Ob der Bundesrechnungshof die Bundesagentur für Arbeit wirklich geißelt, sei dahingestellt. Aber in Ordnung ist das nicht: Lohnkostenzuschüsse für Leiharbeitsfirmen

Das ist mal eine Überschrift: Rechnungshof geißelt Bundesagentur für Arbeit. Da wird der eine oder andere sofort an gewisse körperliche Züchtigungspraktiken denken. Aber die sind hier wohl nicht gemeint, weil so was im zwischenbürokratischen Raum eher unüblich ist. Wahrscheinlich geht es dem Verfasser des Artikels um die Synonyme wie anprangern, bloßstellen, brandmarken oder desavouieren. Was ja auch schon heftig genug wäre. Werfen wir also einen Blick auf den Sachverhalt, von dem Thomas Öchsner in seinem Beitrag berichtet. Es geht um Lohnkostenzuschüsse der Arbeitsagenturen. Die sind ganz normal und zugleich auch an sich nicht problematisch, wenn sie denn eingesetzt werden, um bestimmten Arbeitslosen den Einstieg in eine neue Beschäftigung zu erleichtern.
Dahinter steht die plausible Annahme, dass ein Arbeitgeber eher davon zu überzeugen ist, einen Arbeitslosen einzustellen, wenn er für die erste Zeit der Beschäftigung einen Teil der anfallenden Lohnkosten als Zuschuss bekommt – immer ausgehend von der Annahme, dass der betreffende Arbeitslose aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, von Anfang an die annähernd volle Leistung zu erbringen und entsprechend auch über einen längeren Zeitraum eingearbeitet werden muss. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, dann spricht erst einmal nichts gegen das Instrumentarium des Lohnkostenzuschusses, es handelt sich um eine ökonomisch (und sozialpolitisch) durchaus begründbare Kompensation der sogenannten „Minderleistung“ des Arbeitslosen für eine begrenzte Zeit mit der Vorstellung, im Anschluss an die subventionierte Anfangszeit steht dann eine „normale“, also unbefristete Beschäftigung des Arbeitnehmers.
Aber im vorliegenden Fall geht es um eine ganz besondere Nutzung der Lohnkostenzuschüsse, die vom Bundesrechnungshof (BRH) kritisiert wird: »Auch Zeitarbeitsunternehmen, die bei ihnen angestellte Mitarbeiter als Leiharbeiter an andere Firmen verleihen, können die Zuschüsse bekommen. Der BRH hält davon allerdings gar nichts. Zeitarbeitsfirmen werden durch diese Eingliederungszuschüsse „ungerechtfertigt begünstigt“, heißt es in einem internen Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs.«

Die Rechnungsprüfer haben drei große Leiharbeitsunternehmen mit mehr als 7.000 Förderanträgen unter die Lupe genommen. Und die Förderung dieser Unternehmen gefällt den Rechnungsprüfern gar nicht:

»Das Unternehmen, das den Leiharbeiter einsetzt, müsse ihn einlernen und ihm womöglich fehlende Fachkenntnisse vermitteln. Es habe deshalb „den Aufwand für die Behebung der Minderleistung“. Trotzdem kassiere aber das Verleihunternehmen den Lohnkostenzuschuss, „ohne hierfür einen entsprechenden Aufwand zu haben“.«

Man habe den Eindruck gewonnen, dass Leiharbeitsfirmen den Zuschuss teilweise „in ihre Unternehmensstrategie eingebettet haben“. Was nichts anderes bedeutet: Mitnahmeeffekte auf Seiten der Leiharbeitsfirmen nach dem Motto, wenn man das abgreifen kann, dann macht man das auch. Die Prüfer weisen in dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden internen Prüfbericht darauf hin, dass Arbeitnehmer, bei denen eine Lohnkostenbezuschussung abgelehnt worden ist, trotzdem eingestellt worden sind.

»Es geht bei der kritisierten Praxis um viel Geld. 2014 hat die Arbeitsagentur nach eigenen Angaben für mehr als 127.000 Arbeitskräfte Lohnkostenzuschüsse ausgeschüttet. Gut zehn Prozent oder 13.500 waren Leiharbeiter, für die im Durchschnitt 34 Prozent des Bruttogehalts übernommen wurde.«

Natürlich soll man immer auch die andere Seite zu Wort kommen lassen. Was also sagt die BA zu den Vorwürfen der Rechnungsprüfer?

»Ein Sprecher der Bundesagentur wies die Kritik zurück. Die Förderung auch an Leiharbeitsfirmen zu zahlen, sei sinnvoll, weil so Arbeitslose Berufserfahrungen sammeln könnten.«

Das nun ist mit Blick auf die Leiharbeitsverhältnisse in der Realität eine euphemistische Sichtweise auf den Tatbestand. Diese würde nur dann fundiert sein, wenn die Arbeitslosen gleichsam unbefristet von den Leiharbeitsfirmen eingestellt werden und sich am Anfang selbst um die Qualifizierung des Personals kümmern würden, bevor diese an den Markt gehen.

