„Inklusion“ jenseits der Sonntagsreden und des Koalitionsvertrages. Aus der kleinteiligen Realität einer gelingenden Umsetzung von Teilhabe an Arbeit für Menschen mit Behinderung

Eines der großen Themen dieser Tage und der vor uns liegenden Jahre ist bzw. sollte sein: Inklusion. Denn seit knapp vier Jahren ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland rechtskräftig. Seitdem haben Menschen mit Behinderung Recht auf Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe, Chancengleichheit und Barrierefreiheit. Viel wurde und wird dazu geschrieben und man kann die kommenden Jahre ohne Probleme von einer Tagung zur anderen nomadisieren, wo es um die Frage geht, wie man eine „inklusive Gesellschaft“ hinbekommt. Seltener oder gar nicht (gerne) wird darüber gesprochen, ob dieser Entwicklungssprung überhaupt gelingen kann, ohne wirklich fundamentale, das heißt revolutionäre Veränderungen in der Gesellschaft durchzusetzen. Wer an dieser Stelle eine gewisse grundsätzliche Skepsis raushört, liegt richtig – und das gerade vor dem Hintergrund, dass Inklusion hier für absolut wegweisend angesehen wird. Wer es lieber ganz egoistisch braucht: Man möge sich klar werden über die Tatsache, dass es hier nicht (nur) um den Einsatz für irgendeine „Zielgruppe“ behinderter Menschen geht, die wir bislang ganz erfolgreich in Sondereinrichtungen untergebracht, damit nicht selten aber auch aus dem Wahrnehmungsstrom der gesellschaftlichen „Mitte“ entfernt und an den Rand geschoben haben, sondern dass wir alle jederzeit nur einen Augenschlag von einer möglicherweise schwersten Behinderung entfernt vor uns hin leben.

Allerdings können wir ja mal einen Test machen, ob „Inklusion“ bereits im gesellschaftspolitischen Mainstream angekommen ist, denn dann müsste es beispielsweise – bietet sich aktuell an – im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD prominent verankert sein. Also habe ich mir einmal dieses Vertragswerk genauer angeschaut – und seht: Inklusion als Terminus taucht viermal im Koalitionsvertrag auf, allerdings weniger als Terminus fundamentalis, sondern in kleingeschredderten bzw. blumig-verheißungsvollen Varianten. Hier die vier Fundstellen in einer Übersicht:

1.) S. 30/31 zum Thema „Bildungsforschung“: »Die empirische Bildungsforschung liefert wichtige Erkenntnisse über Bildungsverläufe und die Wirksamkeit von Maßnahmen. Neue Schwerpunkte wollen wir in den nächsten Jahren in den Bereichen der Inklusion im Bildungssystem sowie der beruflichen Bildung und der Frage von Übergängen setzen.«

2.) S. 110/111 zum Thema „Inklusiven Arbeitsmarkt stärken“: »Zentrales Element der sozialen Inklusion ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt begleiten und so die Beschäftigungssituation nachhaltig verbessern. Dazu gehört auch die Anerkennung und Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen. In den Jobcentern muss ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden sein, um die Belange von Menschen mit Behinderungen zu erkennen, fachkundig zu beraten und zu vermitteln. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen sensibilisiert werden, um das Potential von Menschen mit Behinderungen zu erkennen und sie zu beschäftigen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werden wir u. a. im Rahmen der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung die Ansrengungen für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung erhöhen. Wir wollen den Übergang zwischen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und dem ersten Arbeitsmarkt erleichtern, Rückkehrrechte garantieren und die Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ einbeziehen.«

3.) S. 129 zum Thema „Kulturförderung“: »
Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel, jedem Einzelnen unabhängig von seiner sozialen Lage und ethnischen Herkunft gleiche kulturelle Teilhabe in allen Lebensphasen zu ermöglichen. Kultur für alle umfasst Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit sowie interkulturelle Öffnung. Diese Grundsätze sind auch auf die vom Bund geförderten Einrichtungen und Programme zu übertragen.«

4.) S. 138 zum Thema „Sport“: »Wir sorgen auch in Zukunft für eine verlässliche Finanzierung des erfolgreichen Programms „Integration durch Sport“. Im Nationalen Aktionsplan Integration muss der Sport weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen und bei der Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention wird der Inklusionsgedanke bei der Sportförderung des Bundes konsequent ausgebaut.«

Das war’s. Haut einen nicht gerade vom inklusiven Hocker.

