Kein Zurück mehr in die alte Zeit. Zur Entwicklung der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge

In diesen Zeiten ist man dankbar, wenn uns überhaupt irgendwelche positiv daherkommenden Meldungen erreichen – und wenn die dann auch noch aus dem so bedeutsamen Bereich der Berufsausbildung kommen, dann hat man (scheinbar) doppelt Grund zur Freude. Dazu diese Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 12. April 2023: Duale Berufsausbildung: Zahl neuer Ausbildungsverträge im Jahr 2022 leicht gestiegen, so ist die überschrieben. Der Berufsskeptiker wird bei der Formulierung der Überschrift hellhörig, denn da ist von einem „leichten“ Anstieg im vergangenen Jahr die Rede. Die immer sehr korrekten Bundesstatistiker verstärken die angedeutete Skepsis sogleich mit einer zentralen Aussage direkt unter dem Titel: »Zahl neuer Ausbildungsverträge steigt im zweiten Jahr in Folge, erholt sich aber weiterhin nur langsam vom starken Einbruch im Corona-Jahr 2020.« Und weiter kann man der Mitteilung entnehmen: »Im Jahr 2022 haben 468.900 Personen in Deutschland einen neuen Ausbildungsvertrag in der dualen Berufsausbildung abgeschlossen. Das waren nach vorläufigen Ergebnissen… 0,6 % mehr als im Vorjahr (2021: 466.200 Neuverträge). Damit stieg die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach dem starken Einbruch im Corona-Jahr 2020 … im zweiten Jahr in Folge leicht an.« Allerdings wird sofort eingeschränkt: »Allerdings war die Zahl neuer Ausbildungsverträge um 8 % geringer als im Jahr 2019 und lag damit weiterhin deutlich niedriger als vor der Corona-Pandemie (2019: 510.900 Neuverträge).«

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund einmal die längerfristige Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge an:

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Die duale Berufsausbildung in der Schieflage. Von unbesetzten Ausbildungsstellen, unversorgten Bewerbern und einer schweren Hypothek für die Post-Boomer-Zeiten

Eigentlich ist die duale Berufsausbildung in Deutschland das Rückgrat des Ausbildungssystems in unserem Land – neben der fachschulischen und der hochschulischen Ausbildung. Nun wird bereits seit vielen Jahren davon gesprochen und darüber geschrieben, dass die betriebliche Berufsausbildung einen gekrümmten Rücken hat. Während in den zurückliegenden Jahren die hochschulische Säule stark zugelegt hat (was sich dann in einer Debatte niedergeschlagen hat, in der diese Entwicklung von Skeptikern und Kritikern als „Akademisierungswahn“ verunglimpft wurde), musste man mit Blick auf die duale Berufsausbildung einen fundamentalen und auch demografiebedingten Wandel von „zu viel“ nach „zu wenig“ zur Kenntnis nehmen. In der Vergangenheit gab es – das wird heutzutage allzu oft vergessen – ein „zu viel“ an jungen Menschen, die bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht zum Zuge gekommen sind und denen beispielsweise im „Übergangssystem“ nicht oder nur partiell geholfen werden konnte, die abgetaucht sind in die Welt der un- und angelernten Tätigkeiten, oftmals verbunden oder periodisch unterbrochen durch den Bezug von Transferleistungen, sei es aufstockend oder durch Arbeitslosigkeitsphasen bedingt. Man muss an dieser Stelle auf den Tatbestand hinweisen, dass die Zahl der Ungelernten im Alter von 20 bis 34 Jahren von 1,88 Millionen im Jahr 2014 auf 2,16 Millionen im Jahr 2019 angewachsen ist.

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Berufsausbildung: Gekommen, aber nicht geblieben. Ausbildungsabbrüche und ein Teil ihrer möglichen Folgen

In den vergangenen Wochen und Monaten wurde immer wieder auch über die Folgen der Corona-Pandemie für das sowieso schon seit längerem in einer Schieflage befindliche (duale) Berufsausbildungssystem in Deutschland diskutiert, vor allem angesichts der Verwerfungen im vergangenen ersten Corona-Jahr, in dem wir über alle Berufe hinweg einen Rückgang der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um fast 10 Prozent gesehen haben, in einigen, von den Corona-bedingten Restriktionen besonders betroffenen Berufsfeldern sogar deutlich mehr (vgl. dazu – und den unabhängig von Corona bestehenden Problemen – ausführlicher den Beitrag Noch immer inside Corona: Die Schieflage auf „dem“ Ausbildungsmarkt. Aber nicht nur wegen Corona vom 10. Juli 2021).

Und selbst bei den Ausbildungsverhältnissen, wo Betriebe und zumeist junge Menschen zueinander gefunden und einen entsprechenden Vertrag geschlossen haben, muss man berücksichtigen, dass ein nicht geringer Teil der Auszubildenden das Ende der Fahnenstange, also den Abschluss der Berufsausbildung, nicht erreicht, sondern der Ausbildungsvertrag wird vor dem regulären Ende aufgelöst. Schauen wir also auf die „Ausbildungsabbrecher“.

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