Die Wirklichkeit sieht aber für die Mehrheit der Leiharbeiter ganz anders aus. Sie werden oftmals (in mehr als 50 Prozent der Fälle) innerhalb von drei Monaten wieder – wie heißt das so schön im Neudeutschsprech – „freigesetzt“ werden.

Die – vorsichtig formuliert – Fragwürdigkeit des Förderansatzes kann man sich in einem einfachen Denkschritt verdeutlichen: Die Leiharbeitsfirmen verdienen ihr Geld damit, dass sie Arbeitskräfte an Entleihunternehmen verleihen und dafür eine entsprechende Marge, also Gewinn, realisieren können, der auf der Tatsache basiert, dass man andere für sich arbeiten lässt. Der entleihende Unternehmer hat den offensichtlichen Vorteil, dass er über den Leiharbeiter verfügen und ihn auch direkt im Zentrum der Produktion bzw. Dienstleistungserstellung einsetzen, sich zugleich aber jederzeit ohne Probleme wieder von diesen Beschäftigten trennen kann, in dem er die Leiharbeiter „zurückgibt“.

Normalerweise müsste das Leiharbeitsunternehmen hingehen und – wenn notwendig – eine Überbrückung organisieren, bis sich eine Anschlussbeschäftigung ergibt. Aber viele Leiharbeitsfirmen machen genau das nicht, sondern sie setzen konsequent auf eine Synchronisation der Laufzeit der vorher akquiriertenVerträge mit dem Kundenunternehmen und der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer. Anders formuliert: Wenn der Auftrag vorbei ist, dann werden auch wieder viele Leiharbeiter auf der Straße gesetzt. Das führt dann auch dazu, dass weit mehr als die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse weniger als drei Monate dauern.

Hinzu kommt: Während der Anteil der Leiharbeit an der Gesamtbeschäftigung bei unter drei Prozent liegt, ist es so, dass jede dritte bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete offene Stelle auf die Leiharbeitsbranche entfällt (vgl. dazu den Artikel Bundesagentur für Arbeit: Jede dritte offene Stelle in der Leiharbeit). In manchen Gegenden ist es sogar jede zweite offene Stelle, die meldet wird, wie man der Abbildung entnehmen kann.

Die Deregulierung der Leiharbeit hatte ihren bisherigen Höhepunkt im Kontext der „Hartz-Reformen“. Am 1. Januar 2013 trat eine massive Deregulierung in Kraft: Wegfall des Synchronisationsverbots, des Wiedereinstellungsverbots sowie der Überlassungshöchstdauer. Damit haben sich die Freiheitsgrade der Leiharbeitsbranche erheblich erhöht – und die Unsicherheit der Beschäftigten spiegelbildlich auch.

Vor diesem Hintergrund machen Lohnkostenzuschüsse an Leiharbeitsfirmen keinen Sinn, sondern sie stellen entgegen ihrer eigentlichen Intention primär eine Subventionierung der Leiharbeitsunernehmen dar, nicht der betroffenen Arbeitnehmer.

Fazit: Diese Form der Subventionierung macht keinen erkennbaren Sinn und gehört abgeschafft. Sie hätte nur dann einen Sinn, wenn die Leiharbeitsfirmen ihre Beschäftigten dauerhaft anstellen wie andere Unternehmen auch. Die Leiharbeitsfirmen profitieren schon genug von der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern, beispielsweise durch die kostenlose Inanspruchnahme der ganzen Infrastruktur und die Arbeitslosen sind nicht nur verpflichtet, auch Leiharbeitsjobs anzunehmen – oftmals finden sie vor Ort auch gar keine relevanten anderen Angebote.

Auf der Rutschbahn direkt in Hartz IV. Mehr als jeder fünfte Beschäftigte ist davon bei Arbeitslosigkeit betroffen. Was ein wenig helfen würde und wo die (System-)Grenze ein Dilemma ist

