Elfenbeinturm gegen altes Zunftdenken? Zur Debatte über Teilqualifizierungen für Flüchtlinge

Man könnte es für eine dieser typischen und oftmals entnervenden, weil nicht wirklich weiterführenden reflexhaften Debatten halten: Aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft kommt ein Vorschlag zum Umgang mit einem drängenden gesellschaftlichen Problem – und die etablierten Akteure gehen sofort in Abwehrstellung und fahren mit der „Geht auf gar keinen Fall“-Planierraupe über das zarte Gewächs. Unter gegenseitigen, zuweilen öffentlichkeitswirksam inszenierten Vorwürfen im Spektrum von irrlichternde Theoretiker und eigennutzoptimierende Besitzstandwahrer verschwindet dann das Thema des Streits von der Bildfläche. Aber zuweilen macht man dann die Erfahrung, dass Teile dessen, über das gestritten wurde, zu einem späteren Zeitpunkt dann doch Eingang finden in die Gesetzgebung, natürlich in bearbeiteter, also modifizierter Form. Und hin und wieder erkennt man an dem Streit auch Grundsatzprobleme unserer gesellschaftlichen Konfiguration, die auch scheitern kann an einer sich verändernden Wirklichkeit. Diese einführenden Hinweise sollen für ein Thema sensibilisieren, dessen Behandlung in der öffentlichen Arena immer buntere Blüten treibt, was nicht verwunderlich ist angesichts der ganz handfest-praktischen Probleme des „Handlings“, wie aber auch der vielen Erwartungen – und das dann noch garniert mit einer enormen Emotionalisierung innerhalb der Bevölkerung, was wiederum die Politiker nervös werden lässt.
Es ist unschwer zu erraten, dass es hier um Flüchtlinge geht, konkreter um einen Teil der Flüchtlinge betreffend, die (möglichst schnell) in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

Was ist passiert? Aus dem ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München unter (Noch-)Leitung des  umtriebigen Hans-Werner Sinn ist hinsichtlich der von allen sicher gewollten Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen ein Vorschlag gekommen, wie man diese ermöglichen und beschleunigen könne. Schon für die erste Stufe, die gezündet wurde, hat man sich des politisch (und auch innerhalb der Wissenschaft) höchst kontrovers diskutierten Reizthemas „Mindestlohn“ angenommen. In einem Artikel mit der knackigen Überschrift Ohne Abstriche beim Mindestlohn finden viele Zuwanderer keine Arbeit doziert er: »Viele Migranten sind schlecht qualifiziert und haben Sprachprobleme. Damit sie trotzdem eine Arbeit finden, bedarf es einer stärkeren Lohnspreizung in Deutschland.«
Der neue Vorstoß kommt nun von Ludger Wößmann, den Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik. Der hat ausgeführt:

„Bei der beruflichen Qualifikation dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben“, sagt Wößmann. Ein großer Teil der Flüchtlinge komme mit geringen Qualifikationen. „Deshalb brauchen wir jetzt pragmatische Lösungen, um möglichst vielen Flüchtlingen eine Chance auf eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.“

Da kann man mitgehen. Aber die Frage ist natürlich immer, was versteht man unter pragmatischen Lösungen, wie sieht das konkret aus. Wößmann versucht das zu leisten, folgt man dem Artikel Flüchtlinge brauchen schnellen Zugang zu Kitas, Schulen und Berufsausbildung auf der ifo-Website:

»Dazu gehöre die einjährige Aussetzung von Hemmnissen wie Wartefristen und Vorrang-Prüfungen und die Gleichsetzung von Flüchtlingen mit Langzeit-Arbeitslosen bei der Ausnahmeregelung vom Mindestlohn, damit Unternehmen bereit sind, Flüchtlinge einzustellen. Für junge erwachsene Flüchtlinge sollten ein- bis zweijährige teilqualifizierende Berufsausbildungen kurzfristig massiv ausgebaut werden. „Wir können nicht alle Flüchtlinge zu Mechatronikern ausbilden, aber für teilqualifizierte Landschaftsgärtner oder Helfer in der Alten- und Krankenpflege könnte es am deutschen Arbeitsmarkt viel Potenzial geben“, sagt Wößmann.«

Das ist eine Steilvorlage für die Gewerkschaften, wie man sich vorstellen kann. Der DGB hat auch prompt reagiert: Keine „Schmalspur-Ausbildung“ für Flüchtlinge. Offensichtlich ist man im Gewerkschaftslager ziemlich angefressen, was die harsche Formulierung der stellvertretenden DGB-Vorsitzende Elke Hannack erklären mag:

„Was beim Mindestlohn nicht gelungen ist, versuchen arbeitgebernahe Bildungsforscher nun bei der Ausbildung durchzusetzen: Wichtige soziale Standards sollen geschliffen werden, um Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte auszubeuten. Flüchtlinge dürfen keine Auszubildenden zweiter Klasse werden. Die Folgen einer solchen Sonderregelung wären fatal: Unterhalb einer vollwertigen Ausbildung gäbe es dann noch einen parallelen Markt mit Häppchen-Ausbildungen, die die Menschen auf schlechte Arbeit in prekären Verhältnissen vorbereiten. Echte Perspektiven entstehen für Flüchtlinge so nicht. Zudem könnten ’normale‘ Ausbildungsplätze durch die Billig-Variante verdrängt werden.“