Aus sozialpolitischer Sicht besonders interessant natürlich der Passus zum „Inklusive Arbeitsmarkt stärken“ auf S. 110/111 des Koalitionsvertrages. Hierzu könnte man jetzt eine Menge an Daten und Studien vortragen, die eine Menge Wasser in den wenigen Wein kippen.

Aber das wird hier gerade nicht gemacht – sondern der Blick soll (wie bei der Inklusion von den Beeinträchtigungen hin zu den Potenzialen und Stärken) an dieser Stelle von dem, was nicht funktioniert zu den Fällen, wo es funktioniert, gelenkt werden. Hierzu zwei Unternehmensbeispiele aus Berlin, wo seit elf Jahren Auszeichnungen an Unternehmen vergeben werden, bislang unter dem Namen Integrationspreis, nunmehr „Berliner Inklusionspreis 2013“ genannt, die gute Beispiele für die Ermöglichung von Teilhabe an Arbeit für Menschen mit einer Behinderung abgeben.
„Hier wird nicht nach dem Staat gerufen. Und es geht auch nicht um die ,Leuchttürme‘ großer Konzerne. Dies ist gelebte Inklusion.“ Mit diesen Worten wird Ursula Engeln-Kefer zitiert, langjährige Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und heute Mitglied im Sozialpolitischen Ausschuss des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), die in diesem Jahr die Festrede gehalten hat. 43 Unternehmen hatten sich um die Auszeichnung beworben, darunter 16 kleine und 13 mittelständische Firmen. In der Kategorie „Kleinunternehmen“ siegte die Malerei Nitze, bei den Mittelständlern die Wäscherei Niderkrone. Bei den Großunternehmen kamen die Berliner Wasserbetriebe auf den ersten Platz.

Der Artikel „Team mit vielen Farben“ porträtiert den Preisträger in der Kategorie „Kleinunternehmen“: »Seit 20 Jahren beschäftigt die Malerei Nitze in Berlin-Kaulsdorf Menschen mit Handicap. Auch wenn der Arbeitsalltag seine Tücken hat: Auf ihre Fachkenntnisse will der Chef nicht verzichten.« Der Unternehmensbeschreibung kann man auch Elemente entnehmen, die immer wieder auftauchen, wenn man sich Betriebe anschaut, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen:

»Seit zwanzig Jahren sind Mitarbeiter mit Behinderung in dem Kaulsdorfer Betrieb beschäftigt. 1992 gründeten Jens Nitzes Eltern Sonnhild und Klaus das Unternehmen, bereits ein Jahr später wurde ein erster gehörloser Kollege eingestellt. Womöglich spielte damals eine Rolle, dass die Eltern selbst unter körperlichen Einschränkungen litten und somit aus persönlicher Betroffenheit aufgeschlossen dafür waren, auch Mitarbeitern mit Handicap eine Chance zu geben. Seit jener Zeit sind Kollegen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen zum festen Teil der Belegschaft geworden.«

Der Chef des Malereibetriebs, Jens Nitze, ist voll des Lobes für seine behinderten Mitarbeiter. Motivation und Verlässlichkeit, so seine Erfahrung über all die Jahre, seien überdurchschnittlich. Mitunter spürt er auch eine gewisse Dankbarkeit, dass er gerade ihnen das Vertrauen schenkte.
Und immer wieder der Aspekt einer persönlichen Betroffenheit bzw. Erfahrungsebene: »Dass niemand eine Garantie hat, sein Leben lang uneingeschränkt und mit voller Tatkraft arbeiten zu können, hat Jens Nitze in der jüngeren Vergangenheit am eigenen Leib erlebt. 2009 wurde bei ihm ein Gehirntumor festgestellt. Eine Diagnose, die ihm und seiner Familie zunächst den Boden unter Füßen wegriss. Doch Nitze überstand die komplizierte Operation, kämpfte sich anschließend in achtmonatiger Reha zurück ins (Berufs-)Leben. Seither zählt er mit einem Behinderungsgrad von 60 Prozent selbst zu den aktuell sieben behinderten Mitarbeitern unter den insgesamt achtzehn Beschäftigten des Betriebs.«