Also „normalerweise“ sollte es so sein, dass das Risiko der Erwerbsarbeitslosigkeit durch „vorrangige“ Sicherungssysteme aufgefangen wird, also durch die Arbeitslosenversicherung und nicht durch eine bedürftigkeitsabhängiges Fürsorgesystem wie Hartz IV. Mittlerweile haben sich diese Verhältnisse umgekehrt und fast 70% der registrierten Arbeitslosen befinden sich im Grundsicherungssystem (SGB II), während etwas mehr als 30% im Versicherungssystem (SGB III) abgesichert sind. Das hängt auch damit zusammen, dass aufgrund der Veränderungen in den unteren Etagen des Arbeitsmarktes seit Mitte der 1990er Jahre – vor allem deren Ausbreitung und der für viele dauerhaften Exklusion von stabileren Formen der Beschäftigung – die Voraussetzungen für den Bezug von Versicherungsleistungen nicht oder immer seltener erfüllt werden (können), wie beispielsweise die notwendige Vorbeschäftigungszeit innerhalb einer vom Gesetzgeber festgelegten Rahmenfrist, um beim Eintritt des „Schadensfalls“ Arbeitslosigkeit Leistungen zu bekommen.
Das führt dann zu solchen Meldungen, die auf eine neue Auswertung der Zugangsdaten in Arbeitslosigkeit beruhen, die vom DGB in regelmäßigen Abständen vorgenommen wird: Jeder fünfte Beschäftigte rutscht bei Arbeitslosigkeit sofort in Hartz IV: »Demnach waren in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 264.000 Beschäftigte schon zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit auf Hartz IV angewiesen. Das waren 21,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Jobverlust. Besonders angespannt ist die Lage in der Zeitarbeitsbranche. Dort wurden im ersten Halbjahr 183.000 Arbeitkräfte entlassen. Davon waren rund 68.000, also 37 Prozent, direkt im Anschluss auf staatliche Grundsicherung angewiesen.«

Wer das Original lesen möchte, kann die Auswertung der Zugangsdaten in Arbeitslosigkeit und vor allem die sozialpolitischen Schlussfolgerungen des DGB hier als PDF-Datei abrufen:

Wilhelm Adamy: 12 Monate mehr: Wie die Arbeitslosenversicherung besser vor Verarmung schützen kann. Auswertung aktueller Arbeitsmarktzahlen (1. Halbjahr 2015), Berlin 2015.

»Der Weg vom Beschäftigten zum Hartz-IV-Empfänger kann sehr kurz sein«, so Wilhelm Adamy in seiner Analyse: »Mehr als zwei Drittel der Beschäftigten, die sich neu arbeitslos melden müssen, haben eine berufliche Ausbildung oder waren als Spezialist oder Experte (z.B. Ingenieur) beschäftigt. Das Hartz IV-Risiko bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nimmt zwar mit dem Qualifikationsniveau ab, liegt bei ehemaligen Fachkräften aber immer noch bei knapp einem Fünftel. Bei den arbeitslosen Helfern sind nach einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt sogar 42 Prozent auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen.«

Und jetzt kommt ein Problem, auf das die derzeitige Debatte zielt:

»Viele mit und ohne Berufsabschluss haben zwar gearbeitet und ein ganzes Jahr Beiträge zur Versicherung gezahlt. Sie haben es aber nicht innerhalb der letzten zwei Jahre (der gesetzlichen Rahmenfrist) schaffen können, weil sie befristet oder unstetig beschäftigt waren. Infolge der zu kurzen Beitragszahlungen oder einer länger zurück liegenden Beschäftigung führt dies zum sofortigen Sturz in das Hartz-IV-System. Insbesondere prekär Beschäftigte, kurzfristig Beschäftigte und Leiharbeitskräfte kommen oftmals gar nicht in den Schutz der Versicherung.«

„Beeindruckend“ im negativen Sinne sind hier die für die Leiharbeit präsentierten Daten:

»Im Verleihgewerbe sind im ersten Halbjahr 2015 bereits 183.000 Leiharbeitskräfte arbeitslos geworden, rund 68.000 davon sind direkt auf Hartz IV angewiesen. Diese Zugänge aus Leiharbeit in Arbeitslosigkeit entsprechen fast einem Viertel des Beschäftigungsbestandes dieser Branche. Heuern und Feuern ist hier immer noch an der Tagesordnung, wenn im Schnitt ein Viertel der Belegschaft im Verleihgewerbe innerhalb eines halben Jahres Erfahrung mit Arbeitslosigkeit machen muss. Rund 37 Prozent der vormaligen Leiharbeitskräfte sind bei Eintritt der Arbeitslosigkeit zugleich auf Hartz IV angewiesen.«

Hinsichtlich des diskutierten und vom DGB auch geforderten Veränderungsbedarfs muss man darauf hingewiesen, dass es sich um den Vorschlag handelt, eine alte, also früher schon mal bestehende Regelung in der Arbeitslosenversicherung wieder einzuführen, also nichts wirklich Neues oder gar Revolutionäres. Dem DGB-Papier können wir dazu entnehmen:

»Laut Koalitionsvertrag sollen Beschäftigte künftig wieder 36 Monate Zeit haben, um zwölf Monate Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen. Dieser Zeitraum ist die Voraussetzung, um Arbeitslosengeld I zu beziehen. Von dieser Reform würden insbesondere Menschen profitieren, die häufig nur für kurze Zeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Die so genannte Rahmenfrist lag vor 2006 ebenfalls bei 36 Monaten und wurde dann auf 24 Monate verkürzt.«

Der DGB „erinnert“ nun die Bundesregierung lediglich an das eigene Vorhaben, das man im Koalitionsvertrag beschlossen hat:

