Bildungsforschung: Auf dem Gymnasium abstürzende Einser-Schüler durch einen „falschen Familienhintergrund“ und der potenzielle Segen kleinerer Klassen in der Grundschule

Immer wieder ist das ein Thema: die ausgeprägte soziale Selektivität des deutschen Schulsystems (wobei die Verwendung des Begriffs System und dann noch angesichts des föderalen Flickenteppichs des Singulars ein doppelter Euphemismus ist). Anders ausgedrückt: Gerade in Deutschland hat der familiale Hintergrund der Kinder und Jugendlichen einen sehr großen Stellenwert. Zugespitzt formuliert behaupten einige: Auf das Elternhaus kommt es an – und damit auch: Die Bildungsinstitutionen schaffen es nicht, die unterschiedlichen Startbedingungen auch nur annähernd auszugleichen. Nicht wenige würden sicher so weit gehen zu sagen, dass manche Bildungsinstitutionen sogar die Scherenentwicklung zwischen unten und oben aktiv mit vorantreiben (vgl. dazu auch mit Blick auf das Hochschulsystem den Beitrag Soziale Selektivität der Hochschulen: Beim „Bildungstrichter“ kommen von denen, die oben reinkommen, unten teilweise nur ganz wenige raus. Und man muss sich hier unten als oben denken vom 13. Mai 2018).

Soziale Selektivität der Hochschulen: Beim „Bildungstrichter“ kommen von denen, die oben reinkommen, unten teilweise nur ganz wenige raus. Und man muss sich hier unten als oben denken

Der „Bildungstrichter“ wird seit vielen Jahren immer wieder gerne zur Illustration der Tatsache verwendet, dass der Zugang zu Bildungseinrichtungen, vor allem zu den Hochschulen und der dort stattfindenden akademischen Ausbildung, eben nicht gleichverteilt ist über die jungen Menschen. Vor allem ist der Zugang zu diesen Bildungseinrichtungen eben nicht unabhängig vom Elternhaus, aus dem sie kommen.

Eine der Kernaussagen, die man beispielsweise auf den Seiten des Deutschen Studentenwerks (DSW) finden kann, liest sich so:»Deutschlands Hochschulsystem ist geprägt von starker sozialer Selektivität. Das zeigt der „Bildungstrichter“ aus der 20. Sozialerhebung: Von 100 Akademiker-Kindern studieren 77. Von 100 Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund schaffen hingegen nur 23 den Sprung an die Hochschule.«

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Wenn die Fundamente bröckeln: Für Berufsschulen werden händeringend Lehrkräfte gesucht. Auch vielen Grund- und Förderschulen gehen die Lehrer aus

Die älteren Semester werden sich noch an die 1980er und 1990er Jahren erinnern, als man ein Lehramtsstudium als fast sichere Eintrittskarte in die Arbeitslosigkeit bzw. in die Karriere als Taxifahrer oder Gastwirt etikettiert hat. Aber das waren eben auch Zeiten, in denen man selbst von einer „Ärzteschwemme“ gesprochen hat, weil es zu viele Mediziner gab, die wie viele andere damals auch in langen Warteschlangen auf dem Arbeitsmarkt ihr individuelles Glück suchen bzw. mit viel Ellbogeneinatz erkämpfen mussten. Die geburtenstarken Jahrgänge strömten auf den Ausbildungsmarkt, in die Hochschulen und dann als Absolventen auf den Arbeitsmarkt. Mittlerweile sind die Angehörigen der „Baby Boomer“-Generation über 50 und stellen (noch) die Mehrheit der Beschäftigten in den Betrieben.

Auf dem Arbeitsmarkt hingegen haben sich die Angebots-Nachfrage-Relationen ganz erheblich verschoben, zugunsten vieler Arbeitnehmer (von denen die meisten diesen fundamentalen Wandel der Marktbedingungen noch gar nicht realisiert haben). Auch wenn man äußerst vorsichtig sein sollte bei der Verwendung des Begriffs „Fachkräftemangel“, unter dem Arbeitgeber naturgemäß etwas anderes verstehen als Arbeitnehmer, so lässt sich doch mit Blick in einzelne Bereiche nicht wirklich leugnen, dass wir mit einem teilweise erheblichen Mangel an bestimmten Fachkräften konfrontiert sind. Für viele Menschen wird das derzeit beispielsweise mehr als offensichtlich im Bereich des Handwerks. Dort kann man immer öfter froh sein, wenn man überhaupt an einen Termin kommt – und der hat dann eine Wartezeit wie die bei Orthopäden oder Augenärzten. Bei den Handwerkern gibt es wie immer bei solchen komplexen Themen mehrere Gründe, vor allem das rückläufige Interesse an einer handwerklichen Ausbildung bei den an sich schon weniger werdenden jungen Menschen, aber wir ernten jetzt auch die Früchte des jahrelangen unterlassenen Tuns, also das zu wenig ausgebildet wurde, als es noch viele Bewerber gab. Die fehlen jetzt natürlich vorne und hinten, vor allem angesichts der vielen älteren Handwerker und Facharbeiter, die sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden.

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