Kindergeld: Zugangshürden und Leistungsausschlüsse für EU- und Nicht-EU-Ausländer in Deutschland scheitern vor dem EuGH und vor dem Bundesverfassungsgericht

Nach Österreich hat es nun Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwischt beim Thema Kindergeld. Am 17. Juni 2022 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Solche und andere Kinder in Österreich: Eine Differenzierung der Familienleistungen nach dem Wohnort der Kinder verstößt gegen das EU-Recht. Die damalige österreichische Regierung hatte die Familienleistungen nach dem Wohnort der Kinder „indexiert“, was dazu geführt hat, dass vor allem Familien, deren Kinder in osteuropäischen Ländern leben, weniger Geld bekommen. Das aber verstößt gegen EU-Recht. Der Kern der Entscheidung im österreichischen Fall: »Die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, müssen gemäß der Verordnung also exakt jenen entsprechen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Da die Preisniveauunterschiede, die innerhalb des die Leistungen erbringenden Mitgliedstaats bestehen, nicht berücksichtigt werden, rechtfertigen es die Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe.«

Nun hat es Deutschland „erwischt“. In der für das EuGH bekannten Kürze ist die Mitteilung über das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-411/20 so überschrieben: „Ein Unionsbürger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Aufnahmemitgliedstaat begründet hat, kann nicht deshalb während der ersten drei Monate seines Aufenthalts vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen werden, weil er keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat bezieht.“

mehr

Das Bundesarbeitsgericht zweifelt. Und legt die Kündigung einer Hebamme schon vor Arbeitsantritt aufgrund ihres Kirchenaustritts dem EuGH vor. Die Lösung wäre einfach

Dass die katholische und evangelische Kirche in Deutschland den einbalsamierten Status von faktischen Staatskirchen haben in einem Land, in dem Staat und Kirche angeblich getrennt sein sollen, ist seit Jahren nicht nur mit Blick auf die enormen Zahlungen aus allgemeinen Steuermittel beispielsweise für das Leitungspersonal der Kirchen (mit der Begründung, wegen der Enteignung von Kirchengütern zu napoleonischen Zeiten müsse man auch heute noch Reparationen leisten) in der Kritik, sondern auch und gerade aufgrund der erheblichen Bedeutung der Kirchen bzw. kirchlich gebundener Träger im Sozial- und Gesundheitswesen als ganz großer Arbeitgeber hinsichtlich der weitreichenden Sonderrechte, die seitens der kirchlichen Arbeitgeber (pardon: richtigerweise muss es in der kirchlichen Terminologie „Dienstgeber“ heißen) gegenüber ihren „Dienstnehmern“ ausgeübt werden können – und die beispielsweise den hunderttausenden Beschäftigten in Kitas und Kliniken das elementare Streikrecht vorenthalten. Und immer wieder regt man sich verständlicherweise darüber auf, wenn Beschäftigte aufgrund ihres rein privaten Lebenswandels, der den Kirchenoberen nicht gefällig ist, sogar ihren Job verlieren (zugleich feiert eine abgrundtiefe Doppelmoral hier schon seit vielen Jahren ein fröhliches Fest, denn in zahlreichen anderen Fällen, beispielsweise bei der Besetzung wichtiger Stellen in Kliniken, drückt man beide katholischen Augen ganz feste zu, auch wenn es der Chefarzt ganz wild treibt mit der/den Ehe/n).

mehr

Die Leiharbeit erneut vor dem EuGH. Diesmal geht es um die Frage, was genau ein erforderlicher „Gesamtschutz“ der Leiharbeiter bedeutet. Am Ende doch (nicht) „Equal Pay“?

Die Leiharbeit ist seit langem immer wieder Thema höchst kontroverser Debatten, in denen von einer Hervorhebung ihrer angeblichen Brückenfunktion in „normale“ Beschäftigung oder ihrer (Arbeitgeber-)Funktionalität für die Herstellung „atmender“ Belegschaften bis hin zu einer Kritik als Instrument des Lohndumping und der Verteufelung als eine Ausprägung von modernen Menschenhandel reichen. Hin und wieder geraten dann aber auch die gängigen Typisierungen von „gut“ und „böse“ und die traditionellen Lager durcheinander, wenn man beispielsweise wie in der Pflege feststellen muss, dass Leiharbeiter mehr verdienen können und bessere Arbeitsbedingungen haben und Arbeitgeber auf einmal vehement ein Verbot der Leiharbeit in diesem Bereich von der Politik fordern(vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Aus der mal nicht eindeutigen Welt der Leiharbeit. In der Pflege. Oder: Wenn ausnahmsweise Arbeitgeber vor Leiharbeitern geschützt werden sollen vom 23. Januar 2020).

Nun ist die Leiharbeit in den vergangenen Jahren immer wieder (Re-)Regulierungen unterworfen worden, die dazu geführt haben, dass der Einsatz dieses Instruments für die Entleihunternehmen teilweise deutlich teurer geworden ist (was in der Vergangenheit dann sofort Ausweich- und Umgehungsstrategien hervorgerufen hat, wie beispielsweise die Ausbreitung der Werkverträge, um Kostenvorteile an den Belegschaftsrändern realisieren zu können). Und zu den Regulierungsaspekten mit Blick auf die Leiharbeit gehört auch, dass sie immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung war und ist. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich mehrfach mit dieser Beschäftigungsform befassen, insbesondere mit der Auslegung von „unbestimmten Rechtsbegriffen“.

mehr