»Der DGB fordert, die gesetzliche Rahmenfrist endlich zu verlängern (im Koalitionsvertrag war Anfang 2015 als Start genannt worden). Das würde im Jahresschnitt die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld I um etwa 50.000 erhöhen, die Ausgaben würden pro Jahr um rd. 300 Mio. Euro steigen. Gleichzeitig würde das Hartz-IV- System schrumpfen. Bund und Kommunen würden jährlich um fast 100 Mio. Euro entlastet.«

Man sollte aber vor dem Hintergrund der Gesamtzahl an Arbeitslosen und an Zugängen in Arbeitslosigkeit den Effekt einer solchen Veränderung nicht überbewerten – für die einzelnen Betroffenen wäre das sicher eine wichtige Verbesserung, aber das angesprochene Grundproblem einer seit vielen Jahren beobachtbaren Verschiebung der „Absicherung“ von Phasen der Erwerbslosigkeit aus der (eigentlich zuständigen) Arbeitslosenversicherung in die (eigentlich nur als letztes Auffangnetz vorgesehene) Fürsorge wird dadurch nur in einer überschaubaren Art und Weise etwas korrigiert.

Zu den Zahlen: Im 1. Halbjahr 2015 haben 1,238 Mio. Menschen ihren sozialversicherten Job verloren und sind arbeitslos geworden.  Mehr als ein Fünftel der Beschäftigten, die im ersten Halbjahr 2015 den Job verloren, sind schon zu Beginn der Arbeitslosigkeit in Hartz IV gerutscht. Absolut waren dies 264.000 bzw. 21,3 Prozent der sozialversichert Beschäftigten mit Jobverlust.
Was würde nun die eigentlich vereinbarte Verlängerung der Rahmenfrist von zwei auf drei Jahre bringen? Hier werden zwei Zahlen genannt: Im DGB-Papier findet man dazu den Hinweis: »Das würde im Jahresschnitt die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld I um etwa 50.000 erhöhen.« In dem Artikel der Saarbrücker Zeitung wird eine etwas andere Zahl genannt: »Nach Angaben des DGB-Arbeitmarktexperten Wilhelm Adamy könnten dadurch im Jahresschnitt bis zu 35.000 Personen vor dem sofortigen Abdriften in Hartz IV bewahrt werden.«

35.000 bis 50.000 sind eine Menge. Aber nur ein Teil der Betroffenen:

Für die große Mehrheit der Arbeitslosen, die derzeit direkt „weitergereicht“ werden in das Hartz IV-System, bleibt das beschriebene Dilemma erheblicher Sicherungslücken in dem „eigentlich“ für ihr Problem zuständigen Versicherungssystem bestehen. Das Dilemma resultiert aus dem Versicherungscharakter der Arbeitslosenversicherung, die zwar eine Sozialversicherung ist, aber eben auch Versicherungsprinzipien folgen muss. Zugespitzt formuliert: Die Arbeitslosenversicherung ist ein geeignetes Aufgang- und (bei entsprechender Höhe der Leistungen) Absicherungssystem für die betroffenen Arbeitnehmer, wenn der Schadensfall der Arbeitslosigkeit nur als Ausnahmefall und dann temporär eintritt, also nach einer überschaubaren Zeit wieder beendet werden kann durch die Aufnahme einer neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeit. Die Versicherung als solche stößt an ihre (System-)Grenze, wenn die Arbeitslosigkeitsphasen oft und dann auch noch lange anhaltend auftreten. Vor diesem strukturellen Problem stehen alle – grundsätzlich wichtigen und eigentlich notwendigen – Ansätze einer Weiterentwicklung der „tradierten“ Arbeitslosen- hin zu einer modernen „Beschäftigungsversicherung“, seit Jahren richtigerweise gefordert, aber bislang noch nicht wirklich überzeugend konzeptualisiert. Das ist keineswegs ein Plädoyer, darüber nicht weiter zu diskutieren. Aber derzeit bleibt hier ein großes Fragezeichen.

Eine „Beschäftigungsversicherung“ würde nicht nur vor dem Problem stehen, dass die Fälle besser abgesichert werden müssen, um die es bislang in diesem Beitrag ging, die also häufig und länger anhaltend arbeitslos werden aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die ganze „Aufstocker“-Thematik aus dem Grundsicherungssystem müsste hier berücksichtigt werden, also die Mischung aus Erwerbstätigkeit und einer aufstockenden Leistungsgewährung angesichts der nicht ausreichend hohen Einkommen aus der Erwerbstätigkeit, sei sie nun sozialversicherungspflichtig, als geringfügige Beschäftigung oder in Form der Selbständigkeit ausgeübt.

