Jenseits des „Wickelvolontariats“ für Väter? Zehn Jahre Elterngeld und ein notwendiger Blick auf die Vorgängerleistungen Erziehungsgeld und Mutterschaftsurlaubsgeld

Das Jahresende ist ja allgemein die Zeit der Rückblicke und Bilanzierungen. Hinsichtlich des Elterngeldes bietet sich das vor allem deshalb an, weil diese Leistung am 1. Januar 2007 eingeführt wurde, mithin also zehn Jahre überblickt werden können.
Geregelt ist das Elterngeld im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Um den gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel, der mit der Einführung des Elterngelds verbunden war, verstehen zu können, muss man an dieser Stelle auf die Situation vor dem Jahr 2007 schauen. Bis dahin gab es das sogenannte Erziehungsgeld. Das war 1986 von der damaligen Koalition unter Helmut Kohl (CDU) eingeführt worden – und hatte eine interessante andere Leistung abgelöst, die vielen heute gar nicht mehr bekannt ist: das Mutterschaftsurlaubsgeld, das 1979 von der SPD/FDP-Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) in die Welt gesetzt worden ist. Mit dem ausdrücklichen Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, denn diese Leistung wurde ausschließlich an vorher abhängig beschäftigte Mütter ausgereicht, 750 DM pro Monat bis zu sechs Monate lang, in dieser Zeit gab es dann ein verlängertes Kündigungsverbot und die Mütter waren beitragsfrei in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abgesichert. 1984 wurde der Leistungsbetrag dann auf 510 DM pro Monat abgesenkt. Aus Spargründen. Das Mutterschaftsurlaubsgeld wurde aus zwei Richtungen kritisiert. Zum einen, da Väter keinen Anspruch auf eine entsprechende Leistung hatten. Zum anderen kritisierte etwa 1985 der damalige Familienminister Heiner Geißler „das ungerechte Zweiklassenrecht des Mutterschaftsurlaubsgeldes, das nur eine in einem abhängigen Erwerbsberuf tätige Mutter erhält“. Vor dem Hintergrund dieser Kritiklinie versteht man dann auch die Intention des 1986 ins Leben gerufenen Erziehungsgeldes besser.

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Väter beziehen immer häufiger, aber auch immer kürzer Elterngeld

Das Elterngeld in Deutschland nach dem  Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz von 2007 ist eine Transferzahlung für Eltern, die wegen der Betreuung eines Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sind oder ihre Erwerbstätigkeit für die Betreuung ihres Kindes unterbrechen. Im Gegensatz zum früheren Erziehungsgeld ist das Elterngeld für Kinder, die ab dem 1.1.2007 geboren worden sind, als Lohnersatzleistung ausgestaltet, es wird mithin also in Abhängigkeit vom Erwerbseinkommen, das vor der Geburt des Kindes bezogen wurde, in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt. Man kann es auch anders ausdrücken: Das Kind eines Akademikers mit hohem Einkommen ist im Elterngeld „mehr wert“ als das einer Verkäuferin oder einer vor der Geburt nicht erwerbstätigen Mutter. Für die gibt es einen Sockelbetrag von 300 Euro,  sie bekommen Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages als Sozialleistung. Was aber auch bedeutet, dass es als „vorrangige“ Sozialleistung bei den Hartz IV-Empfängern als Einkommen angerechnet und vom Grundsicherungsanspruch abgezogen wird.

Man muss rückblickend sehen: Während das frühere Erziehungsgeld unabhängig von der vorgeburtlichen Einkommenshöhe bis zu 24 Monate in Höhe von 300 Euro monatlich bezogen werden konnte, erhalten Eltern, die vor der Geburt des Kindes arbeitslose oder ohne Einkommen waren, nur noch für 14 Monate den Mindestbetrag von 300 Euro. Für diese Gruppe brachte das Elterngeld eine Verschlechterung mit sich. Die Lohnersatzleistung Elterngeld ist nach oben begrenzt auf maximal  1.800 Euro monatlich.

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Entsetzte Arbeitgeber(funktionäre), wenn Sonntagsreden Wirklichkeit zu werden drohen, zugleich aber auch betriebliche Realitäten eigener Art und Frauen, die sich selbst schädigen

So langsam dringend die ersten Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen an das Licht der Öffentlichkeit. „Union und SPD wollen mehr Teilzeit für Eltern – Arbeitgeber entsetzt„, meldete die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung kurz und knapp. Was wird da geplant?

Eltern sollen einen Anspruch auf Befristung ihres Teilzeitjobs bekommen. Sie hätten also das Recht, auf Wunsch wieder Vollzeit zu arbeiten. Auch die Elternzeit soll flexibler werden. Konkret geht es um einen Rechtsanspruch auf Befristung der Teilzeit für all diejenigen, die für ihre Kinder oder die Pflege von Angehörigen beruflich kürzer treten, der im Teilzeit- und Befristungsgesetz verankert werden soll.

