Das Mögliche möglich machen, wenigstens darüber diskutieren und streiten. Kritik am drogenpolitischen Absentismus in Deutschland

Veraltet, realitätsfern, ohne wissenschaftliche Grundlage, so müsse man die deutsche Drogenpolitik charakterisieren. Ein starker Vorwurf, der da im neuen Alternativen Drogen- und Suchtbericht gemacht wird. Es ist nunmehr der dritte Bericht, der hier – nicht nur, aber auch – als Gegenbericht zu den offiziellen Sucht- und Drogenberichten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zu verstehen ist (vgl. den offiziellen Bericht für 2015). Der Präsentation des Drogen- und Suchtberichts 2016 der Bundesregierung, die für den 9. Juni 2016 vorgesehen ist, ist man also ein paar Tage zuvor gekommen, wie auch bei den beiden vorherigen Berichten. Herausgegeben wird der Alternative Drogen- und Suchtbericht, der seit 2014 jährlich erscheint (vgl. den 1. Bericht 2014 und dazu den Beitrag Alternativer Drogen- und Suchtbericht fordert eine neue Strategie in der Drogenpolitik vom 3. Juli 2014 in diesem Blog sowie den 2. Bericht 2015), von diesen Organisationen: akzept Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane DrogenpolitkDeutsche AIDS-Hilfe und JES Bundesverband, wobei JES  für „Junkies, Ehemalige und Substituierte“ steht, ein bundesweites Netzwerk von Gruppen, Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen.

Die Bestandsaufnahme unterscheidet sich nicht von den Vorjahren: »Beim Konsum der Volksdrogen Tabak und Alkohol sei Deutschland Weltspitze. „Bei den illegalisierten Drogen führen Strafverfolgung Konsumierender und ein Mangel an Hilfsangeboten zu immer mehr Drogentoten und drastischen Problemen für Konsumierende und Gesellschaft“, heißt es im Bericht. So führte eine schlechte Qualität der Substanzen und Marginalisierung der Betroffenen zu gesundheitlichen Risiken wie einer Überdosis, außerdem werde die medizinische Versorgung erschwert. Folgeerkrankungen verursachten ebenso wie Strafverfolgung und Inhaftierung enorme Kosten«, so die Zusammenfassung in dem Artikel Verbände fordern neue Drogenpolitik.

Aber in der deutschen Drogenpolitik herrsche Stillstand, so der Vorwurf der Herausgeber: „Während sich global ein Paradigmenwechsel vollzieht, lehnt die Bundesregierung selbst eine Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes ab, obwohl es seine Ziele verfehlt.“

Alina Schadwinkel hat ihren Artikel über den neuen Bericht entsprechend so überschrieben: Drogenpolitik? Eine Katastrophe! Immer mehr Drogentote, verschwendete Milliarden für die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten sowie anhaltend hoher Tabak- und Alkoholkonsum seien die drei wesentlichen Beispiele für das Versagen der Politik.