18 Monate und nicht länger. Oder darf es doch mehr, also länger sein? Die Leiharbeit und die Versuche, sie zu re-regulieren

Von der Absicht über die Aufweichung hin zu einem
weichgespülten Umsetzungsergebnis? Sollte nach diesem durchaus bekannten Muster
auch die von der Großen Koalition angestrebte Neuregelung der Leiharbeit
ablaufen? Es gibt Hinweise darauf, aber die Gefechtslage ist insgesamt
komplizierter, auch durch eine unterschiedliche Rechtsprechung verschiedener
Gerichtsebenen.
Aber werfen wir zuerst einmal einen Blick auf die Absicht,
die am Anfang der Geschichte stand: Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD aus dem Dezember 2013 findet man unter der Überschrift „Arbeitnehmerüberlassung
weiterentwickeln“ (S. 49-50) die folgende Absichtserklärung:

»Wir präzisieren im AÜG die Maßgabe, dass die Überlassung
von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend erfolgt, indem wir eine
Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festlegen. Durch einen
Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder aufgrund eines
solchen Tarifvertrags in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können unter Berücksichtigung
der berechtigten Interessen der Stammbelegschaften abweichende Losungen
vereinbart werden … Die Koalition will die Leiharbeit auf ihre Kernfunktionen
hin orientieren. Das AÜG wird daher an die aktuelle Entwicklung angepasst und
novelliert:
Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass
Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach neun Monaten
hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt
werden.«

Vielen sind die 18 Monate hängen geblieben als (geplante)
Obergrenze für die Beschäftigung eines entliehenen Arbeitnehmers in einem
Unternehmen, nicht aber die dann folgende Inaussichtstellung einer Öffnung nach
oben, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind wie beispielsweise eine
tarifvertragliche Regelung. 

Insofern muss man vor diesem Hintergrund – und
angesichts der Tatsache, dass die Koalition die im Koalitionsvertrag normierten
Punkte so abarbeitet, wie sie aufgeschrieben wurden, also vor allem nicht oder
nur marginal darüber hinausreichend – die Vorwürfe, die Bundesarbeitsministerin
Andrea Nahles (SPD) sei „eingeknickt“ und wolle bei den Arbeitgebern „gut
Wetter“ machen, als sie angekündigt hat, dass auch eine über 18 Monate
hinausreichende Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers möglich gemacht werden
könne im anstehenden Gesetzgebungsverfahren (vgl. dazu beispielsweise Nahles
will Leiharbeit auch über 18 Monate hinaus zulassen
oder das Interview mit
ihr: „Wer
Tarif zahlt, hat Spielraum“
), doch mal relativieren. Denn genau diese
Abweichung nach oben wurde – wie man dem Zitat aus dem Koalitionsvertrag
entnehmen kann – von vornherein als Option mit aufgenommen.

Insofern hält sich Nahles an die Vereinbarungen und gutmütig
interpretiert könnte man die in die Diskussion geworfene differenzierte
Höchstüberlassungsdauer in Abhängigkeit von tarifvertraglichen Regelungen oder
entsprechenden Betriebsvereinbarungen als Stärkungsversuch der generell schwer
unter Druck befindlichen Tarifvertragslandschaft verstehen.

Skeptisch veranlagte Beobachter der Materie werden
vielleicht einwenden, dass diese Öffnungsklausel angesichts der letztendlich
immer bestehenden und nicht aufhebbaren Machtasymmetrie zwischen Arbeitnehmer-
und Arbeitgeberseite im Unternehmen dazu führen kann (und wird), dass die
Stammbelegschaft und deren Interessenvertretung ein Interesse daran haben, dem
Arbeitgeber bei der möglichst flexiblen Nutzung bestimmter Randbelegschaften
über das Instrument einer letztendlich dauerhaften Inanspruchnahme im Status eines
entliehenen Arbeitnehmers entgegen zu kommen, um die eigenen (besseren)
Arbeitsbedingungen zu sichern.
Grundsätzliche Kritiker des Leiharbeitssystems werden
hingegen argumentieren, dass eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten (und
möglicherweise noch länger) vor dem Hintergrund der „klassischen“
Funktionalität von Leih- bzw. Zeitarbeit im Sinne einer temporären
Inanspruchnahme für Vertretungsfälle oder unerwarteter Auftragsspitzen viel zu
lange ausgestaltet ist und weiter dazu einladen wird, aus einer temporären eine
dauerhafte Beschäftigung zu machen, ohne aber als entleihendes Unternehmen die
normalen Arbeitgeberrisiken eines direkten Beschäftigungsverhältnisses tragen
zu müssen. Das muss dann auch eines der entscheidenden Motive sein für diese
Form der Nutzung von Leiharbeit, denn auch wenn in der Vergangenheit durchaus
zu Recht auf die Lohndumping-Komponente von Leiharbeit in den entleihenden
Betrieben hingewiesen wurde, muss man heute – nach einigen
Re-Regulierungsrunden – zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Kosten für den
Einsatz von Leiharbeitern deutlich erhöht haben.