Aber die Gewerkschaften bleiben nicht allein in ihrer Ablehnung der Wößmann’schen Vorschläge. Sie bekommen Geleitschutz von der Arbeitgeber-Seite, kann man dem Artikel Teilqualifizierung für Flüchtlinge: Kritik vom ZDH und DGB entnehmen:

»Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hält eine Teilqualifizierung von Flüchtlingen nicht für sinnvoll. „Die berufliche Ausbildung mit dem Ziel des Gesellenabschlusses ist eine ganzheitliche Ausbildung, die über die Dauer von in der Regel drei Jahren Theorie und Praxis umfassend miteinander verzahnt“, erläutert Hans Peter Wollseifer, Präsident des ZDH. Am Ende ihrer Lehrzeit seien die jungen Menschen fit für das Berufsleben. „Teilausbildungen können dies nicht leisten“, betont der Handwerkspräsident. Auch der ZDH ist der Meinung: Jungen Flüchtlingen wäre mit Teilqualifizierungen vor allem im Hinblick auf eine spätere Berufstätigkeit nicht geholfen. Zwar könnten im Vorfeld erbrachte Leistungen berücksichtigt und die Lehrzeit damit gegebenenfalls verkürzt werden. Wollseifer: „Für junge Flüchtlinge dürfte das aber nur in Ausnahmen der Fall sein, da hier in der Regel erst einmal die für einen guten Ausbildungsabschluss erforderlichen Deutschkenntnisse erworben werden müssen.“«

Da sind wir bei einem zentralen Punkt angekommen. Der Flaschenhals für eine gelingende Integration in den Arbeitsmarkt wird die Sprache sein. Und hier muss man sich zwei elementaren Herausforderungen stellen: Zum einen ist das Angebot an Sprachkursen angesichts der Menge an Flüchtlingen und damit der eigentlichen Bedarfe völlig unterdimensioniert, aber auch die Fachkräfte dafür lassen sich nicht per Knopfdruck produzieren. Zum anderen muss man sehen, dass diese unverzichtbare Vorbereitung für die meisten sich daran anschließenden Qualifizierungsbemühungen nicht nur (erst einmal) Geld kostet, sondern vor allem auch Zeit, die eine schnelle Integrationsperspektive doch arg eintrüben muss. Deutsch ist eine schwere Sprache und für viele Flüchtlinge eine besonders schwere. Wir mögen uns alle einfach mal spiegelbildlich vorstellen, wir würden in arabische Länder gehen (müssen) und sollten dann deren Sprache erlernen.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Natürlich ist es so, dass wir Zeit und erhebliche Investitionen aufbringen müssen, um einen Großteil der Flüchtlinge, die bleiben werden, vorzubereiten und schrittweise in Lohn und Brot zu bringen. Wir reden hier über mehrjährige Zeiträume. Natürlich wird es immer auch Branchen oder einzelne Tätigkeitsfelder geben, wo man Flüchtlinge, die keine oder nur marginale Deutsch-Kenntnisse haben, arbeiten lassen kann. Um nur ein Beispiel zu Illustration zu nennen: Man kann sich schon vorstellen, dass es eine solche Konstellation geben kann in einer Großküche eines Caterina-Unternehmens. Dort gibt es Arbeiten, für die man nicht wirklich Deutsch sprechen muss. Wenn man dort Flüchtlinge einstellen und beschäftigen würde, könnte und müsste man das sogar verbinden mit Sprachkursen, die parallel zur Arbeit zu absolvieren wären, ähnlich wie bei einer dualen Berufsausbildung die Praxisphasen im Betrieb und die Zeiten in der Berufsschule abwechselnd den Arbeits- und Lernalltag der Auszubildenden bestimmen.

Zugleich kann man sich aber auch vorstellen, was es bedeutet, wenn man hier aus scheinbar plausiblen Flexibilitätsüberlegungen die Anforderungen absenkt oder auf begleitende Qualifizierungsmaßnahmen sogar ganz verzichtet, denn die Betroffenen haben dann ja einen Job. Und wenn dann die Flüchtlinge, von denen sicherlich sehr viel hoch motiviert und bereit sind, jede Beschäftigung anzunehmen, auch noch „billiger zu haben“ wären, weil man bei ihnen den Mindestlohn ausgesetzt hat, dann wird klar, in welche Richtung aus einer nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Logik heraus die Auswahlentscheidung der Unternehmen beispielsweise im Vergleich mit anderen Arbeitslosen ausfallen wird, was wiederum faktisch den Konkurrenzdruck in den unteren Etagen des Arbeitsmarktes nach oben treiben wird.

Wir sind erst am Anfang einer langen Wegstrecke und man sollte neben allen Versuchen, im Einzelfall schnell und unbürokratisch vorzugehen und den einen oder anderen in Arbeit zu bringen, den Blick auf das Ziel einer nachhaltigen Integration nicht aus den Augen verlieren. Welche unterschiedlichen Maßnahmen eigentlich ergriffen werden müss(t)en, verdeutlicht beispielsweise die Auflistung in diesem Positionspapier des DGB: DGB Bundesvorstand: Teilhabechancen eröffnen. Zugänge in Bildung, Ausbildung, Studium und Qualifizierung für junge Flüchtlinge schaffen, Berlin, 14.09.2015.