Der zweite Regelungsbereich betrifft die Elternzeit: »Union und SPD wollen auch die 36 Monate Elternzeit flexibler gestalten. Dafür dürfen künftig auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers 24 statt 12 Monate zwischen dem 3. und dem 14. Lebensjahr (bisher 8. Lebensjahr) des Kindes genommen werden.«
Immer wieder wird in den Sonntagsreden über die notwendige familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt gesprochen. Mit den beiden genannten Punkten hat man zwei konkrete Veränderungen der bestehenden Rechtslage, die ganz eindeutig die Flexibilität für die Betroffenen erhöhen würde. Aber wie immer im Leben hat eine Medaille zwei Seiten, und was auf der einen Seite die Flexibilität erhöht, führt natürlich auf der anderen Seite zu entsprechenden Einschränkungen.

Insofern verwundert es nicht, dass der oberste Arbeitgeberfunktionär reflexhaft mit dem Poltern beginnt: Der Präsident des BDA, Dieter Hundt, kritisierte die Pläne von Union und SPD scharf. „Ein befristeter allgemeiner Teilzeitanspruch belastet vor allem kleinere und mittlere Unternehmen mit Bürokratie und trägt Unfrieden in die Belegschaft“, so wird er von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Und weiter: „Wenn Mitarbeiter immer wieder den Ausfall von Arbeitszeit durch Mehrarbeit ausgleichen müssen, beeinträchtigt dies den Betriebsfrieden. Die Planbarkeit der eigenen Arbeitszeit wird für die nicht in Teilzeit arbeitenden Arbeitnehmer erschwert. Das schafft Konfliktpotenzial innerhalb der Belegschaft und erschwert die Personalplanung in vielen Betrieben“, so Hundt. Schon der heute bestehende Teilzeitanspruch stelle die Unternehmen vor erhebliche Probleme. „Vielfach wird er genutzt, um eine spezielle Verteilung der Arbeitszeit wie etwa die Beschränkung der Tätigkeit auf einige Wochentage oder auf einige Stunden am Vormittag durchzusetzen“, so der Arbeitgeber-Präsident.

Wenn der Arbeitgeber-Funktionär davon spricht, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen bereits heute von den Regelungen in Teilzeit-und Befristungsgesetz belastet sein, was sich dann noch verstärken würde, wenn die neue Regelung greift, dann sollte er doch wissen, dass der Rechtsanspruch auf eine Teilzeitarbeit erst in Unternehmen gilt, die mehr als 15 Beschäftigte haben, mithin die kleinen Betriebe gar nicht betroffen sind. Aber man kann das ja mal so rausposaunen.

Und wir sollten an dieser Stelle auch einmal einen Blick darauf werfen, warum denn überwiegend „natürlich“ Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren: In der Mehrheit der Fälle passiert dies nicht, um die eigene Freizeit zu maximieren, sondern weil die Betroffenen Erziehungs- oder Pflegeaufgaben zu tragen haben, die es ihnen nicht ermöglichen, einer vollzeitigen Beschäftigung nachgehen zu können. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, auf den Gerhard Schröder im Deutschlandfunk in seinem Kommentar „Für ein familiengerechtes Betriebsklima“ hinweist:

»Viele allerdings zahlen dafür einen hohen Preis. Denn Teilzeit ist nicht selten mit Karriereknick und schwindenden Aufstiegschancen verbunden. Wer seine Arbeitszeit reduziert, manövriert sich schnell ins Abseits, verdient weniger Geld und bekommt im Alter auch eine geringere Rente. Und das häufig gegen den eigenen Willen.
Viele Frauen – denn über 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind weiblich – können ein Lied davon singen. Einmal Teilzeit, immer Teilzeit – so lautet noch immer die reichlich überholte Devise in vielen Betrieben. So einfach es inzwischen ist, die Arbeitszeit herunter zu fahren, um sich den Kindern oder zu pflegenden Angehörigen zu widmen, so schwierig ist es für viele immer noch, anschließend auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Teilzeit als Sackgasse in die Armut – so war das eigentlich nicht gedacht.«