Nehmen wir den Aspekt immer mehr Drogentote, nachdem es eine Zeit gegeben hat, wo über zurückgehende Zahlen berichtet wurde. In den Jahren 2008 bis 2013 ist die Zahl der Rauschgifttoten gesunken. Dieser positive Trend wurde allerdings 2013 durchbrochen und für 2015 wird nun im Bundeslagebild des Bundeskriminalamts für das vergangene Jahr von einem drastischen Anstieg der Todesfälle berichtet – es sei eine Zunahme um 18,8 Prozent verzeichnet worden, insgesamt habe der illegale Drogenkonsum 1.226 Menschenleben gefordert, so wird in den Medien berichtet (vgl. beispielsweise den Artikel Zahl der Drogentoten steigt merklich). Weitere Beobachtungen: Auch die Zahl der Erstkonsumenten harter Drogen steige (wobei man eine solche Botschaft immer auch kritisch sehen muss, denn sie spiegeln natürlich auch das polizeiliche Verhalten gegenüber Konsumenten, also bei einer „harten“ Verfolgung jeglichen Konsums hat man natürlich auch höhere Zahlen produziert). Heroin und Kokain seien wieder auf dem Vormarsch. Heroin galt seit einigen Jahren als „out“, während das besonders gefährliche Crystal Meth auf dem Vormarsch schien. Auch in diesem Bereich muss man auf die Quelle der statistischen Angaben achten: »Die BKA-Statistik ist eine von zwei offiziellen Zählungen in Deutschland: Auch das statistische Bundesamt erfasst Drogentote, zählt allerdings mit einer anderen Methodik als das BKA. Die Statistiker erfassen die Daten aus Totenscheinen, während das BKA durch Obduktionen und Gewebeproben diagnostizierte Todesfälle erfasst, die von den Landeskriminalämtern zugeliefert werden. Da sich auf dieser Ebene Standards unterscheiden, geht man davon aus, dass die BKA-Schätzungen eher konservativ sind. Tatsächlich fallen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes regelmäßig leicht höher aus.«

Zur Einordnung der Zahlen ist aber auch dieser Hinweis wichtig: Den 1.226 Opfern harter Drogen stehen 110.000 Nikotintote und rund 15.000 Alkoholtote im Jahr gegenüber.
Zurück zu dem Artikel von Schadwinkel: »Tatsächlich sind sich Strafrechtler und Forscher einig: Drogenverbote hätten kaum Wirkung, die Strafen für Drogendelikte seien unverhältnismäßig hoch, kaum abschreckend und überaus kostspielig. Derweil würden andere Risiken heruntergespielt. Eindrückliches Beispiel: Alkohol und Tabak. Sie sind seit Jahrzehnten die beliebtesten Volksdrogen. Dabei verursacht keine Droge so umfangreiche soziale und gesundheitliche Schäden wie Alkohol – eine Tatsache, die kein Wissenschaftler bestreitet. Tabak kommt gleich dahinter. In Deutschland sterben rund 200 Menschen pro Tag an den Folgen alkoholischer Getränke, 300 aufgrund des Zigarettenrauchens oder infolge anderer Tabakprodukte. Dennoch sind diese Drogen legal.«
Die Autoren des Alternativen Drogen- und Suchtberichts plädieren erneut gerade am Beispiel von Cannabis für eine andere Drogenpolitik bzw. man müsste korrekter formulieren für überhaupt eine Drogenpolitik jenseits der einzementierten Verhältnisse. Der Einleitung kann man entnehmen:

»Beispiel Cannabis: Hier tut sich was. Langsam aber sicher setzt sich die Einsicht durch, dass Strafverfolgung von Konsumierenden zwar einen unvorstellbaren Aufwand erforderlich macht und jährlich Ausgaben in Milliardenhöhe verursacht, zugleich aber nichts, aber auch wirklich gar nichts zur Lösung des Problems beiträgt. Nur zur Bundesregierung und ihrer Drogenbeauftragten sind diese Entwicklungen noch nicht vorgedrungen. Im Drogen- und Suchtbericht 2015 findet sich dazu: nichts. Eine durchaus wirkmächtige „Drogenpolitik von unten“, die sinnvolle Veränderungen anmahnt und teilweise bereits ins Werk setzt, soll von höchster Stelle offenbar so lange wie möglich ignoriert werden.
Dabei wird nicht nur in Deutschland, sondern weltweit darüber diskutiert, wie sich Vertrieb und Konsum von Cannabis besser kontrollieren ließen als über wirkungs- lose Verbote. Kanada hat gerade die Legalisierung von Cannabis beschlossen. In den USA haben bereits einige Staaten (Washington, Colorado, Alaska, Oregon) Cannabis legalisiert oder sind auf dem Weg, die Prohibition zu beenden … Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass die Forderung nach gesetzlich kontrollierter Abgabe nicht mehr aufzuhalten ist. Selbst diejenigen Experten, die von Regierungsparteien regelmäßig als Kronzeugen des Status quo aufgerufen werden, wollen weitergehende Regelungen zur Straffreiheit für Cannabis Konsumierende. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch bei anderen Substanzen: Der Krieg gegen Drogen gilt längst als gescheitert, die Suche nach neuen Wegen hat begonnen und Erfolge in Ländern wie Portugal, das den Besitz kleiner Mengen bei allen illegalen Drogen nicht mehr bestraft, taugen als Vorbild.«