Und der Beitrag soll beendet werden mit einem Blick auf die als zentrale Gelingensbedingung für eine erfolgreiche Integration in Arbeit von allen Seiten herausgestellten Sprachkurse. Hier erreicht uns eine frohe Botschaft:
„Sprachförderung als Basis für Integration in Arbeit“ – wer kann da nicht zustimmen? So ist eine Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit überschrieben. Und dann erfahren wir: Der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat beschlossen, Sprachkurse für Flüchtlinge schnell und flächendeckend anzubieten. Gerade die sind dringend erforderlich, um überhaupt erst mal die Voraussetzungen zu schaffen für eine mögliche Integration in den Arbeitsmarkt. Viele Medien werden die frohe Botschaft unter die Leute bringen.

Da ist man fast geneigt, von einer kritischen Kommentierung abzusehen, nur um das Glück nicht zu stören. Aber dieser Impuls verblasst nach einem kurzen Moment. Eine kritische Anmerkung sollte wenigstens gemacht werden.

Um die einordnen zu können, zuvor ein Blick auf das, was da beabsichtigt ist:
Der Verwaltungsrate hat entschieden, dass die BA ihr Engagement bei der Sprachförderung »einmalig« ausweiten wird. Denn eigentlich ist das nicht ihre Aufgabe. Grundlage »dafür ist die geplante Rechtsänderung im SGB III im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes. Diese Änderung ermöglicht es der BA, zeitlich begrenzt Sprachkurse für Flüchtlinge zu fördern, wenn diese Kurse bis zum 31. Dezember 2015 beginnen.«

Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand, derzeit Vorsitzende des Verwaltungsrats, wird mit diesen Worten zitiert:

„Wichtig dabei ist: Es handelt sich bei der Förderung um zusätzliche Mittel, die wir aus unserer Interventionsreserve im Haushalt freigeben. Damit entstehen auch keine Nachteile in der Förderung für andere Arbeitsuchende.“

Bei so einer Argumentation nach dem Muster der Vorwärtsverteidigung könnte der Berufsskeptiker aus dem Stand-by-Modus erwachen und die Frage stellen, was sind denn das für Mittel und woher kommen die?

»Es wird erwartet, dass bis zu 100.000 Menschen von dieser ersten Sprachförderung profitieren können. Ziel ist es, erste Kenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln. Die voraussichtlichen Kosten der Förderung werden zwischen 54 Millionen und 121 Millionen Euro liegen – je nach Ausgestaltung der Maßnahmen und nach der Teilnehmerzahl, die in diesem Jahr erreicht werden kann.«

Eine ordentliche Summe, aber angesichts des Bedarfs und was man damit machen kann, sicher eine sinnvolle Ausgabe. Denn die Sprachförderung der Flüchtlinge ist eine ganz zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie ist ja nicht nur für die Aufnahme irgendeines Jobs eine wichtige Voraussetzung, auch andere wichtige Aspekte einer von den meisten Menschen angestrebten (und zunehmend von vielen Politikern auch immer stärker eingeforderten) Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft setzen Sprachkenntnisse voraus.

Wenn das so ist, dann muss dieses Angebot – das unbedingt noch deutlich stärker ausgebaut werden muss, um das hier unmissverständlich zu formulieren – aus Steuermitteln finanziert werden.
Jeder, der weiß, was sich hinter dem Begriff „Verschiebebahnhof“ verbirgt, ahnt, was jetzt kommt. Die Millionen fließen nicht aus der Schatulle des Bundesfinanzministers, die sich aus Steuereinnahmen speist, sondern es handelt sich um Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung. Diese werden für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – sagen wir es ruhig in der alten ordnungspolitisch fundierten Terminologie – zweckentfremdet. Für etwas, das gefälligst über Steuermittel finanziert werden müsste, sollte, hätte …

Aber haben wir nicht eben lesen können, dass es sich um zusätzliche Mittel handelt, also keine Nachteile für Arbeitslose entstehen?

Die Auflösung liegt in dem Begriff „Interventionsreserve“. Hierbei handelt es sich um Beitragsmittel der Versicherten, die man zurückgelegt hat, um im Falle einer neuen Krise auf dem Arbeitsmarkt über Geldreserven zu verfügen. Denn einen Bundeszuschuss gibt es für die BA nicht mehr, der wurde abgeschafft.

Man nimmt also Geld aus dem Sparschwein der Arbeitslosenversicherung, nur um den Bundesfinanzminister seine Glücksgefühle über die hingerechnete „schwarze Null“ nicht zu versauen, die sein Lebenswerk krönen soll.

Auch wenn Ordnungspolitik verstaubt und muffig daherkommt – das ist keine korrekte Finanzierung, wieso sollen nur die Beitragszahler für Sprachkurse zahlen? Und mal in die Zukunft gedacht: Wenn man die Reserven der Arbeitslosenversicherung plündert, wird man den Beitragssatz bei einer schlechteren Arbeitsmarktlage schneller erhöhen müssen. Wetten, dass dann wieder bitterlich geklagt wird über die steigenden „Lohnnebenkosten“, deren Anstieg „natürlich“ dringend über „Reformen“ abgebremst werden muss, damit die Arbeitgeber nicht „überlastet“ werden?