Und alle, die „nur“ auf die
Löhne der Leiharbeiter schauen, müssen zur Kenntnis nehmen, dass es in mehreren
Branchen mittlerweile von den Gewerkschaften durchgesetzte „Branchenzuschläge“
gibt, die eine Annäherung an „equal pay“ in Abhängigkeit einer längeren
Beschäftigung vorsehen, die – nehmen wir den Metall- und Elektrobereich – nach
neun Monaten den um Sonderzahlungen und andere Vergünstigungen für die
Stammbelegschaft bereinigten Verdienst der „Normalbeschäftigten“ für die
Leiharbeiter durchaus erreichbar macht. Hinzu kommt: Für die entleihenden
Unternehmen stellen sich die Leiharbeiter kostenrechnerisch keineswegs als
„billiger“ dar wie die eigenen Mitarbeiter, denn zu den Kosten für die
Leiharbeiter kommen natürlich noch die Kostenbestandteile, die an den Verleiher
gehen, einschließlich seiner Marge. Insofern muss es in vielen Fällen andere
Motive geben für den Einsatz von Leiharbeitnehmern, wie eben beispielsweise die
Flucht aus den Arbeitgeberrisiken.

Man könnte an dieser Stelle aber auch ganz formal
argumentieren und darauf hinweisen, dass das, was seitens des
Bundesarbeitsministeriums derzeit an gesetzgeberischen Konkretisierungen einer
Höchstüberlassungsdauer vorbereitet wird, doch nur aus der Tatsache resultiert,
dass seit 2011 im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz normiert ist, dass
Entleihungen „vorübergehend“ sein sollen. So heißt es im § 1 Abs. 1 AÜG: „Die
Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.“ Nur wurde
dieser Begriff bislang nicht näher bestimmt, was jetzt also gleichsam nachgeholt
werden soll.

Aber an dieser Stelle wird es unübersichtlich, weil wir mit
einer nicht kohärenten Rechtsprechung konfrontiert werden und nun auch noch die
EU-Kommission ihre eigene Richtlinie betreffend überraschende Signale aussendet.

Zur Erinnerung: Seit Ende 2011 dürfen Arbeitgeber
Leiharbeitnehmer nur noch „vorübergehend“ einsetzen. Wie lange das
ist, ließ der Gesetzgeber unklar. Das BAG urteilte im Juli 2013, dass hinter
dem Begriff jedenfalls mehr steckt als ein folgenloser Programmsatz. Markus
Kappenhagen hat sich mit der BAG-Entscheidung in seinem Artikel „Unbegrenzt“
ist nicht „vorübergehend“
auseinandergesetzt.

Wie lange
„vorübergehend“ ist, hat das BAG nicht bestimmt.

»Ein Einsatz von Leiharbeitnehmern ohne jede zeitliche
Begrenzung ist unzulässig, so das BAG vergangene Woche. Der Betriebsrat ist
daher berechtigt, seine Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers nach
§ 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu verweigern, wenn der Arbeitgeber die
geplante Beschäftigung als dauerhaft deklariert (Urt.
v. 10.07.2013, Az. 7 ABR 91/11
). In dem aktuellen Fall hatte der
Arbeitgeber ausdrücklich geäußert, er beabsichtige, die Leiharbeitnehmerin ohne
jegliche zeitliche Begrenzung anstelle einer Stammkraft einzusetzen. Daher
konnte es sich das BAG leicht machen: Was zeitlich unbegrenzt ist, kann nicht
„vorübergehend“ sein. Das Merkmal diene dem Schutz der
Leiharbeitnehmer und solle eine Aufspaltung der Belegschaft des Entleihers in
eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Die Praxis
hat damit allerdings noch immer keine Wegweisung, wie lange
„vorübergehend“ sein kann. Klar ist nur, dass es eine zeitliche
Begrenzung geben muss.«

Diese Entscheidung des BAG spielte eine Rolle in einem anderen
Verfahren, über das André Zimmermann in seinem Artikel Dauerhafte
Leiharbeit ist zulässig!
berichtet:

»Ende 2014 hatte eine Leiharbeitnehmerin die Bundesrepublik
vor dem Landgericht (LG) Berlin wegen unzureichender Umsetzung der
Leiharbeitsrichtline 2008/104/EG auf Schadensersatz verklagt (Az. 28 O 6/15).
Sie ist bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt und seit mehreren Jahren in
einer Klinik auf demselben Arbeitsplatz tätig. Sie wird nach Tarifverträgen der
Zeitarbeit bezahlt – und verdient deutlich weniger als Stammarbeitnehmer. Die
Vergütungsdifferenz der letzten drei Jahre von rund EUR 30.000,00 verlangt sie
nun als Schadensersatz vom Staat.«

Die Klägerin bezog sich auf die EU-Leiharbeitsrichtlinie,
die – so ihre Argumentation – „equal pay“ vorschreibe und damit eine solche
Ungleichbehandlung wie in ihrem Fall nicht zulasse. Der Gesetzgeber habe es
versäumt, einen dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern zu schlechteren
Bedingungen zu verbieten und Sanktionen in Form von Ansprüchen der
Leiharbeitnehmer gesetzlich festzuschreiben.