Vergleichbar die Erkenntnisse, die man aus dem Porträt des Preisträgers in der Kategorie „Mittelständler“ ableiten kann: „Der Artikel „Die perfekte Falte“ beschreibt die Wäscherei Niderkrone: »Reinigen, bügeln, zusammenlegen: Bei makelloser Tischwäsche kommt es auf Details an. Die Firma Niderkrone beschäftigt Spezialisten, die auf dem Jobmarkt häufig durchs Raster fallen.« Verantwortlich ist hier Ilknur Kilic-Özcan, Geschäftsführerin der Wäscherei Niderkrone. Mittlerweile »arbeiten neun Gehörlose in der Wäscherei, auch Schwerhörige aus der Türkei und Rumänien. 2014 will Kilic-Özcan nicht nur in eine größere Halle ziehen, sondern weitere Menschen mit Behinderung einstellen. Am liebsten will sie auch selbst ausbilden. „Wenn alles klappt, können wir bald jungen Gehörlosen eine Chance geben und sie langfristig an den Betrieb binden.“« Und auch trifft man wieder auf die bereits angesprochene Komponente der persönlichen Erfahrung bzw. Betroffenheit:

»Ein Schicksalsschlag hat Ilknur Kilic-Özcan zur Unternehmerin gemacht, die Menschen mit Handicap fördert. Das Kind einer engen Freundin kam schwerbehindert zur Welt. Die 38-Jährige bewunderte den Mut, die Zuversicht der Freundin. Doch immer wieder fragte sie sich: Was soll aus dem Kind einmal werden? „Der Kleine hat mich aufmerksam werden lassen“, sagt sie.«

Immer wieder kann und muss man erkennen, dass ganz viel davon abhängt, was auf der persönlichen Ebene abläuft. Diese Dimension liegt quer zu abstrakten Plänen und Aktionsprogrammen und Modellförderungen. Sie ist viel heterogener, individueller – aber letztendlich auch ein entscheidender Gelingensfaktor. Dazu passt dann auch die abschließende Bilanzierung der Festrednerin bei der Preisverleihung des „Berliner Inklusionspreises 2013“:

„Es muss ein Paradigmenwechsel in den Köpfen und Herzen auf allen Seiten stattfinden“, so Ursula Engelen-Kefer in ihrer Festrede.

Wohl wahr und was für ein weiter Weg, der da vor uns liegt.

Von Menschen mit Behinderungen auf einem Arbeitsmarkt mit Hindernissen. Und warum sich viele Unternehmen freikaufen und warum gut gemeint manchmal zum Gegenteil beitragen kann

Der 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Anlässlich dieses Ereignisses sei hier ein Blick auf die Arbeitsmarktlage der Menschen mit einer Behinderung geworfen werden, denn Teilhabe an Arbeit stellt eine ganz zentrale Dimension der Inklusion dar. Und da sieht es nicht wirklich überzeugend aus, denn die Menschen mit einer Behinderung sind überdurchschnittlich betroffen von Arbeitslosigkeit und trotz zahlreicher Fördermöglichkeiten entziehen sich viele Unternehmen der Beteiligung an der Inklusion von Behinderten. Auf der anderen Seite sind wir in diesem Bereich konfrontiert mit Schutzrechten für die Betroffenen, die man durchaus kritisch diskutieren muss angesichts der mit ihnen verbundenen Auswirkungen auf die Teilhabe an Erwerbsarbeit.