Die Herausgeber des Alternativen Drogen- und Suchtberichts fordern vor diesem Hintergrund:
  • eine wissenschaftlich fundierte Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes,
  • staatlich kontrollierte Abgabe von bisher illegalen Substanzen (bei Cannabis z.B. über autorisierte Geschäfte, bei Heroin über das Medizinsystem), als erster Schritt Straffreiheit beim Besitz von geringen Mengen,
  • flächendeckende Einführung lebensrettender Maßnahmen wie Drogenkonsumräume und die Verfügbarkeit des Notfallmedikaments Naloxon sowie Druck-Checking und Spritzenvergabe in Haft.
„Es geht nicht um eine generelle Drogenfreigabe, sondern darum, mehr Kontrolle zu erlangen und Schäden zu reduzieren. Die Politik muss endlich das Mögliche möglich machen!“, so Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Science. Das wird unterstützt von Bernd Werse vom Centre for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt:„Eine staatliche regulierte Abgabe von Cannabis kann Verbraucher- und Jugendschutz sehr viel besser gerecht werden als ein krimineller Markt außer Kontrolle. Milliarden Euro Steuergelder werden jährlich sinnlos für Strafverfolgung verbrannt. Dieses Geld könnte wesentlich sinnvoller für Prävention und Drogenhilfe eingesetzt werden!“

Und Ulf Hentschke-Kristal, Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe hebt hervor: „Die Strafverfolgung heroinabhängiger Menschen ist aberwitzig. In Haft besteht ein dramatisch höheres HIV- und Hepatitisrisiko. Mit einfachen Maßnahmen ohne Risiken und Nebenwirkungen könnten stattdessen zahlreiche Menschen gerettet werden. Darauf zu verzichten, kann man nur als unterlassene Hilfeleistung bezeichnen.“

Und Marco Jesse vom Bundesverband JES („Junkies, Ehemalige und Substituierte“) wird mit diesen Worten zitiert: Marco Jesse vom Bundesverband JES („Junkies, Ehemalige und Substituierte“): „Das Festhalten an einem überholten Abstinenz-Paradigma hilft niemandem. Der Konsum illegalisierter Substanzen findet sich auf allen Gesellschaftsebenen und in unterschiedlichster Ausprägung. Die aktuelle Drogenpolitik ermöglicht jedoch keine Unterscheidung zwischen Genusskonsumenten und abhängigen Menschen. Die Kriminalisierung von Konsumenten fördert einzig Stigmatisierung und Ausgrenzung. 
Auch aus der Strafverfolgung und den Reihen der Polizei gibt es Schützenhilfe für eine Infragestellung des Status-Quo (bereits vor einiger Zeit wurde eine Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und –professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages – Notwendigkeit der Überprüfung der Wirksamkeit des Betäubungsmittelgesetzes – von 123 Rechtsgelehrten unterschrieben mit der klaren Aussage: Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch):
André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter: „Das Strafrecht ist bei Drogenkonsum nicht das geeignete Instrument. Es bedarf einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den zahlreichen offenen Fragen und einer breiten gesellschaftlichen Diskussion. Ein ,Weiter wie bisher‘ ist ganz sicher nicht der zielführende Weg.“
Der auch aus den Medien bekannte Jugendrichter Andreas Müller aus Bernau bei Berlin führt aus: „Die Prohibition hat in den vergangenen vier Jahrzehnten weit über eine halbe Million überwiegend junge Menschen wegen Cannabis in den Strafvollzug gebracht. Jugendliche weichen teilweise auf so genannte Legal Highs aus, nicht selten mit tödlichen Folgen. Polizei und Justiz führen jährlich rund 150.000 Ermittlungsverfahren durch – überwiegend für den Papierkorb. Es ist höchste Zeit, die sinnlose, kostenintensive und gefährliche Prohibitionspolitik zu beenden.“