Dass keine Sanktionen vorgesehen sind, ist auch bei einer
weiteren wichtigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hoch relevant
gewesen: Es geht hier um das Urteil
vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13
. Dessen Leitsatz lautet so: »Besitzt ein
Arbeitgeber die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, kommt
zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn
der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.« Das BAG verweist dabei auf § 10 Abs. 1
Satz 1 AÜG, dem man entnehmen dann, dass die Rechtsfolge Entstehung eines
unbefristeten Arbeitsverhältnis beim entleihenden Unternehmen ausschließlich
bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers eintreten kann.

Der Gesetzgeber hat bei einer nicht nur vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines
Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gibt kein
anderes Ergebnis vor, denn die europäische Leiharbeitsrichtlinie gibt ebenfalls
keine Sanktionierung vor, sondern delegiert das an die Mitgliedsstaaten.
Markus Kappenhagen schrieb zu dem „überraschenden“ Urteil
des BAG aus dem Dezember 2013 zulasten der Leiharbeiter in seinem Artikel Auch
nach drei Jahren kein Arbeitsvertrag
:

»Ein Unternehmen verleiht 90 Prozent seiner Mitarbeiter an
Kliniken und Heime in Trägerschaft eines Landkreises, und ist gleichzeitig eine
100-prozentige Tochter der Gesellschaft, die die Krankenhäuser betreibt, und
ansonsten nicht am Markt als Verleiher tätig. Im Arbeitsvertrag des klagenden
IT-System-Administrators waren die Kliniken ausdrücklich bezeichnet. Sein
Einsatz dort war nicht befristet, nach dreieinhalb Jahren wurde sein
Überlassungsvertrag jedoch gekündigt. Unmittelbar nach der Kündigung schrieb
die Klinik die Stelle wieder aus und wies dabei darauf hin, dass die Anstellung
über das konzerneigene Verleihunternehmen erfolgen werde.«

Kappenhagen spricht davon, dass diese BAG-Entscheidung überrascht,
»bot der konkrete Sachverhalt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die
Beteiligten die gesetzliche Regelungen umgehen wollten.« Ein Erklräungsansatz:
»Die Erfurter Richter hielten es aber schlicht nicht für ihre Aufgabe, anstelle
des Gesetzgebers Rechtsfolgen zu formulieren. Angesichts der Vielzahl möglicher
Sanktionen müsse dieser schon selbst tätig werden.«
Wieder zurück zu dem Beitrag
von André Zimmermann und der Berichterstattung über die Klägerin vor dem
Landgericht Berlin:

»Anfang 2015 hat die Klägerin dann bei der EU-Kommission
zusätzlich die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258
AEUV gegen die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen die Leiharbeitsrichtlinie
beantragt. Die Bundesrepublik habe bewusst und richtlinienwidrig keine
effektiven Sanktionen gegen dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern zu
schlechteren Bedingungen geschaffen. Eine dauerhafte Schlechterstellung von
Leiharbeitnehmern stehe im eklatanten Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie.«

Dieser Ansatz der Klägerin erscheint prima facie nicht
unplausibel, hatte doch die EU-Kommission in ihrem neuesten Bericht
über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit
ausgeführt, dass
„bestimmte, häufig angewandte Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in
einigen Fällen möglicherweise dazu geführt (haben), dass die Anwendung der
Richtlinie keine effektive Verbesserung des Schutzes der Leiharbeitnehmer
herbeigeführt hat.“
Die Stellungnahme der EU-Kommission, an die sich ja der
Antrag der Klägerin gerichtet hat, fällt dann doch überraschend aus. Die
Kommission argumentiert, dass »die Richtlinie keine Beschränkung der Dauer der
Überlassung von Leiharbeitnehmern an die entleihenden Unternehmen vor(sieht).
Die Mitgliedstaaten seien daher nicht verpflichtet, eine Höchstdauer für die
Überlassung von Leiharbeitnehmern festzulegen. Eine dauerhafte Überlassung sei
nicht richtlinienwidrig, sodass die Mitgliedstaaten auch nicht verpflichtet
seien, hierfür Sanktionen vorzusehen.«
Diese Stellungnahme der EU-Kommission wird die
Bundesarbeitsministerin möglicherweise noch in Bedrängnis bringen können:

»Eine
arbeitsplatzbezogene Höchstdauer, wie sie teilweise gefordert wird, dürfte
nicht vereinbar sein mit der Richtlinie und der Auffassung der Kommission.
Allenfalls eine arbeitnehmerbezogene Einsatzlimitierung dürfte zulässig sein.«