Auf der Flucht im doppelten Sinne. Ein Update zu den Sprachlehrkräften sowie den Chancen und Risiken dahinter

Ein Land im Ausnahmezustand. Die ganze Berichterstattung dreht sich um die vielen Flüchtlinge, die in den vergangenen Tagen stündlich zu uns gekommen sind. Und jetzt die Wiedereinführung der Grenzkontrollen nach Österreich und die Aussage, man sei „am Limit“ angekommen, es gehe so nicht weiter. Trotz der verständlichen Fokussierung auf die Nöte und praktischen Herausforderungen durch die, die bei uns ankommen, muss man natürlich auch weiterdenken, denn es geht ja nicht nur um die Aufgabe, diese Menschen irgendwie unterzubringen und zu versorgen. Viele von ihnen werden bleiben und darunter auch viele Kinder und Jugendliche, bei denen es auch um die Schulpflicht geht. Für viele Schulen beginnt das neue Schuljahr nicht nur mit „normalen“ neuen Schüler/innen, sondern immer mehr schlagen natürlich auch die Flüchtlingskinder in einem System auf, das schon unter Normalbedingungen eine Vielzahl an Problemen aufweist. Es ist nicht wirklich überraschend, dass aus den Reihen der Insider des Schulsystems lauthals Bedenken geäußert werden hinsichtlich einer Überforderung durch diese Situation und das man dringend mehr Personal brauche.

Und – nicht als Vorwurf gemeint – seien wir ehrlich: Viele Lehrer/innen sind doch schon mit der „normalen“ Heterogenität der Schülerschaft überfordert – wie soll da die „en passant“-Aufnahme von Flüchtlingskindern, aus ganz unterschiedlichen Nationen und Kulturkreisen, ohne irgendwelche deutsche Sprachkenntnisse, zwischen (bisher) solider Schulbildung im Herkunftsland bis hin zu vielen Analphabeten, die nicht nur eine neue Sprache an sich lernen müssen, gelingen?
Aber dafür gibt es ja auch Experten, die den Kernbereich bilden (könnten) für eine Bildungsoffensive in diesem Feld. Gemeint sind die pädagogischen Fachkräfte mit einem Zusatzstudium „Deutsch als Fremdsprache“. Um diese Gruppe herum könnte man dann die motivierten und engagierten „normalen“ Lehrer/innen (teilweise auch reaktiviert aus dem Ruhestand) sowie – das wird gar nicht ohne sie gehen – ehrenamtliche Kräfte gruppieren und versuchen, den Andrang halbwegs sinnvoll zu bewältigen.

Nun wird sich der eine oder andere daran erinnern, dass in diesem Blog am 2. September 2015 der Beitrag 1.200 Euro im Monat = „Top-Verdienerin“? Lehrkräfte in Integrationskursen verständlicherweise auf der Flucht oder im resignativen Überlebenskampf veröffentlicht wurde. In diesem Beitrag wurde kritisch auf die Situation der Lehrkräfte aufmerksam gemacht, die in den Sprach- und Integrationskursen arbeiten – und nur als skandalös schlecht zu bezeichnenden Bedingungen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat bislang rund 24.000 Lehrer für den Unterricht in Integrationskursen zugelassen. Sie müssen dafür neben einem akademischen Abschluss ein Zusatzstudium „Deutsch als Fremdsprache“ oder eine gleichwertige pädagogische Qualifikation vorweisen. Nur ein geringer Teil der Lehrkräfte ist festangestellt bei den Trägern der Maßnahmen wie Volkshochschulen oder Wohlfahrtsverbänden. Das bedeutet, die meisten Lehrkräfte arbeiten als (Schein-)Selbständige auf Honorarbasis – zu überaus miesen Bedingungen.

Hintergrund dieser Situation ist auch, dass die Träger – 1.800 private und öffentliche Träger sind für Integrationskurse zugelassen – mit einer Pauschale pro Teilnehmer vergütet werden – das BAMF zahlt den Kursträgern 2,94 Euro pro Teilnehmer und Kursstunde (bzw. 1,74 Euro für Teilnehmer, die einen Eigenanteil leisten). Die Notwendigkeit einer Anhebung dieser vollkommen unzureichenden Beträge sei nach Auskunft des zuständigen Bundesinnenministeriums und der BAMF nicht geplant. Trotz aller Sonntagsreden und vor allem trotz aller Erkenntnisse über die Bedeutung der Sprach- und Integrationsangebote für eine gelingende Integration. Wenn sich das noch mehr zum Flaschenhals entwickelt, dann werden wir in Zukunft ganz erhebliche Folgekosten serviert bekommen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich vor wenigen Tagen noch zu diesem Thema zu Wort gemeldet im Kontext der gerade abgeschlossenen Haushaltsberatungen im Bundestag: GEW: „Flüchtlinge: Zugang zur Bildung für alle – Fachkräfte und Einrichtungen unterstützen“ mit der Forderung nach einem bildungspolitischen Soforthilfeprogramm. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe wird mit diesen Worten zitiert: „Wir benötigen ein Förderprogramm des Bundes für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für ‚Deutsch als Zweitsprache‘ (DaZ). Weil es viele zu wenige Lehrkräfte mit dieser Qualifikation gibt, schlagen wir eine Doppelstrategie vor: Für ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen müssen jetzt ‚Crashkurse‘ angeboten, gleichzeitig muss deutlich mehr Geld für die reguläre Ausbildung von DaZ-Lehrkräften in die Hand genommen werden.“ Außerdem: Um guten, sinnvollen Unterricht für geflüchtete Jugendliche und Heranwachsende zu ermöglichen, müsse die Schulpflicht in allen Bundesländern bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden. Projekte mit Schulangeboten für Flüchtlinge, die bis zu 25 Jahre alt sind, zeigen: Viele Heranwachsende können so in Ausbildung und Beschäftigung vermittelt werden. Alles durchaus nachvollziehbare Forderungen.