Und Hubert Wimber, ehemaliger Polizeipräsident von Münster und Vorsitzender von LEAP Deutschland („Law Enforcement against Prohibition“) wird mit diesen Worten zitiert: „Nicht Kriminelle, sondern ganz überwiegend Konsumenten werden zu Beschuldigten, obwohl sie niemandem schaden – außer in manchen Fällen sich selbst, was nach unserer Rechtsordnung nicht strafbar ist. Die Strafbarkeit des Drogenkonsums ist auch ein durch nichts gerechtfertigter Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Drogenkonsum ist ein Politikfeld der Gesundheitspolitik und nicht der Kriminalpolitik.“
Man kann nur hoffen, dass dieser vielstimmige Chor endlich auf die notwendige Resonanz im politischen Raum stößt. 

Pathways to drug policies that work. A new groundbreaking report

The Global Commission on Drug Policy launched yet another groundbreaking report calling for the end of the war on drugs and for the experimentation of legally regulated markets.

A new and improved global drug control regime is needed that better protects the health and safety of individuals and communities around the world. Harsh measures grounded in repressive ideologies must be replaced by more humane and effective policies shaped by scientific evidence, public health principles and human rights standards. This is the only way to simultaneously reduce drug-related death, disease and suffering and the violence, crime, corruption and illicit markets associated with ineffective prohibitionist policies.

The Global Commission on Drug Policy proposes five pathways to improve the global drug policy regime. After putting people ́s health and safety at the center of the picture, governments are urged to ensure access to essential medicines and pain control. The Commissioners call for an end to the criminalization and incarceration of users together with targeted prevention, harm reduction and treatment strategies for dependent users.

In order to reduce drug related harms and undermine the power and profits of organized crime, the Commission recommends that governments regulate drug markets and adapt their enforcement strategies to target the most violent and disruptive criminal groups rather than punish low level players.

The obstacles to drug policy reform are both daunting and diverse. Powerful and established drug control bureaucracies, both national and international, staunchly defend status quo policies. They seldom question whether their involvement and tactics in enforcing drug policy are doing more harm than good. Meanwhile, there is often a tendency to sensationalize each new “drug scare” in the media. And politicians regularly subscribe to the appealing rhetoric of “zero tolerance” and creating “drug free” societies rather than pursuing an informed approach based on evidence of what works. Popular associations of illicit drugs with ethnic and racial minorities stir fear and inspire harsh legislation. And enlightened reform advocates are routinely attacked as “soft on crime” or even “pro-drug.”

Key pathways to drug policies that work:

1. Put people’s health and safety first
2. Ensure access to essential medicines and pain control
3. End the criminalization and incarceration of people who use drugs
4. Refocus enforcement responses to drug trafficking and organized crime
5. Regulate drug markets to put governments in control

The full report:

Global Commission on Drug Policy: Taking Control: Pathways to Drug Policies That Work, September 2014

Was haben Manager, Hausfrauen und Studenten gemeinsam? Richtig, sie alle machen es. Angeblich. Laut einer neuen Studie

