Es ist ein bekanntes Muster in den heutigen Zeiten einer von den Zwängen der Aufmerksamkeitsökonomie formatierten Berichterstattung in den Medien: Es passiert etwas, beispielsweise ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts zu einem sozialpolitisch relevanten Sachverhalt wird verkündet und wie eine Flutwelle ergießt sich die Berichterstattung in allen Medien über die Landschaft – um dann kurze Zeit später wie auf einen geheimen Zuruf das Feld zu verlassen und zum nächsten Thema weiterzuziehen. Das führt im Ergebnis dazu, dass natürlich auch die gerade bei komplizierten Sachverhalten notwendige Zeit fehlt, um die mal in gebotener Ruhe und damit verbundener Tiefe zu reflektieren und mögliche Konsequenzen zu durchdenken. Verschärft wird die von nicht wenigen als unbefriedigend wahrgenommene extrem punktuelle Berichterstattung durch den ebenfalls aufmerksamkeitsökonomisch bedingten Anreiz, Aussagen zwangsläufig sehr vereinfachend zuzuspitzen oder zu skandalisieren, in der Hoffnung, damit Klicks und andere reflexhafte Reaktionen bei den Empfängern der Botschaften zu generieren.
Das erleben wir gerade erneut wie in einem Lehrbuch am Beispiel der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen im Hartz IV-System. Nach einer eruptiven Berichterstattung im Anschluss an die Verkündigung der Entscheidung am 5. November 2019 ist die mediale Karawane bereits erneut auf der Straße unterwegs zum nächsten Thema, das an diesem Wochenende die Redaktion beschäftigen wird: Die mehrfach verschobene Einigung (oder Nicht-Einigung?) der GroKo beim Themen- und Minenfeld der sogenannten „Grundrente“ – der Showdown fokussiert (und wird von den Medien mit fokussiert) auf die Frage: Bedürftigkeitsprüfung ja oder nein?