Gerichtstage: Das Bundesarbeitsgericht und das, was aus den Untiefen der Arbeitswelt nach oben gehievt wurde. Leiharbeiter bekommen das Mindeste, rumänische Bauarbeiter nichts

Diese Lebensweisheit kennen (fast) alle oder zumindest viele: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Dieser aus der Römerzeit stammende Stoßseufzer wird gern verwendet, um die scheinbare Hilflosigkeit im Umgang mit Recht und Gesetz auf den Punkt zu bringen. Den folgenden Sinnspruch kennen hier sicher deutlich weniger Menschen: „Vor Gericht braucht man drei Säcke, einen mit Papier, einen mit Geld und einen mit Geduld.“ Wobei der letztgenannte Aspekt, also die erforderliche Geduld, vor allem dann notwendig wird in Form eines sehr langen Atems, wenn ein strittiger Sachverhalt bis zur höchsten richterlichen Instanz getrieben wird.

Und dann geht das mal so oder eben anders aus. Nehmen wir als Beispiel das Bundesarbeitsgericht. Die haben zu Gericht gesessen und aus Sicht der Arbeitnehmer zwei ganz unterschiedliche Signal ausgesendet. In einer sehr verkürzten und zuspitzenden Variante geht das so: Leiharbeiter bekommen das Mindeste, was ihnen zusteht, ansonsten erheblich Mehr. Und rumänische Bauarbeiter bekommen Nichts, wenn sie in der Subunternehmerunterwelt gewerkelt haben.

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Wieder einmal ein Paukenschlag aus dem EuGH: Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann

Die Erfassung und Dokumentation der Arbeitszeit ist weniger trivial, als der unbedarfte Beobachter wahrscheinlich glaubt. Man kann das in Deutschland studieren am Beispiel des Mindestlohngesetzes und seiner Kontrolle durch den Zoll. Offensichtlich geht es dabei um die Frage, ob der den Arbeitnehmern zustehende gesetzliche Mindestlohn pro Arbeitsstunde auch zur Auszahlung gekommen ist. In nicht wenigen Fällen geht es aber in Wirklichkeit nicht um die Höhe des Mindestlohnes, sondern um das Problem, dass es sich dabei um ein Stundenlohn handelt – und das bedeutet zwangsläufig, dass die Kontrolleure darauf angewiesen sind, die Arbeitszeiten nachvollziehen zu können. Daraus resultieren nun für manche Branchen und Arbeitgeber ganz erhebliche Probleme, man denke hier an die Gastronomie. Nicht wegen dem Lohn an sich, sondern weil bei den Kontrollen klar werden würde, dass hier regelhaft gegen das Arbeitszeitgesetz mit seinen Schutzgrenzen die tägliche Arbeitszeit betreffend verstoßen wird. Das wurde in der Vergangenheit kaum bis gar nicht überprüft, nun fallen Verstöße dagegen gleichsam als Kollateralschaden der Mindestlohnkontrollen auf – wenn die tatsächliche Arbeitszeit korrekt festgehalten und dokumentiert wurde.

Aber selbst bei den vielen Arbeitgebern, die sich absolut regelkonform verhalten, kann die Dokumentation der Arbeitszeit schwierig werden. Natürlich immer dann, wenn es sich beispielsweise um ortsflexible Arbeitnehmer handelt, also nicht um Beschäftigte, die einstempeln, wenn sie ins Werk oder ins Büro kommen und ausstempeln, wenn sie Feierabend machen. »Über viele Berater, ITler, Versicherungsvertreter weiß niemand, wie viel sie wirklich arbeiten und ob sie ihre Gesundheit gefährden«, so Larissa Holzki in ihrem Artikel unter der Überschrift Kommt die Stechuhr für alle? Und sie weist darauf hin, dass sich das nun ändern könnte, wenn es nach Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht, denn der habe in einem laufenden Verfahren dafür plädiert, diesen Zustand EU-weit zu ändern. Veröffentlicht wurde der Artikel kurz vor der heutigen Bekanntgabe der Entscheidung des EuGH. Und die hat es in sich.

Foto: © Stefan Sell

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Arbeit im Homeoffice zwischen heimeligen Erwartungen und tatsächlichen Fallstricken

Erst vor kurzem wurde wieder einmal mit den Hoffnungen vieler Menschen, wenn man zu Hause arbeiten kann und darf, dann wird das schön, gespielt: Die SPD fordert einen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Hört sich nur im ersten Moment toll an. Unabhängig von den praktischen Umsetzungsschwierigkeiten eines solchen Rechtsanspruchs und den inneren Begrenzungen auf einige ganz bestimmte Jobs (denn beispielsweise die Pflege alter Menschen lässt sich nicht von zu Hause erledigen), muss man sehen, dass diese Forderung, die explizit mit angeblichen Vorteilen für die Frauen und darunter die Mütter kleiner Kinder im Werbeblock verpackt wird, unterm Strich genau die gegenteilige Wirkung entfalten kann. Dazu ausführlicher bereits der Beitrag Homeofficeritis zwischen rosarotem Marketing und einem Desaster gerade für Frauen vom 10. März 2019.

Die dort vorgetragene Skepsis an dem emanzipatorischen Gehalt der Arbeit im Homeoffice wird durch solche Meldungen zusätzlich unterstrichen: Auch Arbeit im Homeoffice kann krank machen: »Arbeitsweg gespart, nebenbei die Wäsche gemacht – zu Hause arbeiten erscheint praktisch. Für Körper und Psyche kann es aber Nachteile haben, besagt eine neue ILO-Studie.«

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