever be able to make profit from public spending on child protection. Such an important public function must never be open to the real, or even perceived, risk of being done in the pursuit of profit.« Children England hat mittlerweile sogar eine Petition aufgelegt zu diesem Thema

Interessant ist die Rolle von Michael Glove, dem zuständigen Minister, die man an einem scheinbaren Nebenaspekt verdeutlichen kann: Alle Kinderschutzdienste sollen seiner Meinung nach für private, gewinnorientierte Anbieter geöffnet werden – bis auf einen Bereich: die Adoptionsdienste.  Diese haben eine besondere Priorität für den Minister, der selbst adoptiert worden ist.

Nicht ganz so eindeutig ist die Positionierung der NSPCC, der größten Kinderschutzorganisation in Großbritannien. Es wird berichtet, dass diese Organisation relativ neutral sei bei der Frage, wer Schutzdienste anbietet. Entscheidend sie die Frage »how good a service is at turning children’s lives around«. Lisa Harker, für Strategie-Fragen bei der NSPCC zuständig, wird mit den Worten zitiert, die Organisation »still looking at the detail to see if there are sufficient checks and balances around service quality.«

Man wird sehen, wie dieser Vorstoß des Ministeriums in Großbritannien ausgehen wird und ob sich die zahlreichen Kritiker am Ende werden durchsetzen können. Von einer auch für Deutschland grundsätzlichen Bedeutung ist das Fallbeispiel, das in diesem Beitrag skizziert wurde, deshalb, weil hier entscheidende Grundsatzfragen der Organisation sozialer Arbeit mit besonders verletzlichen Menschen aufgeworfen werden:

Sind die nicht auf Gewinn ausgerichteten Wohlfahrtsorganisationen ein notwendiger und darüber hinaus ein hinreichender Schutz in diesem Fall für die Kinder und ihre Familien? Muss man aus grundsätzlichen Erwägungen, wie das in den Stellungnahmen immer wieder durchscheint, die Verquickung mit geschäftlichen Interessen von Unternehmen ausschließen? An solchen Stellen muss man natürlich unangenehme Fragen stellen, beispielsweise diejenige, die danach fragt, ob nicht auch die so genannten Non-Profit-Unternehmen ein fundamentales Interesse an der Aufrechterhaltung ihres „Geschäfts“ haben? Ist die Kontrolle der möglichen Anreize, die daraus entstehen können, sichergestellt seitens des Staates? Und auch wenn man äußerst skeptisch ist, was die den privaten Anbietern immer wieder zugeschriebene Wirkung in Richtung auf mehr Effektivität und vor allem mehr Effizienz angeht, müsste ein vor dieser Konkurrenz geschütztes System sich durchaus die Frage gefallen lassen, wie denn dann Innovationen, also neue Wege und auch neue Akteure, in das System gelangen können.

Und müsste man nicht mit Blick auf andere höchst sensible Felder der Sozialpolitik zu der grundsätzlichen Schlussfolgerung kommen, dass private, auf Gewinn gerichtete Unternehmen hier nichts zu suchen haben? Um diesen Gedankengang einmal auf die Situation in Deutschland zu übertragen, könnte man an den Bereich der Pflegeheime denken, von denen einige betrieben werden von privatgewerblichen Pflegeheimbetreibern wie der Curanum AG, die sogar an der Börse notiert sind. Müsste man, wenn man die Argumente, die seitens der Kritiker gegen eine Öffnung des Bereichs des Kinderschutzes vorgebracht wurden, logisch zu Ende denkt, nicht auch darüber diskutieren, ob man auf Gewinn gerichtete Unternehmen bei der Pflege alter Menschen überhaupt zulassen dürfte/sollte? Viel Stoff zum Nachdenken.