So richtig und wichtig die Herausarbeitung der negativen Aspekte für die teilzeitarbeitenden Betroffenen ist: Natürlich gibt es daneben auch eine betriebliche Binnenrationalität, die man durchaus auch verstehen muss, wenn sie dem Anliegen einer weiteren Flexibilisierung skeptisch gegenübersteht. Der Arbeitgeber-Präsident hat dies mit seinem – allerdings unnötig übertriebenen – Hinweis auf einen „Unfrieden in den Belegschaften“ adressiert. Denn natürlich muss es so sein, dass wenn Beschäftigte, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, ihre Arbeitszeit nicht nur reduzieren dürfen, sondern unter dem Dach der Familienfreundlichkeit und verständlicherweise aus ihrer Position heraus familienfreundliche Arbeitszeiten fordern, was aber bedeutet, dass ganze Zeitblöcke von ihnen eben nicht abgedeckt werden können, dann muss es im Ergebnis dazu kommen, dass beispielsweise kinderlose Arbeitnehmer ein ungünstigeres Zeitkorsett zugewiesen bekommen oder aber auch immer wieder einspringen müssen, wenn beispielsweise durch die Krankheit eines Kindes Ausfallzeiten bei einer Mitarbeiterin und in selteneren Fällen bei einem Mitarbeiter ausgelöst werden. Je nach Ausprägungsgrad kann das durchaus dazu führen, dass sich innerhalb der Belegschaft Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen aufbauen, da sich die nicht Teilzeit arbeitenden Beschäftigten möglicherweise benachteiligt fühlen. Und natürlich ist es aus der Perspektive des Arbeitgebers auch so, dass es betriebswirtschaftlich verständlich zuweilen mehr als anstrengend ist, die im Ergebnis oft deutlich eingeschränkte Einsetzbarkeit der mit Erziehungs- und Pflegeaufgaben belasteten Teilzeitbeschäftigten in der Personalplanung befriedigend abbilden zu können, was besonders in Unternehmen zu einem Problem werden kann, die unter erheblichem Termindruck arbeiten müssen und wo es aufgrund der Größe und/oder der personengebundenen Tätigkeiten deutlich weniger Ausweichoptionen gibt.

Letztendlich sind wir hier konfrontiert mit einem nicht auflösbarem Dilemma zwischen den betriebswirtschaftlichen Ansprüchen des Unternehmens und der außerhalb der Unternehmenssphäre angesiedelten Interessen der Arbeitnehmer. Insofern kann jede Regelung nur einen Kompromiss darstellen zwischen diesen beiden auseinanderlaufenden Zielen.

Und wie immer ist es so, das ist ja nicht „die“ Unternehmen gibt, sondern das Spektrum ist hier genauso weit und bunt wie innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Bereits heute gibt es nicht wenige Unternehmen, die aus eigenem, wohlverstandenen Interesse ihren Fachkräften möglichst interessante Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie machen. Und viele andere Unternehmen, die sich bislang in diesen Bereichen eher durch Untätigkeit oder Passivität ausgezeichnet haben, werden sich vor dem Hintergrund der Alterung der Belegschaften im Zusammenspiel mit der deutlichen Zunahme der Pflegebedürftigkeit in den Familien der Beschäftigten darauf einstellen müssen, dass in den vor uns liegenden Jahren vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu einer großen Herausforderung werden wird, die man dringend positiv gestalten sollte, was aber nicht über Nacht gelingen wird. Das muss in der betrieblichen Praxis eben auch eingeübt werden.

Aber man muss sich bei allen Verbesserungen, die nun offensichtlich geplant sind, darüber bewusst sein, dass ein Grundproblem damit natürlich nicht gelöst wird, möglicherweise wird es sogar potenziert und nicht nur perpetuiert: Gemeint ist hier die überaus asymmetrische Verteilung der Teilzeitinanspruchnahme zwischen den Geschlechtern, um die beschriebenen familialen Aufgaben zu übernehmen. In dem Artikel „Superwoman will nicht mehr“ weist Heide Oestreich auf die besondere frauenpolitische Dimension des Themas hin:

»Nach der Kinderpause erst mal Teilzeit oder Minijob, ein sanfter Wiedereinstieg, das finden die meisten Mütter in Deutschland, insbesondere im Westen, vernünftig. Doch die Kosten dieses Modells unterschätzen sie oft … Die Zahlen sind desillusionierend: Der individuelle Bruttostundenverdienst von Männern zwischen 30 und 40 beschreibt im Laufe der Jahre eine ziemlich steile Kurve nach oben. Die Frauenlöhne dagegen stagnieren in dieser Zeit der Kinderphase und steigen danach nur noch gering … Die Mütter, die eine Weile ausstiegen, holten die Verdienste der kinderlosen Frauen nicht wieder ein. Mütter, die drei Jahre zuhause bleiben und dann drei Jahre Teilzeit arbeiten, verlieren Geld im Wert einer kleinen Eigentumswohnung: durchschnittlich 200.000 Euro.«

„Das sehen viele Frauen nicht“, so wird Christina Boll vom Hamburger Institut für Weltwirtschaft zitiert. „Sie denken kurzfristig an den Haushalt und nicht langfristig an sich.“