Nun aber schlagen die Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage durch und führen dazu, dass sich auf der einen Seite die individuelle Situation der bereits vorhandenen Sprachlehrkräfte verbessern kann, während gleichzeitig die angesprochene Flaschenhalsproblematik an Schärfe gewinnen wird, weil die individuelle Verbesserung einhergeht mit einem „Abwerben“ der Fachkräfte aus den bisherigen Angeboten.

So berichtet Martin Klesmann in seinem Artikel Berlin sucht Lehrer für Willkommensklassen: Für »Schüler und Schülerinnen ohne Deutschkenntnisse immer mehr Willkommensklassen eingerichtet. Allein hierfür qualifiziertes Lehrpersonal zu finden ist schwierig. Viele prekär Beschäftigte bewerben sich.«  Bereits 478 Lerngruppen sind es. Aus den bisher rund 480 Lerngruppen mit 5.000 Schülern können schnell 600 Gruppen mit 6.000 Kindern werden. Oder noch mehr. Es wird immer schwieriger, hierfür qualifizierte Lehrer zu finden. Und damit öffnet sich jetzt an dieser Stelle ein ganz neuer Chancenraum für die Fachkräfte, die bislang in den unterfinanzierten Sprach- und Integrationskursen gearbeitet haben – mit einem deutlichen Gefälle, das verständlich macht, für wen man sich entscheiden würde:

»Eine der Bewerberinnen ist Marlene Bergermeier. Wie viele hier hat sie Deutsch als Fremdsprache studiert und schlägt sich mit Honorarverträgen durch. Marlene Bergermeier unterrichtet Deutsch an einer privaten Ausbildungsstätte für berufsqualifizierende Maßnahmen. Dort wird man stundenweise bezahlt, die Einkünfte liegen bei 16 bis 22 Euro pro Unterrichtsstunde. Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle gebe es nicht, auch Sozialabgaben spare sich der Arbeitgeber so, sagt sie … Andere Bewerberinnen arbeiten ebenfalls bei privaten Sprachschulen für Menschen ohne Deutschkenntnisse oder in den Integrationskursen, die auch die Volkshochschulen anbieten. Meist befristet. So auch Gudrun Nebe. Sie hat schon arabischsprachigen Kindern Deutsch beigebracht.«

Und was bietet die Gegenseite? Sie bietet letztendlich an, einen Fuß in die Tür des staatlichen Schuldienstes zu bekommen. Mit einem Arbeitsvertrag und einer ganz anderen Bezahlung:

»Auch im staatlichen Schuldienst sollen die meisten Willkommensklassen-Lehrer erst einmal befristet bis zu den nächsten Sommerferien beschäftigt werden. Doch angesichts der vielen Flüchtlingskinder rechnen die Bewerber, die in der Regel kein reguläres Lehramtsstudium aufweisen, damit, irgendwann fest übernommen zu werden. Ihre Aufgabe ist es, den Schülern die deutsche Sprache so gut zu vermitteln, dass sie spätestens innerhalb eines Jahres in eine Regelklasse wechseln können. Oft klappt es schon nach wenigen Monaten.«

Weitere Hinweise finden sich in dem Artikel Senat sucht Sprachlehrer – und wird fündig von Susanne Vieth-Entus, die ebenfalls auf den Pool an prekäre Beschäftigten aus den Sprach- und Integrationskursen hinweist, die in der Vergangenheit keine Chance hatten, in den regulären Schuldienst zu kommen, beispielsweise Editha Lemke: »Die 34-Jährige hat Linguistik mit einer Spezialisierung auf Deutsch als Fremdsprache studiert, sechs Jahre lang in Brasilien gelebt und in Bolivien Waisenkinder alphabetisiert. Auch sie arbeitet jetzt an einer privaten Sprachenschule und unterrichtete bis vor kurzem Akademiker aus Syrien, die den Kursus vom Jobcenter finanziert bekommen.« Und ein weiteres Beispiel: „Sprachenschulen zahlen schlecht“, sagt Marlene Bergermeier, 36. Sie hat an der Humboldt-Universität ebenfalls Linguistik und Deutsch als Fremdsprache studiert und wäre ebenfalls froh, wenn sie an eine allgemeinbildende Schule wechseln könnte.« Und das angesprochene Gefälle wird an den folgenden Zahlen mehr als ersichtlich:

Die »Bildungsverwaltung bietet je nach Voraussetzungen rund 3.000 Euro brutto im Monat, während die Lehrer an den Sprachschulen von Stundenlöhnen um die 15 Euro berichten – ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.«

Noch Fragen?

Allerdings wird durch den absolut verständlichen und die individuelle Situation der Betroffenen verbessernden Wechsel das andere System massiv geschwächt, denn die Rahmenbedingungen dort werden offensichtlich einfach ignoriert, es gibt derzeit keine Signale aus der Politik, die zu verbessern. Das wird sich hinsichtlich der Integration bitter rächen.