Was ist das jetzt wieder für eine Unterscheidung? Das
dahinter stehende grundlegende Problem ist wie so oft im juristischen Raum eine
Abgrenzungsfrage. Markus Kappenhagen hat das in seinem Artikel Auch
nach drei Jahren kein Arbeitsvertrag
so beschrieben:

»Eine solche gesetzliche 18-monatige Grenze wird nicht ohne
Folgefragen bleiben: Soll damit nur verhindert werden, dass ein einzelner
Leiharbeiter mehr als 18 Monate überlassen wird, so dass der Entleiher einfach
die Person auswechseln könnte? Oder muss der Beschäftigungsbedarf auf einem
konkreten Arbeitsplatz „vorübergehend“ sein, so das die Stelle nach
18 Monaten als Dauerarbeitsplatz gilt und mit einem regulären Mitarbeiter
besetzt werden muss (letzterer Auffassung ist das Landesarbeitsgericht Hamburg,
Urt. v. 29.08.2013, Az. 1 TaBV 3/13). Und schließlich: Was soll die Folge sein,
wenn Unternehmen die Höchstverleihdauer überschreiten? Wird der Gesetzgeber so
weit gehen, dann das fingierte Arbeitsverhältnis zum Entleiher anzuordnen?«

Was könnte passieren, wenn es also keine arbeitsplatzbezogene
Höchstdauer geben wird, sondern wenn, dann nur eine arbeitnehmerbezogene
Einsatzlimitierung? »Der Verleiher kann demselben Entleiher dann nach Ablauf
der 18 Monate einen anderen Leiharbeitnehmer überlassen, ohne dass die
vorangegangene Überlassung angerechnet wird. Auch eine Mehrfachüberlassung
desselben Leiharbeitnehmers wäre dann wohl zulässig.«

Das hört sich nicht alles irgendwie nicht sehr überzeugend
an und schafft sogleich neue Probleme bei bestimmten Fallkonstellationen, von
denen eine hier exemplarisch aufgerufen werden soll – vor allem in Anbetracht
der Vermutung, dass genau solche Fälle auch den Überlegungen aus dem
Bundesarbeitsministerium zugrunde liegen, die geplante 18-Monate-Grenze wieder
nach oben aufweichen zu können.

Die meisten Menschen denken bei Leiharbeit an Arbeitnehmer,
die eher im unteren Qualifikations- und Einkommensbereich arbeiten. Und
tatsächlich ist es ja auch so, dass die Helferberufe überdurchschnittlich stark
vertreten sind. Aber es gibt Arbeitnehmerüberlassung eben auch am anderen Ende
der Skala. Nehmen wir als Beispiel die Ingenieure. Sehr viele Ingenieure
arbeiten nicht in den Unternehmen, für die sie tätig sind, direkt, sondern bei
so genannten „Ingenieurdienstleistern“, die ihre Leute beispielsweise an die
Automobilhersteller entweder über Werk- bzw. Dienstverträge abgeben (etwa 70
Prozent der Umsätze) oder aber über die Arbeitnehmerüberlassung (26% der
Umsätze), folgt man den Erkenntnissen der Lünendonk-Studie 2015 „Führende
Anbieter von Technologie-Beratung und Engineering Services in Deutschland“,
über deren Befunde in dem Artikel Markt
für Ingenieurdienstleistung wächst moderat. Lünendonk-Studie: Umsatz steigt um
5 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro
berichtet wird. Aufgrund der komplexen
Projekte sind Laufzeiten von zwei Jahren und mehr keine Seltenheit in der
Engineering-Branche. Wenn ein Auftraggeber durch eine Höchstüberlassungsdauer
nach 18 Monaten zwangsweise per Gesetz gut eingearbeitete Ingenieure in den
Projekten verlieren würde, dann entstünde daraus für die Ingenieurdienstleister
eine erhebliche Problematik, zusätzlich zu der Tatsache, dass die
Fluktuationsquote bei 17 Prozent liegt und zwei Drittel der abgängigen
Ingenieure beim Kundenunternehmen landet, bei dem sie vorher als Leiharbeiter
tätig waren. Dass man in diesen Kreisen erhebliche Widerstände gegen die
geplante 18-Monate-Regelung an den Tag legt, kann man durchaus nachvollziehen.

Auf der anderen Seite stehen die vielen am unteren Ende der
Leiharbeiterwelt und deren Beschäftigungszeit bei einem Verleiher liegt in über
der Hälfte aller Fälle bei unter drei Monaten. Das bedeutet, die profitieren
gar nicht von der 18-Monate-Grenze und sie haben auch nichts von den
Branchenzuschlägen, da die erst stufenweise relevant werden nach einer längeren
Beschäftigungszeit in dem entleihenden Unternehmen.

Wir werden uns überaschen lassen (müssen), wie man in der
Großen Koalition diese nicht unkomplizierte Gemengelage aufzulösen versuchen
wird.