Die Zügel wieder anziehen: Zurück in das Wartezimmer. Zur Aufhebung der Möglichkeit, Arbeitnehmer mit Atemwegserkrankungen telefonisch arbeitsunfähig zu schreiben

Eine der vielen Maßnahmen zur Bewältigung der für uns alle völlig neuen und schwer einzuschätzenden Corona-Pandemie war neben der vollständigen Ausrichtung der Krankenhäuser auf eine von vielen befürchtete massive Zunahme an (intensiv) behandlungsbedürftigen COVID-19-Patienten der Schutz der Praxen niedergelassener Haus- und Fachärzte vor potenziell bzw. tatsächlich infektiösen Patienten, die für die notwendige Bestätigung ihrer Arbeitsunfähigkeit bei einer Atemwegserkrankung zu ihrem Arzt müssen, der dann nach einer entsprechenden Vorstellung die Krankschreibung vollziehen kann. Um eine mögliche Ansteckung anderer Patienten in den Wartezimmern sowie der Ärzte und ihrer Mitarbeiter in den ohne Zweifel systemrelevanten Praxen zu vermeiden, wurde am 9. März 2020 mitgeteilt: »Ärzte dürfen ab sofort in bestimmten Fällen eine Bescheinigung auf Arbeitsun­fähigkeit (AU) nach ausschließlich telefonischem Kontakt ausstellen. Die AU darf maximal sieben Tage betragen. Darauf haben sich … der GKV-Spitzenverband und die Kassen­ärztliche Bundesvereinigung (KBV) verständigt«, so das Deutsche Ärzteblatt unter der Überschrift AU-Bescheinigung ab sofort telefonisch möglich. »Die Regelung gilt für Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen.« Diese Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) war eine Reaktion auf zuvor vorgetragene Forderungen von Ärzteverbänden, die Zahl der Karenz­tage zu erhöhen, in denen Arbeitnehmer ohne Krankschrei­bung vom Arzt zuhause blei­ben können.

Foto: © G-BA

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Eine gute Tat oder einfach nur obszön? Die „Überlebenslotterie“ von Novartis und die eben nicht nur ökonomischen Dilemmata extrem teurer Medikamente

Die Debatten über das Wirken „der“ Pharmaindustrie bewegen sich üblicherweise zwischen den Polen von Fluch und Segen. Immer wieder wird man dabei mit dem Vorwurf konfrontiert, den pharmazeutischen Unternehmen gehen es nicht nur um Renditen, sondern um „unverschämt“ hohe Gewinne auf Kosten von kranken Menschen bzw. (noch weitaus lukrativer, weil umfassender abgreifbar) von Solidargemeinschaften wie dem Krankenversicherungssystem in unserem Land, von dem auch völlig überzogene Rechnungen beglichen werden müssen, sofern eine Erstattungspflicht des Medikaments nicht verhindert werden kann.

Auf der anderen Seite melden sich die Verteidiger zu Wort und argumentieren, dass nur extreme Renditeaussichten forschende Arzneimittelhersteller dazu bewegen werden, auch in Projekte zu investieren, die mit sehr großen Scheiternsrisiken verbunden sind und/oder die nur einige wenige (potenzielle) Patienten erreichen können, weil es sich um seltene Erkrankungen mit einer entsprechend kleinen Fallzahl handelt. Und besonders herausforderungsvoll wird es dann, wenn man über Medikamente spricht, an die man die Patienten nicht ein Leben lang ketten kann, sondern bei denen im Extremfall eine Behandlung ausreicht.

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Zustimmung bleibt, Widerspruch wird abgelehnt. Anmerkungen zu der im Bundestag gescheiterten Umkehr der Entscheidungsarchitektur bei Organspenden

Das war heute auch für die Parlamentarier im Deutschen Bundestag ein besonderer Tag. Was man beispielsweise daran festmachen kann, dass sie abstimmen durften, ohne dem ansonsten üblichen Fraktionszwang zu unterliegen. Also so, wie es eigentlich im Artikel 38 des Grundgesetzes auch vorgesehen ist, denn dort heißt es im Absatz 1: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Und heute ging es durchaus im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod, um eine existenzielle Frage. Auf der Tagesordnung stand die Frage einer Neuregelung der Organspende in Deutschland. Technisch ausgedrückt ging es um den Vorstoß einiger Abgeordneter, statt der bisherigen Entscheidungsregelung eine Widerspruchsregelung einzuführen. Ganz vereinfacht gesagt musste darüber entschieden werden, ob man nicht mehr wie bislang aktiv seine Bereitschaft zur Organspende erklären und bestenfalls über einen Spenderausweis auch dokumentieren muss, sondern alle erst einmal per definitionem Spender sind – und wenn sie das nicht sein wollen, dann müssen sie dem aktiv widersprechen.

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