Wie wichtig Schule, Lernen und mehr vor allem für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ist, zugleich aber auch welche enormen Chancen sich für das Aufnahmeland ergeben (könnten), verdeutlichen dann Artikel, von denen hier nur auf zwei hingewiesen werden soll: Ab in die Schule, Alima, Bassam und Chipo!, so haben Katharina Schuler und Parvin Sadigh ihren Beitrag überschrieben: »Der Ziegenhirte aus Afghanistan ist jetzt Elektrotechniker in Deutschland. An den Schulen soll sich diese Erfolgsgeschichte mit Tausenden Flüchtlingskindern wiederholen.« Hört sich nach einer rührseligen Utopie an, aber: Den afghanischen Jungen gibt es wirklich – und er bereitet sich gerade auf seine Meisterprüfung vor.

Um welche Größenordnung es hier geht, verdeutlichen einige wenige Zahlen: »Etwa ein Drittel aller Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche, davon etwa zwei Drittel im schulpflichtigen Alter, das ist die Faustformel, mit der sich die Länder derzeit behelfen, um den Bedarf abzuschätzen.«
In Baden-Württemberg etwa rechnet das Kultusministerium mit 20.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder allein in diesem Jahr, die zusätzlich in die Schulen kommen. Wie immer gibt es an solchen Stellen die berechtigte Frage: Ist das nun viel oder eher wenig?

Dazu eine zahlenmäßige Annäherung, die vor allem die unglaubliche Dynamik verdeutlicht:
Vergleicht man die 20.000 neuen schulpflichtigen Flüchtlingskinder allein dieses Jahr »mit den knapp 18.000 Schülern, die bereits jetzt in besonderen Deutschkursen unterrichtet werden und bei denen es sich ja nur zu einem Teil um Flüchtlinge handelt, lässt sich erahnen, wie stark der Bedarf an zusätzlichen Angeboten steigen wird.« Das muss man erst einmal organisieren und geregelt bekommen, in einem System, das nicht per se durch Flexibilität gekennzeichnet ist.
Und ein zweites Beispiel verdeutlicht, dass es auch an anderer Stelle Gewinner im positiven Sinne geben kann: Flüchtlinge retten Grundschule: Syrische Kinder für Golzow, so ist der Beitrag von Heike Klovert überschrieben: »Die Grundschule im brandenburgischen Golzow wäre langsam ausgestorben, hätte der Bürgermeister nicht zwei syrische Familien in das Dorf geholt. Nun gibt es doch eine erste Klasse – und der kleine Ort macht vor, wie Integration gelingen kann.«

Es gibt sie, die positiven Nachrichten. Man sollte aber eben ach nicht verschweigen, dass die bestehenden Systeme wenig bis gar nicht fassungsfähig sind hinsichtlich einer flexiblen und dann auch noch die vielen Einzelfälle sinnvollerweise berücksichtigenden Strategie. Und das man es angesichts der Dynamik und der schieren Größenordnung mit einem beweglichen Ziel zu tun hat, das selbst ausgebuffte Profis überfordern (muss). Und man darf sich nicht nur verengen lassen auf die Akthilfe, so nachvollziehbar das ist, sondern bereits jetzt investieren, auch wenn die Ergebnisse beispielsweise in Form neuer Sprachlehrkräfte erst im kommenden Jahr oder später wirksam werden können.

1.200 Euro im Monat = „Top-Verdienerin“? Lehrkräfte in Integrationskursen verständlicherweise auf der Flucht oder im resignativen Überlebenskampf

Derzeit erleben wir im Kontext der vielen Flüchtlinge, die unser Land erreichen (und die noch zu uns kommen werden) eine Polarisierung zwischen denen, die mit offener Ablehnung und Hass auf die Zuwanderung reagieren bis hin zu verabscheuungswürdigen Attacken auf die Unterkünfte und die Menschen selbst, sowie auf der anderen Seite eine großartige Welle der Hilfsbereitschaft und des ehrenamtlichen Engagements vieler Bürger, die tatkräftig anpacken und damit die offensichtliche Überforderung vieler staatlicher Strukturen auffangen und teilweise kompensieren. Damit einher geht allerdings auch eine diskussionswürdige Polarisierung zwischen denen, die ihren Ressentiments vor allem in den sozialen Netzwerken freien Lauf lassen (und den nicht wenigen, die das für sich behalten und nicht offen zu Tage tragen, dennoch ähnliche Gedanken haben), und auf der anderen Seite eine sicher von Herzen kommende, teilweise aber auch schon sehr einseitige Überhöhung der Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen hier bei uns landen, bis hin zu einer fundamentalen Ablehnung jeder Position, die nicht für die uneingeschränkte Aufnahme und generell Öffnung gegenüber allen, die kommen wollen, plädiert.