Sie nehmen Drogen. Gemeint ist hier nicht der Wein am Abend oder der Rettungsschirm des Steueraufkommens, also die Zigarette. Die Rede ist von Chrystal Meth. Im Fernsehen jagt ein Bericht den anderen, in dem von Panikmache bis hin zu seriöser Aufklärung über die Gefahren alles dabei ist. „Crystal Meth – Vormarsch einer tödlichen Droge„, so beispielsweise einer dieser Beiträge.
Eine neue Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zeigt, dass Konsumenten von Stimulanzien wie Amphetamin („Speed“) oder Methamphetamin („Crystal Meth“) von sehr unterschiedlichen Gruppen konsumiert werden. Karin Truscheit berichtet in ihrem Artikel „Ein Gift für alle Lebenslagen„: »Knapp 400 Konsumenten wurden von Mitarbeitern des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung an der Universität Hamburg unter anderem zu ihren Lebensumständen, ihren Konsumgewohnheiten und ihrem ersten Kontakt zu Rauschgiften befragt. Zwar seien die Aussagen zurückhaltend zu interpretieren, da die Untersuchung keine repräsentative Befragung sei.«

Die unkonventionelle Studie basiert im Wesentlichen auf direkten Gesprächen in Drogenkliniken, Suchtberatungsstellen oder auf Befragungen über Internetforen.

Die Wissenschaftler versuchen eine Typisierung der Konsumentenlandschaft:

»Manche konsumierten nur in der Freizeit, manche für bessere Leistungen in Schule, Ausbildung oder Beruf. Andere hingegen, um mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen besser umgehen zu können. Einige Konsumenten kamen auch aus der „schwulen Party-Szene“, manche hatten Kinder, wieder andere zeigten besonders „riskante Konsumgewohnheiten“. Gründe für den Konsum wie „Erreichen einer Deadline“ oder „viel Arbeit (freelancing) ohne Leistungstief zu erledigen“ wurden von Befragten aus der Gruppe „Beruf“ angegeben. Hier sei auffällig, dass Angaben zu „Crystal“ tendenziell häufiger im Zusammenhang mit schwerer körperlicher Arbeit gemacht wurden, sie kamen also eher von Handwerkern. So gab ein Konsument zu Protokoll, auch „Crystal“ genommen zu haben, „um Leistung zu steigern, besonders im Beruf im Trockenbau und als Küchenhelfer, das war ziemlich anstrengend“ … „Speed“ nannten hingegen tendenziell eher Personen mit kreativen Berufen oder Bürotätigkeiten … Viele Konsumenten sagten, die Rauschgifte für exzessives Tanzen und „Partymachen“ zu brauchen …«

Den Link von Crystal und Speed zur Arbeitswelt verfolgen Corinna Budras und Nadine Bös in ihrem Artikel „Kollegen auf dem Crystal-Trip„:

»Noch immer ist allerdings Cannabis die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge. 4,5 Prozent der Erwachsenen haben diese Substanz im vergangenen Jahr konsumiert, wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung im November berichtete. Danach sind Kokain mit 0,8 Prozent und Amphetamine wie Speed mit 0,7 Prozent am weitesten verbreitet. Konkrete Zahlen über den Konsum von Crystal liegen noch nicht vor, aber schon die Nachricht über den gedankenlosen Einsatz im Büro oder „auf Montage“ ist alarmierend. Denn die synthetische Droge gehört zum Härtesten, was der Markt derzeit zu bieten hat.«

Burdas und Bös führen mit Blick auf den Konsum von Chrystal Meth weiter aus:

»Puls, Blutdruck und Körpertemperatur steigen an, die Pupillen sind erweitert. Die Droge löst Euphorie und ein gesteigertes Selbstbewusstsein aus, vor allem aber erhöht sie die Aufmerksamkeit und steigert die Leistungsfähigkeit. Von Schmerz keine Spur.
Das kann man im Job gut gebrauchen, was die Hälfte der Befragten in der ZIS-Studie auch als einen Grund nennt, Crystal Meth zu schniefen oder zu rauchen. Nur so gelingt es manchen, überhaupt noch den gesteigerten Anforderungen im Arbeitsleben gerecht zu werden, für Selbständige bedeutet ein solcher Zuwachs an Leistungsfähigkeit sogar bares Geld.«

