„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Gesetzgebung? Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ als ein weiteres Lehrbuchbeispiel

Es ist mehr als offensichtlich, dass bei den meisten Menschen die Akkus leer sind nach nunmehr fast zwei Jahren der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen. Es ist nicht nur die Dauer des Ausnahmezustandes, der sich immer mehr zu einer Normalität eigener Art transformiert, die aber – je nach Typus in aggressiver bis depressiver Ausformung – als solche nicht akzeptiert wird. Es ist nicht nur die Kakophonie der scheinbar ewig gleichen Sendungen und Botschaften, die rund um das Corona-Virus in den öffentlichen Raum transportiert werden. Es ist auch die sich selbst befeuernde Komplexitätszunahme von mehr oder weniger sinnvollen Verhaltensregeln und Vorschriften, deren dann auch noch föderal geboosterte Ausdifferenzierung mittlerweile einen Stand erreicht hat, der ein Bachelor-Studium erforderlich macht, nur um den Überblick über das filigrane Netzwerk an Corona-Verordnungen in der x-ten Version behalten zu können.

Ein Teil der viele Menschen zunehmend verwirrenden Gefechtslage ist die Diskussion über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Angesichts der auch medial transportierten heftigen Widerstände einer Minderheit von „Impfgegnern“ in der Bevölkerung haben die politisch Verantwortlichen kalte Füße bekommen, was die Einführung einer solchen Maßnahme angeht. Vielleicht auch, weil es durchaus berechtigte Anfragen an die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme angeht. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, für einen Teil der Menschen in einem (scheinbar) klar definierten Bereich eine solche Impfpflicht per Gesetz in die Welt zu setzen. Gemeint ist hier die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für das Gesundheits- und Pflegepersonal, die ab dem 15. März 2022 gilt oder sagen wir besser: gelten soll.

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„Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber

»In Frankreich sorgt das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet für Aufregung. Die Zeitung LE MONDE hat vorab Auszüge veröffentlicht, die den schockierenden Alltag in Altenheimen des französischen Konzerns „Orpéa“ anprangern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt«, konnte man bereits am 26. Januar 2022 dieser Meldung entnehmen: Frankreich geschockt über Missstände in Orpea-Altenheimen. »Schon zu Beginn der Corona-Pandemie waren Altenheime – sogenannte EPHAD: Abkürzung für „Établissement d’hébergement pour personnes âgées dépendantes“, auf Deutsch: „Einrichtung zur Unterbringung von abhängigen älteren Menschen“ – wegen der vielen Todesfälle in Verruf geraten. Dem Journalisten geht es aber nicht eine generelle Kritik an den Alten- und Pflegeheimen, sondern um das „Business mit dem Alter“, den das weltweit führende Unternehmen „Orpéa“ offenbar betreibt. Die „Totengräber“, die Castanet vorstellt, sind nicht die kleinen Angestellten, sondern die Entscheidungsträger, für die die alten Menschen lukrativ sind.«

Eine sehr gute Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen in unserem Nachbarland Frankreich rund um Orpea findet man in dem Beitrag Dieser Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich von Niklas Záboji in der FAZ: »Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen: Betreiber Orpea steht massiv in der Kritik. Nach einem heftigem Kurssturz an der Börse fliegt der Chef.« Záboji weist sogleich darauf hin, dass wir den Blick über Frankreich weiten müssen, denn es handelt sich nicht um einen auf insgesamt 350 französische Einrichtungen begrenzten Konzern, sondern um einen der ganz großen Player auf der europäischen Ebene: »Nur ein Teil des Jahresumsatzes von zuletzt rund 4 Milliarden Euro und den knapp 70.000 Mitarbeitern entfällt auf den Heimatmarkt. Zwei Drittel der Aktivitäten finden hingegen im Ausland statt. Orpea zählt rund 1.100 Pflegeeinrichtungen in 23 Ländern, in Deutschland ist es mit 143 Heimen viertgrößter Betreiber.«

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Das lukrative Milliarden-Geschäft mit der Altenpflege, die Private Equity-Investoren, die Frage nach der Qualität und einige Hinweise aus dem Ausland

In diesem Blog wurde immer wieder ein ganz bestimmter Ausschnitt der Anbieter von Pflegeleistungen angesprochen und kritisch beleuchtet: Die Private Equity-Gesellschaften, die große Summen im Gesundheitswesen anlegen (beispielsweise in Medizinische Versorgungszentren) und vor allem in Pflegeeinrichtungen. Und auch an anderer Stelle wird das regelmäßig aufgerufen, so beispielsweise in diesem Beitrag unter der Überschrift Altenpflege ist längst ein Milliardengeschäft von Florian Staeck: »Die Altenpflege ist von Private-Equity-Investoren als lukratives Karussell von Kaufen und Verkaufen entdeckt worden. Die Politik schaut zu, Studien zur Versorgungsforschung fehlen.« Darin findet man dann solche passenden Formulierungen: Vor allem Pflegeimmobilien sind von Finanzinvestoren entdeckt worden. Sie gelten – in der Sprache des Beratungsunternehmens pwc – als „krisenstabile und konjunkturresistente Nutzungsklasse mit zumeist langfristig angelegten Miet- bzw. Pachtverhältnissen“. Und ergänzend der Hinweis auf die zuverlässigen Zahlungsströme: »Pflegerische Dienstleistungen werden aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung, aus dem Vermögen der Pflegebedürftigen und bedarfsweise auch aus Mitteln der Kommunen bezahlt – eine sichere und berechenbare Anlagechance also.«

Wenn man diese Logik konsequent weiter denkt, dann werden auch die Bewohner solcher Einrichtungen eine ganz eigene „Nutzungsklasse“ darstellen, die man „bewirtschaften“ muss. Natürlich kann und muss man an dieser Stelle die Frage aufwerfen, ob das nicht negative Auswirkungen für die Menschen – also für die Bewohner wie auch für die, die unter diesen Bedingungen arbeiten – haben muss.

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