Beginnen wir aber in einem ersten Schritt mit einigen trockenen Daten: Nach Angaben der Bundesarbeitsagentur (BA) waren im Oktober 2013 insgesamt 176.357 Menschen mit einer Schwerbehinderung ohne Arbeit. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderung liegt mit 14 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung. Im Jahr 2011 lebten in Deutschland 3,27 Millionen schwerbehinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter. Das waren 230.000 (8 Prozent) mehr als noch 2007. Diese Zahl könnte infolge der demografischen Entwicklung auf geschätzte 3,40 Millionen im Jahr 2021 ansteigen, so eine Prognose der BA. 

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Wenn Inklusion zu einem Überlebenskampf im Rollstuhl mutiert, dann ist das kafkaeske Gehäuse der Bürokratie nicht weit

Trotz Schwerstbehinderung kann Ferdinand Schießl einigermaßen selbstbestimmt leben. Das ist ihm möglich, weil das „Arbeitgeber-Modell“ Menschen mit schwersten Behinderungen, zu denen Ferdinand Schießl gehört,  die Möglichkeit eröffnet, außerhalb von Heimen in eigenen Wohnungen zu leben. Sie können ihre Pfleger als Assistenten anstellen und als deren Arbeitgeber auftreten. Krankenkasse und Kommune finanzieren das Modell. So weit, so gut. Daneben fallen natürlich auch noch andere Kosten an, wie beispielsweise Miete und Heizkosten, dafür gibt es dann die Grundsicherung – und deren Regelwerk. Und hier beginnt ein Problem nicht nur für Ferdinand Schießl, sondern möglicherweise für viele andere Menschen in einer ähnlichen Lage. Denn das Regelwerk der Grundsicherung ist umfangreich und hart. Dazu gehört neben vielen anderen Dingen, dass Grundsicherungsleistungen beziehende Mensch über kein nennenswertes Vermögen verfügen darf. Auf den ersten Blick und besonders aus der Perspektive des Steuerzahlers eine grundsätzlich nachvollziehbare Schutzregelung für die Steuerzahler, die ja die Leistungen finanzieren müssen. Die Betonung liegt hier auf dem Terminus „grundsätzlich“. Was ja andeuten soll – eben nicht immer. Und manchmal gar nicht.

Und hier sind wir wieder bei Ferdinand Schießl angekommen, dessen „Problem“ in dem Artikel „Überlebenskampf im Rollstuhl“ von Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung beschrieben wird. Und hier werden wir auch mit einer Konkretisierung von „Vermögen“ konfrontiert: In Euro ausgedrückt: Mehr als 2.600 Euro sind ein schädliches Vermögen. Denn Ferdinand Schießl zum Beispiel darf auf seinem Girokonto höchstens ebendiese 2.600 Euro haben. Aber warum ist das ein Problem? Seit einigen Jahren haben behinderte Menschen wie Ferdinand Schießl einen Rechtsanspruch darauf, ihre Assistenten über ein persönliches Budget zu finanzieren. Schießl hat diesen Rechtsanspruch mit Leben gefüllt und mit der Krankenkasse einen Budgetvertrag ausgehandelt: „Seither bekommt er monatlich einen festen Betrag, über den er seine Pflege finanzieren kann, der Löwenanteil davon kam von der Krankenkasse, der Rest von der Stadt.« So weit, so gut. Und ebenfalls gut ist die Möglichkeit seitens der Krankenkasse, dass Herr Schießl „zweckgebundene Rücklagen“ bilden darf, die erst am Ende der Budget-Laufzeit aufgebraucht sein müssen. Die sind vorgesehen, um Ausfälle wie Krankheit oder Urlaub auffangen zu können. Diese praxisorientierte Regelung kollidiert jetzt mit dem Regelwerk der Grundsicherung, denn die zweckgebundenen Rücklagen, die – wie der Name schon sagt – wohlgemerkt nicht für Kaffee oder andere Dinge des Lebens, sondern nur für die Finanzierung von Assistenzleistungen eingesetzt werden dürfen, wurden dem Herrn Schießl auf sein Girokonto überwiesen, damit er das Geld bedarfsbezogen einsetzen kann – über die Höhe der Gelder auf seinem Girokonto muss er aber dem Grundsicherungsträger genaue Angaben machen, was er dann auch ordnungsgemäß gemacht hat. Und man ahnt schon, was an dieser Stelle passiert.

