Das Bundesarbeitsgericht zweifelt. Und legt die Kündigung einer Hebamme schon vor Arbeitsantritt aufgrund ihres Kirchenaustritts dem EuGH vor. Die Lösung wäre einfach

Dass die katholische und evangelische Kirche in Deutschland den einbalsamierten Status von faktischen Staatskirchen haben in einem Land, in dem Staat und Kirche angeblich getrennt sein sollen, ist seit Jahren nicht nur mit Blick auf die enormen Zahlungen aus allgemeinen Steuermittel beispielsweise für das Leitungspersonal der Kirchen (mit der Begründung, wegen der Enteignung von Kirchengütern zu napoleonischen Zeiten müsse man auch heute noch Reparationen leisten) in der Kritik, sondern auch und gerade aufgrund der erheblichen Bedeutung der Kirchen bzw. kirchlich gebundener Träger im Sozial- und Gesundheitswesen als ganz großer Arbeitgeber hinsichtlich der weitreichenden Sonderrechte, die seitens der kirchlichen Arbeitgeber (pardon: richtigerweise muss es in der kirchlichen Terminologie „Dienstgeber“ heißen) gegenüber ihren „Dienstnehmern“ ausgeübt werden können – und die beispielsweise den hunderttausenden Beschäftigten in Kitas und Kliniken das elementare Streikrecht vorenthalten. Und immer wieder regt man sich verständlicherweise darüber auf, wenn Beschäftigte aufgrund ihres rein privaten Lebenswandels, der den Kirchenoberen nicht gefällig ist, sogar ihren Job verlieren (zugleich feiert eine abgrundtiefe Doppelmoral hier schon seit vielen Jahren ein fröhliches Fest, denn in zahlreichen anderen Fällen, beispielsweise bei der Besetzung wichtiger Stellen in Kliniken, drückt man beide katholischen Augen ganz feste zu, auch wenn es der Chefarzt ganz wild treibt mit der/den Ehe/n).

mehr

Von einem „schlechten Tag für die Pflege“ über die absehbare Festschreibung eines weitgehend tariffreien Geländes bis hin zu den gefährlichen Untiefen „ortsüblicher Löhne“. Anmerkungen zum Arbeitsentwurf für ein Pflegereformgesetz

„Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, hat mit Enttäuschung auf die heutige Ent­­­scheidung der Caritas gegen einen Pflegetarifvertrag reagiert“, meldet das Ministerium am 25. Februar 2021 unter der Überschrift „Heute ist ein schlechter Tag für die Pflege“ und verlinkt dazu ein Video mit dem Statement des Ministers. Die Hintergründe dieser Entscheidung und die massive Kritik daran ist in diesem Beitrag vom 7. März 2021 ausführlich dargestellt worden: Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten. Seitdem erlebt vor allem die Caritas (die evangelische Diakonie hatte lediglich das „Glück“, dass sie einen Tag nach der Arbeitsrechtlichen Kommission der Katholiken hätte entscheiden und Farbe bekennen müssen, worauf sie dann wegen der Caritas-Ablehnung „verzichtet“ und sich in die Büsche geschlagen hat) einen heftigen Gegenwind, worüber man sich nun auf Seiten des Verbandes pikiert, „betroffen“ und „empört“ zeigt.

In den Argumentationsversuchen der Caritas-Spitze wird nun immer wieder ein Strang erkennbar, der auf das „Bedrohungspotenzial“ für die eigenen, (angeblich) doch viel besseren Löhne in den katholischen Pflegeeinrichtungen abstellt. Danach bestände die Gefahr, dass es irgendwann einmal seitens der „Kostenträger“, also konkret der Pflegekassen, in den Preisverhandlungen eine Bezugnahme auf den einen, dann allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geben würde, so dass dann die höheren Vergütungen in den anderen Einrichtungen nicht mehr gegenfinanziert werden (können).

mehr

Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten

Am 1. Juli 2018 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Die einen wollen Tariflöhne in der Altenpflege, die anderen die Arbeitgeber genau davor bewahren. Der Weg wird kein einfacher sein. Darin und in Folgebeiträgen (beispielsweise am 19. Januar 2019: Ein flächendeckender Tarifvertrag für die stationäre und ambulante Altenpflege? Es ist und bleibt kompliziert) wurde beschrieben, wie schwierig die Umsetzung der lobenswerten Absicht sein wird, in der Altenpflege zu einem für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrag zu kommen. Das Feld der stationären und ambulanten Pflege ist tarifpolitisch besonders vermint, hier stehen sich im Grunde zwei Blöcke gegenüber, die gemeinnützigen Anbieter (mit einem besonderen Schwergewicht bei den katholischen und evangelischen Trägern) sowie die privatgewerblichen Anbieter (kommunale Träger sind nur noch in Spurenelementen) vorhanden. Fast die Hälfte der immer im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehenden Altenheime sind schon in privatgewerblicher Hand, bei den ambulanten Pflegediensten sind es zwei Drittel. Und mit Blick auf diese Seite des „Marktes“ müssen wir eine quasi tariffreie Zone konstatieren (die übrigens auf der Seite der Beschäftigten durch einen desaströs niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad komplettiert wird). Hinzu kommt, dass auf der Seite der gemeinnützigen Anbieter die beiden konfessionell gebundenen Schwergewichte, vertreten durch Caritas und Diakonie, in einer Sonderwelt leben dürfen, dem sogenannten „Dritten Weg“. Danach werden den Beschäftigten in konfessionell gebundenen Einrichtungen und Diensten elementare Arbeitnehmerrechte vorenthalten (beispielsweise das Streikrecht) und die Kirchen dürfen ihre Angelegenheiten weitgehend selbst und auch unter Ausschluss von Gewerkschaften regeln, selbst in den vielen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens, die zu 100 Prozent aus Steuer- und Beitragsmitteln finanziert werden.

mehr