Dabei ist das alles viel komplizierter – vor allem die konkret und handfest zu stemmenden Aufgaben, die bewältigt werden müssen, sind nicht annähernd zu unterschätzen und auch die sicher in den vor uns liegenden Jahren zunehmenden Verteilungskonflikte in unserer Gesellschaft müssen im Auge behalten werden, damit einem das alles nicht um die Ohren fliegt. Vor diesem Hintergrund muss natürlich alles getan werden, dass man die Menschen, die hier auf absehbare Zeit bei uns bleiben werden (manche auch für immer), so schnell und gut wie irgend möglich zu integrieren versucht. Und man kann es drehen und wenden wie man will – dafür sind die Sprachkenntnisse von fundamentaler Bedeutung, zugleich aber auch eine Vermittlung der gesellschaftlichen Strukturen, Werte und Realitäten, mit denen die Menschen, die oftmals aus völlig anderen Kulturen kommen, hier in unserem Land konfrontiert werden. Und dabei gilt im Idealfall, auch die Erwartungen zu formulieren und zu vermitteln, was hier bei uns zum gesellschaftlichen Grundkonsens gehört, den man respektieren sollte.

Für diese – jeder mit etwas Phantasie kann es sich sogleich vorstellen – mehr als ambitionierte Aufgabenstellung gibt es für einen Teil der Zuwanderer die so genannten „Integrationskurse“, die von ganz unterschiedlichen Trägern angeboten werden (vgl. zu den unterschiedlichen Integrationskursen die statistische Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge).  Die werden beispielsweise von den Volkshochschulen oder wohlfahrtsverbandlichen Trägern angeboten. Und die müssen natürlich auch von konkreten Menschen gemacht werden, womit wir beim Kern des hier relevanten Problems angekommen sind. Denn jeder unbefangene Beobachter würde einsehen, dass (eigentlich) gerade diese pädagogischen Fachkräfte angesichts der enormen Herausforderungen gut bezahlt werden und ordentliche Arbeitsbedingungen bekommen müssten für ihre auch gesellschaftspolitisch so wichtige Arbeit. Nun wissen wir aber auch aus anderen Bereichen unseres sowieso nur historisch und nicht sachlogisch zu verstehenden vielgestaltigen Bildungswesens, dass die Vergütung und die realen Arbeitsbedingungen oftmals in keinerlei Korrelation stehen zu den faktischen Schweregeraden der pädagogischen Arbeit und/oder der Wirksamkeit der pädagogischen Intervention oder der gesellschaftspolitischen Bedeutung (die in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung sicher um ein Vielfaches höher ist als in den Selbstfindungskursen für das obere Management). Besonders krass ist diese Diskrepanz aber bei den Lehrkräften, die an der Front in den Integrationskursen arbeiten (müssen).

Auf deren Situation hat dankenswerterweise David Krenz in seinem Artikel Nur raus aus dem Traumberuf aufmerksam gemacht. Dort finden wir auch einige Hintergrundinformationen zu den Integrationskursen:

»Die Integrationskurse bestehen aus 600 Stunden Sprachunterricht und 60 Stunden Orientierungskurs zu Geschichte, Kultur, Alltag, Recht und dem politischen System in Deutschland.
Jobcenter oder Ausländerbehörde können Zuwanderer zur Teilnahme verpflichten, wer deutscher Staatsbürger werden möchte, muss im Abschlusstest die Niveaustufe B1 erreichen. Für Sozialhilfe- und ALG-II-Empfänger sind die Kurse kostenfrei, die übrigen zahlen einen Eigenanteil (1,20 Euro pro Kursstunde).
Das System der Integrationskurse wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verantwortet und finanziert. Es zahlt den Kursträgern 2,94 Euro pro Teilnehmer und Kursstunde (bzw. 1,74 Euro für Teilnehmer, die einen Eigenanteil leisten). Rund 1.800 private und öffentliche Träger sind für Integrationskurse zugelassen. Die Träger müssen ihren freiberuflichen Lehrkräften 20 Euro pro Stunde zahlen. Zahlen sie weniger, können sie nach einem Jahr die Zulassung durch das Bamf verlieren.«

Und wie sieht es mit den Lehrkräften aus? »Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bislang rund 24.000 Lehrer für den Unterricht in Integrationskursen zugelassen. Sie müssen dafür neben einem akademischen Abschluss ein Zusatzstudium „Deutsch als Fremdsprache“ oder eine gleichwertige pädagogische Qualifikation vorweisen. Wie viele Lehrkräfte derzeit in Integrationskursen arbeiten, ist nicht bekannt, allein beim größten Kursanbieter, den Volkshochschulen, sind es derzeit etwa 3.000. Nur ein geringer Teil der Lehrkräfte ist festangestellt.«

Das bedeutet, die meisten Lehrkräfte arbeiten als (Schein-)Selbständige auf Honorarbasis. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert für die Dozenten ein Mindesthonorar von 30 Euro pro Stunde als ein „erster Schritt“ neben der Forderung von Festanstellungen für bewährte und langjährig berufserfahrene Lehrkräfte – aktuell liegt es in den meisten Regionen aber um zehn Euro unter diesem Satz, also bei 20 Euro pro Stunde. Davon müssen die Honorarkräfte Renten- und Krankenversicherung komplett selbst finanzieren, Geld für die unbezahlten Urlaubs- und Krankentage zurücklegen. Kündigungsschutz gibt es nicht, nur befristete Verträge. Was das praktisch bedeutet für die Nettoeinnahmen verdeutlicht die Abbildung mit der Beispielsrechnung das Stundenhonorar eines Sprachlehrers im Integrationskurs betreffend. Die findet man auf der Webseite www.mindesthonorar.de der „Initiative Bildung prekär“, für die Georg Niedermüller verantwortlich zeichnet, der auch in dem Artikel von David Krenz zitiert wird:

»Georg Niedermüller wähnte sich im Traumberuf, als er 2009 Integrationslehrer wurde. Schnell wachte er auf. „Ich habe das ganze Jahr mit Hartz IV aufgestockt.“ Mit seiner „Initiative Bildung prekär“ prangert er die Beschäftigungsverhältnisse an: „Wir Dozenten arbeiten für nur einen Auftraggeber, in festen Räumen, nach vorgeschriebenem Lehrplan, zu nicht verhandelbaren Honoraren – klarer Fall von Scheinselbstständigkeit.“
Er sieht nur einen Ausweg aus dem Dumping-Dilemma: die Festanstellung. „Wir sind keine Unternehmertypen, wir sind Lehrer und wollen auch so behandelt werden.“ Höhere Honorare seien keine Lösung, „die würden nur unseren Selbstständigenstatus zementieren“.«

Ein anderes Beispiel aus dem Artikel, damit man einen Eindruck von den Größenordnungen bekommt, für die hier gearbeitet werden muss – wohlgemerkt, wir reden hier von studierten Lehrkräften mit Zusatzausbildung: »Im Kurs von Sabine Heurs sitzen ein politisch verfolgter Tierarzt aus Iran, ein nigerianischer Bischof, der mehrere Stammessprachen spricht, und eine chronisch übermüdete junge Rumänin, die nachts im Fitnessstudio putzt. Menschen, die von einem besseren Leben träumen. Das haben sie mit ihrer Dozentin gemeinsam. In Vollzeit verdient Heurs 1200 Euro netto im Monat – und zählt damit zu den Top-Verdienerinnen in ihrem Beruf. „Ein Witz“, sagt sie.«

Und was sagt das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu der Forderung nach einer fairen Bezahlung? Das Amt verweist auf die Vertragsfreiheit zwischen Trägern und Lehrkräften. „Eine Erhöhung des Kostenerstattungssatzes ist derzeit nicht geplant“, heißt es auf Nachfrage, berichtet Krenz.

Aber wann – wenn nicht jetzt? Denn der enorme Anstieg der Flüchtlingszahlen und die Öffnung auch für Asylbewerber wird zu einer weiteren massiven Zunahme der Nachfrage nach Integrationskursen führen und gleichzeitig »laufen den Sprachschulen die Lehrkräfte davon; viele wandern in besser honorierte und gesicherte Beschäftigungen ab, wie der deutsche Volkshochschulverband beobachtet hat.« Das sind doch theoretisch hervorragende Voraussetzungen, um eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erkämpfen.

An dieser Stelle wird der aufmerksame Leser an eine Zahl denken, die schon zitiert wurde: Rund 1.800 private und öffentliche Träger sind für Integrationskurse zugelassen. Das bedeutet, wir sind mit einer unglaublichen Kleinteiligkeit der Trägerlandschaft als Regelform konfrontiert und eine kleine Volkshochschule wird eine Festanstellung zu vermeiden versuchen wie der Teufel das Weihwasser angesichts der Arbeitgeberrisiken, die man damit übernehmen muss. Gleichsam spiegelbildlich zur kleinteiligen Situation auf der Trägerseite ist die Isolierung der vielen Lehrkräfte als auf sich selbst gestellte „Arbeitskraftunternehmer“, die sich alleine durchschlagen müssen.

David Krenz weist auf diese strukturelle Schwachstelle auf Seiten der Dozenten in seinem Artikel explizit hin:

»Eben jene Arbeitsbedingungen, gegen die sie aufbegehren sollten, hindern viele am Protest: Wer zu Demos fährt, verzichtet auf Honorar, bezahlt wird nur jede geleistete Kursstunde. Und wer für ein paar Euro extra noch einen Abendkurs übernimmt, dem fehlen Zeit und Kraft zum Aufbegehren.

Andere wagen sich nicht aus der Deckung, weil finanzielle Not sie zu Betrügern macht: Es gilt als offenes Geheimnis, dass eine Mehrheit trotz Versicherungspflicht keine oder zu geringe Beiträge in die Rentenkasse einzahlt. „Wir haben Angst aufzufliegen“, sagt eine Dozentin aus Westfalen, die anonym bleiben möchte.«

Letztendlich haben wir es hier mit pädagogischen Tagelöhnern zu tun.

Hinzu kommt ein Dilemma, das wir auch aus anderen Bereichen vor allem der Dienstleistungen kennen (man denke hier an die Gastronomie oder den Einzelhandel): Die Gewerkschaften haben kein Fuß fassen können in diesem Feld. Nach Angaben der GEW sind weniger als zehn Prozent der Betroffenen gewerkschaftlich organisiert.

Vor diesem Hintergrund wäre es an der öffentlichen Hand, hier regulierend einzugreifen und für Ordnung zu sorgen (was ja ansonsten gerne in Sonntagsreden beschworen wird). Aber die Politik geht völlig auf Tauchstation und hofft, dass der Kelch irgendwie an ihr vorübergehen wird.
Illustrieren kann man das – wie aber auch das angesprochene Problem einer mangelnden Kollektivierung der Interessen – am Beispiel der „Initiative Bildung prekär“, die neben Georg Niedermüller aus drei weiteren Mitstreitern besteht.  Bei der Politik stießen sie auf taube Ohren, klagt Niedermüller: „Die SPD hat auf unsere letzten zwölf Mails gar nicht mehr reagiert.“