Durch die Überweisung der wohlgemerkt „zweckgebundenen Rücklagen“ befand sich der Kontostand des Herrn Schießl oberhalb der erwähnten 2.600 Euro und das wertete das Sozialamt als „Vermögen“ – und lehnte den Folgeantrag auf Grundsicherungsleistungen ab. Eine wirklich üble Situation für den Betroffenen, denn er hat jetzt „Vermögen“ auf dem Konto, von dem er sich aber nichts zu essen kaufen darf und keine Grundsicherungsleistungen mehr, weil er ja „Vermögen“ habe, was aber gar keines ist. Wir treten in die kafkaeske Phase ein: Die Stadt verweist darauf, dass ihr die Hände gebunden seien aufgrund der „bundesrechtlichen Vorgaben“, die eben die Grenze von 2.600 Euro in Beton gegossen haben. Und man schiebt nach, der Oberbürgermeister sei betrübt und werde sich über den Deutschen Städtetag bemühen, eine gesetzliche Änderung im fernen Berlin anzustoßen.

Aber der eine oder die andere wird sich jetzt fragen: Sieht denn die Stadt nicht, »dass Schießls vermeintliches Vermögen zweckgebunden ist? Dass er damit nicht kaufen kann, was er will?« Die dementsprechende Nachfrage bei der Stadt seitens der Zeitung brachte die erhellende Auskunft: Herr Schießl verfüge laut Kontostand über ausreichend Mittel für seinen Lebensunterhalt. Was bleibt? Der Betroffene kann nur noch versuchen, die Ablehnung der Grundsicherungsleistungen auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung über das Gericht zu stoppen. Dafür muss er sich einen Anwalt nehmen, auf eigene Kosten. Man wird abwarten müssen, wie diese unglaubliche Geschichte ausgehen wird. Doch die vielen Erfahrungen, mit den kafkaesken Untiefen unserer sozialrechtlichen Regelungswelt stimmen einen nicht optimistisch.

Dabei handelt es sich beim Arbeitgeber-Modell um eines der wenigen wirklich weitreichenden praktischen Instrumente zur Umsetzung von Inklusion in ihrer echten, also radikalen Variante einer Ermöglichung von Teilhabe inmitten der Gesellschaft. Und der Ansatz kann zurückblicken auf eine interessante Entwicklungsgeschichte: Aus einer »Kritik am Hilfesystem (Kampf gegen die Fremdbestimmung) und dem Entwurf und der Verwirklichung von Alternativen entwickelte sich in Deutschland über die Heimkritik das Paradigma der Ambulanten Dienste. Wiederum aus der Kritik an den Ambulanten Diensten entstanden selbstorganisierte Hilfen. Diese führten in der ersten Hälfte der 1980er Jahre zu einem weitgehend gemeinsamen Konzept der Bundesrepublik Deutschland und der USA von Selbstbestimmt Leben und Assistenz,« so Gusti Steiner in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2001 (zitiert aus diesem Beitrag).

Ein Teil der behinderten Menschen, die das Assistenz-Modell in Anspruch nehmen, sind organisiert im Bundesverband Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA). Auf der Website dieses Verbandes findet man auch eine ausführliche Präsentation „Das Arbeitgebermodell in Zeiten des Persönlichen Budgets“ als PDF-Datei, wenn man sich das genauer anschauen möchte.

ForseA weist im Zusammenhang mit dem hier beschriebenen Fall auf eine Petition von Constantin Grosch hin, die man im Netz mit seiner Unterschrift unterstützen kann: „Recht auf Sparen und gleiches Einkommen auch für Menschen mit Behinderungen #2600„.