Mit Blick auf unsere Arbeitswelt ist dieser Befund interessant: Die bisherigen Klischees über Konsumenten von Drogen kann man getrost über Bord werfen. »Auch der Handwerksmeister im vorgerückten Alter greift zur Leistungssteigerung auch schon mal zu Crystal Meth«, so wird einer der Studienautoren zitiert. Die Studie behauptet eine erkennbare Tendenz: »Wer stark körperlich tätig ist, greift eher zu Crystal Meth. Menschen, die monotone, langweilige Bürotätigkeit zu erledigen haben, etwa über Nacht stundenlange Korrekturen übertragen müssen, versuchen sich die Arbeit dagegen eher mit Speed erträglich zu machen.«

Vor dem Hintergrund der erheblichen Heterogenität der Konsumenten hört sich die Stellungnahme der neuen Drogenbeauftragten passend an: „Wir brauchen vielfältige, zielgruppenspezifische Maßnahmen, um den einzelnen Gruppen gerecht werden zu können“, sagte Marlene Mortler.

Das war dann die Sonntagsrede, zumindest muss man das so einordnen, wenn man auf der anderen Seite das hier zur Kenntnis nehmen muss: „Modellprojekte gegen Heroin und Crystal Meth vor dem Aus„, so ein Artikel von Heike Haarhoff in der taz. Schauen wir uns also die Realitäten jenseits der Sonntagsreden an: »Die Sucht- und Drogenpolitik der Bundesregierung wird Opfer der Haushaltskonsolidierung: Um 500.000 Euro will die Koalition in diesem Jahr die Ausgaben für Modellprojekte und Forschung zum Suchtmittelmissbrauch kürzen. 2013 standen hierfür noch 3,4 Millionen Euro zur Verfügung … Sinken sollen zudem die Zuschüsse an Verbände – um 160.000 Euro gegenüber 2013 auf künftig 840.000 Euro. Aufgestockt werden bloß die Mittel für Aufklärung: um 300.000 Euro auf künftig 7,5 Millionen Euro.«
Nun wird der eine oder die andere sagen – das sind doch überschaubare Beträge. Also ein Versuch der Einordnung:

»Was in absoluten Zahlen nach geringen Summen klingt, trifft Forscher und Projekte empfindlich. Denn insgesamt stehen für die Drogenpolitik nur noch 11,2 Millionen Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: 2010, kurz nach dem Start der damaligen schwarz-gelben Regierung, waren es noch 13,4 Millionen Euro. Projekte und Studien, etwa zu Alkohol-, Crystal- oder Heroinmissbrauch, sind bedroht. Denn die Bundesmittel sind für sie die einzige Finanzierungsmöglichkeit. In den Ländern existieren keine vergleichbaren Töpfe.«

In keinem Bereich werde so stark gekürzt wie in der Drogenprävention, so die Kritik der Grünen. Und nicht nur mit Blick auf die Gelder für Projekte: »Der seit Jahresanfang amtierenden Drogenbeauftragten Marlene Mortler (CSU) stehen fünf Mitarbeiter zur Verfügung; ihre Vorgängerin, Mechthild Dyckmans (FDP), hatte neun Beschäftigte.«

Da hat sich jemand rasieren lassen.

Aber das scheint die gute Dame auch nicht besonders zu belasten, ist sie doch zu dem neuen Job gekommen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde:

»Dem agrarpolitischen Fachmedium „top agrar“ verriet die Bundestagsabgeordnete, zugleich Vorsitzende des Arbeitskreises Landwirtschaft der CSU-Landesgruppe, unlängst: „Agrarpolitik bleibt ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit.“ Etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit, so Mortler, werde sie diesem Thema widmen.«

Dann soll sie sich wenigstens für eine Legalisierung des Hanfanbaus in den ländlichen Regionen unseres Landes einsetzen, sie kann das ja als agrarpolitisches „Neuland“ verkaufen. Sinnvoller als die Verschandelung der Kulturlandschaft mit endlosen Rapsfeldern wäre das auf alle Fälle.