Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen

Die älteren Semester werden sich an die vielen und in der jeweiligen Tagespolitik überaus beliebten haushalterischen Verschiebebahnhöfe zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren und danach erinnern. Ein munteres, kurzfristig die potemkinschen Zahlenfassaden aufhübschendes Hin- und Herschieben, wer denn die Rechnung zu begleichen hat. Am Ende war das volkswirtschaftlich nicht nur ein Nullsummenspiel (recht Tasche, linke Tasche), sondern je nach Dreistigkeit der finanzpolitischen Hütchenspielerei gab es dann auch substanzielle Schäden bei den „schwächeren“ Mitspielern, was in der Regel die Sozialversicherungen waren und sind, die nicht nur mehrere Wackersteine in die Tasche gesteckt bekommen (haben), sondern im Nachgang auch noch gescholten wurden angesichts ihrer hohen Ausgaben, die „der Beitragszahler“ zu stemmen habe, so dass man dort nun aber angesichts der „Belastungsgrenze“ dringend Einsparungen vornehmen müsse.

In diesen Sommertagen des Jahres 2023 werden wir nun erneut Zeugen der Fortschreibung dieser langen und unseligen Traditionslinie. Wenn es nur ein buchungstechnisches Hin- und Herschieben von Zahlen in Exceltabellen wäre – im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben und gleichzeitig wird es im Ergebnis zu einer grotesken Verkomplizierung von sowieso schon komplizierten Strukturen der konkreten Arbeit mit den jungen Menschen kommen, abgesehen von dem damit einhergehenden Abräumen (angeblicher) sozialstaatlicher Grundprinzipien wie „Leistungen aus einer Hand“ und wie die Slogans aus den Sonntagsreden auch immer heißen.

Um was geht es genau?

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Corona-Verlierer auf dem Arbeitsmarkt: Langzeitarbeitslose

Gerade wenn sich überall die Meldungen über die Rückkehr zu einer „Normalität“ der Vor-Krisen-Zeit auf dem Arbeitsmarkt häufen, lohnt ein genauerer Blick hinter die Kulissen, denn bekanntlich gibt es in derart komplexen Systemen wie den heutigen Arbeitsmärkten Nicht-Betroffene von krisenhaften Entwicklungen, Gewinner und eben auch Verlierer, die oftmals, wenn man nur auf großen Zahlen schaut, in der Schattenwelt der Nicht-Beachtung hängen bleiben.

»Gute Nachrichten auf dem Arbeitsmarkt: Das Vorkrisenniveau ist fast wieder erreicht. Die Zahl der Arbeitslosen lag im Januar nur knapp 40.000 über dem Stand von Januar 2020.« In den zurückliegenden zwei Corona-Jahren gab es zwischenzeitlich 600.000 Arbeitslose mehr als zur Zeit vor der Krise. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat aber bereits in der Überschrift Wasser in den Wein gegossen: Arbeitsmarkt: Gewinner und Verlierer der Krise. Zu den Verlierern gehören nicht nur Minijobber und Selbstständige: »Vor allem gibt es deutlich mehr Langzeitarbeitslose als früher. Im vergangenen Monat zählte die Bundesagentur für Arbeit noch 270.000 mehr Langzeitarbeitslose als im Januar 2020.« Auch die Bundesagentur für Arbeit selbst schreibt in ihrem Arbeitsmarktbericht für Januar 2022: »Die Corona-Krise hat zu einer deutlichen Verfestigung der Arbeitslosigkeit geführt. Im Vergleich mit dem Monat vor Einsetzen der Corona-Krise, dem März 2020, hat die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also der Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos waren, um 281.000 oder 40 Prozent auf 990.000 zugenommen. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist in diesem Zeitraum von 30,3 auf 40,2 Prozent gestiegen.«

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Von Österreich lernen? Die Förderung der Weiterbildung durch eine Bildungs(teil)zeit als eines der arbeitsmarktpolitischen Vorhaben der Ampel-Koalition

Seit vielen Jahren wurde und wird von Arbeitsmarktexperten darauf hingewiesen, dass wir deutlich mehr Weiterbildung brauchen, gerade für die „Risikogruppen“ des Arbeitsmarktes, gemessen an deren Risiko, erwerbsarbeitslos zu werden. Von denen rutschen dann zahlreiche Menschen in einen Langzeitbezug ab. Hinzu kommen die vielen, die mit Verweis auf ihre (angeblich) fehlende Qualifikation im Niedriglohnsektor einbetoniert sind. Und viele Jahre lang wurde mit Blick auf die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne eine Fehlstellung der Qualifizierungspoilitik dergestalt beklagt, dass man zwar zahlreiche kurze (und billige) und nicht selten auch mehr als fragwürdige, kontraproduktive Maßnahmen gefördert hat, aber bei den Angeboten, die über einen längeren Zeitraum laufen und die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen (können), permanent auf der Bremse stand.

Vor diesem Hintergrund muss anerkannt werden, dass es im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP gerade hinsichtlich einer besseren Förderung von Weiterbildung zahlreiche Vorhabensbekundungen gibt, die viele Kritikpunkte der vergangenen Jahre aufzugreifen versuchen.

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